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Zweites Gespräch.

[Erstes] gestrichen.

C. Das erste Gespräch [Den zweiten Heft den Vesta] gestrichen. zurückgebend. – So haben Sie über Patriotismus gedacht vor einem Jahre, zur Zeit des tiefsten und sichersten Friedens, wie es der Menge erschien. Heute denken Sie hoffentlich auf andere Weise, wie Sie ja auch seitdem in Einigem anders gehandelt haben.

B. Auf andere Weise wohl kaum, vielleicht aber, daß ich dasselbe sich gleich bleibende Denken nur auf noch andere Gegenstände auszudehnen für nötig finde.

C. Ich konnte diese Antwort voraussehen [Daß Sie so sagen würden, konnte man voraussehen.] Gestrichen.. »Die Principien werden durch keine Zeit, und keiner Zeit Ereignis geändert; nur die Anwendung derselben wird bestimmt durch den Stoff, den die Zeit darbietet.« – Wer kennt nicht diese Axiome? Sollte es aber wirklich nur eine Ausdehnung der Sphäre sein, und nicht vielmehr eine Umänderung des Princips selber, das sich Ihnen als unzulänglich bewährt hätte, was ich Ihnen zutraue, und an Ihnen zu bemerken glaube?

B. Lassen Sie uns sehen. Meine Gedanken über Patriotismus setzten allerdings den Staat in tiefem Frieden voraus, und betrachteten innerhalb dieser Voraussetzung denselben in doppelter Rücksicht. Teils daß er, in Absicht seiner Form fest auf sich selber ruhen, und beharren müsse: und für diesen Zweck kann meinem noch immer fortdauernden Erachten nach Keiner mehr leisten, als daß er an seinem Orte seine Schuldigkeit genau, und so wie sie von ihm gefordert ist, vollbringe. Jedes darüber tun würde in einem wohlgeordneten, und nach allen seinen Teilen gehörig in einander greifenden, und genau berechneten Staate nur Unordnungen, und Störungen verursachen. Sodann, daß der Staat [Theils daß er] gestrichen. innerhalb dieser seiner beharrenden Form, und gedeckt von dieser, immerfort sich neu gebäre zu einem höhern und geistigern Leben. Das letztere, sagte ich, sei nach sichtbarer Erlöschung des Vernunftinstinktes nur durch klare Wissenschaft, und auf klare Wissenschaft gegründete Vernunftkunst möglich; wer daher für den Staat noch mehr tun wolle, als das, was die Schuldigkeit seines Standes und Berufs eben mit sich bringe, der könne es nur tun entweder durch tätige Beförderung der wissenschaftlichen Klarheit, oder, falls dieses, sein Vermögen ihm versage, durch herzlichen Respekt, den Druck von 1835: Verehrung, welche er der Wissenschaft bezeuge. So im Frieden. Ganz anders aber, wenn durch Krieg die Fortdauer der stehenden und festen Form, innerhalb welcher allein alle Fortentwicklung des bürgerlichen Lebens möglich ist, gefährdet wird, und die Bürger verhindert sind, in dem hergebrachten geordneten Gange die Pflichten ihres Berufs zu erfüllen. Dann muß wohl das höhere Leben, das in seinen bedingenden Umgebungen angegriffen ist [und dem sogar ein Standpunkt seines geistigen Waltens streitig gemacht wird,] gestrichen., einen Augenblick anhalten, um vor allen Dingen des ihm streitig gemachten Standpunktes seines geistigen Waltens sich zu versichern. Dann kommt der ganze Staat in eine revolutionäre Spannung, und der Bürger muß mehr tun, als von ihm gefordert ist, und als von ihm innerhalb der bloßen Sphäre des Rechtsbegriffes gefordert werden kann. Jetzt tritt tätiger Patriotismus, freie Aufopferung, und Heldensinn an die Stelle des vorher allein erlaubten ordnungsmäßigen Gehorsams. Das Eigentum, mit dessen guter und regelmäßiger [ordentlicher] gestrichen. Verwaltung vorher dem Staate am meisten gedient war, werde jetzt aufgeopfert; das Leben, das vorher für alle bürgerliche Zwecke, so lang es sein könnte, erhalten werden sollte, werde jetzt der [offenbaren] gestrichen. Gefahr entgegengestellt; denn der Staat ist nicht in seiner natürlichen Lage, sondern er ist in Not, und mit ihm ist das Heil aller gefährdet. Eine genaue Berechnung, was jeder Einzelne tun solle, ist jetzt nicht möglich; der Staat bedarf aller seiner Kraft, und je früher diese ganz in Tätigkeit versetzt ist, desto früher tritt der Zustand der Ordnung, und der gesetzmäßigen Verteilung der [seiner] gestrichen. Lasten wiederum ein; aber seine Kraft wird ganz in Tätigkeit versetzt nur dadurch, daß jeder Einzelne die seinige ganz darbietet. So soll im Kriege der Bürger mehr tun, als im Frieden. Eben so soll er, besonders in einem gefahrvollen Kriege, manches unterlassen, was im tiefen Frieden er mit seinem vollen Rechte, und vielleicht zu großem Heile des Ganzen, tun kann und soll [Ob nicht vielleicht von oben herab vieles versehen worden, ob nicht noch immerfort alt lang eingewurzelte, und verjährte Misbräuche herrschen, die längst hätten abgeschaft werden können und sollen, darüber kann freilich zu keiner Zeit der Sehende verhindert werden, bei sich selbst zu denken, was sich ihm eben als wahr aufdringt.] Gestrichen.. Was etwa z. B. für [eine] gestrichen. bessere Grundorganisation noch zu tun sein möchte, zu erörtern, ist eben nicht an der Tagesordnung, wenn der Boden aller wirklichen, oder möglichen Organisation schwanket. Zumal dieses vor aller Welt Ohren bitter, und zankend aufzurücken in solchen Zeiten; und dadurch die Gemüter der ohnedies betäubten, befangenen, und Gegenstände der Rache für ihre Drangsale suchenden Menge [des … gemeinen Volkes] gestrichen. noch mehr zu verwirren, heißt, auf's billigste beurteilt, nicht sehr besonnen handeln. Sind unter uns Familienzwiste, so lasset uns diese ausmachen, wenn die Existenz der Familie überhaupt nicht mehr gefährdet sein wird. Gerade der Zeit der allgemeinen Not sich zu bedienen, um zu erzwingen, wovon man glaubt, daß es im Guten nicht zugestanden werden würde, wäre eine gebildeter Menschen sehr unwürdige Impietät.

C. Ich muß gestehen, daß Sie durch die Unterscheidung zwischen ruhigen, und zwischen gefahrvollen Zeiten sich gut genug aus der Sache gezogen, und Ihre Konsequenz gerettet haben. Aber wie steht es denn nun mit Ihrer unbedingten Wegwerfung eines besonderen, und reinen Preußischen Patriotismus? Heute sind Sie doch gewiß nur Preuße, und wünschen gewiß nur diesem Staate, und seinen Alliirten Glück, und Sieg? [, den übrigen aber allen möglichen Nachtheil, und den Untergang ihrer Pläne?] Gestrichen.

B. Auch dies lediglich aus Not, weil die übrigen deutschen Stämme gezwungen scheinen, ihrer Deutschheit zu vergessen, und die Verteidigung der deutschen Unabhängigkeit aufzugeben [aufzugeben] statt gestrichen: [nicht nur aufgegeben zu haben, sondern sogar für die Unterjochung Germaniens zu kämpfen scheinen. Doch hoffe ich, daß dieses selbst jezt nur Schein sey, und daß dieser böse Schein schwinden werde; und so fahre ich denn auch jezt fort, eben in der Hoffnung des Sieges der gerechten Sache, als Preuße im Preußen, die ganze deutsche Nation, [und in dieser das ganze Menschengeschlecht] in Hofnung und Glauben mit Liebe zu umfaßen, ohnerachtet ich das wirkliche [Seyn] Betragen des leztern durchaus nicht liebe, sondern von ganzem Herzen [achte] haße, und verachte.].

C. Inzwischen betrafen auch diese meine Fragen an Sie nur die Nebensache. Ich habe noch einen andern weit bedeutendern Einwurf gegen Ihr System über Patriotismus.

Der Vernunftinstinkt, sagen Sie, sei über den ganzen dermaligen menschlichen Kulturstaat erloschen; was ich Ihnen zugeben will; denn ich sehe voraus, daß Sie dem, der es abläugnete, sagen würden, er verstehe nicht, was Sie unter Vernunftinstinkt meinten, und habe überhaupt keine Erkenntnis von dem in Rede stehenden Verhältnisse; und ihm liege zunächst ob, sich erst diejenige Bildung zu erwerben, vermittelst welcher allein jenes Verständnis möglich wird, ehe es ihm zukomme, über diesen Gegenstand mitzusprechen.

