Emanuel Geibel
Sophonisbe
Emanuel Geibel

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweiter Aufzug.

Dieselbe Dekoration. Spuren von Verwüstung; Der Schenktisch umgeworfen, die Gefäße am Boden verstreut. An der Pforte zur Linken zwei römische Legionäre als Wachen. In dem Augenblicke, wo der Vorhang aufgeht, tritt Torquatus aus dieser und geht dem Massinissa entgegen, der, von numidischen Hauptleuten umgeben, aus dem Hintergrunde vorschreitet.

Erster Auftritt.

Massinissa. Torquatus. Hauptleute. Wachen. Später Hiram.

Massinissa. Pflanzt auf den Wall den Adler! Glücklich ist
Vollführt, was ich dem Scipio gelobt,
Wir sind in Cirta.
                          Dago, du besetzest
Palast und Burg mit meinen Libyern
Und läßt in Eile das zerstörte Tor
Sturmfest erneuern. Du, Torquatus, rückst
Indes mit den italischen Kohorten,
Sobald sie ausgerastet, langsam vor,
Den Weg uns deckend, der nach Morgen führt.
Ich selber bleibe. Denn Gewicht'ges noch
Zu schlichten gilt's. Wo ist die Königin?

Torquatus (auf die Pforte zur Linken zeigend).
Im Turmgemach. Ich hab' dafür gesorgt,
Daß sie uns nicht entrinnt.

Hiram (stürzt aus der Pforte und wirft sich vor Massinissa nieder).
                                        Erbarmen, Herr!
Barmherzigkeit!

Massinissa.             Was willst du, Knab'?

Hiram.                                                     Erbarmen
Für meine Herrin! Laß mich nicht umsonst
Zu deinen Füßen flehn! Du gleichst ja nicht
Den Männern dort von Erz; dein Antlitz trägt
Die Züge unsres Stamms: so rett' und hilf!
Denn sie erliegt dem Jammer –

Torquatus.                                     Weibertränen!
Sie trocknen schon –

Hiram.                           O, weinte sie, Barbar!
O raste sie und riss' ihr Kleid in Stücke!
Doch dieses stumme Leid ist schrecklicher.
Erloschnen Auges, blutlos, tränenlos
Wie eine Tote sitzt sie da und starrt
Auf ihre Fesseln; unbewegter starren
Die Felsenbilder in der Wüste nicht.

Massinissa. Gefesselt, sagst du?

Torquatus.                               Ja. So will's der Brauch
Bei Kriegsgefangnen, die der Republik
In offnem Kampf getrotzt –

Massinissa.                               Sie ist ein Weib,
Und dir nicht fremd, daß ich sie einst gekannt.

Torquatus. Der Römer kennt nur Freund und Feind. Indes
Wenn du gebietest –

Massinissa.                     Geh zu deiner Schar
Und tu, was ich befahl!
        (Torquatus ab.)
                                    Auf eure Posten!
Die Sorg' um dieses Weib ist mein. Ich selbst
Entscheid' ihr Los.
        (Die Hauptleute gehen, auf einen Wink Massinissas auch die Wachen.)
                            Nimm, Knabe, diesen Ring,
Das Zeichen meiner Vollmacht; eil und löse
Die Fesseln deiner Königin und sag ihr,
Daß Massinissa ihres Grußes harrt.

Hiram. Hab Dank!

(Geht ab durch die Pforte links.)

Zweiter Auftritt.

Massinissa (allein).   Vergessen wähnt' ich's und verschmerzt,
Mich selbst im neuen Lebensstrom gehärtet
Und das Vergangne machtlos hinter mir.
Und nun – o wir sind schwach! – nun stürmt das Blut
Unruhig aufgewiegelt mir zum Herzen
Und vor der Überwundnen bangt mir fast,
Als wäre sie die Siegerin. – Wie anders
Dacht' ich mir dies Begegnen! Stolz gefaßt
Ein kühles Mitleid wollt' ich ihr bezeigen,
Gleichmütig ihr erleichtern, was sie traf;
Die Rache des Verschmähten sollt' es sein –
Umsonst, mir glückt's nicht. Der Gedanke bloß,
Ins Antlitz ihr zu schaun, entwaffnet mich,
Und wie erstarrte Schlangen, angerührt
Vom Strahl der Frühlingssonne, regen plötzlich
Die alten Wünsche sich in meiner Brust.
Werd' ich sie zügeln können? – Will ich's nur?
Was frommt das Grübeln! Mag der Augenblick
Entscheiden!

