Gustav Theodor Fechner
Essays
Gustav Theodor Fechner

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Warum wird die Wurst schief durchschnitten?

In einer größeren Gesellschaft von Professoren und Dozenten der Universitäts- und Weltstadt L. warf ich die Frage auf: Warum wird die Wurst vielmehr schief als gerade durchschnitten, so daß die Schnittfläche wie die Scheiben sich nicht kreisrund, sondern elliptisch (oval) darstellen?

Die Sache scheint nicht der Frage wert; doch kann sich der Scharfsinn spielend daran üben, und vielleicht erfährt man nicht ungern, wie sich der Scharfsinn so gelehrter Männer daran geübt hat. Und wenn sich selbst große Prinzipien am Kleinen oft ebensogut, nur niedlicher als am Großen erläutern lassen, warum nicht um so mehr die kleinen Prinzipien, die wir hier zur Beantwortung der Frage in Anspruch nehmen wollen?

Drücke man nur künftig jedesmal ein Ohr zu, wenn man dem ästhetisch widerhaarigen Worte "Wurst begegnet, was manchem Feingebildeten den Geschmack an der Wurst selbst verleidet und somit diesem Aufsatze dasselbe Schicksal zu bereiten droht. Zwar könnte die Wurst versuchen, es mancher deutschen Sängerin nachzutun, die sich dem deutschen Geschmack nicht ohne Erfolg durch Italienisierung ihres Namens zu empfehlen sucht, würde aber mit dem schönen Namen wahrscheinlich noch schlechter werden, als sie ohnehin schon in jetziger Zeit gegen früher geworden ist. Denn mag man auch an der alten Zeit noch so viel auszusetzen finden, seit Freytag sie um ihren guten Namen gebracht hat, aber in Würsten war sie wirklich eine gute. Dazu spottet der ehrliche Name des Versuches; und da man es sich sonst oft genug gefallen lassen muß, daß es schlecht klingt, Wenn man eine Sache beim rechten Namen nennt, kann man es sich ja auch wohl hier gefallen lassen.

Von vornherein dürfte man wohl kaum glauben, daß sich so viele Antworten auf die einfache Frage finden ließen, als ich sie erhielt, und die Entscheidung dazwischen so zweifelhaft bleiben kann, als sich zeigen wird, was einigen Respekt für die Frage erwecken kann, da sie das mit den größten Problemen gemein hat. Manche unter den Anwesenden gaben sogar mehrere Antworten; und am fruchtbarsten in dieser Hinsicht war der Professor der Philosophie W., welcher zwar das Faktum selbst in Abrede stellte, aber vier verschiedene Erklärungen von dem Faktum gab, ungleich anderen Philosophen, Welche für alle Fakten in der Welt nur eine Erklärung haben. Dafür stimmten manche in derselben Antwort zusammen oder wechselten nur die Form derselben. Da die Frage selbst halb scherzhaft gestellt war, waren auch die Antworten zum Teil nur scherzhaft oder im Interesse der Originalität gesucht. Doch muß es auch eine ernsthafte Antwort darauf geben, die sich suchen läßt, ohne gesucht zu sein.

Ehe wir aber darauf ausgehen sie zu finden, lasse ich die Antworten unterschiedslos nach der Reihe folgen, wie ich sie in der darüber aufbehaltenen (schon fett einer Reihe von Jahren datierenden) Notiz verzeichnet finde. Es sind alles wirklich gegebene, nicht von mir gemachte Antworten. Dabei werde ich die Urheber (worunter auch einige Auswärtige sind) durch den Anfangs- und Endbuchstaben ihres Namens bezeichnen, um bei einer späteren Geschichte des Problems das Erraten der Urheber zu erleichtern ohne es zu ersparen, indem ich mich erinnere, wie sehr es bei der großen Kunstfrage nach dem eigentlichen Urheber der Dresdener Holbein'schen Madonna den Kennern, welche sie für eine Nichtholbein'sche erklären, bei ihrer Ratlosigkeit im Erraten desselben zustatten kommen würde, wenn sie nur den Anfangs- und Endbuchstaben seines Namens kennten; kennte man diesen aber ganz, so fiele mit der Frage auch das Interesse der Frage weg. Folgendes also die Antworten auf die hier wiederholte Titelfrage:

"Warum wird die Wurst schief durchschnitten?"

