Emanuel Geibel
Sophonisbe
Emanuel Geibel

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Dritter Aufzug.

Hauptquartier des Scipio im halbzerstörten Schlosse zu Massylis. Eine hohe Halle; hinten in der Mitte ein mächtiger Pfeiler, der zwei große Bögen trägt, beide durch Vorhänge verschließbar. Der Bogen zur Rechten gewährt eine weite Aussicht ins Lager, der zur Linken führt in eine Nische, in der Scipios Feldbett aufgeschlagen ist. An der zweiten Kulisse links eine Tür, ihr gegenüber zur Rechten eine stark vorspringende erzbeschlagene Pforte. Vorne links ein Tisch, darauf Rollen, Karten (Tafeln) und Schreibgerät. Der Vorhang der Nische ist geschlossen, der Blick ins Lager frei. Wachen schildern vor dem Eingang; der Hintergrund bleibt während der folgenden Szenen unaufhörlich belebt.

Erster Auftritt.

Lälius und Severus, aus dem Lager in die Halle tretend.

Lälius. Willkommen hier in Massylis, Sever,
Du bleibst dir treu und läßt dich nicht erwarten.

Severus. Ein schlechter Kriegsmann, der die Zeit versäumt!
Vor einer Stunde bin ich eingerückt,
Und darf mich rühmen, daß ich nicht vergebens
Mich von der Wüstensonne bräunen ließ.

Lälius. So steht es gut im Süden?

Severus.                                     Ganz nach Wunsch.
Durch Gold und Gunstverheißung sind die Stämme
Vom großen Salzsee bis zum roten Berg
Für uns gewonnen. Wenig Mühe schuf's,
Denn schwer auf ihnen lag Karthagos Joch,
Und fast wie Retter wurden wir begrüßt.

Lälius. Nun, desto besser.

Severus.                         Auf dem Heimweg zog
Ich durch des untern Atlas üppig Land,
Und reichen Vorrat bring' ich mit ins Lager:
Feldfrüchte, Herden, zwölf Kamele selbst,
Mit Schläuchen auserles'nen Weins bepackt.
Im Tal der Palmen aber stieß ein Schwarm
Von wilden Kriegern zu uns, wie der Tag
Ihn bunter nie beschien: bemalte Neger,
Mit Waffen aus des Elefanten Zahn
Und Federkronen seltsam aufgeputzt,
Getulier, im geschuppten Panzerhemd
Aus Schlangenhaut auf Zebrastuten reitend,
Und Giftpfeilschützen aus dem Zedernwald.
Versprengte Scharen sind's vom letzten Aufstand
Und durstig insgesamt auf punisch Blut.

Lälius. Das wird den Scipio freun.

Severus.                                       Ich hoff's. Es standen
Bei ihm die Eingebornen stets in Gunst,
Fast mehr als billig.

Lälius.                         Freund, weil er sie braucht.
Ich hört' ihn oft gestehn: dies Afrika
Wird nur durch Afrika von uns bezwungen.

Severus. Er mag recht haben. Freilich, sonst war's anders.
Der Römer sah im Fremdling nur den Knecht.
Man warf ihn nieder und das scharfe Schwert
Ward sein Gesetz –

Lälius.                           Doch schon im nächsten Jahr
Brach die Empörung aus.

Severus.                               Und ward vernichtet.

Lälius. Jawohl, und eine Wüste blieb uns nach
Voll Bluts und Trümmer und erstickte Flüche. –
Wenn Scipio das nicht will, wer schilt ihn drum?

Severus. Beim Mars, nicht ich. Er ist der Feldherr Roms,
Und wär' er's nicht, freiwillig beugt' ich mich
Vor seinem Genius. Nur staun' ich oft
Und finde mich nicht gleich in seine Weise,
Der grauen Scheitel fällt das Lernen schwer.
Nicht die Verbrüdrung bloß mit den Barbaren,
Schlachtordnung, Marsch, Befest'gung – alles neu!
Anstatt des Kriegsrats plötzliche Entschlüsse,
Aus dunkler Offenbarung Strom geschöpft! –
Mir schwindelt, seh' ich diesem Jüngling zu,
Wie er auf unversuchten Pfaden schreitend
Mit den Geschicken wie mit Würfeln spielt.

