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V

Was kann ein Mensch in seinen alten Tagen Besseres tun, als von seinem wohlangewandten vergangenen Leben träumen? Das schließt für alle Fälle Hitze und Erregung aus, das ist wie blasser Wintersonnenschein. Die sanft anschlagenden Wellen der Erinnerung können dem Ufer nichts anhaben. Der Gegenwart sollte er mißtrauen, Gedanken an die Zukunft meiden. Von seinem Platz im dichten Schatten aus sollte er zusehen, wie das Sonnenlicht bis zu seinen Fußspitzen hinglitte. Wenn die heiße Sommersonne schiene, sollte er sich nicht ergehen, denn er könnte sie irrigerweise für die milde Sonne des Nachsommers halten! So sollte er von ungefähr sanft, unmerklich, nach und nach sich auflösen, bis die ungeduldige Natur ihm die Luftröhre zudrückte und er eines schönen Morgens seinen letzten Seufzer täte, ehe noch die Welt erwachte. Und dann wird man auf seinen Grabstein die Worte setzen: ›Er starb hochbetagt.‹ Wahrhaftig! Wenn ein Forsyte in vollster Übereinstimmung mit seinen Grundsätzen lebt, so kann er noch lange weiterleben, auch wenn er schon gestorben ist.

Der alte Jolyon war sich alles dessen bewußt, und doch war in ihm etwas, das über den Forsyteismus hinausging. Denn es steht geschrieben, daß ein Forsyte Schönheit nicht mehr lieben soll als Vernunft, noch seinen Launen auf Kosten seiner Gesundheit frönen darf. Aber in diesen Tagen, da fraß etwas an seinem Herzen, das die stets dünner werdende Wand zu sprengen drohte. Sein scharfer Verstand begriff dies, er wußte aber auch, daß er den heftigen Herzschlag nicht mäßigen könne, ja es nicht einmal gewollt hätte, wenn es möglich gewesen wäre. Und dennoch, wenn jemand ihm gesagt hätte, daß er von seinem Kapital zehre, so hätte er ihn groß angesehen. Nein, nein, man lebt nicht von seinem Kapital, so etwas tat man einfach nicht! Die Losungsworte der Vergangenheit sind immer viel wirklicher als die wirkliche Gegenwart. Und er, der es immer für eine Todsünde gehalten hatte, sein Kapital aufzuzehren, hätte es nicht ertragen, eine so plumpe Phrase auf seinen eigenen Fall angewendet zu hören. Freude ist gesund; Schönheit erquickt das Auge; mit den Jungen sich noch einmal jung fühlen – und was zum Kuckuck tat er denn anderes!

Methodisch, so wie er sein ganzes Leben gelebt hatte, teilte er nun seine Zeit ein. An den Dienstagen fuhr er mit dem Zug in die Stadt; Irene dinierte mit ihm und dann gingen sie zusammen in die Oper. An Donnerstagen fuhr er mit dem Wagen nach London, hieß den dicken Kutscher die Pferde einstellen und traf Irene in Kensington Gardens; wenn er sich dann von ihr verabschiedet hatte, stieg er wieder in den Wagen ein und kam rechtzeitig zum Dinner wieder heim. Er gab zu Hause die Parole aus, daß er an diesen beiden Tagen in London geschäftlich zu tun habe. Am Mittwoch und Samstag kam sie heraus, um Holly Musikstunde zu geben. Je mehr Vergnügen er an ihrer Gesellschaft fand, umso gewissenhafter wahrte er den Anstand, er war ganz und gar ein freundlicher und vernünftiger Onkel. Ja, sogar in seinen Gefühlen ging er nicht darüber hinaus – schließlich war er doch ein alter Mann. Und dennoch, wenn sie sich einmal verspätete, sorgte er sich fast zu Tode. Wenn sie ganz ausblieb, was zweimal vorgekommen war, wurden seine Augen so traurig wie die eines alten Hundes und er konnte nicht schlafen.