B. So würde ich allerdings sagen.

C. Da nun alles Heil für die Menschheit lediglich aus der Vernunft kommen könne, wie ich Ihnen dies von Herzen zugebe, so erwarten Sie von nun an die Heilung, und Genesung unsers Geschlechts nur aus der klaren Vernunft-Wissenschaft?

B. So ist es.

C. Ich habe mich sehr gewundert, daß Sie den greiflichen Zirkel in Ihren Erwartungen nicht entdeckt haben, der Sie, wie einen stockblinden, gefesselt hält.

B. Sie haben einen Zirkel in meinen Erwartungen entdeckt? Das ist vortrefflich. Ich kenne auch Einen; zugleich auch desselben Lösung. Entwickeln Sie Ihre Gedanken. Ich will sehen, ob sie mit den meinigen zusammentreffen.

C. Nicht wahr: Sie halten dafür, daß Kant zuerst und einzig unter allen Sterblichen das Princip der Vernunftwissenschaft, die klare Selbstbesinnung und Selbstverständigung, entdeckt habe; daß späterhin die Wissenschaftslehre dieses Princip anerkannt, es bestimmt ausgesprochen, und es systematisch und konsequent in der Sphäre der allerersten Vernunftprincipien durchgeführt habe?

B. So glaube ich.

C. Halten Sie dafür, daß Kant verstanden worden?

B. Funken der Wahrheit, und der bessern Erkenntnis hat Kant nach allen Richtungen der Wissenschaft hin in unzähliche Gemüter geworfen, die mit bleibenden Grundirrtümern sich vermischt, und so den Irrtum etwas erträglicher, aber auch kräftiger, und hartnäckiger gemacht haben. Sein Prinzip aber zu durchdringen, und dasselbe zum Mittel reiner Wahrheit und Klarheit zu machen, ist, unter allen Lebenden, einzig dem Verfasser der Wissenschaftslehre verliehen worden.

C. Im Vorbeigehen; wissen Sie, daß man Ihnen solche Aeußerungen, wie die jetzige war, unsäglich übel nimmt; daß Sie durch dergleichen Ihre Mitarbeiter im Gebiete der Philosophie [furchtbar] gestrichen. beleidigen, und diese, so wie die ganze Welt, heftig gegen sich erbittern, und daß man es Ihnen als einen an Wahnsinn grenzenden Eigendünkel auslegt?

B. Sogar habe ich vorhergewußt, daß es also kommen werde, ehe ich noch jemals dergleichen getan hatte, und bin schon seit vierzehn Jahren gefaßt gewesen, dies, als mein unabänderliches Schicksal, zu ertragen. Ungesagt kann inzwischen dieses nicht bleiben; denn da ich sie Druck von 1835: die Andern zum Verständnis bringen will, so kann ich sie nicht dabei lassen, daß sie es schon verständen, so wie sie dies in der Tat glauben; da ferner ich es bin, der sie das rechte Verständnis lehren will, so muß ich eben sagen, daß ich selber es verstehe. Bewiesen kann es eben so wenig werden, denn dieser Beweis des Nichtverstehens könnte nur dem geführt werden, der es wirklich verstände; könnte er sonach irgend einem geführt werden, so wäre einer Druck von 1835: vorhanden,, der es verstände, was eben geläugnet wird [C. Also dergleichen Aeußerungen entfahren Ihnen nicht bloß so, in einer unbewachten und leidenschaftlichen Stimmung, sondern Sie sprechen dieselben mit gutem Bewußtsein zu einem bedachten Zwecke aus?
A. [sic!] Leider muß ich bekennen, daß das leztere der Fall ist. –] Gestrichen.
.

So gern ich nun auch den bösen Schein, der gegen mich ist, anerkenne, und trage, so kann ich denn doch auch die andern nicht von aller Unbilligkeit gegen mich lossprechen, indem ich, meines Orts, es nicht im geringsten übel nehmen oder mich beleidigt finden würde, wenn sie hinwiederum sagten, daß ich nicht verstehe, was ich in der Tat nicht verstehe.

C. Auf das Letzte fußen Sie ja nicht zu sehr. Sie ertragen es vielleicht, daß man sagt, Sie verstehen nicht, was Sie lernen und verstehen nicht gemocht haben Fichtes Sohn ändert in: nicht gerade wollen;; jene aber werden durch Sie beschuldigt, nicht zu verstehen, woran sie ein halbes Leben gelernt haben, und was sie um alles in der Welt gern verständen. Das sind sehr verschiedene Fälle.

Doch kehren wir zurück zu unserm Vorhaben! Kanten also hat nur einer verstanden. Und wie viele haben denn wiederum diesen Einen, und seine Lehre verstanden?

B. Auch die Wissenschaftslehre hat Funken in Menge Fichtes Sohn ändert in: einzelne Funken von sich gestreut, so wie Kant, aber in ihrem Princip erfaßt hat sie keiner, der mir bekannt sei. Dieses mir nicht bekannt sein aber entscheidet in dieser Angelegenheit; denn es ist gewiß, daß, so jemand diese Erkenntnis hätte, er sie gewiß nicht verborgen hielte.

C. Nun, so bitte ich Sie, denn doch endlich einmal in sich zu gehen! Es sind nun über 13 Jahre, daß Sie diese Wissenschaft Wissenschaft[slehre] gestrichen. darbieten. Was haben Sie nicht zu Ihrer Zeit Druck von 1835: seit dieser Zeit. geschrieben, gestritten, gekämpft, welche Form, und welchen Ton haben Sie unversucht gelassen? Dabei hatten Sie ausgezeichnetes Glück. Sie hatten durch ein von Ihnen selbst, schon als Sie es drucken ließen, für schlecht erkanntes, und nachher öffentlich auch von Ihnen für schlecht erklärtes Buch, als dessen Verfasser Kant eine Zeitlang galt, plötzlich sich einen Namen erworben; die ersten Laute, die über Ihre neue Entdeckung erschollen, erregten Erwartung, und fast alles, was ein Sektenhaupt suchte, war geneigt, sich unter Ihre Fahnen zu begeben. Und, so viel ich aus den verschiedenen Urteilen heraushören kann, rückt man Ihnen auch noch jetzt nicht einmal Unbeholfenheit des Ausdrucks und der Sprache auf, wie dem guten Kant, der nicht schreiben konnte.

B. So? Kant konnte nicht schreiben?

C. So ist's; so können Sie vernehmen aus dem Munde unsrer Mündigen und Unmündigen, die da schreiben können. –

Nachher glaubten Sie, es werde auf dem Wege des mündlichen Vortrages besser gelingen. Welche Form und Wendung dieses mündlichen Vortrages haben Sie seitdem unversucht gelassen? An wie vielen Orten haben Sie nicht Ihren Lehrstuhl aufgeschlagen, und wen nicht in Ihren Hörsaal hineingebracht? [gelockt] gestrichen. Und auch hiebei hat wieder allenthalben hin ein beispielloses Glück Sie begleitet [, bis Sie freilich zuletzt an der hofnungsvollen Königsbergischen Jugend Ihre Meister fanden, die Ihnen gleich in der ersten Stunde hinter Ihre Widersprüche kamen, und bei denen Ihre Weißheit anstatt des Kopfs in die Füße schlug.
B. [Harter Mann, wie mögen Sie doch dieser mich so sehr beschämenden Demüthigung erwähnen?] Wie unzart, und unfein eine solche Unbedeutenheit zu erwähnen!
C. Ich handle in Ihrem Princip, daß erlaubt seyn muß, zu sagen, was andern erlaubt war zu thun, und zu dulden. – Zur Sache, heute] gestrichen.
. – Und jetzt sagen Sie, nach diesen dreizehnjährigen allseitigen Arbeiten und Anstrengungen: Keiner, durchaus keiner von allen, die da leben, hat dasjenige verstanden, was ich ihnen eigentlich verständlich machen will, und worauf allein es ankommt. Sollten Sie denn, als ein Mann, der für verständig gelten will, nicht endlich einsehen, daß dieses allgemeine, und dieses anhaltende, und dieses jedes angewandte Verständigungsmittel brechende Nichtverstehen keinesweges zufällig sein könne, sondern daß ihm ein Princip zu Grunde liegen müsse, zufolge dessen es notwendig erfolgt? Wie können Sie, wenn Sie nur einen Augenblick hiebei Verstand gebrauchen wollen, hoffen, daß wenn Sie auch noch einmal dreizehn Jahre, und, falls es möglich wäre, dreizehn mal dreizehn Jahre fortführen, auf dieselbe Weise wie bisher zu wirken, in irgend einem dieser dreizehn möglich sein werde, was in den ersten dreizehn als völlig unmöglich sich bewährt hat?

