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Buch der Sterne.

Sechzehnte bis neunzehnte Nacht.

Die Geburt Gottes.

Urungeborn, am Anfang war der Eine;
Und im Ur-Einen einzig war das Wort –
Kein Licht und Leben noch, nicht Zeit, nicht Ort! –
Da sprach in Ihm die Stimme: Gott erscheine!

Und siehe da! Ins wesenärmste Kleine,
Wo kaum ein Keim im Mutterschoß gedorrt,
Gebar sich Gott; und webte drinnen fort;
Und regte Gras und wandelnde Gebeine.

Und Gottes Liebe wehte aller Orten,
Entgöttert – göttlicher, in Raum und Zeit! –
So wandelt Gott, der Gottes Sohn geworden,

In aller Menschlichkeiten Pilgerkleid
Zum Licht durch hunderttausend Sternenpforten
Hinaus – hinauf – in goldne Ewigkeit ...

Sechzehnte Nacht.

Geld.

Ev. Matth. 19, 24.

Als die Schlange im Paradiese des Menschen Weib mit Arglist versucht und zum ersten Sündenfall verführt hatte, verfluchte sie Gott der Herr vor allem Vieh und vor allen Tieren auf dem Felde. Und die Schlange zitterte vor Gottes Wort und fürchtete, die Menschen möchten es erfüllen und würden ihr den Kopf zertreten. Darum kroch sie in den Bauch der Erde hinein und vermeinte so dem Fluche Gottes zu entrinnen. Allein der Herr ist überall. Sein Zorn ereilte die Versucherin in der tiefsten Kluft der Berge. Und als Gottes Odem mit winterlichem Eishauch in ihre versteckte Erdhöhle hineinblies, da erstarrte ihr Schlangenleib zur Erzader, und ihr Gift gerann und verwandelte sich in gleißend Gold. Und wunderbar! Von Stund' an suchten die Menschen die lockende Versuchung, und sie gruben nach ihr und zerspellten im Schweiße ihres Angesichtes tagtäglich den schönen güldenen Schlangenleib. Und die eherne Natter stach die Goldgräber in die Ferse, also daß des Menschen Fuß unstet und flüchtig wurde auf Erden. Die Versucherin selbst aber gleißte und glänzte weiter, denn keine Hand vermochte sie zu erschlagen! Jedem Stücke ihres Leibes wuchs ein Kopf wie das Haupt der Hydra, und ein jedes Glied ward zur neuen Schlange. Also ist durch des Menschen Fall die goldene Schlange in die Welt gekommen.

* * *

Wie ich heute abend daheim in meiner Klause saß, in Gedanken über mancherlei Dinge, trat das Schicksal bei mir ein. Die ernste Freundin war mir ferngeblieben seit jener Nacht, da sie mich in das raucherfüllte Dachstübchen zu der toten Mutter und ihren armen kleinen Kindern geführt hatte. Heute lag auf den herben Zügen ihres Angesichtes ein mildes Lächeln, und als mir die Freundin winkte, folgte ich ihr ohne Scheu.

Unser Weg dehnte sich ziemlich weit. Zuletzt gingen wir durch mehrere Gassen im ältesten Viertel und standen schließlich vor einem rauchgeschwärzten großen Hause in altertümlicher Bauart, das mit seinem starken Quaderbau und den wenigen engvergitterten Fensterchen in der Höhe, an ein mittelalterliches Gefängnis oder ein Kastell erinnerte. An der eisernen Pforte, die in den alten Steinkasten hineinführte, stand ein Schilderhäuschen, in dem ein Wachtposten den Schlaf des Gerechten schnarchte. Mitternacht war schon vorüber, als das Schicksal an die Pforte pochte. Es dauerte eine Weile, bis ein alter griesgrämiger Schließer kam und uns öffnete.

Der graubärtige Alte leuchtete uns mit seiner großen, blindscheibigen Laterne ins Gesicht und machte dabei ein Paar Augen, als wenn er uns beide zum Nachtmahl verspeisen wollte. Doch schien er meine Begleiterin und ihre Absichten zu kennen, denn er fragte gar nicht nach unserm Begehr, sondern ließ uns ohne weitere Umstände eintreten und verschloß sorgfältig wieder die Pforte hinter uns. Dann führte er uns, immer voranleuchtend, durch eine Flucht von Gängen und Treppen ziemlich tief hinunter in unterirdische Gewölbe. Fast bange wurde mir in diesen grabfeuchten Mauern, in die kein Sonnen- und Mondstrahl drang, und die bei jedem Schritte in vielfältigem Echo hohl widerhallten.

