Emanuel Geibel
Sophonisbe
Emanuel Geibel

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Vierter Aufzug.

Das Innere eines Zeltes, zur Rechten ein niedriges, mit einem Tigerfell bedecktes Feldbett, links ein einfacher Tisch.

Erster Auftritt.

Sophonisbe, in Gedanken versunken auf dem Feldbett sitzend. Batu, eine Schale mit Früchten in den Händen, tritt im Hintergrunde auf.

Batu. Gebieterin!

Sophonisbe.       Du, Batu?

Batu.                                 Zürne nicht,
Wenn meine Sorge dich aufs neue mahnt.
Willst du nicht Speise nehmen, Königin?
Zum andernmal, seitdem wir unsern Herrn
Zur Gruft bestattet, geht die Sonne nieder
Und jede Labung hast du noch verschmäht.
Kein Schlaf hat dich erquickt. Dein Lager suchend,
Und immer jählings wieder aufgejagt,
Als glüht' ein Feuerpfeil in deiner Seele,
Durchschrittest du das Zelt die ganze Nacht.
Auch jetzt in dumpfes Brüten teilnahmlos
Versunken find' ich dich. O reiß dich auf
Aus diesem Bann! Erquicke dich und sprich!

Sophonisbe. Du meinst es gut. Setz hin!

Batu.                                                     Es ist wohl fromm,
In Treuen der Geschiednen zu gedenken
Und Leid zu tragen um ein teures Haupt.
Doch nicht vernichten soll uns solch ein Gram.
Das Wort erleichtert die beklemmte Brust,
Und was das Wort nicht tut, das tut die Träne.
Du aber zehrst dich schweigend auf. Man sagt,
Zu großer Kummer stört der Toten Ruh.
Wenn dein Gemahl sich so betrauert wüßte,
Er hieß' es selbst nicht gut.

Sophonisbe.                           Gewiß, er hieß' es
Nicht gut, vermöcht' er in mein Herz zu sehn.

Batu. So nimm denn Trost an! Hebe wiederum
Das Haupt empor. Gehorche dem Bedürfnis,
Daß dich die Stunde, wenn sie dir vielleicht
Urplötzlich einen Weg der Rettung zeigt,
Gerüstet finde. – Deinen Abscheu, wahrlich,
Vor unsern Unterdrückern tadl' ich nicht.
Und doch, vergib mir, war es wohlgetan,
Was Scipio sandte, stolz zurückzuweisen?
Der Wein, die Früchte hätten dich erquickt,
Die weichen Teppiche vielleicht den Schlaf
Auf dein ermüdet Haupt herabgezogen.
Auch hätt' ein kluges Wort des Danks gedient,
Den Blick des Wächters einzuschläfern –

Sophonisbe.                                                 Schweig!
Ich will von seiner stolzen Großmut nichts.

Batu.. Bedenk –

Sophonisbe.       Ich darf nur eins bedenken, eins:
Er ist ein Römer, ist mein Todfeind, ist
Ein Fluch im Mund Karthagos. Könnt' ich's je
Vergessen, weh mir!

Batu.                             Sonst macht Liebe blind,
Doch du bist blind in deinem Haß.

Sophonisbe.                                       So bitte
Die Götter, daß sie nie mich sehend machen!
Denn nur in dieser Finsternis ist Heil –
Wer naht? – All ihr Unsterblichen! Er selbst!

(Scipio ist eingetreten. Batu grüßt ihn stumm mit über der Brust gekreuzten Armen und geht.)

Zweiter Auftritt.

Sophonisbe. Scipio.

Scipio. Ich komm', in deines Zeltes Einsamkeit
Dich aufzusuchen, Fürstin, weil du, streng
In deines Kummers Schleier dich verhüllend,
Dein Antlitz uns verbirgst. Ein freundlich Wort
Wirst du zurück nicht weisen, wenn du gleich
Die stummen Zeichen gastlicher Gesinnung
Bisher verschmäht hast.

Sophonisbe.                       Kann die Hindin auch
Des Wolfes Gast sein? – Laß mich, wie ich bin!
Zum Lager dient mir diese Tigerhaut,
Und die Olive, die vom Baume fällt,
Stillt meinen Hunger. Was darüber ist,
Ziemt der Gefangnen nicht.

