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8. Kapitel

Bevor Ulrike den Mann mit der unleserlichen Unterschrift aufsuchte – selbstverständlich war es ein Mann, eine Frau schrieb deutlicher – hielt Ulrike eine kurze Rast.

Sie holte aus ihrer Tasche das Angebot hervor, von dessen Brauchbarkeit sie sich heute noch überzeugen wollte. Im Laufe des Tages hatte sie Straße und Hausnummer des Schreibers vergessen. Flüchtig überflog sie die wenigen Zeilen:

Chiffre xy 13

Sehr geehrter Herr!

Ich möchte Ihnen einen Schrank offerieren. Erstklassiges Barock, gut erhalten. Preis nach mündlicher Vereinbarung. Für Sie bin ich immer da. Am liebsten Freitag.

Mit vorzüglicher Hochachtung
Unterschrift (unlesbar)
Meersburg, Poetenweg 7

Ulrike war sonst nicht abergläubisch, aber Barockschränke flößten ihr seit kurzem Angst ein. Dann die Hausnummer sieben und das an einem Freitag!

Sie schalt sich töricht und sagte sich, daß dieses Angebot schlimmstenfalls ein Reinfall sei und der Schrank eine alte Klamotte.

Unter der Bevölkerung fand sie auch ein paar Einheimische, die ihr den Weg wiesen.

Wirklich poetisch, dachte sie, als sie vor dem Haus Nummer sieben hielt. Und tatsächlich barock, fügte sie in Gedanken hinzu.

Sie öffnete zuversichtlich die Gartenpforte und schritt zwischen von Buchsbaum eingefaßten Rabatten auf das kleine Haus, das mit seinem schweren Mansardendach so anschmeichelnd aussah, zu.

Sie zog an der altmodischen Glocke, die leise und rostig schepperte. Da niemand öffnete, faßte sie zögernd auf die schön geputzte Türklinke, und dann drückte sie sie mit einem entschlossenen Ruck hinunter. Ein dämmeriger Hausflur nahm sie auf. Hellgelbe Wände mit Nischen, aus denen Putten sie lachend zu begrüßen schienen, rechts und links zwei Türen, eine nicht sehr breite Treppe mit ebenfalls weiß gestrichenem Geländer.

Zaghaft blieb sie stehen und lauschte – eine wundersame Stille hielt sie umfangen und ließ ihr Herz schneller klopfen. Es war so merkwürdig, in einem fremden Haus zu stehen, in dem sich nichts regte. Dazu die ganze Atmosphäre, die an vergangene Zeiten gemahnte. Beklommen schaute sie hinüber zur Treppe, als müsse da jetzt ein Rokokodämchen im Reifrock heruntergeschwebt kommen.

Plötzlich regte sich etwas. Sie zuckte zusammen. Eine Tür wurde geöffnet.

»Dr. Hagedorn!« rief sie erschrocken und empört zugleich. Sie starrte ihn an wie einen bösen Geist.

»Aber warum denn so aufgeregt? Ich möchte dir auch einmal etwas verkaufen, Ulrike.« Breitbeinig stand er in der Tür und schaute sie lächelnd an.

»Das ist ein übler Scherz.« Sie wandte sich zum Gehen.

Mit einem Satz war er bei ihr und führte sie, ohne auf ihr Widerstreben zu achten, in ein Zimmer.

»Mein liebes Kind«, tat er streng, »du mußt mir schon die Gelegenheit geben, die Scharte von neulich auszuwetzen. Du hast mich um ein Vermögen gebracht.«

»Aber das kann ich doch gar nicht wieder gutmachen ...« rief sie verzweifelt.

»Meinst du nicht, daß du den Schrank wieder verkaufen kannst?« fragte er hinterhältig.

»Zu dem Preis? Unmöglich!«

Sie schien angestrengt nachzudenken. Nach einer Weile sagte sie vorwurfsvoll:

»Wie konnten Sie auch so leichtsinnig sein?«

»Ja – das werde ich nun lange büßen müssen – wahrscheinlich mein Leben lang«, nickte er.

»Wenn ich nur Geld hätte, ich würde ...« sie sah ganz verstört aus.

»Und wenn wir uns in den Schaden teilen?«

»Aber ich habe doch nichts, nichts!« Sie schrie es fast und ließ sich kraftlos auf das Sofa fallen.

