Max Eyth
Volkmar
Max Eyth

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V. Die Sühne.

1. Leopolds Tod.

Will dir nichts die Stirne kühlen?
Nichts den Brand in deinen Adern?
Ruhlos auf den seidnen Pfühlen
     Liegt der Herzog Leopold.
Kann dir nichts die Bilder bannen.
Die um deine Seele hadern?
Hörst du Ritter nur und Mannen
     Schlagen um der Ehre Sold?

Horch! – doch nein, 's ist still hier innen.
Daß es deine Doggen schläfert;
Kaum die Sanduhr hört man rinnen
     Auf dem Tisch von Marmelstein;
Durch die halbgeschlossnen Lider,
An den Wänden, schwarz getäfert,
Siehst du Schatten auf und nieder
     Wandeln mit den Arzenein.

Siehst du an des Bettes Rande
Deinen Atemzug belauschend
In dem faltigen Gewande
     Adalbert, vom Wachen matt?
Siehst du seine Hände falten.
Ernste, trübe Blicke tauschend,
Fichteneck, den treuen, alten,
     Über deines Lagers Statt?

»Muß ich hier gefesselt liegen.
Schlimmer noch, als eine Leiche,
Statt von Kampf zu Kampf zu fliegen,
     Wo man sich um Kronen zankt.
Wo ich eines Gottes Blitze
Schleudern möchte in die Reiche,
Wo auf eines Schwertes Spitze
     Meines Hauses Ehre schwankt?« –

»Ruhig, ruhig, teurer Ritter!«
(Spricht der Abt, zurück ihn haltend.)
»Ha, beschwöret das Gewitter
     Nicht mehr aus dem heißen Blut!
Wollt ihr Euren Arm erproben,
Und im Geiste Schädel spaltend
Um Euch wüten, wollt Ihr toben,
     Pfui, wie es ein Knabe tut?«

»Ruht! Gesund sind Eure Glieder,
Wie sie's nie vor Zeiten waren;
Tausend Ritter stehen wieder
     Eures starken Winks bereit;
Schont das Haupt, vor dessen Throne
Sich der Erde Mächte scharen, –
Schont das Haupt, das eine Krone
     Tragen soll durch Kampf und Streit!«

Nieder sinkt ein mattes Lächeln
Auf den bleichen Fieberkranken;
Seine heiße Stirne fächeln
     Heiß're Träume, glückbeschwingt;
Knirschend liest der Fichtenecker
Die verstohlenen Gedanken
In dem Blick des Abts, der kecker
     In sein ehrlich Antlitz dringt.

Siehe, was erschracken beide?
Und der Kranke regt sich bange,
Als im schlichten Reiterkleide
     Friedrich eintrat ins Gemach:
»Abschied nehmen will ich, Bruder;
Denn ich weilte viel zu lange;
Führe du das schwere Ruder,
     Das in meiner Hand zerbrach!«

»Nein, noch hielt ich es bis heute;
Du, nur du darfst mich bestehlen.
Wahre deine schwere Beute,
     Wahre sie mit Mann und Knecht;
Mag ich doch umsonst nicht bitten.
Wo ich besser sollt' befehlen;
Seht, wie ihr die Krone mitten
     Durchschlagt durchs gebrochne Recht!«

»Ritter, die mir Treue schworen,
Nie mit mir zu Trausnitz saßen,
Selbst mein Knappe ist verloren,
     Ist verschwunden, – immerhin!
Haben alle mich verlassen,
Bleibt mir nichts als meine Wehre,
Auf dem rauhen Pfad der Ehre, –
     Ungebrochen zieh' ich hin,« –

»Ist's Euch Ernst? Wollt Ihr von hinnen?«
(Wie des Abtes Blicke brannten!)
»Ha, mein Fürst, Ihr seid von Sinnen,
     Kränker, als der Kranke dort!
Was dem Bayern Ihr versprochen,
Dem Geächteten, Gebannten,
Ist gelöst und ist gebrochen
     Durch der Kirche heilig Wort.