Lälius. Die alte Schule schmollt aus dir, Sever.
Wohl geht er andre Bahnen, als bis heut
Die Kriegskunst Roms, in Regeln eingerostet,
Als jener Fabius, der Zaudrer, ging.
Doch Großes wagend hat er Größeres
Nicht stets gewonnen? Nicht dem Adler gleich
Sein Ziel erflogen? Wo die Besten sanken,
Trug spielend ihn ein günst'ger Wind empor.
Den Feldherrn macht sein Geist, doch auch sein Glück:
Das ist's. Die Götter lieben ihn und decken
Mit dichten Lorbeern seine Fehler zu,
Wenn das noch Fehler sind, was wir zuletzt
Trotz allen Widerspruchs bewundern müssen.

Zweiter Auftritt.

Die Vorigen. Scipio tritt zur Linken auf, im Gespräch mit Atarbas. Sextus und andre Hauptleute folgen, zu denen sich Severus gesellt. Später Lucan.

Scipio (zu Atarbas).
Geh, sag dem Massinissa meinen Dank
Für guten Dienst; auf seinen Vorschlag aber
Könn' ich nicht eingehn; ruhig soll er sich
Im Kreise seiner Lagerwälle halten.
Mit Gisgon, wiss' ich, hab' es keine Not.

(Atarbas tritt ab. Scipio tritt vor zu Lälius, der im Vordergrunde links steht, während die übrigen sich weiter hinten zur Rechten gruppiert haben.)

Seltsam – er kommt zurück und statt mir selbst
Bericht zu bringen, sendet er Atarbas,
Und geht mich an, mit seiner ganzen Macht
Nach Cirta ihn zu werfen, das von West her
Durch Gisgons Anmarsch schwer gefährdet sei.
Und dennoch weiß ich sicher, Gisgon stand
Drei Stunden gestern nur von Hadrumet,
Wie käm' er jetzt nach Cirta! – Sieh die Tafel!
Unmöglich ist's und Massinissa täuscht sich.

Lälius (halblaut).
Scipio –

Scipio.         Was soll's?

Lälius.                           Vergib, und wenn er dich
Nun täuschen wollte?

Scipio.                           Wüßt' ich nur, wozu!
Denn außer Zweifel steht's, er hängt an mir.
Verhaßter Argwohn! Nun, ich sah mich vor.
In wenig Augenblicken werden wir
Gewißheit haben, wie die Dinge stehn.
Bis dahin – schweigen wir!
        (Wendet sich zu den übrigen.)
                                        Sieh da, Sever!
Sei mir gegrüßt und laß die Hand dir schütteln!
Vou deines Zugs preiswürdigem Erfolg
Vernahm ich schon. Heut abend sollst du mir
Genaues melden. Doch ruh aus zuvor
Und tu dir gütlich auf die heiße Fahrt.

Severus. Nicht nötig, Konsul. Trotz des Schnees hier oben
Hielt dieser wetterharte Leib sich frisch.
Ich bin nicht leicht erschöpft, und Tafelfreuden
Gönn' ich den Kennern. Mir ist immer noch
Im scharfen Dienst am wohlsten. Ging' es nur
Erst wieder auf den Feind!

Scipio.                                     Nun, dazu mag
Rat werden, Alter. Eh' der Mond sich füllt,
Stehn wir im Schlachtfeld.

Severus.                                 Meinst du?

Scipio.                                                     Man berichtet
Mir aus Italien heut, daß Hannibal
Sein Heer zusammenzieht bei Kap Misen.
Was wollt' er dort, wo seine Flotte kreuzt,
Wenn er nicht ernsthaft an die Heimkehr dächte?
Und denkt er dran, so zaudert er nicht lang.
Vielleicht indem wir reden, liegen schon
Siziliens Küsten hinter ihm.
        (Lucan ist eingetreten und hat leise mit Lälius gesprochen.)
                                          Was gibt's?

Lälius. Ein sonderbarer Vorfall wird dem Hauptmann
Des Tors gemeldet.

Scipio.                         Nun?

Lucan.                                 Der punische
Kundschafter, den vor wenig Tagen du
Vom Strang befreit, erschien urplötzlich wieder
Zu Roß am Wall und rief den Wachen zu:
Die Maus lass' ihren Gruß dem Leun entbieten,
Und Syphax' Witwe, Sophonisbe, sei
Im Lager drüben. Damit wandt' er um,
Und war verschwunden.

