Emanuel Geibel
Sophonisbe
Emanuel Geibel

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Erster Aufzug.

Prächtige Säulenhalle in der Königsburg von Cirta. Der Haupteingang im Hintergrunde; seitwärts zur LinkenDie Bezeichnungen rechts und links gelten überall vom Zuschauer aus. eine breitgewölbte Pforte, ihr gegenüber rechts ein offener, altanartig mit durchbrochenem Geländer versehener Bogen, durch den man ein Stück des Himmels erblickt. Vorne links ein eherner Schenktisch mit antiken Gefäßen. An den Wänden Trophäen.

Erster Auftritt.

Methumbal, Thamar, durch den Haupteingang eintretend.

Methumbal. Tritt hier herein, erlauchte Priesterin!
Der Königsburg vielsäulig Prunkgemach
Erschließt sich dir, denn fürstlich ehren wir
Die Tempeljungfrau, deren Stirn der Halbmond,
Der Göttin silberhörnig Zeichen, schmückt.
Hier magst du ruhn, indes für dein Gefolg
Man draußen sorgt und von den Dromedaren
Die Ballen ablädt, die du mitgeführt.
Was reich' ich zur Erquickung dir? Befiehl!

Thamar. Um eine Handvoll Datteln bitt' ich dich
Und einen Becher Wassers. Denn mir klebt
Die Zung' am Gaumen. Feuerpfeile schießt
Die Sonn' herab und fern vom großen Tempel
Astartens komm' ich, von der Wüste Saum.

Methumbal. Ein schwerer Weg.

Thamar.                                   Doch schwerer war die Sorge,
Die mich hierhertrieb. Für das Heilige,
Das mir vertraut ward, such' ich Schutz bei euch.

Methumbal. So drang die Not der Zeit, der Lärm des Krieges
In jene weltentlegne Stille schon?

Thamar. Du sagst's. Wir hatten sorglos hingelebt,
Auf Syphax' Schwert und auf der Göttin Schutz,
An deren Herd wir siedelten, vertrauend.
Da plötzlich brach – heut wird's die dritte Nacht –
Das unerwartet Schreckliche herein.
Ein Schwarm empörter Neger überfiel,
Von wetterdunkler Mitternacht begünstigt,
Das Haus der Göttin. Uns im Schlaf zu würgen
Und dann des Tempels Gut als leichte Beute
Dahinzuführen hatten sie gehofft;
Allein ein gottgesandter Blitz verriet,
Noch eh's zu spät war, die Gefahr den Wächtern.
Drei bange Stunden wütete der Kampf,
Bis endlich bei des Morgens erstem Graun,
Am allzu leicht gewähnten Sieg verzweifelnd,
Der Feind von dannen in die Wüste stob.
Nach Sonnenaufgang wagt' ich mich hinaus.
O welch ein Anblick! Rings von Toten war
Der Pfad bedeckt, mit Blut beronnen starrten
Die schwarzen Leiber grausenvoll mich an.
Doch wo der Kriegsgott seine besten Opfer
Gehäuft, dort am zerbrochnen Widder lag
Ein Römerhauptmann – nur zu deutlich sagten
Der erzgetriebne Helm, das kurze Schwert,
Des Hauptes Bildung, welches Stamms er sei.
Da wußt' ich, wer uns diesen Sturm gesandt,
Und keiner Stunde mehr versichert, hieß ich
Das Bild der Göttin und den Tempelschatz,
Dreifüße, Weihgeschenke, Teppiche,
Zur Fahrt den Dromedaren anvertraun,
Sie in den Schutz der Königsburg zu flüchten.

Methumbal. Du wirst der Fürstin hoch willkommen sein.

Thamar. Ich hoff' es. Aber nicht als Flehende,
Als Römerfeindin bloß: mein Herz ist sicher,
Daß sie der alten Freundin nicht vergaß.

Methumbal. Du kennst sie?