  1. Weil der schiefe Schnitt der natürlichste ist; denn unter unendlich vielen schiefen Schnitten kann der gerade nur einmal getroffen werden. (W–e.)
  2. Weil man bei der runden Gestalt die Besorgnis hat, das Wurstscheibchen könne davon laufen. (W–e.)
  3. Weil die elliptische Form an sich anmutiger ist, wenn nicht umgekehrt sie darum anmutiger ist, weil sie an die durchschnittene Wurst erinnert. (K–e.)
  4. Weil die elliptische Form sich dem länglichen Zuge der Wurst mehr anschließt. (K–e.)
  5. Weil die Wurstscheibchen bei der elliptischen Gestalt größer ausfallen. (R–r, M–I, Sch–r.)
  6. Nach dem mechanischen Verhältnisse der Wurst zur Hand läßt sich die Wurst leichter schief als gerade durchschneiden. (R–e) S–I, H–n, letzterer mit der Bemerkung, daß man ja auch Bohnen schief durchschneidet.)
  7. (Bestimmtere Motivierung von Nr. 3.) Weil die Ellipse als eine Kurve höherer Ordnung ein höheres Wohlgefallen erweckt als der Kreis. (0–ck, A–s.)
  8. Das Faktum wird von W–e in Abrede gestellt, weil seine Frau und Töchter die Wurst eben so oft gerade als schief durchschneiden, womit W – ch, W – ck, W–r (merkwürdigerweise durch den gleichen Anfangsbuchstaben lauter Namensverwandte der Wurst) übereinstimmen.
  9. Man muß unterscheiden. Eine Blutwurst wird leichter und lieber gerade, eine Leberwurst schief durchschnitten, weil die Leberwurst fester ist. (S–r.) F–n unterscheidet in derselben Hinsicht vielmehr zwischen dicken und dünnen Würsten. Also der eine nach Substanz, der Andere nach Dimensionen.
  10. Die Hausfrau sucht durch den größeren Schnitt dem Gaste die Güte der Wurst zu zeigen. (P–I.)
  11. Der gerade Schnitt hat etwas Gewaltsames, wie denn der Dichter sagt: "Grad ausgeht der Blitz, des Kanonenballs fürchterlicher Pfad" etc. Der schiefe Schnitt hat mehr den Charakter des sanften Zuges; bei den Frauen aber wiegt das Sanfte vor. (W–e.)
  12. Eine dünne Scheibe bietet schief aus einem Zylinder geschnitten dem Auge bei gleicher Dicke mehr Randfläche dar und läßt sich daher leichter schief als gerade schneiden, wie der Urheber dieser Ansicht bei seinen Pflanzendurchschnitten reichend Gelegenheit gefunden zu beobachten. (H–r.)
  13. Aus Widerspruchsgeist gegen die Männer, welche das Gerade lieben. (W–e.)
  14. Aus Rücksicht auf die Wurstzipfel. Bei geradem Schnitte werden die Scheibchen gegen Ende kleiner, bei schiefem Schnitte wird die Ungleichheit nicht so auffällig. (W–ch.)
  15. Weil aus den schiefgeschnittenen Scheibchen die Fettgriefen minder leicht herausfallen, als aus den gerade geschnittenen, (v. St. M–e.)

Weiß jemand noch eine andere Erklärung zu finden, so wird er damit mehr Scharfsinn beweisen als alle Professoren, die sie nicht zu finden vermochten. Freilich, da nicht bloß Prof. W., sondern noch einige andere das Faktum selbst bestritten, so kann es von vornherein mißlich erscheinen, an eine ernsthafte Erklärung desselben überhaupt zu denken, denn es fallen mir die bekannten bedenklichen Geschichtchen dabei ein: von dem König, der die Gelehrten seines Landes befragte, warum ein in ein ganz mit Wasser gefülltes Gefäß getaner Fisch dasselbe nicht überlaufen mache; und von dem Mitglied einer gelehrten Akademie, der, nachdem er eine im Garten von der Sonne beschienene Glaskugel umgekehrt hatte, an seine herbeigerufenen Kollegen die Frage stellte, warum der Sonnenschein die Kugel oben kalt, unten warm mache.

Inzwischen haben wir nicht zu besorgen, uns mit der hier gestellten Frage in einem ähnlichen Falle zu befinden; denn man wird zugeben müssen, daß, wenn nicht überall, doch weit vorwiegend der schiefe Wurstschnitt dem geraden vorgezogen wird; also läßt sich auch eine Frage nach dem Grunde des Vorzugs stellen. Von den versuchten Erklärungen aber lassen wir die, die sich durch eine ernsthafte Berücksichtigung zu sehr geschmeichelt finden dürften, von vornherein beiseite, und werfen die, die sich zu sehr schmeicheln dürften, die richtigen zu sein, zuerst zur Seite.

Vor allem die erste. Zwar scheint es nicht ganz natürlich, daß der schiefe Schnitt als der allgemeinere Fall viel öfter und leichter zufällig getroffen werden muß, als der gerade? Ja, wenn nur das Vorschneiden einer Wurst eine Sache des Zufalls wäre. Überall aber sehen wir, wenn eine Verrichtung oft wiederholt wird, daß sie sich auf eine bestimmte Weise einrichtet, die entweder durch Wohlgefälligkeit oder Zweck oder beides bestimmt ist. So schneidet man auch nicht in einen Braten nach Zufall hinein, sondern es hat sich eine bestimmte Regel des Vorschneidens gebildet, nach deren Grunde man eben so fragen könnte, als nach dem Grunde des Wurstschnittes; doch bleiben wir bei diesem stehen.