Scipio.                                     Ich achte dich
Um diesen Stolz und möcht' ihn dir nicht nehmen,
Nur sanft ihn beugen, wie die Frucht den Ast,
Dir selbst zum Heil. – Daß dir der bunte Schmuck,
Der äußre Prunk des Lebens eitel jetzt
Erscheint, begreif' ich. Doch vielleicht gelingt's,
Dir minder Unwillkommnes auszufinden,
Was trüben Sinn erfrischt. Man sagt, du liebst
Mit Speer und Bogen durch die Flur zu schweifen
Und folgst der Spur des Wilds Dianen gleich.
Zieh denn hinaus, im Weidwerk dich zu lüsten!
Dein Wort nur gib mir, daß du nicht entfliehst,
Und Roß und Waffen, Meut' und Falken sind
Für dich bereit.

Sophonisbe.           Laß ab! Kann ich der Kluft
Vergessen, die uns unerbittlich trennt?
Soll ich vom Feinde –?

Scipio.                               Von ihm lernen sollst du,
Daß großer Sinn beschränkten Haß nicht kennt,
Und sein Vertrauen lohnen mit Vertraun. –
Die Hand, die deine Wunde kühlen will,
Warum sie trotzig von dir stoßen? Nein,
Das Werk der Heilung hilf ihr selbst vollenden!
Ins Leben gern aus dieser Schwermut Schatten,
Zur Lust am Dasein führt' ich dich zurück.
Zeig mir den Weg! Und was vom Fremdling du
Vielleicht, vom Römer nicht begehren magst,
Gebiet es deinem Freunde. Massinissa
Hat Vollmacht, jeden Wunsch dir zu erfüllen.
Du weißt, er dient dir gern –

Sophonisbe.                               O nichts von ihm! –
Ich seh, du meinst es gut, und finde doch
Kein Wort des Danks für dich in meiner Seele,
So überlaß mein störrisch Herz sich selbst!
Der Dienste brauch' ich nicht, am wenigsten
Von seiner Hand.

Scipio.                       Vergib, wenn arglos ich
An ein Geheimnis deiner Brust gerührt,
Das du in wehmutsvoller Scheu noch bargst.
Erröte nicht darum! Das Leben, weiß ich,
Behauptet ewig vor dem Tod sein Recht
Und rascher, wo das Schicksal mächtig drängt,
Erlischt der Anspruch der Vergangenheit.
Du bist zu jung, um hoffnungslos zu sein,
So laß mich immer denken, daß für dich
Nach so viel Leid an meines Freundes Hand
Ein neues Glück noch blühn soll.

Sophonisbe.                                     Nimmermehr!

Scipio. Verschwör es nicht zu hoch. Die Götter könnten
Beim Wort dich nehmen.

Sophonisbe.                         Mögen sie! Dies Nein
Kam aus der Seele mir. Unwiderruflich
Sind wir geschieden, weil – ihr ew'gen Mächte!
Was red' ich! –

Scipio.                   Sprich es furchtlos aus: weil er
Zu Rom zurückgekehrt.

Sophonisbe.                       Du sagst es – Nein!
Ich kann vor dir nicht falsch sein, kann dich nicht
Mit halber Wahrheit listig hintergehn.
Nicht mein karthagisch Blut allein, mein Herz
Weist ihn zurück. Und wenn er sich noch heut
Von Rom lossagt' und, wie er's jüngst im Rausch
Verhieß, mir alle Kronen Afrikas
Zu Füßen legte, niemals könnt' ich doch
Die Seine werden, niemals.

Scipio.                                     Nun, so weiß ich
Beim Jupiter nicht, was ich denken soll.
So dunkle Rätsel gab die Sphinx nicht auf.
War dieser Bund denn, Unbegreifliche,
Nicht schon in deines Herzens Rat beschlossen?
Hast du, ihn rascher zu besiegeln, nicht
Die Brust mit Erz umpanzert, nicht gewagt
Was sonst kein Weib wagt? Und voll Abscheu nun
Schrickst du davor zurück, entsetzt, als hätt' ich
Der Gorgo Schlangenantlitz dir gezeigt?
Wie soll ich's fassen?