Thamar.                             Wie der Ring den Edelstein,
Den er umschlossen hielt. Ich bin wie sie
Vom Stamm der Barkas; früh verwaist verlebt' ich
In ihres Vaters, Hasdrubals, Palast
Mit ihr der Kindheit selig dunkle Zeit.
Getreu wie Zwillingsschwestern teilten wir
Gemach und Lager, Spiel und Unterweisung,
Bis uns ein hoher Wille schied, der sie
An Syphax' Hand auf Cirtas alten Thron,
Mich in der Göttin stille Wohnung führte.
Doch was verzögr' ich noch den Augenblick
Des Wiedersehens! Geh, ich bitte dich,
Und melde Sophonisben, daß ich kam.

Methumbal. Du wirst die Ungeduld des Herzens noch
Bezähmen müssen; mit dem Frührot heut
Zog sie hinaus, den Wüstenstrauß zu jagen,
Dem sie sein prächtig Federkleid mißgönnt.

Thamar. Wie? Jetzt, zur Zeit des Kriegs, da jede Stunde
Das Unerhörte bringen mag?

Methumbal.                               Sie liebt
Nicht der Erwartung bangen Müßiggang.
Aus frischgefülltem Becher will sie Glück
Und Unheil trinken. Und ich darf's nicht schelten,
Fand ich sie doch bei jedem Sturm gefaßt.

Thamar. So blieb sie sich getreu: bei stiller Zeit
Beweglich nach dem Kranz der Stunde greifend,
Entschlossen, wenn ein groß Geschick genaht. –
Des Tags gedenk' ich, da uns übers Meer
Von Spanien her auf Eulenflügeln schwebend
Die Botschaft kam von Neukarthagos Fall.
Entsetzlich war's – vor Schreck versteinert saßen,
Als ständ' am Hafentor der Römer schon,
Im Rat die Fürsten, durch die Gassen wälzte
Sich Jammerruf, und, Menschenopfer heischend,
Um Molochs riesig Erzbild schrie das Volk.
Da trat sie, das verwöhnte Fürstenkind,
Der Abgott von Karthagos ganzer Jugend,
In ruh'ger Hoheit lächelnd vor mich hin:
Wahr ist es, sprach sie, ein gewalt'ger Schlag
Hat uns getroffen, Thamar. Doch was ist's?
Der greise Syphax wirbt um meine Hand,
Ich folg' ihm als sein Weib, und seine Freundschaft
Ersetzt uns dreifach, was verloren ward.

Methumbal. Sie hat das rasche Bündnis nie bereut,
Das ihr die Krone gab. Denn wie sein Kleinod,
Sein köstlichstes, das ihm ein Gott geschenkt,
Behütet sie der Fürst. Doch laß sie selbst
Dir künden, welch ein Los ihr fiel! Ich höre
Gebell und Hufschlag von der Brück' herauf;
Der Jagdzug kehrt zurück.

Thamar (tritt an das Geländer zur Rechten). Sie ist es! Leicht
Vom weißen Zelter schwingt sie sich und wirft
Den Purpurzaum dem Knaben zu. Wie blüht
Sie noch in Schönheit! Machtlos sind die Jahre
Dahingegangen über ihrem Haupt.

Zweiter Auftritt.

Die Vorigen. Sophonisbe. Hiram. Jagdgefolge.

Sophonisbe. Nehmt mir den Köcher ab, und wascht mit Wein
Den Renner mir! Er hat's verdient. Das war
Ein heißer Tag! Den Straußen jagten wir,
Den Panther haben wir erlegt, Methumbal,
Den wildesten, den je das Felsgeklüft
Der Wüste barg. – Ist Botschaft da vom Heer?

Methumbal. Noch nicht, Gebiet'rin!

Sophonisbe.                                   Diese Spange dem,
Die perlenschimmernde, der mir zuerst
Des Herolds Ankunft meldet!

Thamar.                                     Sophonisbe!