»Schüttelt ab die Kinderträume,
Die das edle Herz betöret;
Es sind höllentstiegne Schäume,
     Was Euch Euren Weg vertrat;
Soll Euch zum Propheten werden
Eine Kutte? Höret, höret: –
Das Alleinzige auf Erden,
     Was da heilig, ist die Tat!«

»Oder geht auf frommen Wegen,
Geht ins Kloster; laßt Euch mahnen;
Dort mögt Ihr die Wunden pflegen,
     Die die eigne Hand Euch schlug;
Macht den stolzen Ruhm zunichte,
Seid nicht wert der großen Ahnen,
Wert nicht, daß die Weltgeschichte
     Eines Habsburgs Schulter trug!«

Und vom Lager stöhnt des Kranken
Leises, schmerzerpreßtes Schreien;
Um die bleichen Lippen schwanken
     Worte grausen Fieberwahns:
»Sollen Ritter dir und Knappen,
Sollen mir sie höhnend speien
Auf das stolze Heldenwappen
     Unsers kaiserlichen Ahns?«

»Geh' und sieh, ob sie zerreißen,
Deines Blutes ew'ge Bande,
Die dich sicherer, als Eisen,
     Fester binden, als das Wort!
Aber unser Schwert nur schreibe
Den Vertrag um unsre Schande!
O mein Kaiser, bleibe, bleibe
     Unsrer großen Väter Hort!«

Sieh, jetzt bebt der stumme Degen;
Hat's ihn in die Brust getroffen?
Unter den gewalt'gen Schlägen
     Zittert endlich ihm das Herz?
Sieh', es regt sich die Gardine
Und er schaut die Pforte offen,
Schaut mit marmorbleicher Miene
     Stehen den lebend'gen Schmerz.

Aus dem Arm der Kammerfrauen
Richtet es sich langsam, schweigend;
Herrlich war das Bild zu schauen
     Trotz der Tränen herbem Salz;
Ohne Wanken, ohne Wenden,
Leicht empor das Antlitz neigend,
Sicher mit den irren Händen
     Sucht sie sich an seinen Hals.

»Friederich, du könntest wollen,
Daß ich nicht dein Herz mehr finde?
Daß du leerest deinen vollen
     Unglücksbecher ohne mich?
Laß mich nicht vergebens winken,
Die Verlassene, die Blinde;
Laß mich, laß mich mit dir trinken
     Bis zum Grunde, Friederich!«

»Sieh, acht Nächte und acht Tage
Sah ich durch der Tränen Schimmer
Nur nach dir, – acht lange Tage!
     Und den neunten sah ich nicht;
Niemals, niemals wird er kommen,
Hör' ich deine Stimme nimmer;
Alles hast du mitgenommen,
     Selbst mein goldnes Sonnenlicht.«

»Und ich will ja alles geben
Freudig, wie es Gottes Wille;
Mehr als Glück, und mehr als Leben,
     Sah ich dir zulieb' vergehn;
Ob du lächelst, ob du grolltest,
Stille will ich halten, stille;
Und du konntest und du wolltest
     Ohne Abschied von mir gehn?«

»Hier, hier soll mein Jammer enden.
Wo mein Glück ist angebrochen;
Fest mit meinen schwachen Händen
     Halt' ich dich in meinem Bann,
Will mit Tränen dich umspinnen;
Brich, was du mir hast versprochen!
Reiß dich los von meinem Minnen,
     Wenn du kannst, du starker Mann!«

Stumm hält er das Weib umschlungen,
Drückt sie mild ans rauhe Koller;
Selige Erinnerungen,
     Die er in den Armen hält!
In des Abtes Blicke gleißend
Strahlt des Sieges Freude voller;
Und den stummen Schmerz verbeißend
     Flüstert Fichteneck: »er fällt!«

Todesstille! – Plötzlich schauern
Leise Töne aus den Steinen:
's ist, als ob des Schlosses Mauern
     Zitterten in scheuem Klang;
's ist, wie wenn rings in den Lüften
Ungeseh'ne Geister weinen;
's ist, wie wenn aus tiefen Grüften
     Käme der gespenst'ge Sang.

»Es schwuren die beiden, sich Brüder zu sein
In Kampfesnacht und Gewitterschein;
Und rostet die blinkende Klinge,
     Dann schreit zu dir ein verratenes Blut,
Dann heiliger Thor, dann schwinge
Wer Blitze Glut
     Auf den, der die Treue gebrochen!«

Niemand, niemand hat's verstanden;
Nur der Herzog hat's vernommen;
Waren es die gottgesandten
     Klänge einer andern Welt?
Leise löst er ihre Arme
Und sie fühlt es stumm beklommen,
Daß auf ihre Stirn' die warme,
     Letzte Abschiedsträne fällt.