Dritter Auftritt.

Massinissa. Sophonisbe, auf Thamar gestützt, erscheint in der Pforte zur Linken.

Massinissa.         Sophonisbe! Ja, du bist's!
Und bei den ew'gen Göttern schön wie sonst!
Sei mir willkommen! Welch ein fremd Gestirn
Uns auch zusammenführt, als deinen Freund
Sollst du mich sehn.

Thamar.                         Zurück, Entsetzlicher!
Und gib der grausam bis ins Herz Getroffnen
Zeit zur Besinnung. – O, was tatest du!

Massinissa. Wild ist der Krieg und vieles muß ein Feldherr
Geschehen lassen –

Thamar.                       Muß? Willkommnes Wort,
Mit dem der Frevler stets die Schuld von sich
Abwälzt ins Leere, jeden Übermut
Und jeden Treubruch –

Massinissa (drohend).           Thamar!

Thamar.                                           Drohe nur!
Ersticken kannst du meinen Vorwurf, nicht
Dich reinigen. O, wenn kein andrer Arm
Sich fand, als deiner, um die Zeichen Roms
Auf deiner Väter heil'ge Burg zu pflanzen:
Sag an, Herzloser, wie vermochtest du's,
Dies teure Haupt, das du gefährdet wußtest,
Die Freundin deiner Jugend der Gewalt
Des tückisch blinden Zufalls preiszugeben,
Daß auch kein Tropfen ihr im Kelch der Schmach
Erspart blieb, du, von dem ein Wort genügte –
Und jene trotz'gen Schergen krochen zahm
Zu ihren Füßen –

Sophonisbe.               Schweig!

Thamar.                                   Nur noch das eine
Laß mich ihm sagen, daß sein treulos Herz
In Scham vergehn mag! Ja, vernimm's, Unsel'ger,
Wenn du noch atmest, ihrer Gnade nur
Hast du's zu danken. – Zweifelst du? – Schau her!
Hier war's, schau her! Als du vor wenig Stunden
Umbraust vom Jubelrufe deines Heers
Auf stolzem Roß dort drüben schon als Sieger
Dich blähtest, lag dein Los in ihrer Hand.
Dein Leben hing an ihres Pfeiles Spitze,
Doch sie, großmütig eurer Jugendzeit
Gedenkend, schenkte dir's –

Massinissa.                               Was sagst du, Weib!
Sie hätte hier –?

Sophonisbe.           Wer hieß dich reden, Thamar?
Dies ist die Stunde nicht zu müß'gem Wort.
Kehr heim in deinen Kerker oder geh,
Dafern sie dir's gestatten, zum Altar
Und sieh zur Göttin, daß sie deine Freundin
Zu hart nicht prüfe. – Dieser Mann, ich seh's,
Bringt mir mein Schicksal. Gönn ihm nicht den Wahn,
Ich sei zu schwach, allein dem Schlag zu stehn. –
Geh!

(Thamar geht ab durch die Mittelpforte.)

Vierter Auftritt.

Massinissa. Sophonisbe.

Massinissa.   Sophonisbe, welch ein Wiedersehn
Voll Pein und Irrsal! Glaube mir, ich hätte
Dir diese Schrecken gern erspart. Doch wer
Bezähmt den siegestrunknen Schwarm, wer ist
Allgegenwärtig, seine Wut zu zügeln?
Jetzt ist der Sturm verbraust, jetzt bin ich hier.
Sei denn getrost! Du fielst in eine Hand,
Bereit, wie sie vermag, dein Los zu mildern.
Nur stoß mich nicht zurück, nur gönne mir
Ein freundlich Wort!

Sophonisbe.                   Was könnte die Besiegte
Dem Sieger sagen! Tu was dir gefällt!
Mein Wunsch nicht war's, der dies Gespräch gesucht.