Und so verging ein Monat – einen Monat lang war Sommer in den Feldern und Sommer in seinem Herzen; es war ein heißer Sommer, und er machte müde. Wer hätte vor ein paar Wochen noch geglaubt, daß er vor der Rückkehr seines Sohnes und seiner Enkelin fast Entsetzen empfinden würde! Während jener Wochen des herrlichsten Wetters hatte er solch köstliche Freiheit und Unabhängigkeit wiedererlangt, wie sie nur ein Mann genießt, ehe er eine Familie gründet; und dabei diese neue Freundschaft mit einer Frau, die keine Forderungen stellte, ein wenig im Dunkel blieb, immer ein wenig von dem Zauber des Geheimnisses behielt! Es war so, als trinke ein Mensch plötzlich Wein, der seit langer Zeit nur Wasser getrunken, so daß er fast vergessen hat, wie der Wein das Blut erregt und die Sinne umnebelt. Die Blumen hatten eine leuchtendere Farbe; Düfte und Musik und Sonnenstrahlen besaßen Gegenwartswert für ihn und waren nicht mehr bloß Erinnerungen an verflossene Freuden. Er hatte jetzt etwas, wofür er leben konnte und das ihn fortwährend in Erwartung versetzte. In dieser Erwartung lebte er nun und nicht im Zurückschauen; für einen so hochbetagten Mann ist der Unterschied beträchtlich. Die Freuden der Tafel, die für ihn, der von Natur enthaltsam war, nie von Bedeutung gewesen waren, hatten allen Wert verloren. Er aß wenig und ohne zu wissen, was er aß; und Tag für Tag wurde er dünner und gebrechlicher anzuschauen. Er war wieder spindeldürr, und seiner abgemagerten Gestalt verlieh die mächtige Stirn mit den eingefallenen Schläfen mehr Würde denn je. Er wußte sehr gut, daß er eigentlich den Arzt rufen sollte, aber die Freiheit war zu schön! Er konnte es sich nicht gestatten, der häufigen Atemnot und den Schmerzen in der Seite auf Kosten seiner Freiheit Gewicht beizulegen. Sollte er zu der vegetierenden Existenz zurückkehren, die er, umgeben von landwirtschaftlichen Zeitschriften mit ihren Bildern von lebensgroßen Mangoldwurzeln, geführt hatte, ehe dies neue Interesse in sein Leben getreten war? Nein! Er überschritt die erlaubte Zigarrenanzahl. Zwei im Tag war stets sein Maß gewesen. Jetzt rauchte er drei und manchmal vier – wie Männer zu tun pflegen, über die der schöpferische Geist gekommen ist. Aber häufig dachte er auch: ›Ich muß das Rauchen und den Kaffee aufgeben; ich darf nicht mehr mit der ratternden Bahn nach London fahren!‹ Aber er gab es doch nicht auf; daß niemand in seiner Nähe war, der eine Art Autorität hätte ausüben können, war ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Die Dienerschaft wunderte sich vielleicht, aber sie blieb selbstverständlich stumm. Mamselle Beauce war zu sehr mit ihrer eigenen Verdauung beschäftigt und zu ›wohlerzogen‹, um persönliche Anspielungen zu machen. Holly, deren Spielzeug und Abgott er war, hatte noch keinen Blick für Veränderungen in seinem Aussehen. So war es nur Irene selbst, die ihn bitten mußte, mehr zu essen, während der Mittagshitze zu ruhen, eine Medizin zu nehmen, und so weiter. Aber daß sie selber die Ursache seiner Abmagerung war, das sagte sie ihm nicht – denn das Unheil, das man selber anrichtet, das sieht man nicht. Ein Mann von fünfundachtzig hat keine Leidenschaften mehr, aber die Schönheit, die Leidenschaft hervorruft, wirkt in derselben Weise weiter, bis der Tod die Augen schließt, die ihren Anblick ersehnen.

Am ersten Tag der zweiten Juliwoche erhielt er einen Brief von seinem Sohn in Paris, der meldete, daß sie alle Freitag zurückkommen würden. Das war ja immer so sicher gewesen wie der Tod; doch mit der rührenden Unbekümmertheit des Alters darum, daß es bis zum Ende vor Enttäuschungen nicht gefeit ist, hatte er es sich nie völlig eingestehen wollen. Jetzt endlich gestand er es sich ein, und irgend ein Entschluß mußte gefaßt werden. Er konnte sich das Leben ohne dieses neue Interesse überhaupt nicht mehr vorstellen, aber das, was man sich nicht vorstellen kann, existiert doch manchmal, was die Engländer immer wieder zu ihrem Schaden erfahren müssen. Er saß in seinem alten Lederstuhl, faltete den Brief zusammen und kaute am Ende einer unangezündeten Zigarre. Nach dem morgigen Tage würden seine Dienstagsausflüge in die Stadt aufhören müssen. Vielleicht konnte er noch einmal in der Woche mit dem Wagen hinfahren, unter dem Vorwand, daß er seinen Anwalt aufsuchen müsse. Aber selbst das würde von seiner Gesundheit abhängen, denn jetzt würde man ja wieder beginnen, mit ihm viel Aufhebens zu machen. Die Stunden! Die Stunden mußten weitergehen! Sie mußte ihre Bedenken hinunterschlucken und June ihre Gefühle unterdrücken. Es war ihr schon einmal gelungen, an dem Tage, nachdem sie die Nachricht von Bosinneys Tod erhalten hatte; was sie damals gekonnt hatte, war ihr gewiß auch heute möglich. Vier Jahre waren schon seit jener schweren Kränkung dahingegangen; es war nicht christlich, die Erinnerung an erlittenes Unrecht stets lebendig zu erhalten. June war eigensinnig, aber er war noch eigensinniger, denn seine Sanduhr war fast schon abgelaufen. Irene war so sanft, gewiß würde sie dies für ihn tun und lieber ihr natürliches Widerstreben unterdrücken, als ihm einen solchen Kummer bereiten! Die Stunden mußten fortgesetzt werden, denn nur dann würde er sich sicher fühlen. Schließlich zündete er seine Zigarre an und versuchte, sich zurechtzulegen, wie er es allen beibringen und diese sonderbare Intimität erklären sollte; wie er die nackte Wahrheit, daß er den Anblick der Schönheit nicht mehr missen könne, verhüllen und verbergen sollte. Ach ja, Holly! Holly liebte sie und schwärmte für ihre Stunden. Sie würde ihn retten – sein kleiner Liebling! Und bei diesem glücklichen Gedanken wurde er wieder ruhig und heiter und war ganz erstaunt, daß er sich so schrecklich gesorgt hatte. Er durfte sich nicht so sorgen, er fühlte sich immer sonderbar schwach danach und so, als gehörte ihm sein Körper nur mehr halb.