Scipio.                                 Sophonisbe, sagst du?

Lälius (leise, heftig).
Du siehst, zu gut nur stimmt es.

Scipio.                                           Ruhig, Freund. –
Ist Flavius zurück?

Sextus.                         Noch nicht.

Scipio.                                             Lucan!
Mein Renner soll gesattelt stehn. –
        (Lucan ab. Scipio wendet sich zu den andern.)
                                                    Im Grund
Wär's so unmöglich nicht. Erzählt man doch
Von Massinissa, daß er einst gehofft,
Die Königin als Gattin heimzuführen.
Entflammter Leidenschaft verzeiht sich viel.
Nur daß er mir's verschwieg! Ich wär' ihm wahrlich
Im Wege nicht gestanden. –

Severus.                                     Wie? Du wärst –?

Scipio. Gesteh' ich's nur! Ich wünsche diesen Bund.
Man nennt sie klug und großgesinnt, das Volk
Vergöttert sie, und reicht sie am Altar
Dem ausgesprochen Schützling Roms die Hand,
So frommt das mehr uns als ein siegreich Treffen.
Wo bleibt nur Flavius!

Lälius.                             Aber wenn nun sie,
Die Tochter Hasdrubals, die glänzende,
Den Leichtbeweglichen auf ihre Seite
Hinüberzöge?

Scipio.                 Das sei meine Sorge.
Ich kenne meinen Mann und halt' ihn schon.

Dritter Auftritt.

Die Vorigen. Flavius, rasch eintretend, einen numidischen Mantel über den Arm geworfen.

Scipio. Ha, endlich! Sprich, was bringst du?

Flavius.                                                     Herr, Gefahr!
Im vollen Aufbruch fand ich die Numider,
Und keinen Streifzug, Abfall gilt's von Rom.

Lälius. Hörst du?

Scipio.                 Soweit sind wir noch nicht.

Flavius.                                                       Ich schlich,
Wie du befahlst, mich ein, und scheinbar sorglos
Im staubbedeckten Wüstenmantel schlendernd,
Gewahrt' ich unbeachtet, was geschah.
Ein fremdes hohes Weib sah ich von fern
Durchs Lager reiten, mit den Häuptlingen
Sich eifrig unterredend, Massinissa
Hielt in verschloßnem Zelte Rat, die Lanzner,
Erhitzt vom Weine, schnürten ihr Gepäck,
Die Reiter sattelten. Das war ein Wühlen
Und Raunen! Man verhieß geheimnisvoll
Sich goldne Berge von der nächsten Zukunft
Und mehr als einen hört' ich froh sich brüsten.
Nun sei's vorüber mit der römischen Zucht.

Severus. Empörung!

Lälius.                     Laß uns die Verräter –

Scipio.                                                       Still.
Ich war darauf gefaßt. Sextus, mein Roß!
Ich will die römische Zucht sie kennen lehren. – –
Lälius, du rückst mit deiner Legion
Sofort auf Cirta und versicherst dich
Der Burg um jeden Preis; sie wird dir, hoff' ich,
Kampflos die Pforten öffnen. Dir, Sever,
Vertrau' ich hier im Lager den Befehl.
Bin ich in einer Stunde nicht zurück,
So folgst du mit dem Heer mir nach und schließest
Von allen Seiten die Numider ein.
Nicht eher, hörst du?

Severus.                         Wohl. Und welche Schar
Hast du dir selber zum Geleit erwählt?

Scipio. Den Flavius und den Liktor. Niemand sonst.

Severus. Vergib mir, Feldherr –

Lälius.                                     Scipio, rasest du?
Du willst doch nicht allein –

Scipio.                                       Voreil'ger Lärm
Erhöht das Übel nur. Die Sache wird
Sich in der Stille schlichten lassen.

Severus.                                             Konsul,
Versuch die Götter nicht!

Scipio.                                   Ich bau' auf sie.
Sie sind's, die den Entschluß mir eingegeben.

Lälius. Nimm mindstens deine Veteranen mit,
Die zehn Manipeln. Sie sind stark genug,
Im Notfall standzuhalten, bis Sever
Mit Hilfe nachkommt.

Severus.                           Lälius rät dir gut,
Nimm die Manipeln, Herr!