B. O Freund, und treuer Rat, ich hoffe ja nicht. Wer sagt Ihnen denn, daß ich hoffe?

C. Warum ruhen Sie denn also nicht, und lassen die Menschheit gehen, wie sie kann, und sorgen nur dafür, daß Sie selber erträglich durchkommen? Sie müssen ja noch viele andere Mittel haben, sich selbst und Andern die Zeit zu vertreiben. Uebersetzen Sie was, halten Sie Vorlesungen über die Geschichte, machen Sie satyrische Dialogen, wozu es Ihnen weder an Stoff noch an Laune zu gebrechen scheint.

B. Verum nequeo dormire!

C. Ter uncti transnanto Tiberim – könnte ich mit dem Texte fortfahren Horaz, Sat. II 1, 7-8..

Doch im Ernste und zur Sache.

Geben Sie denn also zu, daß es keinesweges in einem besondern bösen Willen gegründet, sondern daß es vielmehr schlechthin unmöglich ist, daß die gegenwärtige Generation das Princip der klaren Vernunftwissenschaft fasse?

B. Ich bin leider genötigt, das letztere anzunehmen.

C. Und worein werden Sie den Grund dieser Unmöglichkeit setzen?

B. In die intellektuelle, und moralische Verdorbenheit der Generation.

C. Worein aber werden Sie den Grund der übrigen Uebel der Menschheit, welche, nach Erlöschung des Vernunftinstinktes, nur von der Wissenschaft ihre Heilung erwarten, setzen?

B. In dieselbe intellektuelle, und moralische Verdorbenheit der Generation [Nation] gestrichen..

C. Und so liegt denn der Zirkel in Ihren Erwartungen klar am Tage. Dieselbe Verdorbenheit, die des Heilmittels bedarf, ist eben darum, weil sie diese Verdorbenheit ist, desselben [schlechthin] gestrichen. unfähig. Ist nun, wie Sie behaupten, dieses Heilmittel das einzige, und kein anderes zu finden, so muß die Menschheit an ihren Uebeln ohne Rettung zu Grunde gehen, wozu es auch jetzt ganz das Ansehen gewinnt; und Sie sind ein Arzt, der zwar ein Mittel in das Blaue hin sich auszudenken vermag, wenn [er es aber anwenden soll, die Hände sinken läßt, und sei] gestrichen. man aber ihn anhält, es anzuwenden, erst dann die Unmöglichkeit gesteht.

B. Die Sache verhält sich genau so, wie Sie sagen; und Sie haben die Absicht des Zirkels, den Sie meinen Erwartungen, inwiefern dieselben in dem von Ihnen gelesenen Gespräche dargelegt sind, vorrücken, vollkommen Recht. Wie aber, wenn ich das Mittel wüßte, die Lücke, welche hier geblieben ist, auszufüllen?

C. Ihre Grundbehauptung, daß die Wissenschaft das einzige Mittel sei, die kranke Menschheit zu heilen, kann mit Ihrem gegenwärtigen Bekenntnis, daß diese Wissenschaft an die Menschen, so wie sie sind, nicht gelangen könne, und mit der stehenden Voraussetzung, daß dennoch geholfen werden solle und könne, durchaus nur auf die Weise bestehen, daß Sie noch ein zweites Mittel wüßten, welches die Menschheit, zunächst zwar nicht von ihrer Krankheit, aber doch zuförderst von der Unfähigkeit, die Wissenschaft an sich zu bringen, heilte, worauf denn hinterher durch die nunmehro an die Menschen zu bringende Wissenschaft erst die vollständige Heilung vollzogen würde.

B. So ist meine Meinung.

C. So müßten Sie, unabhängig von der übrigen Verdorbenheit der Generation [Nation] gestrichen., und in reiner Absonderung, den besondern Grund der Unempfänglichkeit derselben für die Wissenschaft darzulegen, und das sichere Mittel anzugeben wissen, diesen Grund zu heben.

B. So gedenke ich in der Tat zu verfahren.

Der Zweck der Wissenschaft ist, die Grundquelle der Wahrheit und Realität schlechthin, in ihrem absoluten Einheitspunkte, – aus welchem Einheitspunkte alle besondre Wahrheit und Realität, als weitere Bestimmung der ersten, nach bestimmten, und gleichfalls erkennbaren Gesetzen einer solchen weitern Bestimmung »einer solchen weitern Bestimmung« fehlt im Druck von 1835. abstammt –, in den freien Besitz der Menschen zu bringen. Die Erkenntnis, und der freie Besitz des erwähnten Einheitspunktes, ist jedoch Zusatz im Druck von 1835. dem Menschen nicht angeboren, sondern er muß erworben werden. Das höchste, was der Mensch vor dieser Erwerbung vorher hat, ist ein bloßer Stellvertreter, ein Schatten, und Schemen Druck von 1835: ein Schema [Lesefehler]. von der Realität, welchen er in diesem Zustande, da er nichts höheres hat, notwendig für die Realität selbst hält. Sonach ist das allererste Geschäft, welches man, um ihn zur Erkenntnis der Wahrheit zu bringen, mit ihm vornehmen muß, dieses, daß man ihm seinen Schatten, als bloßen Schatten [ohne alle innere Realität,] gestrichen., durchdringe, und so denselben zerstöre.

Nun ist der letzte, und höchste Schatten, den bis auf Kant das ganze Menschengeschlecht für die Realität genommen hat –, und wobei der höchste Aufschwung der Erkenntnis darin bestand, daß man nicht selbst diesen Schatten wieder zerteilte, und zerrisse, sondern ihn, wie z. B. Spinoza getan, als feste Einheit faßte – dieser letzte und höchste Schatten, sage ich, ist das Sein. Kant entdeckte dieses als leeren Schatten, und fing an, es nach allen Seiten hin, in seinen Ausschüssen, zu zerstören, ohne jedoch es recht an der Wurzel anzufassen.

C. Indem ich dies höre, fallen mir eine Menge Kantischer Stellen bei, die einen Sinn haben können, nur unter der Voraussetzung, daß er das Sein, als durchaus leer und nichtig, anerkannt habe. Ein anderer Schriftsteller jedoch, der Kanten also gefaßt habe, ist mir nicht bekannt.

B. Darin ist nun die Wissenschaftslehre [glücklicher gewesen] gestrichen. besser verstanden worden, und dies ist denn also doch ein Fortschritt der allgemeinen Erkenntnis. Daß diese das Sein völlig zerstöre, und ausrotte, und in absolutes Nichts auflöse, hat man nach einer Reihe von Jahren endlich entdeckt. Nun aber meint man: das müsse doch falsch sein, und könne auch von jener Wissenschaft nimmermehr ernstlich gemeint sein, denn das Sein sei ja doch; und so helfen sich denn Einige dadurch, daß sie dieses Sein durch den Zusatz der Absolutheit, – wodurch sie ihm aber nur seine Reinheit und Einfachheit als Schatten nehmen, es um eine Stufe niedriger setzen, und es zum Schatten des Schatten machen, – gegen die Vergänglichkeit schützen wollen; andere es mit einer tieferen Analyse dieses Begriffs versuchen, ob sich nicht etwa ein feuerbeständiger Teil in ihm vorfinden sollte. Daß nach der Vernichtung dieses eigentlichen Nichts, das in seiner Beharrlichkeit und Ruhe klar das Gepräge des Todes an sich trägt, und nur durch einen offenbaren Widerspruch wieder zum Leben, und zur Tätigkeit erweckt werden kann, keinesweges Nichts übrig bleibe, sondern es erst nun Druck von 1835: nur zum einzig wahrhaft Realen, zum unmittelbaren Leben selber komme, das da lebt, keinesweges ist, beharrt, und bestehet, vielmehr ein solches Sein schlechthin vernichtet, das auch nicht ist außer ihm selber, so wie alles Sein, sondern in ihm selber – dieses fällt keinem ein.

C. So sagen Sie es ihnen, so bestimmt, und so klar, wie Sie so eben mir es gesagt haben. – Nicht im Sein ist Wahrheit, und Realität, sondern allein im unmittelbaren Leben selber; das erstere ist nur der Schatten des letztern; – dessen Entstehung aus dem Leben Sie wohl auch erklären werden?