Will die erste Erklärung nicht recht passen, so scheint gleich die zweite jede andere überflüssig zu machen, wenn wir daran denken, wie leicht uns das runde Geld unter den Händen fortläuft, und wie unangenehm es ist, daß es fortläuft; auch beim Wurstscheibchen aber würde es uns unangenehm sein. Inzwischen ist, um das Wurstscheibchen daran zu hindern, die Gabel beigelegt, und man hätte nur zu wünschen, daß es manchem jungen Verschwender an der entsprechenden Gabel für sein Geld nicht fehlte. Also werfen wir diese Erklärung zu der vorigen und springen mit einem Satze gleich mitten unter die übrigen hinein, zur sechsten.

Ist es nicht wirklich der Hand, nach ihrem mechanischen Verhältnisse zur Wurst, bequemer, die Wurst vielmehr schief als gerade zu durchschneiden? – Aber eher wäre das Umgekehrte zu erwarten. Denn, legt man die Wurst mit der linken Hand vor sich hin, um sie mit der rechten zu schneiden, und tut beides so ungezwungen und bequem als möglich, so nehmen Wurst und Messer beide zwar eine schiefe Lage zum Körper, aber rechtwinklige gegen einander an, als deren Resultat man den geraden Schnitt zu erwarten hat. Außerdem ist der gerade Schnitt wegen Durchsägens geringerer Masse rascher und leichter vollzogen. Wäre die Schiefe des Schnittes durch die Leichtigkeit seiner Ausführung bestimmt, warum würde nicht auch das Holz vielmehr schief als gerade durchhackt bzw. durchsägt. Also auch mit dieser Erklärung nichts.

Versuchen wir es nun mit ihrer Nachbarin Nummer 5, wonach die Wurst schief durchschnitten wird, weil die Wurstscheibchen größer dadurch ausfallen. In der Tat eigen, daß, während der Kreis unter allen möglichen Figuren von gleichem Umfange die größte Fläche einschließt, der kreisförmige Durchschnitt eines Zylinders, wofür man eine regelrechte Wurst nehmen kann, bei gleicher Dicke desselben unter allen möglichen Durchschnitten die kleinste Fläche einschließt. Auch die Mathematik hat, wie man sieht, ihre Launen. Nun greift doch im allgemeinen jeder lieber nach einem großen Pfirsich oder einer großen Pflaume als nach einer kleinen, warum sollte er nicht auch im allgemeinen lieber nach einem großen Wurstscheibchen greifen als nach einem kleinen? Die zugleich sparsame und gastfreie Hausfrau aber sucht den Eindruck großer Scheibchen dem Gemahl oder Gaste selbst noch mit der dünnsten Wurst, die das niemals langen wollende Wochen- oder Monatsgeld hergibt, zu erwecken. Das leistet der schiefe Wurstschnitt. Er wirkt so zu sagen wie ein Vergrößerungsglas. Denn freilich würde sich der Gast sehr täuschen – und ich hoffe seinen Dank für diesen Wink zu verdienen, – wenn er mit dem größeren Wurstschnitte mehr Wurst zu erhalten meinte. Vielmehr, wie sich überall große Tiefe nicht mit großer Oberflächlichkeit verträgt, kommt hier die von dem Professor der Botanik H unter Nr. 12 gemachte Bemerkung in Betracht, daß schief geschnittene Scheiben leichter dünn gemacht werden können als gerade geschnittene.

Inzwischen soll das Wurstscheibchen doch auch nicht für einen unanständigen Appetit berechnet erscheinen, da ein großer Magen ebensowenig für eine innere Zierde des Menschen gilt als ein großer Mund für eine äußere; also kehrt die Hausfrau bei den elefantenartigen Massenwürsten zum geraden Schnitte zurück und nimmt überhaupt die Neigung zu diesem Schnitte mit der Dicke der Wurst zu, was in die unter Nr. 9 von F. gemachte Bemerkung hineintritt. Aus demselben Grunde bietet man ja auch niemandem Butterschnitten über das ganze Brot an, es sei denn Kindern, die kleine Vielfraße sind, oder Auflädern, die große sind. Die Hausfrau aber beweist ihre Bildung dadurch, daß sie die Scheiben richtig nach dem Bildungsgrade ihrer Gäste abmißt.

Ist man hiermit zufrieden? Die vorige Erklärung mag wirklich, wie man sich ausdrückt, nicht ganz ohne sein; ist aber sicher auch nur etwas mit; und sollte sie jemand zu den etwas besuchten rechnen, wie kann ich ihm beweisen, daß sie es nicht ist? Vielleicht nur dadurch, daß sie doch nach Nr. 5 von mehr als einem gefunden wurde, und da es ein Professor der Nationalökonomie, ein Professor der Medizin und ein Professor der Mathematik war, welche darin übereinstimmten, auch das daneben eingeholte Gutachten einer Dame damit zusammentraf, so stellt sich diese Erklärung als ein Rom dar, wohin viele Wege führen. Nun haben wir aber überhaupt bisher bloß Zweckerklärungen in Betracht gezogen, und die Erklärungen aus Wohlgefälligkeits- oder Schönheitsrücksichten noch gar nicht angesehen, wozu ineinander hineintretend Nr. 3 und 7, in gewisser Weise aber auch 4 und 11 gehören; und da bei diesen Erklärungen ein Professor der Jurisprudenz, ein Professor der Kunstarchäologie, ein Professor der praktischen Philosophie und ein Professor der theoretischen Philosophie beteiligt waren, denen ich mich noch als Professor von dem und jenem zugesellen mag, so haben wir damit ein zweites Rom, wohin viele Wege führen.