An jenem Abend nach dem Dinner hatte er wieder einen Schwindelanfall, aber er wurde nicht ohnmächtig. Er wollte nicht läuten, denn er wußte, dann würde man Umstände machen und seine morgige Ausfahrt würde Verdacht erregen. Wenn man alt wurde, so verschwor sich die ganze Welt, einem die Freiheit zu beschränken, und weshalb nur? Damit man eine kleine Spanne Zeit länger auf dieser Welt atmen könne. Um solchen Preis wollte er es nicht. Nur der Hund Balthasar war Zeuge, wie sich der einsame Mann langsam von seiner Schwäche erholte; er beobachtete ängstlich, wie er zur Anrichte ging, um ein Gläschen Kognak zu trinken, anstatt ihm ein Keks zu geben. Als er sich endlich imstande fühlte, mühsam die Stufen hinaufzuklimmen, ging er zu Bett. Und obgleich er am nächsten Morgen noch immer nicht ganz sicher auf den Füßen stand, so gab ihm doch der Gedanke an den Abend Kraft und Zuversicht. Es war immer eine solche Freude, ihr ein gutes Abendessen zu geben – er hatte sie im Verdacht, daß sie zu wenig aß, wenn sie allein war – und in der Oper ihre leuchtenden, glänzenden Augen und das unbewußte Lächeln ihrer Lippen zu beobachten! Sie hatte nicht viele Vergnügungen und dies war das letztemal, daß er sie ausführen konnte. Aber während er seine Reisetasche packte, ertappte er sich bei dem Wunsch: wenn ihm doch nur dies mühsame Ankleiden zum Dinner erspart bliebe und auch die Anstrengung, ihr Junes Rückkehr mitzuteilen!

An jenem Abend gab man ›Carmen‹; er benützte die letzte Pause, um es ihr zu sagen, da er instinktiv bis zum letzten Augenblick gewartet hatte. Sie nahm es so sonderbar, so ruhig auf; eigentlich war er noch nicht mit sich darüber im reinen, wie sie es aufgenommen hatte, als die kapriziöse Musik wieder anhob und Schweigen erforderte. Die Maske war wieder über ihr Gesicht gezogen, hinter der so viel vorging, das er nicht sehen konnte. Sie brauchte zweifellos Zeit, um darüber nachzudenken. Er würde sie nicht drängen, denn morgen nachmittag würde sie ja kommen, um ihre Stunde zu geben, und er würde sie dann sehen, wenn sie sich bereits an den Gedanken gewöhnt hatte. Im Wagen sprach er nur von der Darstellerin der ›Carmen‹; er hatte in früheren Tagen bessere gesehen, aber sie war durchaus nicht schlecht. Als er ihre Hand ergriff, um gute Nacht zu sagen, beugte sie sich rasch vor und küßte ihn auf die Stirn.

»Leb wohl, lieber Onkel Jolyon, du bist so lieb und gut zu mir gewesen!«

»Auf morgen also,« sagte er. »Gute Nacht! Schlaf gut!« Und sie wiederholte sanft: »Schlaf gut!« Durch das Fenster der Droschke, die sich schon in Bewegung setzte, sah er noch, wie sie zurückblickte und mit der Hand eine unschlüssige Bewegung machte.