Scipio.                                     Nicht wahr, damit
Vom ersten Zufall blind dahingerissen
Ihr hitz'ger Eifer in den Kampf sie stürzt?
Damit ein Blutbad wird, und nach dem Sieg
Ein furchtbar Strafgericht ich halten muß
Und selber abhaun, was uns wie ein Glied
Des eignen Leibes morgen fehlen würde,
Wenn plötzlich drunten landend Hannibal
Zur Schlacht uns fordert? Nein und aber nein!
Auf ihn, den Riesen, unsre Legionen!
Mit diesem Knaben wag' ich's noch allein.
Die Hand, die trotzig schon zum Schwerte griff,
Erlahmt am Heft ihm, seh' ich ihm ins Auge.
Seid unbesorgt, mein Stern ist über mir!

(Er geht ab. Flavius und die Hauptleute folgen.)

Verwandlung.

Numidisches Lager mit weitem Ausblicke auf das Atlasgebirge. Links Sophonisbens Zelt; zur Rechten, weiter zurück, die Bögen einer zertrümmerten Wasserleitung, bis zur halben Höhe mit wucherndem Schlingkraut überwachsen.

Vierter Auftritt.

Batu. Sophonisbe. Im Hintergrunde numidische Krieger.

Batu. Tritt aus dem Zelte, Königin. Die Stunde
Der Fahrt ist da, die du so heiß ersehnt.
In wenig Augenblicken wird der Fürst
Erscheinen, auf den Zelter dich zu heben.

Sophonisbe. Willkommne Botschaft! Und die Scharen sind
Bereit, wie wir?

Batu.                       Blick hier hinaus und sieh's!
In langen Reihen schon geordnet steht
Am Bug der Rosse lehnend, Speer an Speer,
Das Reitervolk, und mit dem Kriegsgepäck
Beladen harren Maultier und Kamel.
Nichts fehlt zum Ausbruch als des Führers Wink.

Sophonisbe. Was läßt ihn zögern? Hätten wir den Dampf,
Der diese schmalen Lagergassen füllt,
Erst hinter uns! Unheimlich weht er mich,
Wie römische Fieberluft, beklemmend an,
Und unter meinen Füßen brennt der Boden
Wie Lavaglut.

Batu.                   Getrost! Da naht der Fürst.

Fünfter Auftritt.

Die Vorigen. Massinissa, Atarbas, Adherbal, Sarkas, Menalkar und andre numidische Hauptleute.

Massinissa. Das ist ein Donnerschlag aus blauer Luft!
Er weist den ganzen Plan zurück?

Atarbas.                                           Er tut's.
Der kluge Wächter will der Brut des Panthers,
Die er sich zähmte, nicht mit eigner Hand
Den Käfig öffnen. Er verweigert uns
Den Streifzug, unter dessen Vorwand du
Dein Kriegsvolk ihm hinwegzuführen dachtest,
Und heißt dich still bei deinen Zelten ruhn.

Massinissa. O dieser Scipio!

Sarkas.                               Sprich, was soll geschehn?
Entscheide dich! Gefahr ist im Verzug.

Adherbal. In blinder Hast noch größre. Laß dich warnen.
Solch Unternehmen bricht sich nicht vom Zaun.
Gib's auf für heute, daß zur Überlegung
Wir Zeit gewinnen. Mit Gewalt den Weg
Uns bahnen wollen, wäre sichrer Tod.
Im offnen Felde von den Legionen
Beim ersten Anlauf würden wir erdrückt.
So frommt dir nichts als Warten –

Massinissa.                                         Kann ich's noch?
Wir sind zu weit gegangen. Jede Stunde
Kann unsern kecken Anschlag, den bis jetzt
Er höchstens ahnt, ihm zur Gewißheit stempeln,
Die Truppen wissen, was es gilt, wie hielten
So viele Tausend das Geheimnis fest!
Nein, was geschehn soll, muß sogleich geschehn.
Doch blickt zum Himmel! Hilfreich zeigt ein Gott
Uns selbst den Ausweg. Mit Gewölk umzieht
Vom Atlas her der Abend seine Stirn,
Die Sonne taucht sich in ein Meer von Blut
Und kündet eine Nacht voll Sturm uns an.
Laßt uns sie nutzen! Während ruhig hier
Die Feuer glühn und auf den Wällen rings
Der Posten hergebrachte Zahl zurückbleibt,
Mit Ruf und Hörnerton die Nacht hindurch
Das Ohr der Römer täuschend, führen wir
Durchs Hintertor, die breite Schlucht hinab
Im Schutz des Dunkels still das Heer von dannen.
Gelingt's, so sind wir mit dem Frührot schon
In Cirtas sichrer Burg –

Adherbal.                           Und wenn ein Blitz
Dem Feind uns zeigt, wenn seiner streifenden
Geschwader eins uns trifft, wenn das Gewieh'r
Der brünst'gen Rosse uns verrät – was dann?