In der Tat mag sich die vorige Zweckerklärung nicht einbilden, daß sie allein reiche. Was auf die Tafel kommt, will nicht bloß satt machen. Sondern auch wohl Schmecken und wohl aussehen; die vorige Erklärung tut aber, als wenn es auf das Sattmachen ohne übersatt zu machen allein ankäme. Und bei allen Dingen sonst kommt es nicht bloß auf Größe, sondern auch auf Form an; die vorige Erklärung tut aber, als wenn es auf Größe allein ankäme. Vielmehr wird die schiefe Richtung und die elliptische Form des Wurstschnittes dazu dienen, die Wohlgefälligkeit zur Zweckmäßigkeit zu fügen, um damit die Wurst von einem Gegenstande, der bloß schmeckt, zu einem Gegenstande des Geschmackes zu erheben.

Aber, wird man sagen, ist das nicht rein verkehrte Welt? Was könnte überall dem Schiefen einen Vorzug der Wohlgefälligkeit vor dem Geraden erteilen und dem Kreise einen solchen vor allen anderen Figuren rauben? Wie schlecht nimmt sich eine schiefe Nase, ein schiefer Mund, ein schiefer Turm, ein schiefer Blick usw. aus. Ja, gehe man einmal in die Stuben zweier Professoren oder Studenten, und sehe, woran es hängt, daß die eine durchweg den wohlgefälligen Eindruck der Ordnung, die andere den mißfälligen der Liederlichkeit macht. Man wird finden, daran, daß in der einen Bücher, Manuskripte, Schreibzeug, Federn, Zigarren usw. alles gerade d.i. parallel und senkrecht zueinander, in der anderen alles schief gegeneinander liegt. Und von der anderen Seite, welche Figur wäre reiner und einheitlicher in sich abgeschlossen, machte den Eindruck einer harmonischeren Fülle, eines vollendeteren Gleichmaßes, einer mehr in sich ruhenden Befriedigung als der Kreis? Er repräsentiert unter den Figuren das allseitige Genie, jede andere nur ein einseitiges Talent. Auch hat man ja von jeher wirklich den Kreis für die vollkommenste Figur erklärt, und anfangs gar nicht an die elliptische Gestalt der Planetenbahnen glauben wollen, weil sie als himmlische zugleich die vollkommensten, also kreisförmig sein müßten. Das sind sie nun freilich nicht, aber man sieht sie auch nicht, und so stören sie nicht sichtlich die himmlische Harmonie. Hingegen sind Sonne, Mond, der Umkreis des Horizontes, die man sieht, kreisrund; das irdische Geld, die Teller, die Räder, die Zifferblätter sind kreisrund, der Querschnitt der Bäume, der Säulen, der Gefäße, der Stäbe und Stecken ist kreisrund, und alles das sähe schlecht aus, wenn es anders als kreisrund wäre. Alles in der Welt überhaupt würde kreisrund sein, wenn nicht so viel einseitige Zwecke, die nur Bruchwerte der Vollkommenheit sind, an den Dingen herumzerrten, drückten und meißelten, und das ist auch allein der Grund, daß der ganze Mensch keine Kugel ist; doch nähert sich sein Hauptteil, das Haupt, und sein schönster Teil, das Auge, der Kugel und der Stern des Auges ist sogar der reinste Kreis. Ja meint man, daß Paris der Venus als Preis der Schönheit eine Zitrone dargeboten habe?

Das klingt alles recht schön, ist aber alles weit hergeholt, ohne deshalb weither zu sein, da es doch nur vom Studiertische her ist, sogar mit von meinem eignen aus früherer Zeit. Aber jetzt stelle man den ganz einfachen Versuch an, auf den es hier ankommt, d.h. schneide aus zwei nicht zu dicken Würsten die eine gerade, die andere schief durch, und man wird finden, wenn man sie nebeneinander legt, daß die eine danach eben nur wie gerade durchgehackt aussieht und uns mit ihrem Zirkelgesichte steifpetrig anglotzt, indes die andre unsere Neigung gewinnt, indem sie uns das liebliche Oval ihres Gesichtes mit eben so lieblicher Neigung zukehrt. Und um den Versuch zu vollenden, so setze man einen Teller mit kreisrunden Scheibchen und einen anderen mit elliptischen Scheibchen aus derselben Wurst einander gegenüber. Mag nun auch der erste appetitlich aussehen, wenn man gerade Appetit hat, so doch nur der letzte anmutig, sogar wenn man keinen hat.