Sophonisbe.                   Frag mich nicht, ich habe
Ja selbst kein Wort dafür. Denk, was du willst,
Selbst, daß ich schwach und klein und treulos sei,
Ein blinder Spielball wankelmüt'ger Laune –
Nein, denk es nicht! Denk lieber, daß ein Gott,
Voll Mitleid über mein verworren Herz
Im Wetterleuchten zu mir niedersteigend,
Das Urbild meiner Sehnsucht mir gezeigt.
Nun steht es hier und nimmer lösch' ich's aus,
Der Hoheit Siegel auf der Stirn und, ach,
Mit keinem Zuge deinem Schützling ähnlich,
Der alles, was du willst, ist, nur kein Mann!

Scipio. Was er nicht ist, das mach aus ihm! War je
Ein Weib geschaffen, eines Jünglings Seele
Zur Heldengröße zu erziehn, bist du's.
Du hast, was ein erlaucht Gemüt entflammt,
Gebrauche deine Macht, entfach in ihm
Zur Glut den edlen Funken und das Glück
Vergönn ihm, neben dir emporzuwachsen!
Beim Gott des Lichts, wär' ich nicht, der ich bin,
Ich könnt' ihn drum beneiden –

Sophonisbe (ausbrechend).               Scipio!

Scipio. Genug! Zu viel schon! Nicht in deinem Herzen
Dich zu bedrängen kam ich her; ich kam,
Vom trüben Druck der Haft dich zu befrein.
Ergreif denn, was ich bot! Ich will darin
Ein Zeichen sehn, daß du uns achten lerntest,
Und will's dir danken. – Mag gemeiner Sinn
Am Fall des edlen Gegners sich erfreun!
Der Feindschaft Ende bleibt ein schön'rer Sieg.
Leb wohl! (Er geht.)

Dritter Auftritt.

Sophonisbe (allein).   Steht denn die Erde noch? Ist das
Der alte Himmel droben? Oder ward
Die Welt verwandelt und ich selbst vertauscht?
Der Römer hier in meinem Zelt, und ich,
Statt ihm den ganzen Ingrimm meines Stamms
Wie einen Blutstrom ins Gesicht zu schleudern,
Verwirrt und machtlos vor ihm, trunknen Ohrs
Auf seine Stimme lauschend, gleich der Hindin,
Wenn sie den Ruf des Edelhirschs vernimmt!
Ein Augenblick noch, und mein rasend Herz
Mit allem, was ich nie mir selbst gestand,
Lag preisgegeben vor ihm da! – O brecht
Hervor, Tränen der Scham! Sprengt alle Schleusen,
Daß ich in eurem grenzenlosen Schwall
Vergehen mag! – Umsonst! Umsonst! Ihr lügt,
Stürmische Tropfen! So weint Reue nicht,
So schmilzt das willenlose Eis dahin
Am Kuß des Sonnenjünglings. – O was ward
Aus dir, du stolzes Herz! – Du bist entwaffnet
Und trinkst Entzücken noch im Kelch der Schmach.

Vierter Auftritt.

Sophonisbe.Batu. SpäterMassinissa.

Batu. Nun dämpfe deine Trauer, Königin,
Und schließ dein Herz der Hoffnung wieder auf!
Mit guter Zeitung komm' ich –

Sophonisbe.                                 Was vermöchtest
Du mir zu bringen, das mich freuen soll?

Batu. Die Götter haben uns nicht ganz verlassen.
Wonach ich, seit uns diese Haft beklemmt,
Luchsäugig umgespäht, ich hab's entdeckt:
Den Weg zur Flucht. Nur ein entschlossen Herz
Und leisen Schritt bedarf's und wir sind frei
Noch diese Nacht –

Sophonisbe.                   Unmöglich!