Sophonisbe. Was seh' ich! Thamar! O sei tausendmal
Gegrüßt, Geliebte! – Dank, ihr Götter, Dank,
Daß ihr mir heut, da alle Himmelszeichen
Zu glücklicher Gestirnung wie zum Kranz
Sich uns verweben, daß ihr heut mir gönnt,
Der Schwester teures Angesicht zu schauen! –
Sag an, welch freundlich Schicksal führt dich her?

Thamar. Kein Glück ist's diesmal, was in deinen Arm
Mich treibt. Schutzflehend komm' ich, feindesflüchtig,
Der Göttin Hort zu bergen, den nicht mehr
Die Ehrfurcht vor dem Heiligtum beschirmt.
Denn schon bis an den Saum der Wüste reichen
Des Netzes Fäden, das die römische
Verschmitztheit mit dem leisen Fuß der Spinne
Uns zu verderben vielgeschäftig webt.
Die wilden Stämme schon vom Hang des Atlas,
Des Sandmeers schwarze Völker hetzt sie uns
Im Rücken auf. Mit Mühe nur entging ich
Dem ersten Sturm des Aufruhrs.

Sophonisbe.                                   Sei getrost!
Zur guten Stunde kamst du mir und dir.
Du sollst mit mir das Fest des Sieges feiern,
Der alle deine Sorgen niederwirft.
Denn wisse: diese stolzen Weltbezwinger,
Wir haben sie! So hält die Falle nicht
Den Wolf, der sich verfing, mit Eisenzähnen,
Den blut'gen Räuber, unerbittlich fest,
Wie Syphax' fünffach überlegne Macht
Das Heer der Römer. Zwischen Meer und Sumpf
Auf schmaler Düne stehn sie eingeklemmt,
Indes die Flucht zur See Karthagos Flotte,
Den Weg ins Land der Kern der Unsern sperrt.
Ein einz'ger Schlag noch und sie sind vernichtet!

Thamar. Mit freud'gem Staunen hör' ich dich. Du siehst
Die Dinge, wie ein Feldherr.

Sophonisbe.                             Bin ich denn
Nicht meines Vaters Kind? O, wär' ich dort,
Den Schritt des Kriegsgotts feurig zu beflügeln,
Mit eigner Hand im Speergewühl den Sieg
Beherzten Griffs am Stirngelock zu fassen,
Am weithinflatternden, statt daß ich hier,
Von aller Qual ohnmächt'ger Ungeduld
Gefoltert, der Entscheidung harren muß,
Und nichts vermag, als für des Siegers Haupt
Den Kranz zu winden. – Geh, Methumbal, heiß
Ein prächtig Festmahl uns im Garten rüsten!
Im Hain der Palmen will ich dort den Göttern
Die volle kranzgeschmückte Schale weihn.
Doch eh' nicht ruf' uns ab, als bis vom Heer
Der Bot' uns, der nicht zögern kann, gekommen.

(Methumbal geht. Hiram und die Diener folgen.)

Dritter Auftritt.

Sophonisbe. Thamar.

Sophonisbe. Und nun noch einmal, Schwester, an mein Herz!
Schein' ich dir stürmisch? Ach, so lange hab' ich
In lieben Armen nicht geruht. Und nun
Von dir, von deinem Leben laß mich hören!
Erzähle, sprich!

Thamar.                 Was kann die Priesterin
Erzählen, deren still eintönig Los
Der Tempel einschließt? All mein Schicksal ward
Vergangenheit und ohne Wunsch und Anspruch
Dahinzuwandeln hab' ich mich gewöhnt,
Seit am Volturnus mein Helasco fiel.
Gelassen leb' ich nun der Pflicht und denke
Der goldnen Jugendzeit, die ich mit dir,
Die ich mit ihm einst in Karthagos Gärten
Glückselig hingeschwärmt. – Sieh, was auch immer
Die Götter mir verhängt, das bleibt mir doch.