Wie den Widerspruch lösen? Ist denn die Wurst ein so apartes Wesen, daß zum schönheitswidrigen Namen sich alle Schönheitsregeln der Gestalt bei ihr verkehren? Durchaus nicht; man muß nur nicht verkehrte Regeln machen und meinen, daß der Fuß nicht zum Schuhe paßt, wo vielmehr der Schuh nicht zum Fuße paßt; und bisher ist noch jeder Schuh, den man der Schönheit hat anziehen wollen, zu weit oder zu eng für sie gefunden worden, daher man die Göttin der Schönheit auch immer barfuß abbildet. Das Gerade kann schön sein, aber auch das Schiefe kann schön sein. Ein schief sitzender Gürtel um den Leib sieht freilich schlecht aus, aber ein schief über den ganzen Leib weggehendes Bandelier sieht gar nicht schlecht aus, und das schiefe Band, woran Diana den Köcher trägt, nimmt es mit dem Schönheitsgürtel der Aphrodite wohl auf. Wie schön steigt eine Girlande oder blühende Ranke in schiefen Windungen an einer Säule hinauf, und wie schlecht würde es sich ausnehmen, wenn man gerade herumgehende Ringel daraus machen oder die schiefen Windungen aus den Landesfarben an Wegweisern und Schlagbäumen durch quere Streifen ersetzen wollte. Die Etiketten an den Weinflaschen laufen zwar meist gerade um den Bauch; soll es aber recht anmutig aussehen, so laufen sie schief, trotzdem daß das Lesen dadurch erschwert wird. Ich sah neulich einen Grabstein in Form eines abgestutzten Baumstammes mit der gewöhnlichen Inschrifttafel daran; er war nicht gerade, sondern ganz nach dem Beispiel der Wurst schief abgestutzt. So also stutzt der Künstler ab, indes der Holzhauer, dem es auf Wohlgefälligkeit nicht ankommt, die Stämme im Walde gerade abstutzt; und sähe man zu, so würde man sicher finden, daß er auch die Wurst viel öfter gerade durchschneidet, als die gebildete Hausfrau, weil er eben ein Holzhacker ist, dessen Geschmack an der Materie der Wurst nicht ebenso wie bei ihr durch den Geschmack an der Form der Wurst veredelt wird.

Kurz, überall, wo sich ein Körper lang streckt, findet sich das Auge durch den schroffen Gegensatz, indem das geradedurch oder das geradeherum dagegensteht, beleidigt, wo nicht das natürliche Ende oder eine natürliche Gliederung im Laufe der Länge ihm einen motivierten Halt gebietet. Niemand will sich ohne Grund in seinem Wege aufhalten lassen, auch das Auge nicht, aber der sich an die Länge anschmiegenden Schiefe folgt es gern. Das hat die Antwort unter Nr. 4 richtig getroffen, und ebenso treffend die Antwort unter Nr. 11 im Widerstreben der selbst so anschmiegsamen Frauen gegen den geraden Wurstschnitt nur einen besonderen Fall ihres allgemeinen Widerstrebens gegen das Schroffe erkannt. Wurst aber hat keine Taille, welche dem Schnitte den Weg vorschriebe, also schreibt das Schönheitsgefühl den Weg vor, und es schreibt ihn schief vor; ja rücke man den Gürtel selbst etwas höher oder tiefer, so sieht es übel aus, weil er eine Taille macht, wo keine ist. Keiner Dame fällt es daher auch ein, ein Kleid mit queren Streifen um den Leib zu tragen: Sie würde sich damit wie in Scheiben geschnitten vorkommen, und wenn sich eine quer um sie herumgehende Kante als untere Umrahmung des Kleides ganz wohl ausnimmt, ist es nur, weil sie statt der Länge der Figur der Länge des Kleiderrandes folgt, welcher die nächsten Ansprüche daran macht; geht aber eine Reihe Stufen oder Falbeln zu hoch hinauf am Kleide, so sieht die Dame aus wie eine wandelnde Treppe. Auch haben noch in keinem Baustile Säulen mit queren Cannelüren Platz gefunden; gerippte Säulen würden sich ausnehmen wie Gerippe.

Nun freilich an einem Kleide will man nicht nur keine queren, sondern auch keine schiefen Falten und Streifen. Natürlich, da man vom Kleide verlangt, daß es sich nach der Form des Körpers richte, würde man meinen, es richte sich nach einem schiefen Körper; und eine Hauptgestalt will freilich nicht schief sein oder erscheinen. Schief sein ist ja nicht das einzige Prinzip der Schönheit. Ob sich nun eine Nebenform ganz nach der Länge der Hauptform strecken oder bloß durch schiefe Richtung anschmiegen soll, kommt auf Umstände an. Niemand wird die Wurst ganz nach der Länge schneiden wollen: so schneidet man sie wenigstens schief; was aber die Schiefe am vollen Anschlusse vermissen läßt, kann sie durch den Reiz der Abwechslung wieder einbringen.