Am Ende eines langen niederen Ganges, vor einer tief in die Mauer eingelassenen Pforte blieb unser Führer stehen und löste von seinem Schurz ein großes Bund verrosteter Schlüssel. Schwer und ächzend drehten sich nacheinander drei starke Eisenplatten in ihren Angeln, und wir traten in die Nacht eines Gewölbes ein. Der Alte zündete eine Fackel an, die in der Nähe des Eingangs in einem eisernen Wandring steckte, und verabschiedete sich dann. »In einer Stunde komme ich wieder,« sagte er. Mit diesen Worten, den einzigen, deren er uns in der ganzen Zeit gewürdigt hatte, flog auch schon die eiserne Pforte hinter uns krachend ins Schloß. Dann hörten wir die zweite und dritte Türe zuschlagen, und nun standen wir in diesen Grabesmauern ganz allein. –

Eisiges Schweigen floß schauernd um uns, und das qualmende Licht der Fackel vermochte kaum seinen eigenen Dunstkreis zu erhellen. Ich kam mir vor wie ein Lebendigbegrabener, und obwohl ich die Tiefe und Höhe unsrer Gruft in der Finsternis nicht zu ermessen vermochte, fühlte ich doch, wie sich die feuchten Mauern gleich einem Alp auf meine Brust legten.

Endlich kam mir die Sprache zurück. »Wo sind wir?« fragte ich.

Das Schicksal antwortete: »Sei ohne Furcht! Wir befinden uns an einem Orte, an dem die Herzen der meisten Erdenkinder Tänzer würden und fröhliche Götzendiener; denn von diesen Mauern geht die Weltgewalt des Menschen über den Menschen aus.«

»Was meinest du damit?« fragt' ich abermals, »ich verstehe dich nicht!«

»Du müßtest leiser reden, mein Freund,« sprach das Schicksal, »denn du stehst in der Schlafkammer eines Fürsten. Hier ruhet, wenn auch von keiner Drachenbrut behütet, König Mammon und sein alter Nibelungenhort; hier schlummert noch, in goldblanker Prägung, der in Feuers- und Höllenglut ausgeschmolzne Fluch des Goldes, eh' er hinauf zum Licht der Welt gefördert wird!«

»So sind wir in der Schatzkammer der Münze?« fragte ich erstaunt.

»Du hast es erraten.«

In diesem Augenblick erhellte ein flimmernd blauer Lichtstrahl die Weiten des Gewölbes. Es war der liebe Mond, dessen milder Glanz durch einen engen, starkvergitterten Mauerspalt in der Höhe der einen Wand herabfloß. Jetzt erst erblickte ich die gleißenden Schätze, die, gemünzt und in Barren, ringsum in gewaltigen Mauernischen bis hinauf zum Deckengewölbe aufgestapelt lagen. Auf einer großen, eisenbeschlagenen Tafel in der Mitte aber lagen in wüstem Durcheinander Unmengen älterer, längst laufender Geldsorten, die wahrscheinlich für den Schmelzofen zu einem neuen, glanzvollern Weltlaufe bestimmt waren.

Wir hatten uns, ermüdet von der langen Nachtwanderung, gerade auf zwei goldgefüllte Tonnen neben der Tafel niedergelassen, als es von einem entfernten Turme dumpf die erste Stunde schlug. In diesem Augenblick schien auf dem Tische irgendein metallenes Leben zu erwachen. Dann sah ich ganz deutlich, wie sich in den Geldhaufen etwas regte, und bald hört' ich auch ein feines, dünnes Stimmchen flüstern. Nicht ganz so wohlklingend, wie der volltönende Erzklang seiner goldnen Brüder an das Ohr schmeichelte, aber doch im schönen Gleichmaß jede Silbe prägend ...

