Max Eyth
Volkmar
Max Eyth

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II. Erwachen

1. Auf dem Altan.

Das Laub so gelb, – der Wald so bunt
     Im Abendscheine, goldenrot!
O still mein Herz, so heiß und wund!
          Vorüber ist vorüber –
               Und tot! –

Das, Volkmar, war's, was du gelobt?
Das war die Treue, vielerprobt? –
Du glaubst: mir hab's nicht weh getan?
Sieh in dies Auge, tränensatt,
Sieh in dies Herz, so todesmatt, –
     Und klag mich an!

Steig, Falke mit dem hellen Blick!
     Denkt wohl mein Buhle fern an mich?
Was fragst du noch nach deinem Glück?
          »Dein Buhle ist gestorben
               Um dich!«

Und wo der Stolz, und wo die Kraft,
Die der Gehorsam mir verschafft?
Und wo die Grabesruh, so früh?
Dahin mit deinem letzten Blick!
O Volkmar, gib sie mir zurück;
     Du nahmst mir sie!

Du wilder Wind, bringst kein Willkomm?
     Bringst keinen Gruß aus weiter Fern'?
»O Maid, so trüb, – o Maid, so fromm, –
          Noch will ich mit dir klagen –
               Wie gern!«

Dort fließt der Bach, der oft gelauscht,
Wenn von der Tannen Nacht umrauscht
Die Laute klang so froh und klar;
Nu sangst von Minne; – stolze Maid,
Vorüber ist der Minne Zeit
     Auf immerdar!

Traut Bächlein, plauderst viel talab;
     Weißt keins der alten Märchen mir?
»Die Mären ich vergessen hab';
          Doch will ich weinen, weinen
               Mit dir!« –

»Der Pfeil war scharf, der Pfeil traf gut;« –
Aus heißer Wunde rinnt das Blut;
Ist's deines, oder ist es mein?
Eins weiß ich, – stille, armes Herz!
Verblute du in Leid und Schmerz; –
     Ich drückt' ihn ein!

Still Lerchenruf, – still Wachtelschlag; –
     Warum wohl keines singen will?
Warum am lieben, lichten Tag,
          Ihr Vögelein im Walde,
               So still?

Ins Kloster soll ich: – o wie gern! –
Dort steigt er auf, der Abendstern;
Ade, du trauter Eichenwald!
Schlaft wohl, ihr Berge weit und breit!
Träum fort, du süße Einsamkeit; –
     Vergiß mich bald!

Was klagt's im Tann noch trüb und hohl?
     Was weint noch leis das Tal hinab?
O meine Lieb', leb wohl, – leb wohl!
          Vorüber ist vorüber –
               Im Grab.

2. Die Wacht.

     Was war auf ödem Felde
In stiller Mitternacht; –
Es schimmert um die Zelte
Der Mond in klarer Pracht;
Der kühle Nachtwind' schwirrte
Im hohen Heidekraut
Und drüberhin verirrte
Sich müd der Waffen Laut,
Wenn hier ein Reiter träumend
Nach Schwert und Lanze griff,
Wenn dort ein Knabe säumend
Noch Speer und Pfeile schliff.

     Das war des Kaisers Lager
Vom heil'gen deutschen Reich;
Die Rößlein waren mager,
Die Kämpen still und bleich;
Drum rauscht der Wind so bange,
Wie überm Kirchhof, her;
Drum war beim Waffenklange
Manch deutschem Herzen schwer.
Doch schlang der Nacht entgegen
Sich stets in lichtem Glanz
Bei Mondschein, Sturm und Regen
Ein stiller Flammenkranz;
Der Feuer leis Gegloster
Strahlt ob der Heide weit,
Ein glühndes Paternoster,
Für Kampf und Tod gefeit.

     Dort, wo der Feuer letztes
Aufflackt am schwarzen Stein,
Dort, wo ein frischgewetztes
Schwert blinkt im Mondenschein:
Dort saßen zwei beisammen
Und hielten treue Wacht;
Sie schürten gut die Flammen,
Vom Nachtwind angefacht.
Der eine – ein alter Degen,
Konrad von Staufeneck,
Der andre – jung, verwegen,
Ein Knabe, frisch und keck;
Der eine wohl ein Ritter
Mit blut'gem Wappenbild;
Der andre trug die Zither
Für den bemalten Schild;
Der eine aus rost'gen Klingen
Wetzt sich die Scharten aus;
Des andern lautes Singen
Schallt in die Nacht hinaus:

»Und ob du gesprochen
     Das bittere Wort,
Die Treue gebrochen,
     Den heiligsten Hort, –
Ob Felsen zerstauben,
     Der Erdball zerbricht,
Ich kann es nicht glauben,
     Ich glaube dir nicht!