B. Allerdings.

C. Das unmittelbare Leben selber im Leben ist als höchstes und absolutes zu fassen. Reicht das nicht hin? Ich sollte glauben, das könne jeder verstehen: auch ist es, wenn man nur bedenkt, was Sie oben über die Beharrlichkeit des Seins, und daß man in dieses nur durch [einen Widerspruch] gestrichen. ein neues, dem ersten Satze eigentlich widersprechendes Kunststück, Leben, und Tätigkeit, deren man doch gleichwohl bedarf, wieder hineinbringen könne, unmittelbar überzeugend.

B. Leider reicht dies nicht hin. Denn nun denken sie doch, unmittelbar wie sie es anfassen, dieses Leben wieder zu Tode. Sie denken es hin, als ein leblos bestehendes, und beharrendes Ding, dem nur zuweilen die wirkliche Tätigkeit, als ein Accidens, sich beifügt, und sie haben wohl ein anderes Wort, aber keinen andern Sinn.

C. Wie sollen sie es denn anders auffassen?

B. Also, daß sie es denken, ohne es zu denken Druck von 1835: ohne es also todt zu denken;, also daß es nicht außer sie zu stehen komme und ersterbe, sondern daß sie Eins bleiben mit demselben: kurz – das Wort kann ich Ihnen wohl geben – sie sollen es fassen nicht im Denken, sondern in lebendiger Anschauung.

C. Sagen Sie, können Sie anders sich ausdrücken, als ich so eben mich ausgedrückt habe: das Leben ist, und es ist das einzig an sich wahre, reale, u. s. w.

B. Keinesweges. Denn die Sprache liegt selbst in der Region der Schatten, und die durchgeführte fällt zusammen mit dem Sein, als desselben erster und unmittelbarer Schatten. Was ich daher ausspreche, ist nie meine Anschauung selber; und nicht das was ich sage, sondern das was ich meine, ist unter meinem Ausdrucke zu verstehen; wie wir denn auch wirklich also immerfort im Leben verfahren. Es ist durchaus notwendig, daß am Princip der realen Wissenschaft die Sprache zu Ende gehe, und daß über dieses Princip eine Verständigung in Worten nicht möglich sei [Vielmehr, wenn irgendwo die Sprache nicht ausgeht, so ist dies ein sicherer Beweiß, daß man bis zur Sache noch nicht hindurchgedrungen, sondern nur in leeren Worten sich herumtreibt.] Gestrichen..

C. So kann auch Ihr Lehrling sich nicht anders ausdrücken. Wie können Sie denn also, wenn nun derselbe gerade so redet, wie Sie, wissen, und ihm beweisen, daß er Sie dennoch nicht verstanden habe?

B. Auf folgende Weise Ursprünglich: Die unmittelbare Anschauung des Lebens ist das geistige Leben selber, schlechthin,. Die unmittelbare Anschauung des eigentlichen Lebens ist selbst das geistige Leben als erste Modification jenes Druck von 1835: jenes absoluten Lebens,, schlechthin, und unmittelbar in seiner Wurzel: in dieser Wurzel aber liegen die oben erwähnten weitern Bestimmungen der Wahrheit, und Realität, mit allen ihren schematischen Zusätzen, vollständig enthalten, und fließen in jedem, der nur jene Anschauung oder jenes geistige Grundleben selber geworden ist, ganz leicht und klar ab. Oder anders: man kann das Princip der Wissenschaft nicht fassen, ohne es selber zu werden, denn wäre man es nicht geworden, so hätte man jenes Princip nur gedacht, d. h. es ertödtet Druck von 1835: nur hingedacht, d. h. getödtet;, und in einem bloßen Schatten außer sich abgesetzt. Ist man aber es geworden, so ist man zugleich Künstler und Selbsturheber der Wissenschaft in allen ihren weitern Bestimmungen geworden. Ohnerachtet man daher in Worten sich über das Princip nicht verständigen kann, so kann man doch über die Folgen desselben sich sehr leicht verständigen; und die Uebereinstimmung in Worten kann hier durchaus nicht täuschen; wer, wo der Lehrer den Faden auch fallen lasse, nicht unmittelbar denselben aufnehmen, und ordentlich und richtig die Ableitung fortsetzen kann, der hat weder Princip, noch die ersten Folgerungen verstanden, sondern er hat nur Worte auswendig gelernt.

C. Darauf also gründet sich Ihre Behauptung, daß unter allen, die da leben, keiner sei, der Sie Druck von 1835: Ihre Lehre, im eigentlichen Sinne des Worts verstanden habe?

B. Darauf gründet sie sich.

C. Und ganz gegen die Weise anderer Lehrer sind Sie sorgfältiger bedacht, zu zeigen, daß man Sie nicht verstehe, als daß man Sie verstehe, werden auch nicht unwillig darüber, daß man Sie nicht versteht, fürchten auch nicht, daß auf Ihre Fähigkeit der Darstellung, oder auf Ihre Lehre selber dadurch ein Vorwurf fallen werde, und daß man sage: wie kann dasjenige taugen, was kein Mensch versteht?

B. So ist es; auch fürchte ich nicht im mindesten diese Urteile.

C. Und das Resultat von diesem allen, wenn Sie schon bis zum Resultate sind, ist? –

B. Daß der Grund, warum es dieser Generation unmöglich ist, zur Wissenschaft zu gelangen, darin liegt, daß sie der Anschauung des unmittelbaren Lebens weder teilhaftig noch empfänglich [fähig] gestrichen. ist. Die höchste Geistes-Operation, zu der sie sich, wo sie noch am vortrefflichsten ist, empor zu schwingen vermag, ist das Denken, d. h. das aus sich herauswerfen eines Schattens ihres inwendigen Lebens, welchen Schatten sie nun anschaut, und mit ihm, statt der Sache selber, sich begnügt. Gewöhnlich kommt es nicht einmal zu diesem Denken, sondern es bleibt gar nur bei dem Phantasiren, d. h. bei dem willkürlichen Erschaffen von Schatten aus dem Elemente der Schatten Druck von 1835: der gegebenen Schattenwelt überhaupt.

C. Diese Anschauung des unmittelbaren Lebens fehlte aber, nach Ihnen, auch der gesammten Vorwelt, so lange, bis sie endlich in Kant zur Wirklichkeit und Klarheit gedieh. Und so sehe ich nicht, wie Sie aus diesem Mangel gerade unsrer Generation einen Vorwurf machen wollen; noch insbesondre, wie Sie diesen Mangel mit dem Erlöschen des Vernunft-Instinktes, welchen Sie der Vorwelt lassen, und mit unsrer ganzen intellektuellen, und moralischen Versunkenheit, welche also tief in keiner vorhergehenden Zeit gewesen, in einen nähern Zusammenhang bringen wollen. Dies müssen Sie aber gleichwohl tun, wenn man in Ihrer Ansicht der Zeit nicht Lücken finden, und Gründlichkeit und Bündigkeit an ihr nicht vermissen soll.

B. Das denke ich auch zu tun. Lassen Sie sich nicht entgehen, daß ich unsrer Generation nicht bloß die Teilhaftigkeit, worin sie mit der ganzen Vorwelt das gleiche Geschick hat, sondern auch die unmittelbare Empfänglichkeit für die Anschauung des Lebens absprach. Die letztere würde ich der Vorwelt gar nicht so unbedingt absprechen, indem ich vielmehr dafür halte, daß Kant und die Wissenschaftslehre von den alten Griechen, vielleicht auch von den Römern, daß sie im Mittelalter in jedem Lande, wo nur die religiöse Superstition nicht gar zu drückend gewesen wäre, ja daß sie noch zu Leibnitzens Zeiten, und ehe Locke, die Encyclopädisten, und unsere Eklektiker und Popular-Philosophen das Zeitalter in die Schule genommen hatten, würden gefaßt worden sein.