Massinissa. Bist du so starr und bist dieselbe doch,
Die mein geschont? Hast du dem Todespfeil
Sein Ziel verwehrt um unsrer Jugend willen:
Warum denn jetzt verleugnen, daß in dir
Das Angedenken jener Zeit noch lebt?
O, wohl bekämpft' auch ich's, im Sturm der Schlacht,
Im Lärm des Lagers rang ich's zu ersticken
Und log mir endlich selbst, vernichtet sei's.
Vergeblich Mühn! Du nahst, du läßt wie einst
Dein Auge still und dunkel auf mir ruhn
Und alle Narben der Erinnrung brechen
Wollüstig blutend auf. Ich seh' uns wieder
In deines Vaters Halle, wo mein Ohr
Zuerst den Zauber deiner Stimme trank,
Seh' uns am Meer auf feuchtgeripptem Sand
Der flücht'gen Antilope Spur verfolgen.
Und dort im Hain der Zedern – weißt du noch,
Wie ich dich dort am Springborn fand, den Flaum
Des purpurfarbigen Flamingos streichelnd? –
Doch ich erschoß ihn, weil ich's ihm mißgönnt.

Sophonisbe. Was soll das alles der Gefangnen?

Massinissa.                                                     Nur
Dir sagen soll's, was damals ich empfand,
Und was ich heut aus Aschen auferweckt
Gedoppelt heiß empfinde. Fragen soll's,
Was du gefühlt, eh' schlaue Staatskunst dir
Das Herz verwirrt und jener greise Fürst,
Dem deine Jugend aufgeopfert ward,
Mich dir entfremdet. – O zerbrich dies Eis
Des allzu scheuen Stolzes! Sprich es aus,
Daß dir des Jünglings Werben nicht mißfiel,
Und was du seinem stummen Wunsch vielleicht
Einst weigern mußtest, gönn' es jetzt dem Manne,
Der, höher nur von deiner Not entflammt,
Freimütig seine Glut bekennt!

Sophonisbe.                               Du sprichst
Zu Syphax' Witwe. Unterm offnen Himmel
Liegt noch sein Haupt, die Wunde blutet noch,
Aus der sein Leben strömte, und du wagst,
Verblendeter –

Massinissa.             Die einz'ge Hilfe dir
Zu bieten wag' ich, die dich retten kann.
O sei nicht du verblendet! Muß ich dich
Noch mahnen an das eiserne Gesetz,
Das hier jetzt waltet? Unerbittlich bist
Du ihm verfallen, wenn du mich nicht hörst.
Das Schicksal der entthronten Fürstin wird
Von Rom verhängt, mein Weib nur kann ich schützen.

Sophonisbe. Dein Weib? Weib eines Römers? Lieber tot!
Geh hin und such am Tiber dein Gemahl!
Vor des Verräters Bett –

Massinissa.                           Halt ein und häufe
Das Maß nicht deiner Ungerechtigkeit!
Verräter schiltst du mich, weil ich mein Reich,
Mein heilig Erbteil, das man mir entriß,
Nicht ruhig preisgab? Weil ich, den als Bettler
Das Vaterland von seiner Schwelle stieß,
Die einz'ge Hand, die hilfreich mir sich bot,
Die Hand des Römers faßte? O, du hast
Nie der Verbannung herben Kelch geschmeckt!
Mit den Harpyien hätt' ich damals mich,
Mit jedem Geist des Abgrunds mich verbündet,
Der mir den schnöden Raub zurück verhieß.
Mein Recht und meine Rache heischt' ich nur
Und tat's mit leichtem Sinn und festem Herzen,
Und niemals kam ein Zweifel mir – bis heut.
Doch, was verleugn' ich's? – nun ich endlich hier
Der langentbehrten Heimat Grund betrete,
Nun dieser Heimat leibgewordnes Bild
In dir so strahlend schön und doch so feindlich
Mir gegenübersteht, nun schwankt das Herz
Erschüttert und verwirrt mir in der Brust,
Und meiner Jugend Sterne sehn bezaubernd
Mich an und winken –

Sophonisbe.                       Hättest du dich nie
Von ihnen abgewandt!