Sophonisbe. Es waren schöne Tage. Damals stand
Im Aufgang prächtig Hannibals Gestirn,
Die Siegeskunden stoben um uns her
Wie Blütenregen, und wir trauten kühn,
Vom Strom des Jubels mit emporgehoben,
Auf jede Hoffnung; reich und lockend noch
In goldnen Duft verschleiert lag die Zukunft
Vor unserm Blick!

Thamar.                     Wo ist das alles hin?
Die Zeit der kindlich frohen Zuversicht,
Mein Glück, das ich so fest gegründet wähnte,
Und deins! – Auch du hast einst ein andres Los
Geträumt, als dir erfüllt ward.

Sophonisbe.                                 Ich?

Thamar.                                               Dein Mund
Gestand es nie; doch wohl erriet ich dich.
Sah ich nicht höher deine Wange brennen,
Dein Auge glühn, da jener schöne Wildling,
Da Massinissa deines Vaters Haus
Als Gast betrat?

Sophonisbe.           O, warum nennst du ihn! –
Ja, er war schön und stolz. Und als zuerst
Er vor mir stand, der schlanke Wüstensohn,
In allem Glanz der Jugend, was verhehl' ich's?
Da wallt' in hoffnungsvollem Ungestüm
Ihm diese Brust entgegen, glaubt' ich doch
In ihm den künft'gen Helden Afrikas,
Karthagos vorbestimmten Hort zu grüßen.
Es war ein schöner Traum, doch ach, ein Traum!
Denn nur zu bald in seines Wesens Grunde
Erkannt' ich ihn, der nie sich selbst bezwang.
Das war das ruh'ge Auge nicht, zu dem
Ich wie zum Stern des Pols emporschaun wollte,
Das war die Schulter nicht, um eine Welt
Zu stützen, trostlos mußt' ich's mir gestehn,
Und schwer verwand ich der Enttäuschung Schmerz.
Und wenn ich dennoch ihn nicht grollend mied,
Wenn ich sein ruhelos Gemüt zu zügeln,
Zu lenken suchte, war's nur noch ein tief
Gefühl des Mitleids, was mich trieb, nicht mehr.
Verhüten wollt' ich, daß die edle Kraft,
Die in ihm wohnte, ziellos wie ein Irrstern
In blindem Feuer sich verloderte.
Ich hab' es nicht vermocht. – O Thamar, Thamar!
Du weißt es, daß er zu den Römern ging.

Thamar. Er tat's aus Zorn, vernahm ich, daß sein Volk
Ihm bei des Vaters Tod den Thron versagte,
Und an des Jünglings Statt den mächt'gen Nachbarn,
Den Syphax, ausrief.

Sophonisbe.                   So verwirrt ein Gott
Die Fäden unsres Schicksals. Frag mich nicht,
Was ich gelitten! – Nun ist's überwunden.
Ich tat, was ich gemußt, und reulos trag' ich
Den Ring des Königs, der ein Vater mir,
Der unserm Volk ein mächt'ger Helfer ward.
Ein neues Leben hab' ich angefangen
Und seine Sonne wärmt und leuchtet auch.

Thamar. O daß dir niemals dieser stolze Mut
Versiege, Schwester!

Sophonisbe.                   Sorge nicht! Wohl weiß ich,
Ich tat Verzicht auf vieles, doch der Preis
War nicht zu hoch für das, was ich gewann.
Ein groß Geschick ist's, Königin zu sein.
Die Hand am Webstuhl, drauf das Bild der Zeit,
Aus Tat und Fügung ewig neu bereitet,
Vielfarbig aufsprießt, leb' ich nicht umsonst.
Und wenn mein hohes Tagewerk die Götter
Mir segnen, darf ich jener Wünsche wohl
Vergessen, die mich dunkel einst bewegt.
        (Nach einer kurzen Pause, gedämpft.)
Nur manchmal, Thamar, wenn in Frühlingsnächten
Der Halbmond wieder überm Atlas hängt
Und mich das heiße Duften des Jasmins,
Der Löwen fern Gebrüll nicht schlafen läßt,
Dann kommt wohl ein Gefühl einsamer Leere,
Ein unbezwinglich Sehnen über mich;
Dann ist es mir, als sei mein Los noch nicht
Erfüllt und plötzlich müss' ein ungeahnt
Verhängnis nahn, um einmal diesem Herzen
Ganz, ganz genugzutun! – Doch sieh, das sind
Nur flücht'ge Schatten. Mit dem Tau des Morgens
Wäscht Cirtas Fürstin sich die Träume fort.