Als aus des Gemaches Mitte
Sie die Kammerfrauen führten,
Trat auch er mit festem Schritte
     An des Tages Licht hinaus;
Hat er auch kein Wort gesprochen,
Als die Lippen sich berührten.
Ging das Herz doch ungebrochen
     Aus des Lebens schlimmstem Strauß. –

Und es zittert auf vom Lager
Mit den geisterbleichen Wangen,
Mit den Fingern, lang und hager.
     Greifend in die leere Luft;
Aus den Höhlen, voll von Grimme,
Gläsern ihm die Augen hangen;
Wie vom Grabe tönt die Stimme,
     Nie dem Bruder heulend ruft:

»Fluchen, daß du uns verlassen,
Fluchen will ich, eh' ich sterbe!
All mein Glühen, all mein Hassen
     Auf den Hals dir, – dir, nur dir!
Mit der Hölle will ich ringen
Um des Hauses heil'ges Erbe;
Soll die Welt in Stücke springen:
     Mir den Purpur! mir, nur mir!«

Horch, es stockt! – Ein dumpfes Stöhnen
Quirlt aus der erstickten Kehle;
In des Abtes Armen dehnen
     Sich die Glieder, wild und wund;
Noch ein Stoß – und 's ist vorüber;
Noch ein Stoß – und seine Seele
Zuckt noch einmal, fliehend über
     Den geschlossnen Heldenmund.

Horch, der Sanduhr Körner fallen
Nimmer; des Kamins Gegloster
Schweigt, und um die öden Hallen
     Stirbt das letzte Tönen fern;
Horch, schon läuten sie die Glocke;
Flüstern hört man Paternoster;
Leise heult die treue Dogge
     Unterm Bette um den Herrn.

Fichteneck zur Leiche tretend
Drückt ihm zu die Augenlider; –
»Pfui, Herr Graf, – wie Weiber, betend
     Stehen wir, der Feinde Spott!
Laßt den Kaiser (Gott verdammt es!)
Nicht entwischen! Werft ihn nieder!« – – –
»Mönch, das ist nicht deines Amtes; –
     Laß ihn ziehn mit seinem Gott!«

2. Tief im Grunde.

                    Tief im Grunde,
                    Wo des Schlosses
                    Fundamente
                    Aus der Erde
                    Felsenrippen
                    Trotzig wachsen,
          Atmet es im Winkel sacht;
                    Leise Stimmen
                    Flüstern heimlich
                    Aus den Spalten
                    Des Gesteines,
                    Die hinunter
                    Unergründlich
          Führen in der Erde Schacht;
                    Gnomen steigen
                    Auf und nieder,
                    Wunderliche,
                    Erdgestalten,
                    Edelsteine
                    An den Kappen,
          Bläulich flimmernd durch die Nacht.

                    Dort beim Schläfer
                    Auf dem Lager
                    Stehn sie stille;
                    Mit den klugen,
                    Hellen Äuglein,
                    Schaun sie traurig
          Ihm ins bleiche Angesicht,
                     Streichen seine
                    Blut'gen Locken
                    Von der Stirne
                    Und berühren
                    Seine Wunde
                    Mit den mächt'gen
          Zaubersteinen, hell und licht.
                    Bis die Lippe
                    Wieder lächelt,
                    Bis aus seinen
                    Starren Augen,
                    Lebensgruß und
                    Lebenszeichen,
          Langsam eine Träne bricht.

                    »Schlafe, schlafe,
                    Müder Schläfer,
                    In der Erde
                    Wohnt der Friede,
                    Trost der Tränen,
                    Sinke nieder;
          Rauh ist's oben, rauh und kalt.«
                    Und sie flüstern
                    Wunderbare,
                    Alte Weisen
                    Leiser, leiser,
                    Bis ob seinen
                    Träumen schwebet
          Eine liebliche Gestalt;
                    Da verschwinden
                    Sacht die Kleinen. –
                    Unergründlich
                    Ist die Tiefe,
                    Und unendlich
                    Ist der Erde,
                    Ist des Lebens Allgewalt.

                    Durch das Gitter
                    An der Necke
                    Scheint ein bleicher
                    Stern vom Himmel;
                    Durch das Gitter
                    Schaut sein Auge
          Sehnsuchtsvoll ins Blau hinaus.
                    Und er grüßt die
                    Sterne droben,
                    Und die Hoffnung
                    Winkt herunter;
                    Seine bleichen
                    Lippen lächeln,
          Lächeln in des Kerkers Graus.
                    Schwellend klopfen
                    Seines Herzens
                    Alte Schläge
                    Und von hellen,
                    Ungewohnten
                    Klängen zittert
          Das granitne Felsenhaus:

»Sie haben mir erstochen
     Am Zaun mein treues Pferd;
Wer weiß, sie han zerbrochen
     Mein altes, gutes Schwert;
Und ob mein Freund, das Käuzchen, schreit
     Am Gitter oben, dumpf und hohl:
Noch ist nicht meine Knappenzeit
     Vorbei; das merk' ich wohl.

Ich habe satt das Lungern
     Auf faulem Kerkerstroh;
Sie wollen mich verhungern;
     Sie werden des nicht froh;
Wer so mit seinem Durste ficht,
     Der munter mich und wach erhält.
Der hat den letzten Becher nicht
     Getrunken auf der Welt.