Atarbas. Adherbal sagt's: du heischst ein Wagestück,
Das leicht mißlingt. Und fast gereut's mich jetzt,
Daß deinem Dringen ich mein Ohr geliehn.
Der Einsatz ist in diesem Spiel zu groß,
Der Preis zu klein. Was gilt uns dies Karthago,
Das, siegen wir, noch mit der Löhnung kargt,
Und wenn wir sieglos sind, uns kreuz'gen läßt?
Hier weiß man doch, was Kriegsbrauch ist –

Massinissa.                                                       Unsel'ger!
Du trittst zurück?

Atarbas.                   Das sagt' ich nicht. Du hast
Mein Wort. Nur mein' ich, die Gefahr –

Sophonisbe (plötzlich dazwischentretend).         Gefahr?!
Und rollt numidisch Blut in deinen Adern?
Bist du ein Sohn der Wüste oder bringt
Nur noch die Tierwelt Löwen dort hervor?
Nein, deine Wiege stand am Pol, dich hat
Ein szythisch Weib mit bleicher Furcht gesäugt.
Kein Sonnenfunke drang in deine Seele,
Und wenn dein Antlitz Libyens Farbe trägt,
So ist's ein Spiel nur der Natur! Gefahr!
Das war der Klang, der eure Väter lockte
Wie die Drommet' ein Roß, das war der Kelch
Voll süßen Palmweins, drin sie sich berauscht.
Sie suchten sie, so wie in euren Märchen
Der braune Hirt die Königstochter sucht!
Und ihr – o Schmach! – ihr bebt vor ihr zurück,
Da winkend sie in ihres Schleiers Falten
Das Heil euch bringt! Selbst die Verzweiflung lehrt
Euch nicht mehr kühn sein. Denn verzweifelt stehn,
Beim Abgrund, hier die Würfel. Wagt ihr nicht,
Nicht diese Nacht noch den beschloßnen Zug,
So seid ihr morgen, eh' der Abend graut,
Im eignen Netz gefangen. Geht dann, fleht
Den Römer um eu'r Leben an! Vielleicht
Gewährt er's euch, und ihr dürft Zeugen sein,
Wie vom Altar die Götter Afrikas
Er niedertrümmert und Numidiens Stolz,
Der alten Kön'ge tausendjähr'ge Burg,
In Flammen aufgehn läßt. – Wollt ihr das tragen,
So tut's! Und freut euch eures richt'gen Solds!
Ich trüg' es nimmermehr –

Sarkas.                                   Soll euch ein Weib
Beschämen, Freunde? Wahrlich, sie hat recht;
Hier ist die Kühnheit Klugheit.

Menalkar.                                     Rückwärts führt
Kein Pfad uns mehr, so laßt uns vorwärts gehn!

Atarbas. Sei's drum! Man soll nicht sagen vom Atarbas,
Er blieb zurück, wo so viel Schönheit ihm
Das Banner vortrug –

Sarkas.                           Führ uns, Königin,
Wir folgen dir!

Alle.                     Führ uns, wir folgen dir!

Sophonisbe. Wohlan denn! Eilt zu euren Scharen, zündet
Die Lagerfeuer an und heißt die Reiter
Aufsitzen!(Batu ab.)
                Schon erlischt der Tag und dumpf,
Des Zugs Geräusch verschlingend, braust der Wind.
Wir brechen auf, sobald es finster ward.

Massinissa. Horch, Hörnerruf! Was gibt's?

Sechster Auftritt.

Die Vorigen. Hauptmann, gleich darauf Scipio.

Hauptmann (hereinstürzend).                     Der Scipio!

Massinissa. Er rückt heran?

Hauptmann.                         Er ist im Lager schon.

Atarbas. Wir sind verraten!

Massinissa.                         Götter!

Sophonisbe.                                   Sei ein Mann!
Jetzt gilt's das letzte.