Vierter Auftritt.

Die Vorigen. Methumbal.

Methumbal. O Herrin –

Sophonisbe.                 Sprich, was gibt's? Was hast du, Mann?
Du starrst, als kämest du des Himmels Einsturz
Mir anzukündigen.

Methumbal.               O wappne dich
Mit allem Gleichmut deiner großen Seele!
Ein furchtbar Unglück –

Sophonisbe.                         Sprich!

Methumbal.                                     Du wirst's an mir
Nicht rächen wollen –

Sophonisbe.                     Bin ich denn ein Kind?
Bei meinem Zorn, mach's kurz! Was ist geschehn?

Methumbal. Ein Reiter kam in wilder Flucht vom Heer.
Wir sind geschlagen!

Thamar.                         All ihr Himmelsmächte!
Geschlagen! Weh uns!

Sophonisbe.                     Fasse dich! Vielleicht
Ist's nur ein blinder Lärm. – Wo ist der Bote?
Ich will ihn selber sprechen.

Methumbal.                             Halb verschmachtet,
Nachdem er kaum die Schreckenspost gestammelt,
Sank er vom Roß und bat um Labung erst;
Man reicht ihm Speis' und Wein im Säulenhof.

Sophonisbe. Sobald er sich gestärkt hat, send' ihn her!
Klar muß ich sehn. Gefahr hat Löwenart,
Ein unerschrocknes Auge bändigt sie
Am eh'sten. – Zieh indes die Brücken auf,
Das Tor laß schließen und mit Wurfgeschütz
Versieh die Mauern. Geh!

(Methumbal ab.)

Thamar.                                 O meine Schwester!

Sophonisbe. Verzage nicht zu früh! – Mit unsrem Fest
Ist's freilich nichts; die schönen Kränze werden
Umsonst verblühn. – Doch Mut! Des Krieges Brandung
Schwankt ewig auf und ab und Syphax bot
Schon mancher Sturmflut unerschüttert Trotz.
Sei stark, mein Mädchen!

Thamar.                               Ging' es in den Tod,
Ich bin bei dir, du sollst mich mutig sehn.

Fünfter Auftritt.

Sophonisbe. Thamar. Hiram. Bostar erscheint an der Pforte.

Hiram. Der Bote, Königin.

Sophonisbe.                       Führ ihn herein!
Tritt furchtlos näher! Deine Schuld nicht ist's,
Daß du als Rabe heimkamst. Melde denn,
Was ich erfahren muß. Doch schwöre mir
Zuvor beim flammenhaar'gen Gott des Himmels,
Daß du die volle Wahrheit künden willst.

Bostar. Ich schwör's.

Sophonisbe.               So sprich!