Wohl spür' ich Tränen traufen
     Mir aus den Augen gleich:
Mein Lieb ist mir entlaufen –
     Und gar ins Himmelreich!
Du schöner Engel, fromm und licht:
     Ob's deine Nähe machen muß?
Mir ist, ich hatt' noch lange nicht
     Wen allerletzten Kuß.

Fast hab' ich durchgesungen
     All was ich weiß und kann;
's ist ungehört verklungen
     Im stillen Kerkerbann;
Ja, werft ins dumpfe Felsenloch
     Nur Lied und Laute, keck und frei;
Ich spreng' mit meinen Liedern doch
     Die Mauern noch entzwei.

Es heilt der Schmerz die Wunde,
     Das Feuer heilt die Glut;
Was gibt im Kerkergrunde
     Mir noch so hohen Mut?
Ja, wenn er ihn auch bluten läßt,
     Daß ihm das Herz im Leibe bricht:
Laß bluten, brechen! Gott verläßt
     Doch keinen Deutschen nicht!«

               Horch, da rascheln
               Leise Striche;
               An dem Gitter, –
               Horch – hoch oben! –
               Flüstert rufend
               Eine Stimme;
          Ist's ein Geist der Mitternacht?
               Volkmar zittert:
               »Vater! Vater!«
               Oben beben
               Kaum erstickte
               Laute nieder,
               Und das Gitter
          In der starken Hand erkracht;
               In den Fugen
               Hebt der Stein sich;
               Aus den Klammern
               Stürzt das Eisen,
                Stürzen helle
               Freiheitsklänge
          Nieder in den finstern Schacht.

               Freiheit! Freiheit!
               Stürmisch schlagen
               Töne, Herzen
               Aneinander;
               In der Freude
               Feuergluten
          Lodert auf die bange Qual;
               Sieh, da klingt es
               An des Vaters
               Seite helle;
               Sieh, da grüßet,
               Wetterleuchtend,
               In dem Mondlicht
          Ihn der wohlbekannte Strahl:
               »Nimm's, mein Kind, ja
               Nimm es wieder,
               Was des Todes
               Hand entrissen;
               Von dem Grabe
               Deines Glückes
          Bring' ich dir den alten Stahl.«

               Und der Junge
               Küßt die kalte,
               Treue Klinge
               Stumm und brünstig;
               Sieh, es glühten
               Drauf die Zeichen,
          Wie zum Gruße, blutigrot.
               »Laß die Runen
               Brennen, drohen!
               Komm zurück in
               Unsre Wälder;
               Fluch dem Leben,
               Das der Treue
          Nur Verrat und Schande bot!« –
               »Noch mit einem
               Hab' auf Erden
               Ich ein ernstes
               Wort zu reden;
               Dann, – dann geh' ich
               Mit Euch, Vater,
          mit Euch bis in den Tod! –«

3. Das Gottesgericht.

Heut heult es in den Lüften, heut heult's im tiefen Grund,
Als wollt' in Stücke gehen die Erde noch zur Stund';
          Es klammert sich der Winter fest
               Am Giebel, Dach und Wetterhahn;
Er heult aus Schlucht und Felsennest;
          Der Frühling braust heran.

Es klappert auf dem Dache im hohen Schloß zu Wien;
Die Wetterfahnen ächzen, sie wissen nicht, wohin?
               Mit halberstorbnem Wimmern irrt
          Der Sturm durch Hallen und Gemach;
               Ein wunderliches Beben wird
          Im alten Schlosse wach.

Tief unter Sturm und Toben im Felsgelaß ist Ruh';
Herr Adalbert sieht brütend den blauen Flammen zu;
               Er kocht ein wunderlich Gebräu
          Im Tiegel überm Herde dort;
               Es flüstert seine Lippe scheu
          Geheimes Zauberwort.

Du ritterlicher Priester, was hat dich angeweht?
Was starrt auf deinen Lippen das heimliche Gebet?
          Nie Knochenfaust aufs Herz gepreßt,
               Ruft er hinaus in wilden Wehn:
          »Wenn uns der Himmel fallen läßt,
               Muß uns die Hölle stehn!«

Hörst du, wie sich der Riegel aus rost'gem Schlosse schob?
Horch, horch, wie in den Angeln sich schwer die Pforte hob!
          Sieh, sieh, es drehte sich das Tor,
               Wie mit gespenstiger Gewalt,
           Und aus der grauen Wand hervor
               Tritt schweigend die Gestalt.