Langsam suchte er sein Zimmer auf. Man gab ihm jedesmal ein anderes, und er konnte sich unmöglich an diese funkelnagelneuen Schlafzimmer gewöhnen mit ihrer neuen Einrichtung und den grau-grünen Teppichen, die über und über mit rosa Rosen besät waren. Er konnte nicht einschlafen und die verteufelte Habanera ging ihm unausgesetzt im Kopf herum. Er verstand nicht genug französisch, um die Worte übersetzen zu können, doch er begriff ihren Sinn, wenn sie überhaupt einen Sinn hatten; etwas Zigeunerhaftes, wild und unerklärlich. Ja, es gab etwas im Leben, das alle Vorsorge und alle Pläne über den Haufen warf – etwas, nach dessen Pfeife Männer und Frauen tanzen mußten. Und er lag da und starrte aus tiefeingesunkenen Augen in die Dunkelheit, das Reich des Unerklärlichen. Da hatte man nun geglaubt, daß man das Leben meistere, aber es entwischte einem, packte einen am Kragen, zwang einen hierhin und dorthin und brachte einen am Ende ja doch höchstwahrscheinlich um! Ja, er würde sich auch gar nicht wundern, wenn es den Sternen genau so ginge, wenn man sie mit den Köpfen zusammenstieße und wieder auseinanderrisse. Mit solchen Tricks hatte das Leben ja stets gearbeitet. Fünf Millionen Menschen lebten in diesem großen Sammelsurium von einer Stadt, und sie alle waren jener unheimlichen Kraft auf Gnade und Ungnade ausgeliefert, wie ein Haufen kleiner, trockener Erbsen auf einem Brett herumhüpfen mußte, wenn man mit der Faust darauf schlug. Na ja, er würde nicht lange mehr herumhüpfen – ein langer, ausgiebiger Schlaf würde ihm gut tun!

Wie heiß es da oben war – und was für ein Lärm! Seine Stirn brannte; sie hatte ihn gerade auf die Stelle geküßt, die ihm immer weh tat, wenn er sich sorgte, gerade dort – als hätte sie die Stelle genau gekannt und hätte ihm die Sorgen alle wegküssen wollen. Aber statt dessen hatte ihr Kuß nur eine umso peinigendere Unruhe hinterlassen. Niemals vorher hatte ihre Stimme einen solchen Klang gehabt, niemals hatte sie beim Wegfahren zurückgeblickt und eine solch zögernde Bewegung mit der Hand gemacht. Er stieg wieder aus dem Bett und zog die Vorhänge beiseite; sein Zimmer ging auf die Themse hinaus. Die Luft war schwül, aber der Anblick dieses breiten dahinfließenden Stromes in seiner Ruhe und Ewigkeit besänftigte ihn. ›Am wichtigsten ist, daß ich nicht lästig falle,‹ dachte er. ›Ich will an meinen kleinen Liebling denken und einschlafen.‹ Doch es währte lange, bis die Hitze und der Lärm der Londoner Nacht in den kurzen Schlummer des Sommermorgens überging. Der alte Jolyon war gerade nur ein wenig eingenickt.

Als er am nächsten Tag nach Haus kam, ging er in den Blumengarten hinaus und pflückte mit Hilfe Hollys, die sehr zart mit Blumen umzugehen verstand, einen Strauß Nelken. Er sagte ihr, daß sie für die ›Dame in Grau‹ bestimmt seien, ein Name, den sie unter sich noch immer gebrauchten; er stellte die Blumen in einer Schale in sein Arbeitszimmer, wo er mit Irene sofort, wenn sie hereinkam, die Sache mit June und die Frage der künftigen Stunden erledigen wollte. Der Duft und die Farbe der Blumen würden ihn dabei unterstützen. Nach dem Lunch legte er sich nieder, denn er fühlte sich sehr müde, und der Wagen würde sie ja erst um vier Uhr von der Station herbringen. Als jedoch die Stunde herannahte, wurde er unruhig und ging ins Schulzimmer, von wo aus er die Auffahrt überblicken konnte. Die Jalousien waren heruntergelassen; Holly hielt sich dort mit Mademoiselle Beauce auf, wo sie vor der Hitze eines erschlaffenden Julitages Schutz fand, und beide beschäftigten sich mit den Seidenraupen. Der alte Jolyon hatte natürliche Antipathie gegen diese planmäßig verfahrenden Geschöpfe, deren Köpfe und Farbe ihn an Elefanten erinnerte; die eine solche Menge von Löchern in hübsche grüne Blätter nagten und einen so entsetzlichen Geruch hatten. Er setzte sich auf eine mit Kattun bespannte Fensterbank, wo er die Auffahrt im Auge hatte und so viel freie Luft bekam als nur möglich war; und der Hund Balthasar, der an heißen Tagen gern auf Kattun lag, sprang neben ihm auf die Bank. Über das Pianino war zum Schutz gegen den Staub eine violette Decke gebreitet, die fast schon grau gebleicht war, und darauf stand der erste Lavendel, dessen Duft das Zimmer erfüllte. Trotz der Kühle hier, vielleicht gerade weil es so kühl war, bedrückte der heftige Pulsschlag des Lebens seine erschlaffenden Sinne. Jeder Sonnenstrahl, der durch die Kattunvorhänge kam, hatte einen aufreizenden Glanz; der Hund strömte einen starken Geruch aus; der Lavendel duftete überwältigend; die Seidenraupen, die ihre graugrünen Rücken krümmten, schienen unmäßig lebendig; und Hollys dunkler Kopf, der sich darüber beugte, hatte einen wunderbar seidigen Glanz. Wie herrlich stark und grausam das Leben war gegenüber den Alten und Schwachen! Es schien sich über einen förmlich lustig zu machen mit seinen zahllosen Formen und seinem ewig hämmernden Rhythmus. Noch niemals hatte er, wie in diesen letzten paar Wochen, das merkwürdige Gefühl gehabt, daß die eine Hälfte seines Wesens vom Strom des Lebens rasch dahingetrieben ward, während die andere Hälfte gestrandet am Ufer lag und seinen eigenen hilflosen Anstrengungen zusah. Nur wenn Irene bei ihm war, verlor er dies Doppelbewußtsein.