Solange mein Minnen,
     Heizliebchen, noch hält,
Solang es da drinnen
     Noch brauset und schwellt,
Und den Himmel so wonnig
     Der Sternkranz umflicht,
Und die Halden so sonnig:
     Ich glaube dir nicht!

Was bebt' auch so leise
     Dein bleichender Mund?
Was pocht's dir so heiße
     Im innersten Grund?
Was flüsterten Tränen
     So klar und so schlicht
Von Hoffen, von Sehnen?
     Ich glaube dir nicht!

Will Nacht mir umziehen
     Die dämmernde Welt:
Zwei Augen, die glühen
      Mir stets ins Gezelt;
Sie perlen, sie schimmern
     Wie himmlisches Licht,
Und ich kenne das Flimmern,
     Und glaube dir nicht!« – –

     »›Du singst mir sond're Lieder; –
(So spricht der andre drauf
Und stützt die ries'gen Glieder
Auf seines Schwertes Knauf; –)
Dein Lieb mit goldnen Haaren,
Mit Äuglein, himmelblau,
Laß fahren, Knabe, fahren;
Das Feld ist ihr zu rauh;
Für Blumen, zart und minnig,
Ist unser Boden zu hart,
Und Lieder, weich und sinnig, –
Das ist nicht unsre Art!
Du kennst noch nicht die Wehre
Und ihre Klänge frei;
Du kennst noch nicht der Speere
Wild grause Melodei,
Hast, in den träumerischen
Gedanken ungestört,
Noch nie die Lanzen zischen.
Die Pfeile schwirren gehört!
Du träumst mit Kauz und Eule
Von Mond und Sternlein gern.
Dir schlug noch keine Beule
Der eherne Morgenstern!
Doch wenn ein Jahr gegangen
Ob deinem Träumen hin,
Wenn Stürme sich verfangen
In deinem Maiengrün,
Wenn rings der Tod geschäftig
An dir vorübermäht:
Hab acht, ob dann noch kräftig
Dein Lied zum Himmel weht?
Merk auf, ob dann noch mutig
Die volle Brust dir bebt,
Wenn an der Laute blutig
Dein junges Leben klebt!‹«

     Der Knabe hört die harte,
Die rauhe Rede nicht;
Still in die Kohlen starrte
Getrübt des Auges Licht;
Und hin zum nahen Walde
Das Ohr halbträumend lauscht.
Wo durch die Felsenspalte
Der Bach vorüberrauscht,
Als müßte in den Gluten
Von ihr geschrieben stehn,
Als hört' er in den Fluten
Sich selbst vorübergehn.

     Und wie da leiser, blasser
Die stille Kohle glomm,
Und wie das ferne Wasser
Aufbraust zum wilden Strom:
Da hat ihn bang ergriffen
Die nächt'ge Einsamkeit,
Da war, wie neu geschliffen,
Die Schärfe seinem Leid,
Da war der Blick so düster,
Der in die Ferne drang;
Es tönt, wie Grabgeflüster,
Die Stimme, da er sang:

»Mein Schwert, das wachte um Mitternacht auf; –
     Um Mitternacht lag. ich im Schlaf; –
Stahl ist seine Klinge und golden der Knauf;
Blutige Runen stehen darauf;
     Hat sie noch niemand gelesen!
Mein Schwert, – das wachte um Mitternacht auf;
     Ein Klang durchzuckte die Nacht:
Von eherner Spitze zum goldenen Knauf
Zittert's hinunter, zittert's hinauf;
     Ringsum bebte das Dunkel.

Das war ein Wort, das die Klinge sprach,
     Zauberlaute aus tiefstem Grund;
Kein Wehruf war's, kein bebendes Ach; –
Wenn jauchzend der Donner aus Wolken brach:
     Hast du die Stimme verstanden?
Das Wort riß jeglichen Nerv mir wach;
     Geisterstimmen, – sie schneiden tief!
Lange zittert's im Herzen nach;
Träumst du vom Tode, von blutiger Räch',
     O Bruder im ehernen Hause?