Da schrickt der Abt zusammen: »Ich rief die Geister nicht!«
Er schlägt mit gellem Rufe die Hände vors Gesicht. –
          »Herr Abt, Ihr seid nicht schuldig dran,
               Daß ich nicht komme aus dem Grab.«
          Kalt spricht's der fremde, stille Mann
               Und wirft den Mantel ab.

«Komm' ich auch nicht von drüben, hat doch mich Gott gesandt;
In Güte rat' ich, nehmet das Schwert dort von der Wand;
          Dem unvermeidlich sichern Los
               Entrinnt der Wurm im Staube nicht;
          Wir haben in der Erde Schoß
               Ein heimliches Gericht.«

»Bist du's, mein feiner Junker?« – Der Abt, er atmet schwer;
»Was half dir aus dem Boden, was durch die Wachen her?« –
          »Aus Wälschland ist die treue Wacht,
               Nie sorglich Ihr um Euch gestellt;
          Für Gottes Hand ist wohl kein Schacht
               Zu tief in weiter Welt.«

»Zum Ersten sollt Ihr sagen nach altem Rechtesbann:
Ihr warft mich meuchlings nieder, mich Eures Herzogs Mann,
          Und wenn Euch auch die kleine Tat
               Noch lange nicht den Nacken bricht: –
          Es ist wohl bübischer Verrat,
               Doch ist's das Schlimmste nicht.«

»Was soll ich Rede stehen? Wenn ich es auch getan:
Wir streiten Aug' um Auge, wir beißen Zahn um Zahn;
          Ihr wollt dafür wohl noch den Dank,
               Daß ich den Stahl für Euch gewetzt?« –
          Und ruhig macht die Wehre blank
               Der tapfre Priester jetzt.

«So sprecht, Herr Abt, zum Zweiten: Ihr habt zu St. Marie
Ein lieblich Kind begraben; gemordet habt Ihr sie;
          Ihr wißt, wie man mit Litanein
               Ein jung und fröhlich Leben bricht;
          Umsonst mag es zum Himmel schrein;
               Noch ist's das Schlimmste nicht.« –

»Hoho, hat Euch Frau Minne verbrannt das junge Hirn?
Ich mag's Euch nicht verargen; doch wascht Euch erst die Stirn';
          Für Euch ist nicht die schönste Maid
               Gewachsen unterm Himmelsdom;
          Sie ist – es tut mir wahrlich leid, –
               Just auf dem Weg nach Rom,«

«Verflucht, mit Euch zu rechten! Doch sprecht zum Dritten, sprecht!
Ihr habt uns schnöd betrogen um Treu und altes Recht;
          Ihr habt vergiftet und verwirrt,
               Ihr hobt zum Kampf die Bruderhand;
          Euch flucht, soweit das Eisen klirrt,
               Das ganze deutsche Land.« –

Da lacht der Abt: »Herr Junker, dazu seid Ihr zu jung;
Es lohnt sich nicht zu streiten mit Eurer groben Zung';
          Schlagt immer mit dem Schwerte drein,
               Das Ihr in beiden Händen schleift;
          Doch laßt die bösen Dinge sein,
               Die Ihr noch nicht begreift,« ^

»Und hört – (und seine Augen, sie blitzen, wie Smaragd:) –
Ihr seid ein frischer Junge; Ihr minnt die schönste Magd;
          Ich schätz' an Euch den kecken Mut;
               Er ist sonst nicht des Landes Brauch;
          Ich lobe mir das heiße Blut,
               Und sie, – sie lobt es auch.«

»Vielleicht ein einz'ger Riegel – und sie ist nicht mehr weit;
Vielleicht die Wand nur trennt dich von aller Seligkeit;
          Sie weint sich fast die Augen blind.
               Sie schwimmt in ihrer Tränen Strom;
          Was liebliche, betrübte Kind –
               Ins Kloster, ach! – nach Rom!«

»Seid ruhig, Junker, ruhig! Wie das gleich kochen mag!
Hört mich; es ist zum Spielen und Tändeln nimmer Tag;
          Ich weiß, Euch locket nicht Gewinn,
               Nicht eitle Herrengunst am Thron;
          Ich weiß, es steht der heiße Sinn
               Nach einem andern Lohn,«

»Sie könnt' Euch sauer werden zum zweiten Mal, die Flucht;
Denn in des Löwen Höhle habt Ihr mich aufgesucht;
          Euch schreckt der Tod nicht, nah und fern;
               Und ich – ich tu's nur, wenn ich muß;
          Drum reitet frei zu Eurem Herrn
               Und bringt ihm meinen Gruß,«