»Es wäre ja nicht so eilig – ich könnte es dir allmählich vom Wirtschaftsgeld abziehen.«

»Was?« Sie sprang wieder auf und blickte ihn aus unruhigen, verständnislosen Augen an.

Er nickte ihr zu.

»Es wäre eine Möglichkeit ...«

Sie begriff.

Ganz langsam ließ sie sich wieder in die Sofaecke fallen und dann, mit einem jähen Ruck warf sie ihren Kopf auf die Polster. Kein Zweifel, sie schluchzte.

Darauf war er nicht vorbereitet. Aber wer kannte sich schon in den Frauen aus?

Sich neben sie setzend, begann er sie sanft zu streicheln.

»Aber Ulrike – ist es denn so schlimm, daß du mich heiraten sollst?«

Ohne den Kopf zu heben, nickte sie heftig.

»Du mußt einsehen, es ist die einzige Möglichkeit. Einer anderen Frau könnte ich wegen deiner Dummheiten das Wirtschaftsgeld nicht kürzen.«

Sie fuhr herum. Aus einem verweinten Gesicht funkelten ein Paar strahlende Augen.

»Du bist zwar ein großes Scheusal, Alexander, aber ich heirate dich trotzdem, ich wüßte keine bessere Strafe für dich.«

»Na also – das hätten wir schon früher haben können.«

Er zog sie in seine Arme und holte sich den Verlobungskuß.

»Aurikel – das Leben war gar nicht mehr schön ohne dich«, sagte er nach einem Weilchen liebevoll.

Sie zog seinen Kopf näher heran und flüsterte an seinem Ohr: »Das Leben war schrecklich ohne dich, Axel.«

*

Einige Wochen später saßen drei ältere Damen zusammen im Landhaus Plön. Sie ruhten sich von anstrengenden Wochen aus und bereiteten sich auf einen schweren Tag vor. Morgen sollte Hochzeit sein.

Durch das hohe Fenster schien die Abendsonne, sie stand just über Konstanz.

»Ich finde es sehr vernünftig von der Regierung, die Zusammenführung der Familien mit allen Mitteln zu fördern«, sagte Frau Herwig.

»Vielleicht inspiriert mich hier der Geist der seligen Anette«, meinte Frau Arnstein träumerisch und dachte an die hübschen Zimmer im Dachstock.

»Ein Mann wie Hans hat hier schon lange gefehlt. Nächstes Jahr haben wir in allen Zimmern fließend Wasser«, sann Frau von Plön.

Aus dem Garten kam Jungmännerlachen. Zwei Studenten spielten Federball. Auf der von Kletterrosen umrankten Terrasse saßen zwei Männer und zwei Mägdelein.

Alexander Hagedorn füllte die Gläser mit rotem Meersburger.

»Nun machen wir doch zusammen Hochzeit, Rieke«, sagte Hans Herwig.

»Aber es besteht doch ein gewisser Unterschied zwischen dem ursprünglichen Plan und der Durchführung ...« gab Ulrike zu bedenken.

»Das allerdings – aber ich finde das nur vorteilhaft ...«

»Ich auch, Hans.«

»Das kann man heute noch nicht sagen«, meinte Hagedorn bedächtig und schmunzelte versteckt, als er die entrüsteten Gesichter der Bräute sah, »schließlich haben wir unsere Frauen buchstäblich auf der Landstraße aufgelesen, es muß sich erst erweisen, ob das gut war.«

»Dieses Risiko habe ich schon einkalkuliert, mein Lieber. Wir müssen eben wachsam sein, dann kann noch was aus ihnen werden«, erklärte Hans selbstbewußt.

Sie tranken alle einander zu.

»Hans, du kannst ja Wein trinken!« rief Ulrike überrascht.

»Ich weiß nur nicht, was du immer hast. Natürlich kann ich Wein trinken, das habe ich schon immer gekonnt. Möchte bloß wissen, wer dir den Unsinn eingeredet hat, daß man dazu faulen Zauber machen muß, Ulrike.«

»Ich glaube, der Mann stammte vom Bodensee – er konnte sogar zaubern ...«

In ihrer Stimme schwang ein glückliches Lachen.

»Aurikel, wir zwei glücklichen ...« sagte Alexander zärtlich.

Und zwei Gläser tönten mit hellem Klingklang zusammen.


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