* * *

Ein Pfennig sprach zu einem blanken Groschen:
Das Leben ist so leidig abgedroschen!
Schon an den Quellen abgeschmackt und schal –
Mir wards wahrhaftig längst zur Lebens- Qual! –
Was ist man? Ein Knecht und heißt eine Macht!
Hat keine Ruh bei Tag, keine Rast bei Nacht;
Man wandert und wandert, von Hand zu Hand,
Herumgeworfen im ganzen Land.
Und was man auf Erden geschaut und erlebte:
Nicht wert wars, daß man am Leben klebte! –
Gott seis geklagt! Wohin man blickt, ist Not,
Und all das Elend um das liebe bißchen Brot!
Da leb' sich einer nicht zum Überdruß! –
Den Menschenkindern, wenn sie mich verstünden,
Möcht' ich in Kupferschrift nur Eines künden
Als meiner Pfennigweisheit letzten Schluß:
Die holde Welt um eine Achse rollt
Der Einbildung – und diese ist das Gold!
Sein Wert, erzeugt im menschlichen Gehirn,
Gilt wahrhaft mehr nicht als ein Fädchen Zwirn.
Drum laßt Euch raten: Fort mit allem Gelde!
Kein Gold – Kartoffeln eßt von eurem Felde! –
Ich sprach. –

Ja, lieber Pfennig, und sprachest weise,
Und mit Erfahrung mancher Lebensreise!
Allein – so sagte der Groschen – mir will doch scheinen,
Daß besagte Dinge sich wohl vereinen:
Erdäpfel sind gut und nützlich zu essen,
Doch giebt es für Gold nicht auch Delikatessen?
Ich lasse in Ehren dein Kupfer gelten,
Nur möcht' ich darum das Gold nicht schelten! –
Drauf wandte der Nickel sich blinzend zum Golde:
Ihr Schwestern, was ich euch fragen wollte –
Ihr hörtet, wie hier der Pfennig sprach
Und den Urteilstab über uns alle brach!
Was meint ihr? Was soll man dazu sagen –?
Der Pfifferling liegt mir schon lange im Magen! –

Die Goldnen rümpften das Näschen der Prägung:
Laß reden den Dummkopf – nicht lohnts der Erwägung!
Das Gold ist den Menschen unentbehrlich,
Und ändern wird das ein Pfennig schwerlich!
Wir sind die beglückenden Herrscher der Welt,
Die mit uns steigt und mit uns fällt.

So mein' ich auch, sprach der Nickel und lachte:
Nein, wirklich, es lohnt nicht, daß man achte
Auf die Weisheit von einem kupfernen Wicht,
Der hier leuchtet mit seinem Pfennigslicht.

Dies Schandwort hatte der Pfennig vernommen
Und ließ es dem Groschen übel bekommen:
Du frecher Nickel, erst putz deinen Rand,
Sonst mach' ich dir klar deinen Fünferlingstand!
Denn was bist du? Nicht mehr als ein Fünfer gedoppelt:
Zwei Nickel zu einem Narrn verkoppelt!

Ei, schrie der Groschen, das find' ich dumm,
Ein solches Wort nehm' ich dir ernstlich krumm!
Daß ich ein Narr bin, das hat mir noch niemand gesagt,
So wahr ich ein Nickel, ergraut und betagt! –

Ein alter Taler lag nicht weit
Und hörte mit an den ganzen Streit,
Gar vieles hatte er schweigend vernommen,
Doch nunmehr hielt er die Zeit für gekommen,
Und wandte sich also zum Pfennig und sprach:
Ich fühle des Nickels Kränkung dir nach;
Allein ich kann nicht mit dir stimmen
Und über das böse Geld ergrimmen.
Vermagst dus, mein Freund, dein Wort zu begründen,
Dann überführe uns unsrer Sünden!

So wie ihn gegossen das Goldene Mainz,
Sprang hoch der Pfennig auf seine Eins:
Des Geldes Gefahren, sie liegen am Tage!
Ein altes Wort schon aus uralter Sage
Vermeldet, es ruhe ein Fluch auf dem Gold
Und nennt es der Sünde gleißenden Sold.
Des Lebens Jammer, wie hat er bestätigt,
Ja tausendfach jenen Fluch betätigt!
Das Gold ist die Schlange, die Gift und Neid
Und Zwietracht unter die Menschen speit;
Und das Ärgste, das je in der Welt getan,
Wars nicht die Saat aus dem Schlangenzahn?