»Kredenzt ihm diesen Tropfen im ersten Becher Wein;
Hoho, warum erschrecken? Die Tat, die Schuld ist mein;
          Schwört mir auf heiliges Gebein,
               Naß Ihr gehorchet stumm und blind,
          Und diese Nacht noch ist sie dein,
               Das wunderschöne Kind!«

Da starrt's, wie fröstelnd Eisen; da glüht's, wie Feuerbrand;
Die halb verharschte Narbe sprengt blutend den Verband;
          Jetzt strömt's ihm durch die Adern heiß;
               Der Zauber brach, der Zauber wich;
          Die Klinge zischt in hohem Kreis:
               »Zieht, Abt! Ihr oder ich!«

Sie grüßen mit den Schwertern sich nicht, wie sonst man tut;
Es gibt nicht lange Funken, ein jeder Schlag gibt Blut;
          »Herr Abt, Ihr führt mit sichrer Hand
               Die Klinge traun, wie die Monstranz!« –
          »Bei Gott, hab' acht, verfluchter Fant;
               Du zahlst den blut'gen Tanz!« –

Durch das Gewölbe hallte des Abtes Spotten hell
Und Kling und Klinge prallte zusammen blitzeschnell;
          Es gleißt und flimmert ums Gestein;
               Das Echo in dem Winkel lacht;
          Der Runen blut'ger Wetterschein
               Flammt jubelnd durch die Nacht.

Jetzt schaut der Knapp' zu Boden, wo noch ein Leben zuckt;
Es ist, wie wenn im Hirne ihm wirr ein Kobold spuckt';
          Er hört, als war's ein Bach im Wald
               Mit starrem Sinn, mit dumpfem Mut
          Zur Erde rieseln feucht und kalt
               Des Abtes rotes Blut. – – –

Horch! rasselt's in den Angeln; hei! springt die Tür' entzwei;
Es stürzt der Fichtenecker herein mit wildem Schrei;
          Es fliegt sein Blick in irrer Hast
               Voraus im Dunkel und erstarrt;
          Es schwimmt ihm vor den Augen fast;
               Hat ihn ein Traum genarrt?

Die Leiche sieht er liegen; es will der Traum nicht flieh'n;
Er sieht mit blut'gem Schwerte den Knappen niederknien;
          Er sieht ihn stumm das Lederwamms
               Aufnesteln über seiner Brust:
          »Herr Ritter, Ihr seid deutschen Stamms,
               Daß Gott Euch schicken mußt'.«

»Du alte, treue Klinge, du bist doch viel zu gut;
Mir ekelt vor dem Leben, dir ekelt vor dem Blut;
          Wir han getan im schlimmen Streit,
               Was wir gesollt; jetzt geht's zur Ruh';
          Vorüber ist die Knappenzeit;
               Herr Ritter, stoßet zu!«

4. Zu Fichteneck.

Er schaut ins Tal hinunter still.
Ob wohl ein Bote kommen will?
Zu Fichteneck im festen Schloß –
Dort harrt er sein mit reichem Troß,
          Der Kaiser.

»Die Wolken ziehn, die Winde wehn;
Es mag auf Erden nichts bestehn; –
Schlecht mundet mir gar der rote Wein,
Und sauer wird mir, Kaiser zu sein
          Im Reiche.

Die Kunde bracht' mir ein treuer Mann,
Der kaum dem wütenden Troß entrann:
Sie sammeln zu Wien ein mächtiges Heer;
Es schwärmen in kecken Haufen umher
          Die Rebellen.«

»Es wär' mir dessen wohl nicht bang;
Noch weilt der Herzog gar so lang;
Will denn auf Erden nichts mehr bestehn?
Die Wolken ziehen, die Winde wehn
          Vorüber.«

So sprach der Kaiser in trübem Sinn;
Ihm bringt der Frühling keinen Gewinn;
Er starrt hinaus ins Blütenmeer;
Wohl Keinem wird das Herz so schwer
          Im Lenze.

Na schallt es im Hof: 's ist Hufenschlag:
»Was mir ein Bote noch bringen mag?
Er springt vom Pferde; ich kenn' ihn kaum;
Was soll's? Es neckt mich ein wirrer Traum
          Am Tage!«

Da klirrt der Sporn auf der Treppe von Stein;
Keck tritt der Reiter von unten herein:
»Um Gott, Herr Vetter! Was ficht Euch an?
Was kommet Ihr – ein einzelner Mann, –
          Geritten?«

«Ich gab mein Wort doch klar und schlicht
Für mich, – für meine Gesellen nicht;
Drum komm' ich, ein armer, einzelner Mann,
Und stelle mich frei in Euren Bann,
          Herr Kaiser!«

«Die Habsburg haben ein trotzig Blut;
Sie rüsten drüben mit neuem Mut;
Versuchet denn nochmals des Schwertes Kraft
Und gebt mir ritterliche Haft,
          Herr Kaiser!«

Und schweigend tritt der Kaiser zurück;
Sie sehen sich an mit starrem Blick;
Es hat dem stolzen Herzog nicht
Eine Muskel im marmornen Gesicht
          Gezittert.