Massinissa.                       Und wenn ich nun
Dem Winke folgte? Wenn ich meinen Groll
Wie einen Schild, der aus den Fugen ging,
Hinter mich würfe? Wenn der Ausgestoßne
Der reichen Hoffnung, die er draußen fand,
Den Ehren Roms, dem Freunde selbst entsagte,
Und Sühnung bietend an der Mutter Herd
Heimkehrte, jetzt, zur Stunde der Gefahr,
Ein Sohn, ein Hort, ein Retter ihr zu werden?

Sophonisbe. Wenn – wenn –

Massinissa.                           Sprich, daß du's willst, und ich vollführ's!
Befiehl und bei des Himmels Pforten schwör' ich's:
Unwiderstehlich Weib, ich folge dir.
Du bist mein Schicksal. Wider dich zu stehn
Vermag ich nicht, und wenn ich meine Schuld
Nach deinem Maß nicht messe, so erkenn' ich
Doch, was ich tun muß, deiner wert zu sein.
Nicht bloß dich zu befreien gilt's, es gilt
Auf aller Ehren Gipfel dich zu heben.
Ein großes Reich vom Atlas bis zum Meer
Steigt vor mir auf, das Afrikas Geschlechter
Ruhmreich versammelt unter einem Haupt.
Die Völker alle schließt es ein, so weit
Des Sonnenwagens diamantnes Rad
Senkrecht dahinrollt über unsrer Scheitel,
Den Neger, der den Elefanten zähmt,
Den stolzen Wüstensohn mit seinen Rossen,
Den Kananiter, dem die Flut gehorcht.
O welch Gebiet! Und alles, was es hegt
An Segensfülle, Pracht und Kriegsgewalt,
In einer Krone güldnen Reif beschlossen,
Und diese Krone dein! Wirst du dem Mann
Dich auch versagen, der als Sieger naht,
Sie auf dein Haupt zu drücken?

Sophonisbe.                                   Du fliegst hoch
In deinen Träumen. Wahr dich, daß dir nicht
Die Flügel schmelzen! Leichter freilich ist's,
Ein Reich mit Worten in die Luft zu baun,
Als nur den kleinsten Schritt auf festem Grund,
Nur den notwendigsten zu tun.

Massinissa.                                   Du sollst
Auf ihn nicht warten. Diese Stunde noch,
Dafern du's billigst, sei das Werk begonnen.
Den störrischen Torquatus hieß ein Gott
Mich weitersenden. So vertrau' ich dich
Dem Schutze meiner Libyer an, und fliege
Auf schnellem Roß ins Lager selbst zurück,
Um mein numidisch Volk dir zuzuführen.
Mein Name, der die wilden Herzen leicht
Für Rom gewann, gewinnt sie leichter noch
Der blutsverwandten Fürstin. Diese Burg
Ist fest und wohlversorgt, und legte Scipio
Mit ganz Italiens Rüstzeug sich davor,
Wir trotzen ihm, bis Gisgon Hilfe bringt.
Zehn Jahr hielt Troja stand um Helena
Und hatte kein Karthago zum Entsatz.
Bist du's zufrieden?

Sophonisbe.                 Wohl, es sei!

Massinissa.                                       Hab Dank
Auch für dies karge Wort! Ich fühle mich
Mit Kraft gerüstet, Größres zu verdienen.
Der Preis ist's, lern' ich, der den Helden macht.
Für jetzt fahr wohl! Was Cirtas Schutz erheischt,
Sei rasch geordnet; dann im Flug hinüber
Zu den Numidern, und wer weiß, du rufst mir
Ein Wort der Hoffnung noch beim Scheiden zu!

(Er geht rasch durch die Mittelpforte ab.)

Fünfter Auftritt.

Sophonisbe. Später Thamar.

Sophonisbe (allein).
Ihr ew'gen Mächte, wozu treibt ihr mich!
In welchen Strudel unentrinnbar reißt
Ihr mich hinunter! Laßt mich nicht versinken!
Kann ich die einz'ge Hoffnung für mein Volk
Nur so erkaufen, o so tilgt denn hier
Auch jedes andre leise Glückverlangen,
Des Weibes letzten Anspruch tilgt hier aus,
Und fühllos wie des Tempels eh'rne Bilder
Nur euer Werkzeug laßt mich sein!