Scipio (hinter der Szene).     Nimm das Roß mir ab
Und führ's am Zügel, Bursch! (Tritt auf.)
                                            Was geht hier vor?
Gezäumte Renner, fliegende Paniere,
Die ganze Schar gerüstet wie zur Fahrt!
Was soll das? Gebt mir Antwort! Wer befahls?

Sophonisbe. Dem zu befehlen hier geziemt, der Fürst
Numidiens.

Scipio.             So hat er, beim Olymp,
Die Botschaft, die ich sandte, schlecht verstanden.
Zu bleiben, nicht zu ziehn gebot ich ihm.
Wie? Oder ward dir's anders ausgerichtet?
Sprich, Massinissa!

Sophonisbe.                 Mich laß reden, Mann!
Wozu das Lügenspiel, das niemand täuscht?
Denn wohl erkennt dein Sinn, was hier geschehn.
So hör's mit Worten denn und zittre. Ja,
Du hast den Feind im Lager! Diese sind,
Abschwörend Roms verhaßte Dienstbarkeit,
Zurückgekehrt zu ihren Heimatgöttern
Und werfen kühn Karthagos Banner auf.
Dich aber, Konsul, hat zu dieser Stunde
Dein böser Stern verderbend hergeführt;
Du stehst auf einem berstenden Vulkan,
Und seine Glut schlägt auf, dich zu verschlingen.

Scipio. Sie zu ersticken komm' ich eben recht.
Laß sehn doch, wer im Lager hier der Herr ist,
Der Scipio oder ein mänadisch Weib! – –
Im Namen des Senats und Volks von Rom:
Der Ruf zum Aufbruch, sag' ich, war ein Irrtum,
Und wer ihm folgt, verfällt dem Kriegsgesetz.
Laßt zum Entsatteln blasen! Augenblicks!
Laßt blasen, sag' ich –

Sophonisbe.                     Wagst du's, uns zu höhnen?
So nimm dein Blut denn auf dein eigen Haupt.
Er ist in unsern Händen, stoßt ihn nieder!

Scipio (zieht das Schwert).
Ha, stehn die Dinge so? Wohlan! Versucht's!
Ich aber sag' euch: Nicht in euren Händen,
Nur in der Götter Händen ruht mein Los!
Heran! Hier steh' ich, einer gegen tausend,
Doch mit demantnen Schilden, Schar an Schar,
Stehn um mich her die Eide, die ihr schwurt,
Die Unsichtbaren, die den Meineid rächen!
Und so gewappnet trotz' ich eurem Grimm.
Wer tastet an das heil'ge Haupt des Feldherrn?
Wer hebt die Hand auf wider Scipio!

(Die Hauptleute lassen die Waffen sinken, stummes Spiel während der folgenden Reden.)

Sophonisbe. Gedenkt der Heimat! In den Staub mit ihm!
Den fremden Unterdrücker schützt kein Gott!

Scipio. Nun? Hört ihr nicht, was euch dies Weib gebeut!
Die Götter, sagt sie, wissen nichts von mir.
Was säumt ihr denn? – Macht euch dies Schwert so zahm,
Das euch so oft zum Sieg vorangeleuchtet?
Hier werf' ich's fort. Seht, wehrlos steh' ich da;
Ein Schreck zum höchsten für ein badend Weib,
Und ihr seid Männer, die in Scipios Schule
Dem Tod ins Antlitz trotzen lernten. Macht
An eurem Meister nun eu'r Probestück!
Stoß zu, Menalkar! Wohl erkenn' ich dich,
Ich riß dich weg vorm Zahn des Elefanten,
Den schon Gesunknen, – Karthalo, komm an!
Aus meinem letzten Becher tränkt' ich dich,
Da du verschmachtend lagst. Wo bleibe du, Juba?
Drei Tage sind's, da drückt' ich dir den Kranz,
Der Tapfern Preis, aufs jugendliche Haupt. –
Ihr andern all, mit denen wie ein Bruder
Ich Glück und Not geteilt, was zaudert ihr?
Heran! Hier öffn' ich meine Arme, taucht
Die Speere, dran ich euch den Ruhm geheftet,
Taucht sie in diese Brust und dankt mir so!

(Die Hauptleute sind zurückgewichen.)

Sophonisbe. Entsetzlicher!