Holly wandte den Kopf, zeigte mit der kleinen, braunen Faust nach dem Pianino – denn mit dem Finger zeigen war nicht ›wohlerrzogen‹ – und sagte schlau:

»Schau die ›Dame in Grau‹ an, Großväterchen; ist sie heute nicht hübsch?«

Der alte Jolyon bekam Herzklopfen und einen Augenblick lang schien ihm das Zimmer in eine Wolke gehüllt zu sein; als er wieder klar sehen konnte, sagte er zwinkernd:

»Wer hat sie so angezogen?«

»Mamselle.«

»Hollii! Sei nicht so närrisch!«

Diese affektierte kleine Französin! Sie hatte es noch nicht verwunden, daß man ihr die Musikstunden entzogen hatte. Das würde ihr aber nichts nützen. Sein kleiner Liebling war sein und Irenens einziger Freund. Na, es waren doch ihre Stunden, und er würde nicht nachgeben, um nichts in der Welt würde er nachgeben. Er strich mit der Hand über den warmen, wolligen Kopf Balthasars und hörte Holly sagen:

»Wenn die Mutter wieder zu Hause ist, werden wir keine Abwechslung mehr haben, nicht wahr? Du weißt doch, daß sie fremde Menschen nicht leiden kann.«

Die Worte des Kindes ließen den alten Jolyon die eisige Atmosphäre der Opposition spüren und enthüllten ihm alles, was seine neugefundene Freiheit bedrohte. Ach ja! Er würde sich damit bescheiden müssen, als alter Mann von der Gnade und Liebe anderer abhängig zu sein, oder aber er mußte kämpfen um diese neue unschätzbare Freundschaft; und kämpfen machte ihn so todmüde. Doch sein mageres, müdes Gesicht drückte eine stets wachsende Entschlossenheit aus, daß es zuletzt einzig aus dem trotzigen Kinn zu bestehen schien. Dies war sein Haus und seine Angelegenheit; er würde nicht nachgeben! Er blickte auf seine Uhr, die so alt und dünn wie er selber war; er besaß sie schon seit fünfzig Jahren. Bereits vier vorüber! Und indem er im Vorbeigehen einen Kuß auf Hollys Haar drückte, schritt er in die Halle hinunter. Er wollte sie treffen, ehe sie hinaufging, um ihre Stunde zu geben. Sobald er das Geräusch von Rädern vernahm, trat er in das Haustor und sah sofort, daß der Wagen leer war.

»Der Zug ist eingefahren, gnädiger Herr, aber die Dame ist nicht gekommen.«

Der alte Jolyon blickte ihn scharf von unten herauf an, und seine Augen schienen die Neugier dieses fetten Burschen in ihre Schranken zu weisen, damit er seine bittere Enttäuschung nicht sehen sollte.

»Na schön,« sagte er und schritt ins Haus zurück. Er ging in sein Arbeitszimmer und setzte sich nieder, denn er zitterte am ganzen Körper. Was bedeutete dies? Sie konnte den Zug versäumt haben, aber er wußte nur zu gut, daß es nicht so war. ›Leb wohl, lieber Onkel Jolyon!‹ Warum ›Leb wohl‹ und nicht ›Gute Nacht‹? Und ihre Hand, die zu zögern schien, und ihr Kuß. Was bedeutete dies alles? Heftige Unruhe und Erregung packte ihn. Er erhob sich und schritt auf dem türkischen Teppich zwischen Fenster und Wand auf und ab. Sie würde ihn verlassen! Er war dessen sicher – und war wehrlos. Ein alter Mann, der sich nach dem Anblick der Schönheit sehnte! Es war lächerlich! Das Alter schloß ihm den Mund und lähmte seine Kampfesfreude. Er hatte keinen Anspruch mehr auf Wärme und Leben, für ihn blieb weiter nichts als Erinnerung und Leid. Er konnte nicht in sie dringen; auch ein alter Mann hat seinen Stolz. Wehrlos! Ohne auf körperliche Ermüdung zu achten, schritt er wohl eine Stunde auf und ab, an der Schale mit den Nelken vorbei, die er gepflückt hatte und die ihn mit ihrem Duft zu verhöhnen schienen. Von allen Dingen, die schwer zu ertragen sind, ist die Knebelung der Willenskraft das schlimmste für einen, der immer seinen Kopf durchgesetzt hat. Das Schicksal hatte ihn in seinem Netz gefangen und wie ein unglücklicher Fisch zappelte und wand er sich in den Maschen und fand kein Loch, um zu entschlüpfen. Um fünf Uhr brachte man ihm den Tee und einen Brief. Für einen Augenblick erwachte in ihm wieder die Hoffnung. Mit dem Buttermesser öffnete er das Kuvert und las:

›Liebster Onkel Jolyon!