Wohl zieht umsonst der milde Hauch
Herein von Baum und Blütenstrauch;
Des Frühlings leises, mächtiges Wehn
Zieht ungestört, zieht ungesehn
          Vorüber.

Der Kaiser beut ihm stumm die Hand,
Eh' er sich zuckend abgewandt;
Da bricht's! Da stürzt der Herzog ins Knie!
»Nimm, nimm, mein Kaiser! Frei geb' ich sie, –
          Die Rechte!«

Da flammt aus den Augen die alte Lust;
Da liegen sie weinend Brust an Brust,
Zwei deutsche Herzen in einem Schlag;
Das ist des Reiches schönster Tag
          Gewesen.

Wer hat sie gebannt, wer hat sie gefeit,
Die seligen Geister entschwundener Zeit?
Wer rief sie mit einmal wieder wach,
Als mit dem innigen Klange sprach
          Der Kaiser:

»Ja, hätt' ich die wahre Krone zur Stell',
Wie sollte sie glänzen und leuchten hell;
Du hast dir die Locken mit Eichen umlaubt;
Ich setzte sie jubelnd dir wieder aufs Haupt,
          Mein Bruder!« –

«Und stehst du auch nicht im purpurnen Kleid:
Ich schwöre dir heiligen Manneseid;
Dein Kaiserschwert, von Golde echt,
Wie soll es glühen fürs heilige Recht,
          Mein Bruder!« –

»Was brauchen wir langen Manneseid?
Was brauchen wir auch ein purpurnes Kleid?
O stund' ich mitten in Blut und Gefecht
Mit dir fürs heilige deutsche Recht,
          Mein Bruder!«

«Hörst du? Der Türmer stößt ins Horn!
Wär's Sturm? Mir klirrt's in Schwert und Sporn;
O laß sie kommen mit Roß und Knecht!
Mit dir fürs heilige deutsche Recht,
          Mein Bruder!«

5. Die alte Klinge.

Hört ihr das Echo blasen herüber aus dem Tal?
Seht ihr die Banner wehen im bunten Sonnenstrahl?
Es wiehert laut von drunten, es jubelt Roß und Mann;
Das ist der Fichtenecker mit seinem stolzen Bann.

Er tritt herein, der Alte, in seinen Ahnensaal;
Erst grüßt er rings die Bilder mit stolzem Blick zumal;
Dann strahlet zwiefach helle sein blauer Augenstern:
»Willkommen in meinem Hause, willkomm, ihr hohen Herrn!«

»Ich stand nicht, wie sich ziemet, an meiner Schwelle gleich;
Mich trieb des Krieges Windsbraut noch hin und her im Reich;
Jetzt laßt Euch doppelt grüßen; fürwahr, ein schöner Fest
Sah noch kein Fichtenecker auf unserem Felsennest.«

»Laßt mir des Wirtes Freude und schaut mir fröhlich drein!
Frischauf, frischauf, ihr Buben, bringt Becher und bringt Wein!
Doch, was sie auch mögen bringen aus Kammer und Keller schwer:
Das Beste im weiten Reiche, das bringen wir selber her.«

Und aus der Ritter Reihen, die laut den Saal gefüllt.
Tritt Volkmar keck; – wer ahnet, was seine Hand verhüllt? –
Den Staub noch auf dem Koller vom heißen, langen Ritt,
Das Tuch noch um die Stirne, das er sich jüngst erstritt.

Er sprach nicht lange Worte; mit seinem Schwerte frei.
Mit seinem frohen Blicke begrüßet er die zwei;
So sank er vor den Fürsten ins Knie nach Ritterart;
»Willkomm', mein trauter Junge! Was bringst du von der Fahrt?«

Und auf dem Purpurkissen in seinen Händen lag
Des Reiches goldene Krone im hellen, lichten Tag;
Da lag, um was geblutet Herrn, Ritter und Gesind;
Da lag, um was gestorben so mancher Mutter Kind.

Mit stillem Freudenblicke, mit stolzer, fester Hand
Griff Ludwig nach den Blitzen aus Steinen und Demant;
Doch heller strahlt sein Auge, als wär's von Tränen naß.
Da nun auf Friedrichs Stirne das güldene Kleinod saß.