Scipio.                               Ihr säumt? Ihr weicht zurück?
Kein einz'ger will von euch an seinem Feldherrn
Zum Mörder werden? Keiner sich die Hand
Meineidig röten? – Nein – Auf eurem Antlitz,
Täuscht mich nicht alles, les' ich Reu' und Scham.
Ein fremder Wille, fühlt ihr, trieb euch sinnlos
Auf diesen Pfad der Schuld – und gern vielleicht,
Wär's möglich, kehrtet ihr zur Pflicht zurück? –
Ihr hebt die Arme bittend auf? Ihr wollt's? –
Wohlan, so wißt es denn: ich kam nicht her
Ein Blutgericht zu halten, nein, ich kann
Verzeihn, dafern ihr selbst euch wiederfindet.

(Die Hauptleute stürzen vor ihm nieder.)

Sarkas. Zu deinen Füßen sieh uns, Herr!

Scipio.                                                   Steht auf!
Seid, was ihr wart, der Wüste kühnst Geschlecht,
Roms treue Bündner, und vergessen will ich
Wie eines Trunknen Wort, was ihr gefehlt.
Doch laßt euch nicht zum andernmal berauschen!
Ich müßt' unbeugsam wie des Orkus Mächte,
Ein Rächer, mit den Legionen nahn
Und scharf genug, beim Haupte der Medusa,
Wär', euch zu zehnten, meines Liktors Beil.

Massinissa (tritt vor).
Ich danke dir, daß den Verführten du
So milde warst. Vollende jetzt und sprich
Das Urteil über den Verführer aus.
Ich brach die Treue Rom und brach sie dir
Und habe nichts, was mich entschuld'gen könnte,
Kein Wort der Reue selbst. Mein Schicksal war's,
Was mich dahinriß; mög' es sich vollziehn!
Um eins nur bitt' ich dich: laß nicht dies Weib
Für mein verhängnisvoll Beginnen büßen!
Ich bin der Schuld'ge, nimm mein Haupt dahin!

Scipio. Ich will dein Haupt nicht. Allzu reiche Hoffnung
Hab' ich darauf gebaut, als daß ich sie
So rasch mit eigner Hand in Trümmer schlüge.
Ich gebe dich nicht auf. Und was vielleicht
Der Oberfeldherr Roms nicht wagen sollte,
Der Scipio wagt's, der Freund, weil er dich kennt.
Du bist aufs neu in deinem Führeramt
Von mir bestätigt. In der nächsten Schlacht
Stehst du mit diesen hier im Vordertreffen.
Dann zeigt der Welt, die nicht an Ehre glaubt,
Daß Scipio recht tat, als er euch vertraute.

Die Hauptleute (ihre Waffen schwingend).
Heil Scipio! Heil!

Massinissa.               Zu Boden wirfst du mich
Und hebst mich wie mit Götterarmen auf.
Dochsie – doch Sophonisbe – sprich!

Scipio.                                                     Sie hat
Sich schwer vergangen wider uns. Doch war
Ein finstrer Geist, der sie allmächtig trieb,
Der Dämon der Verzweiflung über ihr.
Und was zu meiden mehr als Menschenkraft
Gefordert hätte, räch' ich nicht als Frevel.
Die ehrenvollste Haft sei ihr gewährt.
Du selbst behütest sie. Und daß ihr Schmerz,
Blind um sich rasend, uns nicht abermals
Gefährde, geb' ich ihm ein würdig Ziel.
Noch liegt der Leichnam ihres edlen Gatten
Im Zelt der Toten drüben. Schafft ihn her!
An seiner Bahr' entlaste sie in Tränen
Ihr stürmend Herz. Doch ihr bereitet euch,
Den tapfern, nur vom Tod besiegten Feind
Mit königlichen Ehren zu bestatten.
Auf Wiedersehn am Katafalk! Lebt wohl!

(Wendet sich zum Gehen.)

Die Hauptleute. Heil Scipio! Heil!

(Scipio geht, die Hauptleute drängen nach. Sophonisbe, die seitwärts gestanden, tritt in die Mitte der Bühne.)

Sophonisbe.                                 Beschämt! Besiegt! Vernichtet!
O wer verlieh dir, Schrecklicher, die Macht,
Die mich zermalmt und mit Bewundrung füllt!
An meines Lebens Sternen werd' ich irr –
Schirmt mich, ihr guten Götter! Welch ein Mann!

(Der Vorhang fällt.)


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