Wäre nur mit der Schiefe des Schnittes auch der Abweichung der Scheiben von der Kreisgestalt genug getan; aber wer sieht den Scheiben auf dem Teller die Schiefe des Schnittes noch an; und was hilft es den elliptischen Scheiben, daß sie schöner aussehen, wenn philosophisch erweislich ist, daß die kreisförmigen schöner sind. In der Tat aber haben die Philosophen Batteux, Baumgarten, Herder, Moriz, Zschokke, Hermann, ja wer nicht noch alles übereinstimmend bewiesen. Daß Schönheit die Vollkommenheit der sinnlichen Erscheinung oder sinnliche Erscheinung der Vollkommenheit ist, und was entspricht diesem Begriffe vollkommener als die Erscheinung des überall mit sich selbst gleichen, allen Richtungen gleich gerechten, von allen Auswüchsen, Lücken, Einseitigkeiten freien, sich einer größeren Fülle als jede andere Figur erfreuenden Kreises.

Nun, um Philosophen zu fürchten zu machen, braucht man bloß Mathematiker gegen sie ins Feld zu führen. Ach lebte nur noch der alte Professor Möbius, der so sinnreiche Einfälle hatte und die Mathematik für die poetischste aller Wissenschaften erklärte: er war ganz der Mann dazu, allen philosophischen Kreisbeweisen für den Kreis mit einem Keplerschen Beweise für die Ellipse die Spitze zu bieten; er würde sicher den Kreis statt für die poetischste aller Figuren, nur für eine hausbackene Tortenform erklärt haben, die auszuwirken man den Lehrlingen in der mathematischen Backstube überläßt. Dabei fällt mir ein zu erzählen, um dem Prinzip der Abwechslung zu genügen, wie ich einmal in einer Gesellschaft neben ihm saß, und ihn um Rat wegen der Einrichtung einer Welt befragte, die statt dreier Dimensionen bloß eine hätte, und die mir große Vorteile zu versprechen schien, weil damit alle lästigen Verwicklungen in der Welt fortfielen, und es darin unmöglich wäre, vom rechten Wege abzuweichen. Die größte Schwierigkeit schien nur, wie die Leute in einer solchen Welt sollten beieinander vorbei oder übereinander hinaus kommen können; und der Leser mag selbst überlegen, ob er ein Mittel dazu finden kann; wir sind aber durch gegenseitiges Forthelfen sogar auf zwei Mittel gekommen, wonach diese Welt ganz praktikabel erscheint. Das eine war, sich die lineare Welt elliptisch in sich zurücklaufend, mit der göttlichen Monade als Brennpunkt zu denken; dann brauchten die Leute, die nicht beieinander vorbei könnten, bloß umzukehren und sich nach der andern Seite entgegenzukommen, was, da eine solche Welt zugleich ein natürliches Eisenbahngleis darstellte, sehr schnell würde geschehen können, aber freilich nur auf zwei Leute paßte. Das andre, keiner solchen Beschränkung unterliegende, war, daß man sich die Leute bloß als lineare Wellen zu denken hätte, die ja bekanntlich ohne Störung durcheinander durchschreiten können, und da unsere Gedanken ohnehin schon an Ätherwellen im Gehirn hängen, würde man sich solchergestalt mit dem Gedanken zugleich in Wirklichkeit über den andern hinaus versetzen können. Aber da der Professor Möbius tot ist, und seine Hülfe bei dem vorigen Problem mir bei dem jetzigen nichts hilft, so muß ich selbst damit zurechtzukommen suchen und frage also, um nun auch wieder dem Prinzip des Anschlusses zu genügen:

Kann man denn im Ernst im Kreise die schönste der Figuren sehen wollen? Ein jeder wird den Umriß eines schönen Mädchengesichtes doch schöner als den des gemalten Mondgesichtes, ein arabisches Pferd schöner als einen zusammengeballten Igel, der nach allen Richtungen kreisförmige Durchschnitte gibt, und die Statue, die ein Künstler aus einem kugeligen Tonklumpen modelliert, schöner als diesen Klumpen finden; sonst brauchte es ja der Künstler nur bei dem kugeligen Klumpen zu lassen. Nun freilich geht die Statue doch aus dem kugeligen Klumpen wie aus einem rundlichen Ei hervor, und so mag man auch den Kreis oder die Kugel chaotischer Regellosigkeit gegenüber als das Ei der Schönheit gelten lassen; wenn aber der Kreis mehr bedeuten will, so ist er eben nur ein Ei, was mehr sein will als die Henne. Die Ellipse ist sozusagen der erste Schritt zur Entwicklung der Schönheit aus dem Ei oder, wenn der Kreis das A der Schönheit ist, so ist die Ellipse das B derselben, indem sie vom einfachen Gleichheitsbezug der Teile zu einem Bezug höherer Ordnung aufgestiegen ist, wie sich triftig unter Nr. 7 bemerkt findet. Nun kommt man freilich über das ABC der Schönheit mit sichtbaren Formen überhaupt nicht hinaus, wenn sie nicht die höhere Schönheit einer unsichtbaren Bedeutung tragen, doch können sie auch ohne das etwas von einfachem Reize tragen, und davon hängt mehr an der Ellipse als am Kreise.