Bostar.                                         Wir hielten unweit Hippo
Am Meergestad, wo sie sich eingewühlt,
Das Heer der Römer furchtbar eng umschlossen.
Schon ging, von Tag zu Tage höher wachsend,
Des Hungers bleich Gespenst durch ihre Reihn,
Und wie die vollgereifte Frucht vom Ast
Sich wuchtend ablöst, schien der Sieg von selbst
Uns zuzufallen. Mit dem frühsten Rot
Des nächsten Morgens wollte Syphax stürmen
Und alles war zum letzten Kampf bereit.
Wir aber gaben, um mit voller Kraft
Die Schlacht zu schlagen, unsres Glücks gewiß,
Dem langentbehrten Schlaf uns sorglos hin.
Da plötzlich, mitten in der Nacht, erscholl
Der Schreckensruf: die Römer sind im Lager!
Und hoch in Säulen wirbelnd schlug zugleich
Die Flamme von den Rohrgezelten auf.
Das ganze Lager war ein Feuermeer,
Rings Qualm und Funken, und dazwischen dröhnend
Der Legionen Siegsgeschrei. Ob sie
Verrat, ob sie ein Gott hereingeführt,
Ich weiß es nicht. In erzgeschloßnen Gliedern
Durchs Greuel der Verwirrung, Helm an Helm,
Die Adler hoch, die Speere vorgestreckt,
Herstürmten sie; da war kein Widerstand,
Kein Kampf mehr, nur ein gräßlich stummes Würgen
Der Tausende, die taumelnd, kaum bewehrt,
Mit nackter Brust in ihren Pfad sich warfen,
Und zahllos türmten sich die Leichen auf. –

Sophonisbe. Und euer Feldherr? Und die Punischen?

Bostar. Vergebens hinterm Lager im Gefild
Versuchte Syphax, Schar um Schar versammelnd,
Dem Sturmschritt der Entsetzlichen zu stehn,
Vergebens braust' er mit den Elefanten,
Sie zu erdrücken, wuterfüllt heran;
Pechkränze schleuderten die Listigen
Den Tieren auf die Rüssel, daß sie, wild
Vor Schmerz aufbrüllend, mit den Riesenleibern
Sich rückwärts stürzten in die Schar der Unsern
Und rasend niederstampfen, was noch stand.
Da war das Los geworfen, Königin,
Und unaufhaltsam durch das nächt'ge Dunkel
Nach allen Seiten heulend stob die Flucht.

Thamar. Entsetzlich, Schwester!

Sophonisbe.                             Wohin wandte sich
Der König? Weißt du's? Wenn nur er entkam,

So ist noch Rettung.

Bostar.                   O Gebieterin! –
Steht all dein Hoffen nur auf Syphax' Haupt,
So laß es fahren!

Sophonisbe.             Weh! Was ist mit ihm?!
Du schwurst mir volle Wahrheit – Sprich es aus!
Er fiel in Mörderhand? –

Bostar.                                 Er flüchtete
Dorthin, wo ihn kein Römerarm erreicht.

(Pause.)

Sophonisbe. Tot also?

Bostar.                       Tot. – Durch eigne Hand.

Sophonisbe.                                                     Du sahst es?

Bostar. Ich sah's. Verwundet war er, speergelähmt,
Vom Roß gesunken auf der Flucht. – Umsonst
In eines Myrtendickichts Schatten sucht
Sein treuer Waffenträger ihn zu retten;
Schon hat ihn der Verfolger Geierblick
Am goldnen Helm erkannt, der weit hinaus
Im Glutschein leuchtet, furchtbar jauchzend schon,
Die königliche Beute zu gewinnen,
Umzingeln sie den Platz – da gräbt am Heft
Ins Erdreich er sein Schwert und fällt hinein,
Dem Feinde nichts als eine Leiche gönnend.

Sophonisbe. O mein Gemahl! – –
                                            Du bist entlassen, Freund.
Ich weiß genug. –

(Bostar und Hiram gehen. Pause.)

Sechster Auftritt.

Sophonisbe. Thamar. Später Hiram.

Thamar.                     O sei so schweigsam nicht,
So furchtbar ruhig! Weine deinen Schmerz
An diesem Busen aus!

Sophonisbe.                     Nicht wahr, Geliebte?
Er war der Tränen wert,
Mein hoher, kluger, väterlicher Freund –
O wer ersetzt ihn!

Thamar.                     Schwester!