Und wie die Waffen klirrten, wie's jubelnd rings erscholl
Und wie die Freude jauchzte und laut und lauter schwoll.
Da ward manch schart'ge Wehre in froher Lust geschwenkt;
Da war wohl, tief ergriffen, manch starkes Haupt gesenkt.

»Steh' auf, steh' auf, mein Knappe, du goldestreues Blut,
Steh' auf, mein trauter Sänger, als Ritter treu und gut!
Steh' auf! Mit diesem Schlage sollst du der erste sein!«
Kein Schwerthieb hat geschauert ihm so durch Mark und Bein.

Und aus der Frauen Mitte tritt, wie der Schnee, so weiß,
Ein Kind; der Fichtenecker führt lachend sie in den Kreis:
»Sie ist noch scheu zu Hause; der Männer sind's zuviel;
Man lehrte sie nicht im Kloster das wunderliche Spiel.«

Sie schlug die Blicke nieder; die Tränen standen ihr nah;
Sie bebte leis zusammen, als sie den Junker sah;
Sie stand wie eine Lilie, im süßen Frühlingstau;
Es glühte, wie eine Rose, die wunderschöne Frau.

Sie schlingt um seine Hüften ein buntes Wehrgehäng';
Was willst du ihn noch binden? Ist ihm doch schwül und eng.
Sie kniete vor ihm nieder; ach, daß er's dulden muß!
Und schnallte ihm die Sporen an seinen staubigen Fuß.

Jetzt flammt sein Aug'; er schwenkte die Wehre hoch zum Schwur;
Sieh hin! war es vom Himmel ein Blitz, der ihn durchfuhr?
Sieh hin! ob er gebrochen im Schrei zusammensank?
Die Runen sind verschwunden, der alte Stahl ist blank.

Und durch die Knecht' und Ritter, da reißt sich's wilde Bahn,
Und vor den Kaiser stürzet ein grauer, bärt'ger Mann;
Der Fürst in bleichem Schrecken greift an des Schwertes Knauf:
»Um Gott, was soll es werden? die Toten stehen auf!« –

»Ja, Kaiser! ja, die Toten!« (so ruft es auf den Knien;)
»Aus meinem Grabe will ich, und ging's zum Sterben, fliehn;
Kennt Ihr die Klinge wieder? Wißt Ihr, wer mir sie gab?
Rächt, rächt mit Eurem Schwerte, was sie, was Gott vergab!« –

»Mein Vater, o mein Vater!« (der Junge jubelt's laut;)
Sie sollen dir nicht rühren ans Haar, vom Leid ergraut;
Was du auch hast gelitten, was sie dir auch geraubt:
Sie sollen dir nicht greifen an dein geheiligt Haupt!«

Da liegen sie aneinander, der Junge und der Greis;
Da stehn sie stolz beisammen, die Ritter, stumm im Kreis;
Da spricht tiefernst der Kaiser, er spricht's mit milder Huld:
»Ihr habt sie nicht begraben, Ihr habt gesühnt die Schuld«.

»Die Minne hat's verbrochen, daß Ihr die Treue bracht;
Aus Acht und schwerem Banne löst Euch der Treue Macht;
Ihr habt dafür geboten mir meinen treu'sten Mann;
Wie sollen wir ihm lohnen, was nur die Minne kann?« –

»Das wollt' ich Euch wohl sagen! (ruft laut der Fichteneck;)
Was wollt Ihr für den Jungen, Herr Irmin? (lacht er keck. –)
Wir haben scharf gestritten, als heiß noch das Blut gewallt;
Wir wollen Frieden schließen; wir werden mürb und alt.« –

»Wir haben Frieden geschlossen; – seht Euch nur einmal um!«
Na lagen sie aneinander in Tränen heiß und stumm;
In ihre glühnden Wangen der rote Purpur schoß;
Aus ihren weichen Armen rang sich Jung Volkmar los.

»So kennet Ihr sie wieder, Herr Kaiser, die Klinge gut?
Kennt Ihr's in meinen Adern, das echte, deutsche Blut?
Der Treue hab' ich geschworen frei unterm Himmelsdom;
Der Treue schwör' ich wieder, mein kaiserlicher Ohm!« –

Siehst du die Banner wehen im hellen Sonnenlicht?
Hörst du, wie aus den Hallen der frohe Jubel bricht?
Siehst du den Frühling draußen, stehst du ihn drinnen blühn?
Hörst du die Berge brausen im stolzen Eichengrün?

Was schaust du trüb und trüber auf alte Herrlichkeit?
Was siehst du bang hinüber aus öder, böser Zeit?
Es liegen in stillen Hallen die Helden, hehr und hoch;
Die Burgen sind gefallen, – die Eichen stehen noch.


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