Schlummert die Erde noch weit und breit:
     Schlaf auch du noch einmal!
Morgen, morgen im wogenden Streit
Wird mir die Brust, die junge, geweiht;
     Schwert, o mein Schwert, ich verstand dich!
Klopfe nur munter die kleine Zeit;
     Dämmernd der Morgen schon graut;
Heute, heute, mein Herz, sei bereit;
Bist ja dem Siege, dem Tode gefreit;
     Heilig sind eherne Worte!«

     Und als das Lied verklungen.
Da schwieg der Alte lang;
Ihm war ins Herz gedrungen
Der düstre Grabgesang;
Sein Auge ruhte sinnig
Auf Volkmars schlanker Gestalt:
Es faßte ihn tief und innig.
Wie heilige Gewalt;
War es ein trübes Ahnen
Der Zukunft, dunkel, fremd, –
Hat ihm vergangnes Mahnen
Gepocht ans Panzerhemd?
Ob er sich an dem linden,
Dem leisen Lautenklang
Zurück, zurück mag finden
Zu Bildern, süß und bang?
Ob in des Knaben Zügen,
Dem träumerischen Blick
Sich stille Geister wiegen
Um ein begraben Glück?
Ob in des Zungen Klage,
In seiner Lieder Glühn
Längst verschwundene Tage
Dämmernd vorüberziehn?

     Der saß auf seinem Steine
Und sann in trüber Ruh;
Es deckte der Hände eine
Die weiße Stirne zu;
Der blanke Schild, der hohle,
Entsank der andern Hand;
Kaum glimmte mehr die Kohle
Am Felsen, schwarz gebrannt;
Der Waldstrom in der Ferne –
Der rauschte, wie zuvor,
Und eisig schaun die Sterne
Hinter den Wolken hervor.
Da fuhr er auf, als schäme
Er sich der stummen Wacht,
Daß er sich kindisch gräme
Mit jedem Flüstern der Nacht;
Es klangen hell die Waffen,
Es klopft sein Herz so wild;
Da will er Ruhe schaffen
Dem Träumer und dem Bild
Und griff, ein muntrer Streiter,
Zum frohen Lautenklang;
Es scholl so todesheiter
Die Stimme, da er sang:

Ein sterbender Knab' an der Eiche lag
     Bei Wind und Regen im Morgenrot;
Dumpf rauschte die Nachtluft im dornigen Hag
     Bei Wind und Regen im Morgenrot;
Eine blutige Laute, – die ruht ihm zur Seit',
Es bebten die Saiten in Schmerz und Leid:
     »Mein Knabe, mein Knabe, bist tot?«

»Wie Liederlust hat's in mir gepocht
     Bei Wind und Regen im Morgenrot;
Wohl manneswert ich im Streite focht
      Bei Wind und Regen im Morgenrot;
Drum sing mir jetzt dein heiligstes Lied,
Eh's Herz mir verblutet; –, die Hand ist müd'; –‹«
     »Mein Knabe, mein Knabe, bist tot!«

»›Still, Harfe! Vernimmst du den nahenden Klang
     Bei Wind und Regen im Morgenrot?
Nie singst du dem Feinde den Siegesgesang
     Bei Wind und Regen im Morgenrot!‹«
Ha, schnitt da so grausig der triefende Stahl!
Da bebten die Saiten zum letztenmal:
     »Mein Knabe, mein Knabe, bist tot!«

Und die Feinde kamen, die Harfe lag
     Bei Wind und Regen im Morgenrot, –
Am blutigen Rain, am dornigen Hag
     Bei Wind und Regen im Morgenrot;
»Hei, singe du uns nun den Schlachtengesang!«
Da flüstern die Saiten gespenstig bang:
     »Mein Knabe, mein Knabe ist tot!«

     Ha! rief der Alte wieder,
Wie aus dem Schlaf erwacht, –
Wer gab dir deine Lieder?
Wer hat sie dir erdacht?
So rauschet nicht im Walde
Das muntre Blätterspiel;
Dein Singen auf freier Halde
Keinem Vögelein gefiel;
So flüstert nicht in Lüften
Die Nacht, mit Gold besternt;
Das hast du in murmelnden Klüften
Vom Bächlein nicht gelernt.
Ob dir den ersten Schlummer
Ein bittres Wehe fraß?
Ob Herzeleid und Kummer
An deiner Wiege saß?
Ob dir der Schmerz geflüstert
Im Traum dein erstes Lied,
Das leis noch und verdüstert
Die junge Brust durchzieht?
Laß fahren, Knabe, fahren
Die Mär' von Tod und Leid,
Laß sie den alten Jahren,
Laß sie der trüben Zeit,
Laß sie dem Aug', das trocken
Gelegt von Lust und Weh,
Laß sie den kargen Locken
Und auf dem Haupt dem Schnee,
Laß sie den zwanzig Narben
An dem zerhau'nen Leib,
Den Wangen ohne Farben
Zum stillen Zeitvertreib!
Und nimm die Hand, die – Treue
Dir bietet, schlecht und recht,
Und singe mir aufs neue
Ein Kampflied, froh und echt!

     Er sprach's und stille legten
Sie Hand in Hand zur Stund';
Die Lippen kaum sich regten.
Zu segnen ihren Bund.
Dem Alten, wie dem Jungen,
War's wundersam zumut.
Wie inniglich verschlungen
Das Aug' im Auge ruht.
Wie, Blau in Blau versunken.
Sich Blick in Blick ergießt
Und stille, freudetrunken
Des Morgens Ernst begrüßt.