Sophonisbe.                                 Dies auch wird
Vorübergehn. Nur einen Augenblick
Sei mir's gestattet, Weib zu sein, und ihm
Die Schuld der Ehrfurcht und der Dankbarkeit
Im letzten bittern Scheidewort zu zahlen.
Fahr wohl, du königliches Haupt, fahr wohl!
Mit frohem Siegeslorbeer hofft' ich dich
Zu krönen, weh, nun kann ich nicht einmal
Mit der Zypresse dunklem Kranz dich schmücken –
Doch sühnen, sühnen will ich deinen Fall.

Thamar. Ich kannt' ihn kaum, doch diese Tropfen sagen,
Was du verlorst.

Sophonisbe.             Wir haben jahrelang
Gemeinsam, nur von einem Geist beseelt,
Nach hohem Ziel gerungen. O, es schmerzt,
Wenn plötzlich solch ein Band zerreißt! – Doch nun
Empor das Haupt! Mein wankend Reich verlangt
Die Königin, und willig bring' ich ihm
Der Trauer frommes Recht zum Opfer dar.
Nicht Tränen, Taten fordert diese Zeit.
Ich fühl's, wie über die gewohnten Schranken
Das Schicksal mich erhebt. So werf' ich denn
Hinweg, was schwach und weibisch war, und will
Auf ungebeugter Stirn die Krone tragen.

Hiram (stürzt herein).
O rette, rette dich, Gebieterin!
Die Römer nahn. Schon sieht man ihre Haufen
Das Klippental heraufziehn. Rüste dich
Zu schneller Flucht!

Sophonisbe.                 Ich? Fliehen? – Nimmermehr!
Doch hochwillkommne Zeitung meldest du.
Es naht der Feind, wohlan, er soll mich finden,
Die Löwenwitwe, die in ihrer Kluft
Nach Rache brüllend sich zur Wehre stellt.
Mit blut'gem Haupt von diesem Felsen hoff' ich
Ihn heimzusenden; wir sind stark genug,
Und was an Zahl gebricht, ersetzt der Grimm.
Kampf mit den Römern! Ja, das war's, was längst
Dies Herz ersehnt' und auf den Zinnen will ich
Den Schlachtreihn führen, wie Semiramis!

Thamar. Wie zündend Feuer sprüht, Gewaltige,
Dein Wort in meine Brust. O schreite mir
Voran! Ich folge dir.

(Lärm draußen, dann ein dumpfes Krachen.)

Sophonisbe.                 Horch, was war das?
Pocht ungeduldig unser Dränger schon?

Hiram. Unmöglich, Herrin! –

Sophonisbe.                         Bring den Panzer, Hiram!
Rasch, rasch! Ich muß hinaus.

Siebenter Auftritt.

Die Vorigen. Methumbal mit gezogenem Schwert.

Sophonisbe.                                 Was suchst du hier?
Dein Platz ist auf dem Wall.

Methumbal.                             Verrat! Verrat!
Hyänen über diese Meuterer!

Sophonisbe. Sprich klar! Was ist's?

Methumbal.                                   Vernahmst du das Gekrach
Der erznen Flügel nicht? Die Memmen haben,
Als sie von fern die römischen Adler sahn,
Im Wahnsinn ihres Schrecks das Tor gesprengt,
Und jagen flüchtig nun, verhängten Zügels,
Auf ihren Rennern dem Gebirge zu.

Sophonisbe. Fluch auf ihr Haupt!

Methumbal.                                 Die siebenhundert nur
Der Leibwacht blieben dir; in Trümmern liegt
Das große Tor, wir halten's keine Stunde.
Drum auf den Knien laß dich beschwören: flieh!
Flieh, eh's zu spät wird! Durch die Brunnenpforte
Am Palmenhain entkommst du noch.
        (Trompeten in der Ferne.)
                                                        Da, horch!
Das ist die Tuba schon der Römischen!

Sophonisbe. Ha! und kein Kampf!

Thamar.                                       Erhalte dich den Deinen,
Der Rache dich, die du dem Gatten schwurst!
Flieh! Flieh!