Unsere Generation aber ist der Anschauung des Lebens unmittelbar nicht empfänglich deswegen, weil von dem Augenblicke ihrer ersten Entwicklung an ihr überhaupt alle Anschauung entrückt, und sie mit bedachter Kunst von derselben hinweg in Schatten und Nebel getrieben wird, in welcher Fertigkeit eben unsre Erziehung besteht. Kaum entwickelt sich des Kindes Organ zu dem ersten Lallen, und bietet so unsrer schon harrenden Kunst eine Blöße, so erhält es Worte, statt der Dinge, und Redensarten statt der Empfindungen. Bald werden ihm die lauten Worte, ein der Anschauung noch immer zu nahe liegendes Schema, in todte Buchstaben verwandelt, bis durch Geläufigkeit auch diese ihre festen Formen verlieren, und die Kinder in einem Meere von ungeformtem Buchstabenelement, als ihrer eigentlichen Welt, schwimmen, und so die Erziehung schon einen ihrer ersten Zwecke erreicht hat. Die höchste Kunst dieser Erziehung ist die, ja auf keinem Schatten niedrer Potenz den Zögling einen Augenblick verweilen lassen, denn das ist Zeitverlust für den Zweck der Erziehung, und Faulheit und Stumpfsinn am Zöglinge, sondern ihn schnell zum Schatten des Schatten, und zum Schatten wiederum des letztern Schatten, und so immer fort, fortzutreiben, in welcher Fertigkeit [durch welche … sich] gestrichen. zu eilen eben das Genie des Zöglings besteht. Auf diese Weise ist denn der Generation nur noch eine Nebel- und Schattenwelt, ohne irgend einen sie tragenden Kern von Anschauung, Wahrheit und Realität übrig geblieben. Die höhern wissenschaftlichen [und Kunst] gestrichen. Bestrebungen derselben aber bestehen darin, die vorseienden [vorseyenden] im Druck von 1835 heißt es: also zu Stande gebrachten Schatten höchster Potenz wiederum zu raffiniren, zu filtriren, zu sublimiren, und dadurch immer höher zu potenziren, und sodann diese Edukte unter einander zu begatten, daß eine wo möglich von aller Wahrheit und Realität ganz reine Nebelwelt aus ihnen erzeugt werde; welches Geschäft freilich ins Unendliche fortgesetzt werden kann, dennoch aber niemals der beabsichtigte Zweck, eine von Wahrheit ganz reine Nebelwelt zu erhalten, ganz erreicht werden wird. Es giebt wackere, obwohl schlechtberichtete Männer in Deutschland, welche die Wissenschaftslehre für eine hohe Meisterin halten in dieser Kunst, den Nebel zu sublimiren; und die ihr darum, aus einem dunklen Gefühle, es müsse nicht so sein, von Herzen abgeneigt sind. Ich ehre und liebe die Quelle dieser Abneigung.

Ist es nun ein Wunder, oder kann es anders erfolgen, als daß diejenigen, welche niemals, seitdem sie zum Bewußtsein gekommen, in irgend einer Region des Wissens sich im Zustande der Anschauung befunden haben, in die allerhöchste Anschauung, und in den Quellpunkt aller übrigen, nicht hinein kommen können, sondern in dem, worin sie aufgewachsen sind, und worin sie gelebt haben, im Schatten, und Nebel, verharren? Wie vermöchten solche die höchst feinen, und tief versteckten Operationen des geistigen Lebens, durch welche z. B. das Sein überhaupt zu Stande kommt, und deren Kenntnis Druck von 1835: Einsicht. zur Vernichtung des Seins schlechthin erfordert wird, zu bemerken, und richtig aufzufassen, welche vielleicht ihr ganzes Leben hindurch nicht ein Stuhlbein richtig, und so wie es wahrhaftig da ist, aufgefaßt haben? Sie wissen durchaus gar nichts, und man hat sie nirgends bis zum Wissen haften lassen, sondern immer sie fortgetrieben zu einem andern provisorisch ins Gedächtnis fassen; wie sollten sie je von dem Wissen selber wissen können? Eine solche Generation, und die Wissenschaft, leben in völlig entgegengesetzten Elementen; die letztere mutet der ersteren nicht etwa Entwicklung, Fortbildung oder dergleichen an, sie mutet ihr an von neuem geboren zu werden, und dies ist eine reine Unmöglichkeit. Gebt ihr dagegen Menschen, die nur irgend etwas recht und genau wissen, weil sie es in lebendiger Anschauung gefaßt, und es zu ihrem freien Besitztum gemacht [gesteigert] gestrichen. haben, so befindet sie sich mit diesen schon in dem gemeinsamen Elemente; sie haben ein Vermögen, das sie schon wirklich besitzen, und welches immer dasselbe bleibt, nur zu erhöhen, und bis zu der letzten Stufe, die es erreichen kann, zu steigern; und diese Steigerung des schon vorhandenen Grundvermögens ist sogar nicht einmal sehr schwer.

C. In der Erziehung unsrer Generation sonach, zufolge welcher sie mit bedachter Kunst von der Wahrheit und Unmittelbarkeit der Anschauung zum bloßen stellvertretenden Schatten hin, und in dieser Schattenwelt immer weiter vorwärts gepeitscht werden, also in ihrer ihr aufgedrungenen Unempfänglichkeit für alle Wahrheit, finden Sie den Grund ihrer Unempfänglichkeit für die Lehre der Wahrheit, für die Wissenschaft.

Ich will Sie nicht bemühen mit der Ableitung der übrigen Versunkenheit der Generation aus diesem Umstande. Denn da die Eine und ewige Wahrheit das einzige ist, was die Menschen zu Einigkeit der Gesinnung verbindet, und dieselben als Einheit in ihren ewigen Urquell einsenkt; so ist unmittelbar klar, daß, wo die Wahrheit ausgetilgt ist aus dem Geschlechte, und jeder einzelne nur in seiner selbstgeschaffnen Nebelwelt lebt, notwendig reine Selbstsucht die einzige Triebfeder des menschlichen Lebens werden, Bürgersinn aber, Moralität, und Religion notwendig verschwinden müssen.

Wohl aber möchte ich von Ihnen hören, wie denn aus derselben Ursache die Erlöschung des Vernunft-Instinkts erfolgen möge.

B. Auf folgende Weise. So wie das Wesen der Wissenschaft darin besteht, daß sie die in unmittelbarer Anschauung gegebne Wahrheit, innerhalb des klaren Bewußtseins, mit besonnener Kunst, nach einer Regel weiter entwickle, und Im Druck von 1835 folgt: mannigfaltiger gestaltet; gestalte, so besteht das Getriebensein durch den Vernunft-Instinkt darin, daß gleichfalls eine in unmittelbarer Anschauung gegebne Wahrheit sich selbst, ohne sichtbares Zutun des Individuum, und innerhalb des dunklen Bewußtsein, entwickle, und fortgestalte; und, da nur im Leben die Realität ruht, das Leben des Individuum ergreife, und in ihm lebe ihr eignes Leben. Nun ist es klar, daß, wo durchaus keine Anschauung, und eben darum auch keine Wahrheit ist, keine sich entwickeln könne, eben so wenig innerhalb des dunklen Bewußtseins, im Wege des Vernunft-Instinkts, als innerhalb des klaren Bewußtseins, im Wege der Wissenschaft; daß daher eine Generation ohne Anschauung, so wie sie durchaus ohne Vernunft da ist, und lebet, auch ohne den Instinkt der Vernunft leben müsse.

Zwar tragen sogar die Schatten und Nebel darin das Zeichen ihrer Abkunft aus dem Leben, und ihrer Verwandtschaft mit der Realität, daß auch sie durch sich selber, zuweilen mit vieler Agilität und in sehr buntem Gewimmel, sich regen, sich bewegen, und sich gestalten; zwar immer und notwendig innerhalb des dunklen Bewußtseins, und die besonnene Kunst notwendig ausschließend, indem die Schatten überhaupt nur in der Dunkelheit sich halten, die eintretende Klarheit aber sie zerstören und an ihre Stelle das Wesen setzen würde. In dieser Regsamkeit der Schatten besteht das bekannte Phantasiren, auf welches notwendig die Selbstdenkerei und alle ideale Schöpfung einer solchen Generation beschränkt bleiben wird. Und so ist denn in der Form, als Selbstentwicklung eines unbekannten im dunklen Bewußtsein, das schwärmende Phantasiren dem Antriebe des Vernunft-Instinkts ganz gleich; im Wesen aber sind beide gar sehr verschieden: teils darin, daß dem letztern Wahrheit, dem erstern Traum, und Schatten zu Grunde liegt, teils darin, daß das letztere das wirkliche Leben ergreift, und nach sich gestaltet, dagegen das erste nur Theorien gebiert, mit welchen im Leben Ernst zu machen, und dasselbe daran setzen, keiner sich getraut.

C. Ich hätte hiebei freilich noch eine Frage auf dem Herzen. Jedoch es kommt vielleicht eine noch schicklichere Gelegenheit dieselbe anzubringen. Jetzt lassen Sie uns aber erst alles gesagte auf Einheit zurückführen.