Batu.                                                 Hör mich erst!
Und die Verzweiflung, die dich niederdrückt,
Wird neuem Mute weichen. Wunderbar
Begünstigt uns des Orts Gelegenheit.
Wo Scipio lagert, stand einst Massylis,
Der Kön'ge Lustschloß, das Hamilkars Zorn
Im Söldnerkrieg verbrannt. Ich kenne, Fürstin,
Genau den Platz; in meinen Knabenspielen
Durchklettert' ich die Trümmer tausendmal
Und trieb mich in den finstern Gängen um,
Die wie ein unterirdisch Labyrinth
Sich stundenweit aus des Palastes Kammern
Fortziehn bis ins Gebirg. Wie segn' ich heut
Die kind'sche Neubegier! Denn solch Gewölb
Ließ mich ein Gott im Ring des Lagers hier
An sichern Zeichen wiederum entdecken.
Der Zugang, hoch von Unkraut überhüllt,
Sieht einem Riß im alten Mauerwerk
Der Wasserleitung gleich, und niemand ahnt,
Daß dort ein Pfad sich birgt. So steht das Tor
Zur Flucht uns offen. Leicht erreichen wir
Im Schutz der Dunkelheit den Gang und sind,
Dafern die Huld der Ew'gen uns geleitet,
Weit in den Bergen, eh' die Hähne krähn.

Sophonisbe. Unmöglich, sag' ich dir.

Batu.                                               O gib dein Herz
Dem Zweifel nicht zum Raube, weil das Glück
Dir unerwartet naht! Befürchte nicht,
Daß ich mich täuschte! Sichrer seines Wegs
Ist nicht der Steuermann, dem schon die Glut
Des Leuchtturms hell ins Auge scheint, als ich.

Sophonisbe. Ich glaube dir und doch –

Batu.                                                 Und doch? – Erfuhrst du
Denn nicht das Ärgste? Zehrt sich nicht dein Mark
In ew'ger Sehnsucht nach der Freiheit auf?
Und nun ein Blitz aus blauen Himmelshöhn
Herabflammt, deiner Fesseln Erz zu schmelzen,
Nun kannst du zaudern?

Sophonisbe.                       Warum sangst du mir
Nicht früher diesen Laut! Noch gestern hätt' ich
Wie einen Boten dich des Heils begrüßt.
Jetzt ist's zu spät.

Batu.                         Zu spät? Wie?

Sophonisbe.                                   Weil die Ehre
Der Freiheit in den Weg trat. Dieser Römer
Hat mir ein königlich Vertraun geschenkt.
Ich kann's nicht täuschen.

Batu.                                     Ha, der Listige!
Er kannte dich, daß keine Furcht dich zwingt,
So pfiff er dir ein edelmütig Stückchen
Und hatte dich im Garn. Nein, nein, du wirst
Dich so nicht blenden lassen, Königin.
Die Götter senden dir ein hilfreich Wunder,
Die Erde selbst tut ihren dunklen Schoß
Dich zu erretten auf, und undankbar,
Bloß weil ein kluger Feind dir Großmut heuchelt,
Verschmähtest du das dargebotne Heil?

Sophonisbe. Du sprichst umsonst.

Batu.                                           Bei deines Vaters Haupt
Beschwör' ich dich – (Kniet.)

Sophonisbe.                   Steh auf! Ich kann nicht fliehn.
Doch preis' ich dies Geschick. Ich fühlte mich
So ganz erdrückt vor dem Gewaltigen,
Durch seinen hohen Sinn so ganz vernichtet;
Nun atm' ich wieder, da ich gleiches ihm
Rückzahlen mag.

Batu.                       So helfe dir ein Gott
In deiner Not! O diesen Hochgesinnten,
Du wirst ihn kennen lernen dort in Rom
Am Tag des Einzugs, wenn er schonungslos
Karthagos schönstes Weib mit nacktem Fuß
In Fesseln hinter seinem Wagen schreitend
Dem Pöbelschwarm zur Schau stellt beim Triumph.

Sophonisbe. Nichtswürd'ger Argwohn!