Es fällt mir sehr schwer. Dir etwas zu schreiben, was Dich vielleicht enttäuschen wird, aber ich war zu feige, es Dir gestern abend zu sagen. Ich fühle, daß es mir unmöglich ist, Dich zu besuchen und Holly weiter Stunden zu geben, jetzt da June zurückkommt. Manche Dinge gehen doch zu tief, als daß man sie vergessen könnte. Es war eine solche Freude, Dich und Holly zu besuchen! Vielleicht werde ich Dich noch manchmal sehen, wenn Du in die Stadt kommst, obwohl ich überzeugt bin, daß es Dir nicht gut tut. Ich konnte ja sehen, daß Du Dich überanstrengtest. Es wäre sicherlich am besten für Dich, wenn Du während der heißen Zeit viel ausruhtest, und jetzt wirst Du ja auch darüber glücklich sein, daß Dein Sohn und June wieder zurückkommen. Ich danke Dir viel tausendmal für alle Deine Liebe und Güte.

Deine Dich liebende
Irene.‹

 

So, da hatte er's nun! Es tat ihm also nicht gut, eine Freude zu haben und das zu tun, woran sein Herz hing; zu versuchen, das Gefühl des unabweislichen Endes aller Dinge zu betäuben, des nahen Todes, dessen schleichende, raschelnde Schritte er zu vernehmen glaubte. Es tat ihm nicht gut! Nicht einmal sie konnte also sehen, welch neuen Lebensinhalt sie ihm gegeben hatte, die Verkörperung aller Schönheit in der Welt, die er allmählich entgleiten fühlte!

Sein Tee wurde kalt und seine Zigarre blieb unangezündet; auf und ab schritt er, zwischen seinem Stolz und seinem Lebenshunger hin- und hergeworfen. Es war einfach unerträglich, so langsam ausgepreßt zu werden, ohne daß man gefragt wurde, unerträglich, weiterzuleben, wenn die Hände andrer einen mit ihrer Liebe und Fürsorge so erdrückten, daß man keinen eigenen Willen mehr hatte. Unerträglich! Er würde ja sehen, was es für einen Eindruck auf sie machen würde, wenn er ihr die Wahrheit sagte – daß ihm an ihrem Anblick mehr gelegen sei als an einem Weitervegetieren. Er ließ sich an seinem alten Schreibtisch nieder und ergriff die Feder. Aber er konnte nicht schreiben. Es lag etwas Empörendes darin, daß er so bitten mußte, bitten, daß sie seine Augen mit ihrer Schönheit erfreuen möge. Es war genau so, als wenn er ihr hätte bekennen müssen, daß er vor Alter kindisch werde. Er konnte es ganz einfach nicht. Und statt dessen schrieb er:

 

›Ich hegte die Hoffnung, daß Du trotz der Erinnerung an alte Wunden zu mir und meiner kleinen Enkelin kommen würdest, weil für uns beide Dein Besuch eine Freude und ein Gewinn ist. Aber ein alter Mann muß auf seine Wünsche verzichten lernen; es hilft ihm nichts; auch auf den Wunsch zu leben muß er früher oder später verzichten, und vielleicht je früher, desto besser.

Ich grüße Dich herzlich.

Jolyon Forsyte.‹

›Bitter,‹ dachte er, ›aber ich kann es nicht ändern. Ich bin müde.‹ Er siegelte den Brief, warf ihn in den Kasten für die Abendpost, und während er ihn fallen hörte, dachte er: ›Jetzt ist alles vorbei, worauf ich mich noch freuen konnte.‹