Hiram (am Geländer zur Rechten).
                    Zu spät! Auch an den Palmen blitzt es
Von Waffen auf. Man sieht's, ein kund'ger Mann
Hat sie geführt; sie sperren jeden Pfad,
Wir sind umzingelt! –

Sophonisbe.                     Wohl! Das Schicksal
Will die Versuchung uns kleinmüt'ger Flucht
Ersparen und ich weiß ihm Dank dafür.
Klar liegt der Wurf. Wir müssen mit dem Schwert
Uns eine Gasse bahnen oder schmachvoll
Uns unterwerfen. Setzen wir denn kühn,
Die Ehre rettend, unser Leben ein!
        (Nach einigem Bedenken.)
Am Tor der Löwen ist der Hang des Bergs
Geschickt zum Ausfall. Dort am eh'sten glückt's,
Hervorzubrechen plötzlich, und das Netz
Des Feindes mit gediegnem Keil zu sprengen.
Versuchen wir's! Sein Totenopfer heischend,
Wird Syphax' blut'ger Schatte vor uns her
Im Kampfe ziehn und uns den Weg des Heils
Erstreiten helfen. – Doch kein Augenblick
Ist zu verlieren. Eil hinab, Methumbal,
Und schar im Flug das Häuflein, das uns blieb!
Sobald ich mich gewappnet, folg' ich dir.

(Methumbal geht.)

Sophonisbe. Den Panzer, Hiram!
        (Sie läßt sich die Rüstung anlegen.)
                                            Thamar, armes Kind,
Dein hart Geschick beklag' ich. Mußtest du
Vertrauend an den Herd der Schwester flüchten,
Um solchen Tag zu schaun!

Thamar.                                   Nicht doch! Laß mich
Die Götter preisen, die mich hergeführt!
So schwach nicht bin ich, wie du denkst; es fließt
In meinen Adern auch das Blut der Barkas,
Das in bedrängter Stunde kühner wallt.
        (Sie reißt einen Speer von einer Trophäe.)
Sieh! Dieser Arm, dank unsern Jugendspielen,
Hat noch den Speer zu schwingen nicht verlernt.
Unselig wär' ich, wüßt' ich, fern von dir,
Dich in Gefahr. Nun schlägt das Herz mir hoch,
Denn alles darf ich mit dir teilen! –
        (Trompeten.)
                                                    Horch!
Sie nahn!

(Tritt an das Geländer.)

Sophonisbe.   Was siehst du?

Thamar.                               Langsam bis zur Brücke
Im Taktschritt wogend dröhnt ihr Zug heran.
Dort halten sie. Im weißen Mantel jetzt
Auf prächt'gem Berber sprengt ein Reiter vor,
Der Reiherbusch des Helms verrät den Feldherrn;
Sie grüßen ihn. Nun zügelt er sein Roß
Und spricht zu ihnen –

Sophonisbe (noch immer beschäftigt, sich zu wappnen).
                                  Wo?

Thamar.                                   Am Uferhang
Uns grade gegenüber. Fast erreicht
Der Worte Schall mein Ohr. – Nun jauchzen sie
Ihm ihren Beifall! Horch!

Sophonisbe (eilt fertig gewappnet an das Geländer).
                                      Sie sollen bald
Verstummen, sag' ich dir! Den Bogen her!
Den schärfsten meiner Pfeile! Ha, ich treff' ihn,
Wie ich im Frührot heut den Panther traf!

Thamar. Er wendet sich.

Sophonisbe.                   Wohlan, er soll –

Thamar.                                                   Halt ein!
Beim ew'gen Licht, halt ein! Das ist kein Römer,
Dies Antlitz kenn' ich!

Sophonisbe.                     Laß! –

Thamar.                                     Schau selbst und sprich,
Ob ich mich täuschte.

Sophonisbe (ist wieder an das Geländer getreten).
                                  Massinissa! Götter!
        (Sie kämpft einen Augenblick mit sich selbst und läßt dann den Bogen sinken.)
Umsonst! Ich kann's nicht! – Fort!

(Der Vorhang fällt.)


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