Thamar (kommt).                                 So hat
Die Göttin gnädig mein Gebet erhört!
Das Auge leuchtend, mit entwölkter Stirne
Begegnet auf den Stufen mir der Fürst.
Ihr seid versöhnt!

Sophonisbe (schmerzlich). O Thamar!

Thamar.                                           Hätt' ich mich
Getäuscht? Nein, nein! So gütig blickt nicht der,
Der uns Verderben brütet. Nein, du hast
Sein Herz besiegt. Er kehrt zu uns zurück.

Sophonisbe. Er kehrt zurück. Vielleicht sind wir gerettet,
Ich hoff's – und doch – O welchen Kelch hab' ich
Geleert, den mir mit aller Bitterkeit
Mißachtung würzte!

Thamar.                       Rede!

Sophonisbe.                           Einen Sieger
Halt' ich erwartet, einen Feind vielleicht;
Auf ernste Großmut oder eisige
Zurückhaltung war ich gefaßt, nur nicht
Auf diesen willenlosen Unbestand,
Der jedem Trieb gehorcht, auf dies Geflacker
Verworrner Leidenschaft. O, sein Gemüt
Ist wie der Sand der Wüste, den der Wind
Nach Abend jetzt und jetzt nach Morgen stürmt,
Und keine Spur von gestern haftet drin.
Vergessen konnt' er uns in unsrer Not,
Und plötzlich nun, von diesem armen Reiz
Entzündet, möcht' er wie ein trunkner Knabe
Des Himmels Sterne mir zu Füßen streun.
O, was ist Mannheit!

Thamar.                         Und du ließest ihn
Gewähren, Schwester?

Sophonisbe.                     Mußt' ich's nicht? Es galt
Nicht mein, es galt das Schicksal meines Volks.
Durft' ich das Schwert, das sich ihm bot, verwerfen,
Weil mir die Hand mißfiel, in der es lag?

Thamar. Doch wenn ich nun die Glut auf seinen Wangen
Mir recht gedeutet, wenn auf einen Preis
Er hofft, den niemand zahlen kann, als du:
Hast du dein Herz geprüft? –

Sophonisbe.                               Ich hab' dereinst
An Lieb' und Glück und Mannesherrlichkeit
Geglaubt und doch getan, was mir die Götter
Der Heimat strenge fordernd auferlegt.
Jetzt seh' ich, jener Glaube war ein Wahn,
Und zaudern sollt' ich, für Karthagos Heil
Sein leeres Schattenbild dahinzugeben?

Thamar. Du könntest –?

Sophonisbe.                   Auch das letzte, muß es sein.
Fast scheint es ja, daß mein Geschick dazu
In harter Trübsal mich bereiten wollte.
Denn nichts mehr hoff' ich für mich selbst und habe
Nur eine Pflicht noch für das Vaterland.

Sechster Auftritt.

Die Vorigen. Batu.

Batu. Gebietrin!

Sophonisbe.       Batu! Seh' ich recht? Du lebst?
Sag an, woher?

Batu.                     Ich komm' aus Feindes Hand,
Grad aus dem Feldherrnzelt des Römerlagers.
Gefangen ward ich bei dem toten Herrn
Und dachte kaum dein vielgeliebtes Antlitz
Auf dieser Welt des Jammers noch zu schaun.
Doch Scipios menschlich Herz erbarmte sich
Des alten Waffenknechts; er hieß mich ziehn,
Daß ich des Königs letzten Gruß dir brächte. –
Du weißt, wie Syphax fiel?

Sophonisbe.                             Ich weiß.

Batu.                                                       So laß
Mich eins nur melden, daß sein letzter Hauch
Dein eigen war. Als er verzweifelnd schon
Aufs eingepflanzte Schwert sich niederbog,
Da sprach er: Batu, grüß mein Weib daheim
Und bring ihr diesen Stahl zum Angedenken!
Er sei ihr Freund, wenn alles treulos wird.
Dann starb er ohne Laut. – Hier ist die Waffe.