Daß der Kreis doch so viel öfter in der Natur und den Anwendungen vorkommt als die Ellipse, macht ihn nur gemeiner, aber nicht schöner; er paßt eben mehr zu gemeinen Zwecken.Der Widerspruch dieser Aussprüche gegen die nicht überall im Scherz gemeinten Aussprüche der vergleichenden Anatomie der Engel ist nur scheinbar und vermittelt sich durch den dort ausgesprochenen Satz der Berührung der Extreme. Die Bedeutung des Niederen und Gemeinen kommt bloß dem unentwickelten und unentwickelbaren Kreise zu. Ein Töpfer, ein Drechsler können nur kreisförmig, nicht elliptisch drehen, und die Natur kann ihre Baumstämme nicht anders drehen. Das Rad will rollen, nicht elliptisch humpeln. Das Geld, der Querschnitt der Gefäße sind um eines Zweckes willen da, der keinen Vorteil einer Richtung vor der anderen kennt, und bestehen daher ihrerseits auf dem Kreise. Auch wollen Teller schnell gesetzt, Geldstücke schnell gezählt sein; wie soll das mit elliptischen gehen, ohne daß sie kreuz und quer gegeneinander zu stehen kommen; da verlöre die Wohlgefälligkeit mehr durch die Lage als sie durch die Gestalt gewänne. Zu gemeinen Diensten soll man sich überhaupt nicht putzen, sonst verliert der Putz durch Alltäglichkeit seinen Wert; und so gibt sich auch die Ellipse zu gemeinem Dienste nicht her, sondern sucht sich wie alles Schöne die Schönsten und besten Plätze, wo die Wohlgefälligkeit selbst zum Zweck gehört, ohne einem anderen Zwecke in die Quere zu kommen.

So, nachdem die griechische Vase dem allseitig gleichen Zwecke im kreisförmigen Querschnitte genug getan, krümmt sie sich nach der Höhe elliptisch, und nachdem der Blechlöffel mit dem kreisförmigen Mundstück den Bauer satt gemacht, streckt der silberne auf der feinen Tafel dasselbe elliptisch, ja überelliptisch. Indes der nützliche Knopf und das nützliche Geld kreisrund sind, ist das zierende Medaillon und der Toilettenspiegel elliptisch. Auf Glückwunschkarten und in der oberen Ecke eleganter Briefbogen sieht man oft elliptisch, niemals kreisförmig umrahmte Bilderchen, Namen, Sprüche. Winkelmann sagt schlechthin, nicht: die Linie der Schönheit ist kreisförmig, sondern: "Die Linie der Schönheit ist elliptisch." Und wo der Kreis im Wechselspiel von Zweck- und Wohlgefälligkeitsrücksichten mit der Ellipse wechselt, bei Gartenbeeten, Tischen, Kaffeebretern, Wappen, Siegeln, Brillengläsern wird man sich immer sagen, daß die elliptischen wohlgefälliger aussehen als die kreisrunden.

Manches Beet macht man freilich lieber kreisrund als elliptisch, weil Strahlen von ihm ausgehen, für die es als Zentrum aufzutreten hat; man spricht von einer Tafelrunde, nicht einer Tafelellipse, weil der runde Tisch geselliger ist, indem er alle daran Sitzende in ein gleiches Verhältnis zueinander setzt; und soll ein Tischchen oft hin- und hergesetzt werden, so behält die kreisrunde Form den Vorteil, in jede Lage gleich gut zu passen. Aber Nebenbedingungen können ja alles ändern.

Auch am Himmel, wo die Einfachheit durch Erhabenheit gutgemacht wird, und am Gipfelpunkt einer Entwicklung, die in den Anfang zurückkehrt, gewinnen Kreis und Kugel eine hohe Stellung und Würde und wird der Kreis, wie sich Extreme überall berühren, mit dem A der Schönheit gewissermaßen auch das O der Schönheit, worin der Reichtum ihrer Entwicklungen abschließt; dieser selbst aber liegt zwischen dem einfachen Anfange und dem hohen Ende. Und da man doch im Wurstscheibchen weder etwas Himmlisches noch einen Gipfel irdischer Entwicklung sehen kann, so kann es auch weder durch seine Bedeutung dem Kreise eine ideale Höhe erteilen noch seiner Simplizität eine besondere Wohlgefälligkeit verdanken, indes es in seiner Niedrigkeit der Ellipse sein bescheidenes Maß daran verdankt.