Batu.                                                   Trau dem Tiger nur!
Mag sein, daß er's für gut hält, heute noch
Die Krallen freundlich spielend einzuziehn,
Sie lauern drum nicht minder mörderisch
Auf die gewisse Beute. Glaub, er risse
Das Herz sich eher aus der stolzen Brust
Und würf' es stückweis dir zu Füßen hin,
Als daß er mitleidsvoll um deinetwillen
Nur einen Schatten opferte von dem,
Was seines Sieges Pomp erhöht. Was fragt
Der Mann im Lorbeer, wenn sein Tibervolk
Ihn jauchzend grüßt, nach der Barbarin Jammer?
Er sieht nur seinen Kranz, indem er dich
Zertritt.

Sophonisbe.   Ich sage dir, er denkt nicht dran.

Batu. Er denkt daran, so wahr er Römer ist.
Ich hab's aus seinem Munde.

Sophonisbe.                               Mensch, du lügst!
Wie sollt' er dir auch –

Batu.                                 Gestern war's. Er stand
Im Kreis der Feldherrn dort am Lagertor,
Doch jedes Wort vernahm ich. Jetzt erst, sprach er,
Begehrungswürdig dünk' ihn der Triumph,
Da dich ein Gott in seine Hand gegeben.

Sophonisbe. Es kann nicht, kann nicht sein –

(Massinissa ist aufgetreten.)

Batu.                                                           Frag diesen da!
Er war dabei.

Massinissa.         Vergib, wenn ich –

Sophonisbe.                                     Dich führt
Das Schicksal her. Laß alles jetzt! Ein Wort
Von dir nur will ich, nur ein einzig Wort.
Mein Leben gilt's. Ist's wahr, was dieser Alte
Mit irrem Mund behauptet, ist es wahr,
Daß Scipio gestern, – nein, es ist ein Wahnsinn –
Daß Scipio vom Triumph sprach – und von mir?
Sprich! Antwort will ich. Warum zauderst du? –
Er tat's?

Massinissa.   Er tat es.

Sophonisbe (aufschreiend).   O!

(Sie verhüllt sich. Pause. Der Schleier fällt wieder.)

Massinissa.                             Himmlische Mächte!
Was ist dir? Einer Toten siehst du gleich
Und deine Hand ist Eis. – O starre nicht
So fürchterlich ins Leere!

Batu.                                     Fasse dich!
Bei allem, was dir heilig, Königin,
Gebiete diesem Sturme!

Massinissa.                         Konnt' ich ahnen,
Daß mein unselig Wort so lief –

Sophonisbe.                                   Hinweg!
Hinweg! Mich quält eu'r gleißend Angesicht.
Nach Schlangen sehn' ich mich und Krokodilen
Und nach des Schakals blutigem Geheul.
Darin ist Wahrheit. Was auf Menschenstirnen
Geschrieben steht, das lügt!

Massinissa.                               Wohin verirrt
Dein edler Geist sich!

Sophonisbe.                     O, ein Dämon hat
Der Welt Gepräg vertauscht! Die Majestät,
Die göttergleich auf Heldenbrauen thront,
Erniedrigt sich zur schlauen Kupplerin. –
Berechnung ist ihr Gruß und all ihr Lächeln
Wie Sodomsäpfel, außen rot geschminkt
Und innen Fäulnis! –

Batu.                               Herrin, schone dich!

Sophonisbe. Daß die Hyäne falsch ist, sagt ihr Blick,
Die gift'ge Kröt' ist scheußlich von Gestalt,
Man sieht sie nur und flieht. – Doch wer mißtraut,
Wenn stolze Kraft das lauterste Gewand
Der Wahrheit stiehlt zu schnödem Gaukelspiel!
O jeder Zug war Güte, jede Regung
Bewegter Anteil, als er auf die Lippen
Das Herz mir lockte; seiner Stimme Ton
So Trostes voll, daß wie vor Orpheus' Lied
Mein Gram bezaubert einschlief und das Blut
Des Hasdrubal nicht seines Ursprungs mehr
Gedachte – Hättet ihr den Ton gehört,
Mit eurem Leben hättet ihr dafür
Gebürgt, er meint' es treu. Und alles das
Verruchtes Blendwerk nur, um unbemerkt
Mich sichrer anzuschmieden, nur der Brocken,
Mit dem gefühllos man das wilde Tier
Im Käfig füttert auf den Tag des Kampfspiels!
Wohlan! Habt euren Willen! Menschlichkeit
Fahr hin! Die Tigerin wacht auf in mir,
Und Rache lechz' ich, Rache!