An jenem Abend nach dem Dinner, das er kaum berührte, und nachdem er seine halbgerauchte Zigarre weggelegt hatte, denn es wurde ihm schlecht davon, ging er ganz langsam hinauf und schlich in das Kinderzimmer. Er setzte sich auf die Fensterbank. Ein Nachtlicht brannte, und er konnte gerade das kleine Gesicht Hollys sehen, die die eine Hand unter die Wange gelegt hatte. Ein Käfer summte in dem Seidenpapier, mit dem der leere Kamin gefüllt war, und ruhelos stampfte ein Pferd im Stall. Wenn er so wie dies Kind schlafen könnte! Er schob zwei Bretter der Jalousien auseinander und sah hinaus. Der Mond stieg gerade auf, blutrot. Noch nie hatte er den Mond so rot gesehen. Auch die Wälder und Felder draußen gingen langsam zur Ruhe im letzten Schein des sommerlichen Tages. Und Schönheit ging um wie ein Geist. ›Ich habe ein langes Leben gehabt,‹ dachte er, ›fast von allen Dingen das Beste. Ich bin ein undankbarer Mensch; ich hab' während meines Lebens viel Schönheit gesehen. Der arme junge Bosinney sagte, daß ich Sinn für Schönheit hätte. Heute abend steht der Mann im Mond!‹ Eine Motte flog vorbei, noch eine und noch eine. ›Damen in Grau!‹ Er schloß die Augen. Ein Gefühl, als würde er sie nie wieder öffnen, überkam ihn; er ließ es in sich wachsen und gab seiner Müdigkeit nach – bis er plötzlich zusammenschauernd die Lider wieder aufschlug. Etwas war ganz und gar nicht in Ordnung mit ihm; es mußte etwas Ernsthaftes sein; schließlich würde er doch nach dem Arzt senden müssen. Was lag jetzt noch daran! Das Mondlicht würde nun den kleinen Wald erreicht haben, und die Schatten zwischen den Bäumen würden das einzig Wache sein. Keine Vögel, Tiere Blumen oder Insekten; nur die gleitenden Schatten. ›Damen in Grau!‹ Sie würden über jenen Baumstamm steigen, sie würden miteinander flüstern. Sie und Bosinney! Merkwürdiger Gedanke! Und auch die Frösche und winzigen Tiere würden davon flüstern. Wie die Uhr hier drinnen tickte! Es war alles gespenstisch – draußen der rote Mondschein, hier drinnen das ruhig brennende Nachtlicht, die tickende Uhr, der Schlafrock der Kinderfrau, der über der spanischen Wand hing und groß wie die Gestalt einer Frau aussah. ›Dame in Grau!‹ Und ein sonderbarer Gedanke befiel ihn: Existierte sie überhaupt? War sie denn jemals hergekommen? Oder war sie nur die Idee all der Schönheit, die er geliebt hatte und nun so bald verlassen mußte? Der Geist, in grau-violette Gewänder gehüllt, mit den dunklen Augen und der Krone ambrafarbenen Haars, der im Mondlicht und in der Morgendämmerung umgeht und zur Zeit der Glockenblumen. Was war sie, wer war sie, lebte sie überhaupt? Er erhob sich und klammerte sich mit den Händen einen Augenblick lang ans Fensterbrett, um sich der Wirklichkeit wieder zu vergewissern; dann schlich er auf den Zehenspitzen zur Tür hin. Am Fuß des Bettes blieb er stehen, und Holly rührte sich, seufzte, rollte sich zusammen wie zur Verteidigung, als spürte sie den auf sie gerichteten Blick. Auf den Zehen schlich er weiter und auf den dunklen Gang hinaus, erreichte sein Zimmer, entkleidete sich sofort und stellte sich im Nachthemd vor den Spiegel. Welch eine Vogelscheuche mit eingefallenen Schläfen und dünnen Beinen! Er blickte sein Spiegelbild trotzig an, und ein stolzer Ausdruck trat in sein Antlitz. Alles hatte sich verbündet, um ihn zu demütigen, sogar sein eigenes Spiegelbild; aber er war noch nicht besiegt, noch nicht! Er ging zu Bett und lag lange Zeit ohne einzuschlafen und versuchte sich in sein Schicksal zu ergeben, da er nur zu gut wußte, wie sehr Kummer und Enttäuschung ihm schadeten. Am Morgen erwachte er so kraftlos und erschöpft, daß er nach dem Arzt sandte. Nachdem der Kerl ihn ausgeforscht hatte, zog er ein ellenlanges Gesicht und empfahl ihm, im Bett zu bleiben und das Rauchen aufzugeben. Das fiel ihm nicht schwer: wozu hätte er auch aufstehen sollen, und wenn er sich krank fühlte, schmeckte ihm der Tabak ohnedies nicht. Bei heruntergelassenen Jalousien verbrachte er abgespannt den Vormittag, blätterte in der ›Times‹, ohne viel zu lesen, und der Hund Balthasar lag neben seinem Bett. Mit seinem Lunch brachte man ihm folgendes Telegramm: ›Deinen Brief erhalten, komme heute nachmittag, bin um vier Uhr dreißig bei Dir. Irene.‹