(Reicht ihr einen Dolch hin.)

Sophonisbe. Bewahr sie mir! Du sollst fortan mich nie
Verlassen, hörst du? – daß der letzte Trost
Mir immer nah sei.

Batu.                           Möge dich ein Gott
Behüten, Königin!

Sophonisbe.               Jetzt aber gilt's
Noch nicht hinabzuflüchten, denn noch einmal
Nach fürchterlicher Todesstille schwellt
Ein günst'ger Hauch die Segel unsres Glücks.
Fürst Massinissa, unser Feind bis heut,
Tritt zu uns über und verheißt die Scharen,
Die er befehligt, aus dem Römerheer
In diese Mauern rettend herzuführen.
Geborgen sind wir, wenn sein Anschlag glückt. –
Du schweigst? – Was denkst du?

Batu.                                                 Euer Plan ist kühn,
Nicht unausführbar. Die Numider lagern
Gesondert von den Römern am Gebirg,
Und viel vermag, wer überraschend wagt;
Nur eines fürcht' ich –

Sophonisbe.                     Was?

Batu.                                         Den Adlerblick
Des Scipio und den Geist, der in ihm wohnt.

Sophonisbe. Dünkt dir der Römer, weil ein launisch Glück
Den Sieg ihm zuwarf, unbezwinglich schon?

Batu. Du kennst ihn nicht. Er ist von andrer Art,
Als die ich sonst sah. Ein geborner König
Herrscht er im Lager wie im Schlachtgewühl,
Gemeine Kraft besteht ihn nimmermehr.
Ich hass' ihn, doch er hat mich Furcht zugleich
Gelehrt und Ehrfurcht.

Sophonisbe.                     Seine Großmut fiel
Auf guten Boden, merk' ich. Sprichst du nicht,
Als wär' Achill erstanden? Beim Adonis!
Ich möcht' ihn sehn, den Zauberer –

Batu.                                                     Auch geht
Im Volk die Sage, seine Mutter habe
Ein Gott besucht, und oft um Mitternacht
Erscheint, im Mondlicht aus dem Boden wachsend,
Ein uralt Schlangenhaupt in seinem Zelt,
Mit dem er sich berät.

Sophonisbe.                     Geschwätz!

Batu.                                                   Mag sein!
Doch das steht fest, daß ihn ein Dämon schützt.
Ich sah ihn in der Elefantenschlacht,
Wie er dem letzten Stoß der Unsern sich
Entgegenwarf. Da rauschten von den Türmen,
Wie wenn ein Wolkenbruch sich niedergießt,
Wurfsteine, Feuerpfeile, siedend Öl
Auf ihn herab. Zerschmettert ringsumher
Sank Haupt an Haupt, sein schimmernd Tigerroß
Brach in den Staub, der Bannerträger fiel
An seiner Seite, doch emporgerafft,
Den Adler fassend, vorwärts unaufhaltsam
Durch alle Schrecken stürmt' er in den Sieg.
Und kein Geschoß versehrt' ihn. Das ist mehr
Als bloßer Zufall.

Sophonisbe.             Nimm's, wie du's verstehst!
So viel ist freilich klar: hier ist ein Gegner,
Dem Massinissas blindes Ungestüm
Nicht standhält, wenn der erste Wurf mißlingt.
Sein hast'ger Anlauf wird vor jedem Hemmnis
Zusammenbrechen, wenn die sichre Hand
Ihm mangelt, die ihn zügelt oder spornt.

Batu. Ich fürcht' es, Herrin.

Thamar.                             Und so lischt das Bild
Der Rettung, kaum vor uns emporgestiegen,
Wie ein Phantom der Wüste trostlos aus!
Auf wen noch hoffen wir, wenn nicht auf ihn?
O sendet Rat, ihr Himmlischen!

Sophonisbe.                                   Mut! Mut!
Noch haben sie das Haupt nicht abgewandt:
In dieser Stunde wechselvollem Drang
Ist mein Entschluß gereift. Nur wer verzagend
Das Steuer losläßt, ist im Sturm verloren.
Wir sind's noch nicht.