Batu.                                           Dieser Zorn
Wird dich verzehren, Fürstin.

Sophonisbe.                               Daß er's täte!
Ich stürb' in Flammen. – Nein, hinweg Gedanken
Der tatenscheuen Feigheit! – Massinissa,
Ich hab' ein Wort mit dir.

(Sie ergreift Massinissas Hand und führt ihn vor.)

(Batu entfernt sich.)

Fünfter Auftritt.

Sophonisbe.Massinissa.

Sophonisbe.                         Du schwurst mir einst,
Daß du mich liebtest. Heut bewähr es mir.
Nach Sühnung schreit in Todesqual mein Herz.
Geh hin und tu, was not ist!

Massinissa.                               Sophonisbe!
Bei allen Göttern der Barmherzigkeit –
Versteh' ich dich?

Sophonisbe.               Er darf nicht leben – Geh!

(Massinissa schweigt und macht eine ablehnende Bewegung.)

Sophonisbe. Du weigerst mir's?

Massinissa.                             Fordre, was menschlich ist!
Dies kann ich nicht.

Sophonisbe.                 Ist das dein letztes Wort?

Massinissa. Mein letztes. – –

(Pause.)

Sophonisbe.                         Sei's denn! – Folge deinen Sternen!
Wir sind zu Ende.

Massinissa.               Deine Stimme bebt,
In deinem Auge brennt die Glut des Fiebers.
Soll ich dich so verlassen?

Sophonisbe.                           Ich bin ruhig,
So ruhig, wie die Wüste, wenn der Samum
Vorüberbrauste. – Was verziehst du noch?
Ich sagte dir, daß wir zu Ende sind.
Leb wohl!

Massinissa.     Du willst es.
        (Wendet sich und geht bis zum Eingang, dann kehrt er plötzlich um.)
                                    Sophonisbe, hasse
Mich nicht! Ich kann nicht anders.

Sophonisbe.                                       Du bist du.
Wer schilt dich drum? – Leb wohl!

(Massinissa verhüllt sich und stürzt fort.)

Sechster Auftritt.

Sophonisbe. Später Batu.

Sophonisbe (allein).                                 Ich konnt' es wissen.
Doch ich war feig, auf fremde Schultern gern
Hätt' ich die Last gewälzt. Da brechen sie
Zusammen.
                  O die ew'gen Mächte sind
Gerecht! Sie legen mir das Ungeheure,
Mir selber auf. Verrat war diese Glut –
Nun muß ich, selbst verraten, rächend ihn
Mit eigner Hand den Heimatgöttern opfern.

(Sie macht einen Gang durch das Zelt und wendet sich dann zum Vorhang der Pforte.)

Batu!

Batu (erscheint).   Du riefst, Gebiet'rin?

Sophonisbe.                                       Jener Gang
Führt ins Gebirge? Sagtest du nicht so?

Batu. Zur Linken ja, nach Aufgang hin.

Sophonisbe.                                       Und rechts?

Batu. Rechts ins zerstörte Schloß von Massylis,
Wo jetzt der Römer liegt.

Sophonisbe.                         Ist's weit von hier
Zur Wasserleitung?

Batu.                           Fünfzig Schritte kaum.

Sophonisbe. Und rings kein Posten?

Batu.                                               Nur in weiter Ferne
Am Tor des Lagers.

Sophonisbe.                 Wohl! Mach dich bereit!
Nach Mitternacht, wenn schwer wie Blei der Schlaf
Auf alle Wimpern drückt, führst du mich hin.

Batu. Wie gern gehorch' ich!

Sophonisbe.                         Such dein Lager jetzt!
Wenn's Zeit ist, findest du mich hier. – Noch eins!
Gib mir den Dolch, den Syphax mir gesandt.
Nicht wehrlos darf ich sein.
        (Batu gibt ihr den Dolch und geht auf einen Wink.)
                                          Komm, tödlich Eisen!
Du dientest einem König; königlich,
Dafern ein Gott mir hilft, will ich dich betten.

(Der Vorhang fällt.)


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