In der Erziehung der Generation läge somit nach Ihnen der Grund aller ihrer Uebel überhaupt, so wie insbesondre der ihrer Unempfänglichkeit für klare Vernunftwissenschaft; und zwar in derjenigen Beschaffenheit der Erziehung, daß sie den Zögling durchaus nicht in der Anschauung haften, und einwurzeln läßt, sondern denselben von ihr weg, zu Schatten Druck von 1835: Schatten der Worte., und zu immer abgezogneren, und von der Realität entfernteren Schatten Druck von 1835: Schatten abstrakter Begriffe treibt. Das Heilmittel würde sonach darin bestehen, daß diese Art der intellektuellen Erziehung ganz und gar abgeschafft würde; ja vielleicht meinen Sie es auch so, daß, wenn einmal intellektuelle Erziehung sein, und diese etwas bedeuten will, dieselbe gerade den entgegengesetzten Weg einschlagen und ihren Zögling zur Anschauung führen, und ihn in derselben recht befestigen, und einwurzeln Druck von 1835: einwurzeln lassen solle. Auf diese Weise werde an das Geschlecht wiederum Wahrheit gelangen, für eine mögliche instinktartige Entwicklung; so wie Fertigkeit, mit dem Organe für Wahrheit, mit der Anschauung, frei zu walten, für wissenschaftliche Entwicklung.

B. So meine ich es.

C. Ich fürchte, Sie sind in einen neuen Zirkel geraten. Wenn die ganze jetzt lebende Generation sammt und sonders für lebendige Anschauung verdorben ist, wie wollen Sie denn in dieser Generation Lehrer finden, welche das beginnende Geschlecht in dieser Kunst der Anschauung zu unterrichten vermöchten.

B. Das ist eben das unendlich hohe, große, und siegreiche dieses Gedankens, daß diese Kunst nicht gelehrt zu werden bedarf, wie sie denn auch nicht gelehrt werden könnte, sondern daß nur Leitung nötig ist, und daß diese Leitung geben, und die Regeln derselben gar leicht begreifen kann jedweder, dem es für die eigne Person an jener Kunst ganz fehlen mag. Die Natur des Menschengeschlechts ist noch nicht versiegt, noch in der Wurzel ausgetilgt. Zum Glücke werden unsre Kinder noch immer so geboren, wie vom Beginn an alle Kinder der Menschen geboren wurden, mit Fähigkeit, und Trieb zur Anschauung. Sie selbst begehren der Schattenwelt nicht; nur unsre unselige Kunst ist es, die mit ihrem Widerstreben sie in dieselbe treibt. Diese Kunst soll wegfallen, und es soll dagegen eine andere eintreten, sie in der Anschauung selber zweckmäßig zu leiten, so daß ihr Haften an der Realität befestigt, und ihre Freiheit, die Anschauung zweckmäßig zu handhaben, entwickelt werde. Es bedarf somit gar keines andern Dinges, als zuförderst, daß man sich überzeuge, daß es sich so verhalte, wie eben auseinander gesetzt worden; sodann, daß man die Regeln der Kunst, die Anschauung richtig und der natürlichen Ordnung gemäß zu leiten, erlerne; – und diese Regeln zu erlernen ist nicht schwer.

C. Hoffen Sie die Generation auch nur des erstern zu überführen, daß es also sei? Hoffen Sie dieselbe von der unbedingten Wertschätzung dessen, worin allein sie geistiges Talent setzt, jener Fertigkeit nemlich, zu abgezogneren Schatten von den einfachern herauf zu springen Druck von 1835: steigen, jemals zurückzubringen?

B. Ob zu hoffen war, oder nicht zu hoffen, darüber lassen Sie uns ruhig den Erfolg abwarten. Gesagt, und durch Sagen versucht, muß es doch einmal werden; denn dieses ist das letzte Mittel, den gegenwärtigen Kulturstaat Druck von 1835: Kulturstand vom Untergange zu retten; und zum Glück sage dieses letztere wenigstens ich nicht allein, und nicht zuerst, sondern es ist schon gesagt, und ihnen laut in die Ohren gedonnert Druck von 1835: gerufen worden.. Auch hier ist es wiederum die deutsche Nation, welcher der erste Urheber des Vorschlags angehört, welcher zuerst der Vortrag gemacht worden, welcher noch unter allen übrigen Europäischen Nationen die nötige Selbstbesinnung, und Selbstverläugnung, so wie andern Teils die erforderliche Gelehrigkeit, am ersten sich zutrauen läßt: und so heißt es abermals: rettet nicht der Deutsche den Kulturstand der Menschheit, so wird kaum eine andere Europäische Nation ihn retten. Wird er aber nicht gerettet, und durch dieses ihm einzig übrige Zwischenmittel zum höhern und absoluten Heilsmittel, der Wissenschaft, herauf gerettet, so versinkt der zweite menschliche Kulturstand eben so in Trümmern, wie der erste in Trümmern versank, und es ist die Frage, ob aus Wilden, und Barbaren nach Jahrtausenden neue Kultur entstehen, und ob auch diese wiederum zu Grunde gehen, oder würdiger sich behaupten werde, als ihre beiden bekannten Vorgängerinnen.

C. Genug der Einschärfungen! Bleiben wir beim Vorliegenden: – Sie seien nicht der einzige, und auch nicht der erste, der dies sage? – Wie habe ich das zu verstehen?

B. Ich sage noch mehr; ich sage, daß diese Kunst, die Anschauung der Zöglinge zu leiten, schon in ihren Grundrissen ziemlich vollständig dem Publikum vorgelegt sei, und irgendwo fleißig getrieben werde.

C. Sie meinen doch nicht die Theorie Pestalozzis, der die Kinder unverstandene Worte, und Redensarten auswendig lernen läßt, und der überhaupt, so sagt man von ihm, einen unerträglichen Mechanismus einzuführen sucht, und welchen gerade in Ihren frühern Worten, daß man dem kaum lallenden Kinde ein Wort anstatt der Sache gebe, u. s. w., ich für getadelt hielt; diesen Mann, der seine totale Unwissenheit und Unbeholfenheit in allen Dingen, seinen trübseligen Empirismus Druck von 1835: Egoismus. [Lesefehler ist unmöglich; vielleicht ist eine für den Druck hergestellte Abschrift falsch gelesen.], und seine absolute Unfähigkeit zu aller Philosophie selber gesteht, und der bei diesem Bekenntnisse, dessen buchstäbliche Wahrheit in seinen Schriften am Tage liegt, nicht etwa nur bescheiden ist; der der Philosophie überhaupt nicht sehr hold zu sein, sondern unter diejenigen zu gehören scheint, welche dieselbe für die Kunst halten, den Nebel zur höchsten Feinheit zu sublimiren, – diesen Mann empfiehlt ein Philosoph, der Urheber der Wissenschaftslehre ist, als den letzten Retter und Heiland der Menschheit!

B. Auch Pestalozzi muß man aus ihm selbst, keinesweges aus den Relationen seiner Recensenten kennen lernen. Jenes Auswendiglehren unverstandener Worte, das nicht [unbedingt] gestrichen. zu empfehlen ist, und zum Wesen der Methode durchaus nicht gehört, vielmehr dem Geiste, und Ausgangspunkte derselben widerspricht, das übrigens in diesem Zusammenhange durchaus den Nachteil nicht hat, den [man davon befürchtet] gestrichen. es in jedem andern bei sich führt, dringt ihm die Not auf, wie Sie dieses Bekenntnis bei ihm selbst lesen können.

Pestalozzis Gedanke ist unendlich mehr, und unendlich größer, denn Pestalozzi selbst; wie denn jedes wahrhaft genialischen Gedankens Verhältnis zu seinem scheinbaren Urheber dasselbe ist. Nicht Er hat diesen Gedanken gedacht, oder gemacht, sondern in ihm hat die ewige Vernunft ihn gedacht, und der Gedanke hat gemacht, und wird fortmachen den Mann. An der Geschichte der Enthüllung dieses Gedankens, wie sie mit einer für sich selbst zeugenden Wahrheit, und mit einer kindlich reinen Unbefangenheit in Pestalozzis Schriften vorliegt, könnte man, was wir oben sagten, daß eine Wahrheit, die den Menschen einmal ergriffen, im dunklen Bewußtsein, ohne Wissen, oder freies Druck von 1835: eigenes; »im dunklen Bewußtsein« ist weggelassen, statt dessen »in ihm« eingeschoben. Zutun des Menschen, sich fortgestalte, und trotz der allermächtigsten Hindernisse dennoch zuletzt durchbreche zu Licht, und Klarheit, in sinnlicher Deutlichkeit darlegen. Die Seele des Pestalozzischen Lebens war Liebe zu dem armen verwahrlosten Volke: Seine Liebe wurde ihm so gesegnet, daß er mehr fand, als er suchte, das einzige Heilmittel für die gesammte Menschheit. Daß er zugleich das einzige Mittel gefunden habe, eine Generation zu bilden, die fähig sei, Kant, und [Kant, und] ist späterer Zusatz. die Wissenschaftslehre zu verstehen, wird ihm selber, wenn er erfährt, daß die? von mir gesagt worden, sogar wunderlich vorkommen; wenn nicht etwa gerade von da aus ihm ein Licht aufgeht über den eigentlichen Zweck der Wissenschaftslehre.