So weit war ich in Auftischung meiner Gründe für den elliptischen Wurstschnitt an bloßen Phantasiewürsten gekommen, und wer weiß, wie weit ich noch damit gekommen sein würde; da traf es sich, daß mir von einer Hausfrau eine wirkliche Wurst aus der Küche aufgetischt und vorgeschnitten ward, wobei ich genau achtgab, wie sie es machte, indes sie denken mochte, ich sähe nur auf ihre hübschen Hände, was ich freilich auch tat, und dabei auf den Gedanken kam, daß ich darin einen besseren Gegenstand für meine ästhetischen Betrachtungen gehabt als den Wurstschnitt. Nachdem ich aber auch dabei gesehen, wie sie die Wurst zur Hand nahm, und ohne vorheriges Studium dieser gelehrten Abhandlung, ja ohne hinzusehen, sorglos in die Wurst, wie sie nun eben zu liegen kam, hineinschnitt und dabei irgendeinen schiefen Schnitt traf, kam mir weiter das Bedenken, ob meine vorigen Wohlgefälligkeitsgründe nicht ebensogut als meine vorigen Zweckmäßigkeitsgründe zu den gesuchten gehören, und ich dem Zufalle nicht Unrecht getan, ihn von den Gründen auszuschließen, ihm nicht vielmehr die erste Stelle anzuweisen. Inzwischen sieht manches bei einer Frau wie Zufall aus, weil es nicht wie Absicht aussieht, indem der Takt die Absicht ersetzt; und da man doch in jedem Falle Recht behalten muß und eine lange Abhandlung nicht umsonst geschrieben haben will, so sage ich nun erstens: Gesetzt der Wurstschnitt hinge vielmehr vom Zufalle als von einem ästhetischen Vorzug ab, so hätte es mir die Ellipse immerhin zu danken, ihr bei dieser Gelegenheit zu ihrem ästhetischen Rechte, was gegenteils ja nicht vom Wurstschnitt abhängt, verholfen zu haben; zweitens aber, sollte es wirklich Zufall sein, so würde sich eine geschmackvolle Hausfrau demselben gar nicht überlassen, wenn er nicht von selbst mit der Wohlgefälligkeit ginge, sondern auf den geraden Schnitt halten, wäre er der Wohlgefälligste, wie sie denn auch ihre Haube nicht nach Zufall schief setzt; also behält die Wohlgefälligkeit jedenfalls ihren Anteil an den Gründen, mag ihn der Zufall auch insoweit behalten, daß bald dieser, bald jener schiefe Schnitt getroffen wird; und so hätte ich mein Recht auch in dieser Beziehung gerettet. Darin aber, daß der Zufall an der Wurst von selbst mit der Wohlgefälligkeit geht, ist die Wurst wirklich ein ganz apartes Wesen, denn sonst ist es nicht des Zufalls Art; was beitragen kann, die Wurst in unserer Achtung zu heben. In der sehr scharfsinnigen und von mir sonst mit Vergnügen gelesenen Schrift von Windelband über den Zufall habe ich freilich die Bezugnahme auf diese Eigenschaft der Wurst vermißt.

Da sich nun so viele Gründe bei unserer Frage untereinander verwickeln und miteinander streiten, so viele gelehrte Köpfe umsonst versucht haben, sie zu entscheiden, und ich selbst mich mit vorigem zu einer reinen Entscheidung unfähig erkläre, so wäre es freilich am besten, wenn eine Akademie zur gründlichen Erledigung der Frage eine Preisaufgabe daraus machte; und bei der bekannten Schwierigkeit, passende Preisausgaben zu finden, glaube ich mit diesem Vorschlage selbst schon den halben Preis verdient zu haben. Außerdem habe ich noch etwas in der Frage getan. Da es verschiedenartige Ellipsen, schlankere und korpulentere gibt, so habe ich durch Versuche herausgebracht, welches Verhältnis der Ellipsenaxen oder von Breite und Länge der Ellipse dasjenige ist, was den schönsten Wurstschnitt gibt und denke, auf den so ermittelten Schnitt ein Patent zu nehmen. Nun wird man vielleicht sagen: dazu bedurfte es keiner Versuche, nachdem Zeising philosophisch bewiesen, daß der schönste Schnitt in der Welt überhaupt der sog. Goldene Schnitt ist, wo Breite und Länge sich wie 5: 8 verhalten, also auch der Wurstschnitt kein anderer sein kann; aber was für eine philosophische Wurst triftig sein mag, braucht deshalb noch nicht für eine reale zu gelten, die ja gar nicht auf aprioristischem Wege herzustellen ist; und in der Tat finde ich auch hierbei die übliche Abweichung zwischen der idealen Konstruktion und dem realen Resultate. Bis zur Erlangung des Patents bleibt die Sache mein Geheimnis; wer es aber nicht erwarten kann, davon Kenntnis zu erlangen, braucht mir bloß für die private Mitteilung eine gute Wurst einzusenden; indes ich jeden, der sich nach der Patentierung noch des von mir entdeckten Wurstschnittes bedient, auf Konfiskation der Wurst für mich verklagen werde, um endlich alle Leser dieses Aufsatzes zu einem großen Wurstschmause einzuladen. Hierbei werde ich vor aller Augen den schönsten Wurstschnitt an den besten Würsten vollziehen, von den schlechten durch den geraden Schnitt hindurch abschrecken, und den Grad der Güte der übrigen durch die danach abgewogene Schönheit ihres Schnittes bezeichnen, hiermit, da nach Plato Schönheit und Güte eins sind, unseren Wurstschmaus zu einem wahrhaft platonischen Gastmahl erheben.

 


 


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