Komme heute nachmittag! Also doch! Dann existierte sie also doch – und er war nicht von aller Welt verlassen. Heute nachmittag! Ein heißer Schauer rann durch seine Glieder; sein Kopf und seine Wangen glühten. Er trank seine Suppe und schob das Servierbrett zurück, dann lag er vollkommen ruhig da, bis man abgeräumt hatte und ihn allein ließ; doch hin und wieder zwinkerte er. Sie kam heute nachmittag! Sein Herz schlug rasch und dann wieder schien sein Pochen ganz auszusetzen. Um drei Uhr stand er auf und kleidete sich bedächtig und geräuschlos an. Holly und Mamselle würden jetzt im Schlafzimmer sein und die Dienerschaft nach dem Dinner höchstwahrscheinlich schlafen. Behutsam öffnete er die Tür und ging hinunter. In der Halle lag der Hund Balthasar ganz allein, und von ihm gefolgt ging der alte Jolyon durch sein Arbeitszimmer in den glühenden Nachmittag hinaus. Er gedachte zum Wäldchen hinunterzugehen und sie dort zu treffen, fühlte jedoch sofort, daß es in dieser Hitze nicht möglich wäre. Statt dessen ließ er sich unter dem Eichenbaum bei der Schaukel nieder, und der Hund Balthasar, der auch die Hitze fühlte, legte sich neben ihn. Lächelnd saß er da. Er schwelgte in diesen köstlichen Minuten! Wie die Bienen summten und die Tauben girrten! Schöner konnte ein Sommertag nicht sein. So schön war es, und er fühlte sich so glücklich – so glücklich und frei von Sorgen wie ein spielendes Kind. Sie würde kommen; sie hatte ihn nicht aufgegeben! Das Leben gab ihm ja alles, was er sich nur wünschen konnte – höchstens noch etwas mehr Atem hätte er brauchen können und eine Minderung des Drucks, gerade an dieser Stelle. Er würde sie sehen, gerade wenn sie aus der Farnkrautpflanzung herausträte, eine grau-violette Gestalt, die mit wiegendem Gang durch die Gänseblümchen, den Löwenzahn und die ›Soldaten‹ auf dem Rasen schritt – durch die Soldaten mit ihren Blütenkronen. Er würde nicht aufstehen, doch sie würde zu ihm heraufkommen und sagen: ›Lieber Onkel Jolyon, sei mir nicht böse!‹ Und dann würde sie sich in die Schaukel setzen und er würde sie anschauen und ihr erzählen dürfen, daß er sich nicht ganz wohl gefühlt habe, aber daß er jetzt wieder ganz gesund sei; und der Hund da würde ihr die Hand lecken. Der Hund da wußte, daß sein Herr sie lieb hatte; er war ein braver Hund.

Es war ganz schattig unter dem Baum; die Sonne konnte ihn nicht erreichen, nur alles übrige in der Welt leuchtend hell machen, so daß er ganz weit draußen die große Tribüne von Epsom sehen konnte und die Kühe, die in den Kleefeldern weideten und mit ihren Schwänzen die Fliegen verjagten. Es duftete nach Linden und Lavendel. Aha! Deshalb war solch ein lauter Schwarm von Bienen da. Sie waren unruhig und erregt, so wie sein Herz unruhig und erregt war. Und schläfrig, auch schläfrig waren sie und betäubt von Honigduft und Glück; so wie sein Herz schläfrig und betäubt war. Sommer – Sommer – schienen sie zu summen; die großen Bienen und die kleinen Bienen und die Fliegen.

Die Stalluhr schlug vier; in einer halben Stunde würde sie da sein. Er würde gerade nur ein wenig einnicken, denn er hatte in der letzten Zeit so wenig geschlafen, und dann würde er wieder frisch sein, für sie, für Jugend und Schönheit, die auf ihn zukommen würde über den sonnenbestrahlten Rasen – die Dame in Grau! Und sich bequem in seinen Stuhl zurücklehnend schloß er die Augen. Ein ganz leiser Lufthauch wehte eine Distelflocke herüber, gerade auf seinen Schnurrbart, der weißer war als sie. Er merkte es nicht; aber bei jedem Atemzug bewegte sie sich leise. Ein Sonnenstrahl stahl sich durch die Äste und glänzte auf seinem Schuh. Eine Hummel ließ sich nieder und kroch rund um seinen Hut. Eine Woge köstlichen Schlummers überflutete sein Bewußtsein, sein Kopf sank nach vorne und ruhte auf der Brust Sommer – Sommer! So summte es überall.

Die Stalluhr schlug ein Viertel nach vier. Der Hund Balthasar streckte sich und blickte zu seinem Herrn auf. Die Distelflocke bewegte sich nicht mehr. Der Hund legte seine Schnauze auf den sonnenbeschienenen Schuh. Auch der bewegte sich nicht. Der Hund zog rasch seine Schnauze zurück, erhob sich und sprang dem alten Jolyon auf den Schoß, blickte ihm ins Gesicht und winselte; dann sprang er wieder herunter, setzte sich auf die Hinterbeine und starrte empor. Und plötzlich stieß er ein langgezogenes Geheul aus.

Doch die Distelflocke blieb so regungslos wie der Tod und wie das Gesicht seines alten Herrn.

Sommer – Sommer – Sommer! Lautlose Schritte im Gras!


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