In dieser Bedeutung nun, nicht als intellektuelle Erziehung nur des armen gedrückten Volkes, sondern als die absolut unerläßliche Elementar-Erziehung der ganzen künftigen Generation, und aller Generationen von nun an, muß man zuförderst den Pestalozzischen Gedanken fassen, um ihn richtig zu verstehen, und zu würdigen. Dem Urheber selbst, ohnerachtet die letzte höhere Ansicht ihm gar nicht fremd ist, und er sie oft auch ausspricht, kommt in der Beschreibung der Ausführung dennoch immer wieder die erste beschränkte Ansicht, als die wesentliche, in den Weg, teils, weil er selber nur von dieser ausgegangen ist, und an ihr seine Praxis sich organisirt hat, teils, weil er stillschweigend vorauszusetzen scheint, daß diese Bedrückung und diese Armseligkeit der größern Menge immer bleiben werde, und nicht wagt, einzusehen, daß, wo irgend seine Erziehung Nationalerziehung würde, jene Bedrückung gar bald und notwendig wegfallen würde; endlich, weil er bei aller seiner Abneigung gegen das Buchstabenwesen dennoch in dieses Wesen, eben als Waffe gegen die Bedrückung, für das große Volk einen viel zu hohen Wert legt. Lediglich aus dieser vorherrschenden Rücksicht auf die ausschließenden Bedürfnisse des großen Volks sind alle diese, zu dem Grundgedanken so wenig gehörende, daß sie ihm vielmehr widersprechen, Nebenzüge entstanden, welche den meisten Anstoß erregt, und die laufende Pädagogik sogar in den Stand gesetzt haben, vornehm zu tun gegen die neuere.

Zweitens ist es nötig, daß man den Grundgedanken selber bis in seine Wurzel verfolge, und so der Praxis das Fundament gebe, dessen sie gegenwärtig ermangelt.

C. Die Praxis, deren Princip Sie empfehlen, ermangelt des Fundaments [Sie sind gegen alle Ihre Gewohnheit schonend, zu preisen, was nach Ihnen [selber] sogar des Fundaments ermangelt.] Gestrichen.?

B. Es leistet auch so gute Dienste, und die gütige Natur hilft nach, wie sie dies ja sogar noch schlechterm tut. Soll aber das System erscheinen in seinem ganzen Werte, und erscheinen als das was es ist, als Elementarbildung des ganzen Menschengeschlechts, so muß ihm dieses Fundament seiner Praxis gegeben werden.

C. Machen Sie Ihre Meinung deutlich.

B. Natürlich wissen Pestalozzi, und seine Anhänger und Mitarbeiter es auch nicht anders, als daß das Sein das letzte und das absolute, und die Wahrheit sei, und daß es über das Sein nicht hinaus gehe; sie heben daher die Entwicklung der Anschauung an an den objektiven, im Raume verbreiteten Dingen. Sie sollten wissen, daß alle Besinnung, und alle Bildung zur Freiheit der Anschauung vom Subjekte ausgeht.

C. Pestalozzi sagt dasselbe, was Sie so eben sagen, sehr entschieden, und schärft es nachdrücklich ein; und gerade in dieser Rücksicht beschäftiget sein erstes Elementarmittel der Entwicklung, das Buch für Mütter, sich mit dem Kinde selber, und giebt ihm die Kenntnis seines Körpers.

B. Er sagt es, und sieht ganz gewiß, durch sein Wahrheitsgefühl ein, daß es so sein, muß; aber er versteht nicht, was er einsieht, und, wie er sich darüber erklärt, und es zur Praxis kommt, sagt und tut er das Gegenteil. Ist denn der Körper des Kindes das Kind selbst? Sicher glaubt das Pestalozzi nicht. Hierdurch wird das Kind sich objektivirt, und zwar viel zu früh sich objektivirt, indem es dem regelmäßigen Gange der Entwicklung nach, auf den. Pestalozzi anderwärts mit ganzem Rechte so ernstlich hält, seinen Körper erst muß brauchen lernen, ehe es ihn objektive von sich absondern und ihn kennen lernen soll. Hätte Pestalozzi irgend eine andere Anwendung seiner an sich richtigen Voraussetzung, daß die Bildung vom Subjekte ausgehen müsse, finden können, so würde er gewiß entdeckt haben, daß dieser Anfang mit der Kenntnis des Körpers seinem eignen Grundprincip widerspreche.

Es ist noch ein zweiter, an: sich eben so richtiger, von dem Urheber selbst aber eben so unrichtig verstandener, und angewendeter Grundsatz in der Pestalozzischen Theorie, dessen richtiges Verständnis ihn zugleich auch über den oben gerügten Punkt in's reine gebracht haben würde. Nach Pestalozzi gehört unter die drei Mittel, dem Menschen von dunklen Begriffen zu klaren zu verhelfen (wir mögen ihm seine Sprache lassen, wir unsers Orts würden statt dessen sagen, ihm zu freier und besonnener Anschauung zu verhelfen), und steht unter diesen Mitteln sogar oben an, der Schall, als Medium der Wörter, und der Sprache, welche letztere er eigentlich meint.

Näher angesehen ist dies in der Region, in welcher die Pestalozzische Entwicklung beruht, schlechthin nicht wahr. Die Figur eines Gegenstandes im Raume ist klar geworden, d. h. sie ist in die besonnene Freiheit der Anschauung gekommen; dadurch, daß man sie in allen ihren Teilen ganz genau nachconstruiren, und so nach Belieben sie erneuern kann; und damit ist denn die Klarheit ganz, und vollständig, und es läßt sich ihr kein mögliches Ingrediens zusetzen. Dadurch, daß man Namen, und Wort für sie erhält, bekommt man bloß das Vermögen, sich mit andern darüber zu verständigen, wodurch, als in eine ganz andere Region uns verweisend, die Anschauung selber keinen Zuwachs erhält. So verhält es. sich mit der Sprache überhaupt in Beziehung auf die ganze objektive Welt, von der Gestalt der einfachsten Linie, bis zu der allerzusammengesetztesten Operation der Vernunft: sie ist nur das Mittel der Verständigung mit andern, und das Element, der Einmütigkeit einer aus mancherlei Individuen bestehenden Geisterwelt; das Mittel der Selbstverständigung aber ist in dieser objektiven Welt nur die freie Construction in der Anschauung. Dagegen ist ein solcher Gebrauch der Sprache, wie Pestalozzi ihn empfiehlt, als eines schon vorhandenen Fachwerks um Anschauungen zu ordnen, recht eigentlich das Mittel zu dem Sprünge machen Druck von 1835: Überspringen der Anschauung und zur frühen Maulbraucherei, denen die Pestalozzische Theorie, wo sie konsequent einhergeht, mit vollem Rechte so sehr Feind ist; und es wird dieser Gebrauch der Sprache, zuwider der Theorie, Pestalozzis aufgedrungen durch die schon oben erwähnte provisorische Sorgfalt für's Volk. Und doch ist der Pestalozzische Satz wahr, und es liegt in ihm eine unendlich tiefe Wahrheit, nur ist er es in einer andern Region. Nicht zwar die Sprache, aber das Sprechen selber, d. h. daß gesprochen und der Mensch ausgesprochen werden solle, ist das allererste Mittel zur Entwicklung der Selbstbesinnung. Das Kind liegt da in einem dumpfen Chaos aller Gefühle, die unaufhörlich in einander verschwimmen. Wie hebt es jemals aus dieser Flut irgend etwas einzeln, und abgesondert heraus, und taucht in diesem Herausheben selber empor aus der Flut, und gebiert sich zur Ichheit? Was giebt ihm das Bedürfnis dieses Heraushebens und den Anstoß dazu, so wie zu diesem sich selbst Erzeugen? Offenbar, bei seiner absoluten Hülfslosigkeit, die Notwendigkeit, das Dringendste, das seine Erhaltung am unmittelbarsten bedrohende Druck von 1835: Fordernde oder Bedrohende auszusprechen gegen die zu seiner Hülfe bereitstehende Menschheit, die aber durchaus durch kein anderes Medium mit ihm zusammenhängt, außer durch das der Sprache. In allen höhern Regionen ist die Sprache nur Princip der weitern Bildung des ganzen Geschlechts vom begünstigtern Individuum aus; hier allein ist sie das absolute schöpferische Princip einer Geisterwelt überhaupt.