Ich kann dir darin nicht widersprechen
Und will deinen Vorwurf wahrlich nicht schwächen.
Doch zugegeben dies alles und mehr –
Wo kommen der Fluch und die Sünde her?
Wo nistet der Wurm, wo nagen die Schmerzen,
Wenn nicht drinnen im tiefsten Menschenherzen?
Verfluchet zehnfach der Schlange Rat –
Des Menschen Schuld bleibt seine Tat!

So sprach der Taler. Der Pfennig darauf:
Das ist nun einmal des Lebens Lauf!
Der Mensch, für sein Übeltun und Lassen,
Die letzten Gründe sucht er auf den Gassen.
Und oftmals, wie ofte wird er sie finden!
Kann aus der Welt nicht die Lockung verschwinden?
Im Reiche der Zukunft, da giebt es kein Geld,
Und alles ist dort zum Besten bestellt!
Wo nicht Versuchung, da sind nicht Begierden;
Und Gewalten, die stets die Welt regierten
Und schlugen in Bande von glühendem Erz
Das schwache, betörte Menschenherz:
Auf den Feldern der Gleichheit, da werden sie bleichen
Zu Schemen und Schatten, und bald entweichen.

Das müßt' ein herrlicher Zustand sein,
Fürwahr! warf lächelnd der Taler ein.
Die Menschen als Puppen und Marionetten –
Ach, daß wir den Narrenstaat schon hätten!
Nein, guter Pfennig, für solche Tugend,
Da dank' ich gehorsamst deiner Jugend!
Wir Münzen sind leider nicht Fleisch und Blut
Und haben nicht Wahl zwischen Bös und Gut;
Doch soll der Menschheit die Freiheit nicht bleiben,
So heißt das: ihr Fortschritt und Zukunft vertreiben!
Denn wer aus der Welt das Böse schafft,
Der nimmt auch dem Guten den Wert und die Kraft. –
Das glaub mir! ich lernte in vielen Landen;
Und ich hoffe, du hast meine Meinung verstanden!
Was wär' uns das Licht, der Tag ohne Nacht,
Ein Frühling ohne des Winters Macht?!

Ich habe verstanden dich ganz und gar,
Gab der Pfennig zurück. Nur wunderbar,
Wie sehr das Gold du überschätzest,
Auf die Schlange so herrliche Hoffnung setzest!
Denn im Grunde genommen, was ist das Geld?
Der Götze, vor dem die Menschheit fällt –?
Nicht mehr – als ein Wertmesser irdischer Dinge!

Nur das? Dann freilich wär sein Wert geringe!
Nein, Freund, da muß ich doch ernstlich sprechen
Und unsre Ehre retten und rächen!
Das Werkzeug des Schicksals in dieser Welt:
Ein Wertmesser der Menschen ist das Geld!
Der Prüfstein, daran im Menschengeschlechte
Gott scheidet die Herzen, das schlechte und echte!
So sprach der Taler und neigte das Haupt,
Dessen Silber so mancher Sturm bestaubt.

Der Pfennig war still und bedenklich geworden,
Und es schien, als sucht' er nach Gründen und Worten.
Doch endlich, da stellte das rechte sich ein:
Herr Taler, laßt Freundschaft zwischen uns sein!
Ein Wertmesser der Menschen ist das Geld –
Das ist ein Wort, das mir besser gefällt!
An dieses Sprüchlein will ich mich halten
Und mein Pfennigamt künftig nach Kräften verwalten.

Ein Goldstück hatte dies alles vernommen
Und fühlte sich nunmehr gänzlich vollkommen:
Herr Bruder und Taler, mein Kompliment,
Euer Urteil erscheint mir kompetent!
Ihr habt schon so viele Lande gesehen
Und werdet euch auf die Welt verstehen!
Nur sagt mir noch Eines, ich bitt' euch sehr,
Wie denkt ihr von jener Leute Begehr,
Die uns teilen möchten in aller Welt,
Daß jeder soviel wie der andre erhält –?