Siebenter Auftritt.

Die Vorigen. Massinissa tritt ein, von seinen Hauptleuten umgeben.

Massinissa.                     Noch einmal tret' ich vor dich,
Zur Fahrt gerüstet, um, wie dir's gebührt,
Als Cirtas Herrin wieder dich zu grüßen.
Mein treuer Dago, der die Libyer führt,
Wird deiner Winke jedem ehrfurchtsvoll
Gehorchen bis zu meiner Wiederkehr.
Leb wohl! Du weißt, was diese Brust bewegt,
Laß im Vertrauen denn auf deine Huld
Mich scheiden, Königin!

Sophonisbe.                         Wir scheiden nicht.

Massinissa. Wie? – Hättest du –

Sophonisbe.                               Denn mit dir zieh' ich hin.
Entschlossen bin ich, dein Geschick zu teilen.

Massinissa. Du mit ins Lager?

Sophonisbe.                           Soll ich qualvoll hier
Die Stunden zählen, während drüben sich
Mein Los entscheidet? Nein, mit eigner Hand
Mir greifen will ich's. Die Numiderfürsten
Sind mir nicht fremd. Ihr afrikanisch Blut
Wird in den tapfern Herzen sich empören
Beim Anblick der beraubten Königin.
Siegreichen Zauber übt die Gegenwart,
Und mächt'ger als dein überlegtes Wort
Dringt die beredte Stimme meines Unglücks
In ihre Seele. Kein Bedenken drum!
Beschlossen ist's.

Massinissa.               Du willst es so. Wohlan!
Wer hemmte dich in deinem Adlerfluge!

Thamar. Der Gottberatnen widerrat' ich nicht,
Doch laß mich mit dir gehn!

Sophonisbe.                             Was willst du, Treue,
Dort im Gewühl? Nein, von den Meinen folgt
Mir dieser Alte nur, er weiß, warum.
Dein Platz ist hier; in deine Hände leg' ich,
Da unser tapferer Methumbal fiel,
Die Schlüssel dieser Burg; ich weiß, du wirst,
Was immer kommt, sie für Karthago wahren.

Thamar. Nimm meinen Eid! Mit diesem Leben nur
Geb' ich sie hin.

Sophonisbe.           So ist denn alles hier
Bestellt. Und jetzt, bevor des Zelters Flug
Mich dem verhüllten Ziel entgegenträgt,
Noch einmal, Thamar, üb an deiner Schwester
Dein heilig Priesteramt und segne mich!

Thamar (bewegt).
Zieh denn hinaus, Geliebte, zieh beglückt!
Ich segne dich, als stünd' ich am Altar,
Und ihr dort oben laßt als Weiheguß
Das Opfer dieser Tränen euch gefallen!
Dich, hoher Sonnenjüngling, ruf' ich an
Und die du nächtlich übers Waldgebirg
Mit Silberrossen jagst und Tau des Lebens
Herniederträufst, Astarte dich, und dich,
Gewalt'ger Melkart, unsres Stammes Ahn!
Umschirmt dies teure königliche Haupt
Und vor ihr her in Sturm und Säuseln wandelnd
In Wolk' und Glut, bereitet ihr die Bahn!
Ihr habt das heil'ge Feuer, das sie treibt,
In ihrer Brust entzündet, lehrt sie denn
Nach eurem Rat ihr kühnes Werk vollenden!
Und wie sie lautern Sinns und willig ist,
Ihr Alles für der Heimat teuren Herd,
Für euch und euer Volk dahinzugeben:
So seid ihr gnädig, Götter Afrikas!

Sophonisbe. So seid mir gnädig! Ja, von eurem Hauch
Ergriffen fühl' ich mich, und ungeduldig
Schwillt mir das Herz von hoher Zuversicht.
Zu Roß denn, Massinissa! Laß den Wind
Uns überreiten! Keine Ruhe mehr,
Bis ich mein Schicksal weiß, und wer ich bin,
Ob eine Sklavin jener stolzen Römer,
Ob eines freien Volkes Königin.

(Indem sie sich zum Gehen wendet, fällt der Vorhang.)


 << zurück weiter >>