Auch bei dieser Klarmachung des Gefühls wird, ganz wie bei der Anschauung, etwa eines Objekts im Raume, das Einzelne des Gefühls abgesondert aus der ganzen übrigen Unendlichkeit desselben, und mit Freiheit durchdrungen, und nachconstruirt. Die Besonnenheit demnach und das Ich ist in seinem ganzen Wesen dabei vorhanden. Der Unterschied von der eigentlichen Anschauung ist nur der, daß diese Nachconstruction des Gefühls an die Gleichzeitigkeit mit dem wirklichen Gefühle gebunden ist, dagegen die Nachconstruction der eigentlichen Anschauung ungebunden waltet durch alle Zeit; und daß wir darum nicht also nach Willkür den Geschmack z. B. des Zuckers in uns herstellen können, als wir jeder Figur Anschauung in jedem Augenblicke uns wiederholen können. Aus diesem Grunde auch ist es allein das Gefühl, was da wahrhaftig an Realität, oder besser, an Wahrheit, und Gesetz bindet; dagegen die von Pestalozzi als das allererste kultivirte Anschauung der Raumbeschränkung nur ein zweiter Schatten, ein Schatten des Schatten ist.

Die Leitung der Besonnenheit auf diese Gefühle sonach, nach einer festen Regel, und in einem: Besonnenheit entwickelnden Stufengange, wäre das allererste Geschäft der Erziehung; und dieses wäre somit das der Pestalozzischen Theorie ermangelnde Fundament. Dem ABC der Anschauung, die immer, frei ist, müßte ein ABC der Besinnung auf die Nichtfreiheit, deren Entsinnung somit der absolute Anfang aller Freiheit ist, vorausgehen; welches ABC das eigentliche Buch der Mütter ausmachen würde. Das Kind müßte zu allererst fähig gemacht werden, bestimmt anzugeben, ob es hungere, oder vielmehr schläfrig sei, ob es schmecke, oder rieche, u. s. w., ob es Rosen- oder Nelken-Geruch rieche, Violinen- oder Flöten-Ton höre, u. s. w., indem gerade diese Merkmale das eigentliche, und letzte objektive, und reale an der ersten Erscheinungswelt sind, dagegen der Raum, und zumal die Schemen noch höherer Abstraktion, lediglich schematische Formen sind jener Objektivität.

C. Sie geben also doch gegen den kategorischen Ausspruch Ihres frühern Dialogen Oben Seite 12. zu, daß, auch seit Kant, denn diesen werden Sie wohl stillschweigend ausgenommen, und von ihm aus erst datirt haben, jemand, durch den Vernunft-Instinkt getrieben, etwas wahrhaftig neues, und vorher noch niemals also dagewesenes erfunden habe?

B. Es könnte Rechthaberei scheinen, wenn ich darauf bestünde, daß Pestalozzi, als gleichzeitig mit Kant, keinesweges als auf irgend eine Weise sein Nachfolger, oder durch ihn mit gebildet, betrachtet werden müßte, indem Pestalozzi von seinem Geiste gewiß schon längst ergriffen und fortgerissen war, ehe der Kantische Geist in einiger Klarheit sich offenbarte; ingleichen, daß nach allem, Vorliegenden, Kant auf Pestalozzis Entwicklung durchaus keinen Einfluß gehabt hat. Ich will nicht als rechthaberisch erscheinen; halten Sie also für zugestanden, alles, was Sie verlangen können [Ich kann im Vorbeigehen nicht bergen, daß ich nicht ohne erhebendes, und wenn ich auf die [gegenwärtigen Verhältnisse] unmittelbar gegenwärtigen Erscheinungen sehe, nicht ohne wehmüthiges Gefühl bedenke, daß die letzten, welche an den beiden äußersten Enden so gründlich das Bedürfniß des ganzen menschlichen Geschlechts umfaßten, beide Deutsche waren.] Gestrichen..

C. Ihre Meinung daher ist, wenn schlechthin alle in einem Staatsvereine stehende Menschen Druck von 1835: Individuen diese Elementarbildung, wie Sie die von Pestalozzi in Anregung gebrachte fassen, erhielten, d. h. wenn diese Erziehung Nationalerziehung würde – meinen Sie also?

B. Allerdings. Man hat gar viel von Nationalerziehung gesprochen, ehe es eine Erziehungskunst gab. Diese haben wir nun; gebt sie den Bürgern, und Ihr werdet zugleich eine Nation erhalten, und diese Erziehung wird im höchsten Sinne des Worts, als Nationalerziehung sich bewährt haben. –

C. Wenn also dies geschähe, würden die Menschen zunächst von ihrem Schwindel, und von allen daraus hervorgehenden Lastern geheilt, und überdies einzelne unter ihnen fähig werden, die Vernunftwissenschaft, und die Vernunftkunst, als die sichern Unterpfänder, des regelmäßigen, und ununterbrochenen Fortgangs der Menschheit zu ihrer Bestimmung, sich zum Eigentume zu machen?

B. Also meine ich.

C. Und Sie hoffen diejenigen, welche an der Spitze der Nationen stehen, zu überreden, daß sie auch nur den Gedanken einer Erziehung ihrer Nation, oder daß sie gar den Entschluß, wirklich das Nötige für eine solche Erziehung aufzuwenden, fassen sollten?

B. Wie ich schon oben mich erklärte: über das zu Hoffende, und nicht zu Hoffende mag ich nicht einmal mit mir selber ins Reine kommen, und es ist, unter allen den dunklen Stellen, die in meinem Wissen noch sonst sein mögen, diese wenigstens die einzige, die ich mit gutem Bedacht dulde, und in welche ich Klarheit nicht gebracht wissen will.

Folgendes aber weiß ich, und kann es bis zur Evidenz eines gewöhnlichen Rechenexempels erheben. Setzen Sie, daß ein Staat, der fünfzehn Jahre Frieden gehabt hat, und in diesem Frieden Alles, was er diese Jahre über aus seinem Lande nur irgend ziehen, und von andern unentbehrlichen Ausgaben ersparen können, auf die Erhaltung seines Heeres gewendet, welches Heer er, wie sich's treffen kann, nach ausgebrochnem Kriege in der ersten Schlacht total verliert; statt dessen die Hälfte seines Heers abgedankt, und was die Erhaltung dieser Hälfte gekostet haben würde, auf eine Nationalerziehung, wie Pestalozzi und ich sie denken, gewendet hätte; so will ich dartun, daß dieser Staat beim Ausbruche des Krieges auch die andre Hälfte seines Heeres hätte abdanken können, und daß er dagegen eine Nation unter die Waffen zu stellen gehabt hätte, welche schlechthin von keiner menschlichen Macht hätte geschlagen werden können.

C. In der Sache können Sie Recht haben; und da Sie so keck entschlossen sind, eben zu hoffen, so will ich Sie auch in Ihren süßen weltbürgerlichen Träumen nicht weiter stören [Dagegen sehen Sie, wie Sie, um auch nur Ihre Theorie als bloße Theorie zu retten, folgenden Einwurf lösen. Wenn nun [die] eine National Erziehung, wie Sie dieselbe begehren, eingerichtet seyn, und dadurch jeder, der durch dieselbe hindurchgegangen, wenigstens der Voraussetzung nach, der Vernunftwissenschaft, und Vernunftkunst empfänglich seyn wird, wollen Sie denn sodann jeden Bürger ohne Ausnahme zu dieser Wissenschaft, und Kunst erheben?
B. Keinesweges, sondern immer nur eine so große Anzahl derselben, als der Staat ihrer fortdauernd bedarf; und zwar wird man diese auswählen nach höherer und überwiegender Fähigkeit, oder, wo selbst diese nicht entscheiden sollte, den Zufall, der alsdann dem göttlichen Willen gleich gilt, entscheiden laßen.
C. Und die andern?] Gestrichen. Statt dessen ein Schlußzeichen. – Über Fichte, Zufall, Vorsehung und göttlichen Willen vgl. Fritz Medicus, Fichtes Leben, Leipzig 1914, S. 17.
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Druck: Otto Wigand'sche Buchdruckerei G.m.b.H. in Leipzig.


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