... Laßt getrost die Welt von Schneidern verscheren –
Wie lange wird die Narrheit währen?
Und wenn jeder das Gold mit Scheffeln rafft –
Ist die Armut dann aus der Welt geschafft?
Was gilt dann das Gold und was der Mann,
Der von all seinem Golde nicht leben kann? –
Ich will euch sagen, mein Glaube ist so
Und erhält mich in grünender Hoffnung froh:
Reichtum wie Armut ist Schicksalsmacht –
Die werden wohl nie aus der Welt gebracht!
Doch ihre Spitzen lassen sich brechen und ründen,
Und können und müssen und werden verschwinden!
Die Zeit schreit in Schmerzen: » Für Alle Brot
Und Krieg mit dem Hunger und Krieg mit der Not!

Und Krieg auch vor allem, das sage ich –
Rief der Pfennig – mit jenem Dunserich,
Dem deutschen Michel, der Deutschland von je
Gehemmt und gestürzt in Trübsal und Weh!
Ich liebe mein deutsches Vaterland,
Das mich einst in die schöne Welt gesandt.
Doch dem Deutschtum in der Hosentasche,
Dem danke Herodes, mit Urn' und Asche!
Geldsäckel- und Magenpatrioten,
Bierbankschreier und andre Zeloten,
Und am schlimmsten, die stets in Gleichmuts-Banden,
Schönselbstzufrieden! ihr Hirn versanden:
Die Säulen stützen kein Vaterland –
Sie reißen im Wanken Wand mit Wand!

Ja, fiel jetzt auch der Groschen ein,
Es könnte manches wohl anders sein!
Oft klingts wie ein Hohn auf die Göttlichkeit
Der Erdherrn, liest man im Buche der Zeit,
Wie sie Frauen, ja Kindern mit flehenden Augen,
Kaltlächelnd das Blut aus den Adern saugen.
Und dieser Edelsten herrliche Spur
Trägt zu kindlichern Völkern die Mutter Kultur!
Halunken, Mörder und Henkersknechte
Verbreiten Sitte und Menschenrechte!

Nun nahm der Taler noch einmal das Wort:
Die Welt steht nicht stille, sie schreitet fort!
Ein neuer Martin Luther müßt' kommen,
Auf andrem Feld nur: das sollt' uns frommen!
Der müßte ziehen vor Wittenbergs Tor
Und den Michel, den Faulpelz, führen am Ohr,
Und müßt' ihm die Nachthauben all zusammen
Zu Pulver verbrennen in Feuer und Flammen.
Hei, sollten die roten Zungen prasseln,
Und ringsum die Narrenschellen rasseln! –
Oft war mir, als hört' ich den Widerhall
Der Wittenbergischen Nachtigall
Schon weithin in deutschen Landen erschallen
Und tief in die edelsten Herzen fallen ...

Der Taler schwieg still und die Goldene sprach:
Ach, Bruder, jetzt fühl' ich die ganze Schmach,
Die über die Menschheit wir schuldlos gebracht,
Und die Flammen, die glühend wir angefacht.
O möchte dein Wort sich jemals erfüllen,
Und das Sehnen enterbter Brüder stillen
Die Mutterbrust ewiger Menschlichkeit,
An der kein Neid mehr, nur Friede gedeiht!

Der Pfennig, dieweil ihm nicht Hut und Hand,
Verneigte nur fröhlich den kupfernen Rand:
Frau Krone, Frau güldene Doppelkron',
Das wäre fürwahr ein herrlicher Lohn!
Ein Tag, der geschlichtet den irdischen Streit,
Des ehrlichen Ringens in glücklicher Zeit!
O Zukunft der Liebe, der Arbeit und Lust,
Und des Atmens aus freier Menschenbrust! –
So sprach der letzte. Die anderen schwiegen
Und träumten von kommender Menschheit Siegen ...

* * *

... Es war still geworden in den weiten Mauern. Das Schicksal blies die Fackel aus, die trüb und düster brannte, und das hereinquellende Licht des Mondes floß jetzt ungehemmt über den matten Glanz der schlummernden Schätze dahin. Die Turmuhren einiger umliegenden Kirchen hatten eben die zweite Nachtstunde angeschlagen, als draußen im Gewölbgang die ehernen Türen unsrer Gruft in ihren Angeln erbebten. Dann hörten wir das Umdrehen eines Schlüssels, und nun öffnete sich auch die innere Pforte. Der alte Schließer wars, der uns hinauf zum Licht und Leben rief. Als wir tief aufatmend hinaus auf die Gasse traten, funkelten über uns alle Sterne.


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