     Da griff er in die Saiten;
Es klang wie Sturmgebraus;
Die vollen Töne gleiten
Zum frühen Tag hinaus;
In durst'gen Zügen trinket
Sie auf – die luft'ge Fern';
Und still im Westen sinket
Der bleiche Morgenstern.

O Treue, du Blume auf deutscher Au',
So tief und innig wie Himmelsblau!

O Treue, du Stern vom deutschen Glück,
Du heller, du freundlicher Engelsblick!

Du hältst mit mir aus die längste Wacht,
Du wachest mit mir durch die düsterste Nacht.

Dir sing' ich fröhlich am jungen Tag,
Was er mir auch Blutiges bringen mag.

Durch Kampfeshitze, so bang und schwül.
Führst du mich sicher im Schlachtengewühl

Durch den Garten mit Röslein, blutigrot,
Mit ehernen Dornen, – so führ' mich zum Tod!

Und unter der Eiche und ohne Schrein
Möcht' ich am liebsten begraben sein.

Die Wurzeln halten mich sicher im Arm;
Es rauschet das Laub mir das Herz noch warm.

Und über der Eiche auf deutscher Au,
Da wölbet sich Gottes treu ewiges Blau.

3. Zu Köln

     Ruhiger wird's noch nicht im Palaste der heiligen Köllen;
Glühen im rötlichen Glanz doch heute die gotischen Fenster
Fort, wie des Himmels Sterne, die erst am Morgen erlöschen.
Durch tiefdüstere Nacht! Ein frohes, geschäftiges Summen
Brandet, der Welle des Rheines vergleichbar, um die Gebäude
Jubelnd. Lauter erschallt, als sonst, der gewaltige Domplatz,
Wo kaum erst, überragend den Grund und weiß, wie der Marmor,
Fundamente, der künftigen Zeit urweltliche Pfeiler,
Riesig der Erd' entwachsen und Gassen bilden und Plätze,
Welche der staunende Blick durchflieget, des Felslabyrinthes
Sinnige Rätsel erforschend und Stein mit Steine verbindend
Durch der Gedanken Gewölb'; ein leichtes, ätherisches Bauwerk!
Heute – da stützen daran sich der Krämer erleuchtete Buden;
Heute – da hüpft auf schwankendem Seil der gelenkige Tänzer
Spät noch im Fackelscheine vom Pfeiler herüber, hinüber;
Heut' durchflieget der blitzende Bolz das blaue Gewölbe,
Welches der Himmel darüber gespannt. Dort jauchzet erschrocken.
Siehe, das Mädchen, erklimmend die Stufen künft'ger Altäre,
Hier in den Krappen der Bube, daran er sich hängt wie die Dohle;
Hei, ein feuriges Schauspiel, darüber die Sterne erröten!
Sah man ein schöneres je sie beschließen, die Feste der Krönung?
Freu'n soll, freu'n sich in glücklicher Stadt Jung, Meister, Geselle;
Aber was flüstern sie leis und heimlich, die bärt'gen Gestalten?
Freu'n nur sollen sie sich! Was schleichet ein bleiches Gespenst dort
Durch hellachende Haufen, von keinem gehört, noch gesehen,
Bieget sich dort um die Eck' und duckt sich im finsteren Winkel?
Und hart streift es die fröhliche Menge, sobald sich ein Fähnlein
Eilenden, klirrenden Schritts durchdränget mit blitzenden Waffen,
Und dann steht wie erstarret der Jubel auf allen Gesichtern.
Lauert es nicht am Tore sogar und erschrecket die Wachen?
Sitzet es nicht auf der Kette der Brück' am sumpfigen Graben,
Neckisch schaukelnd? Und sieht's nicht hämisch hinein zu den Fenstern?
Waget es nicht sich hinein in die Freudengemache des Bischofs?

     Freilich, es ahnt's wohl keiner; es glänzt nur trunkene Freude
In dem beschatteten Auge der Herrn vom Heiligen Stuhle,
Wie in dem blauen, dem mutigen Blick der Ritter aus Deutschland,
Welche die Burgen am Rhein und Östreichs waldige Höhen
Fröhlich verließen, um keck jetzt Treue zu schwören dem Herzog
Und um die liebliche Herrin im deutschen Lande zu grüßen.

     Sah man ein schöneres Paar, seit Eichen grünen in Deutschland?
Glänzte die Sonne des Glücks mit lieblicher rötenden Strahlen
Je auf Erden hernieder, als heut' im Saale des Bischofs?
Spät, Jahrhunderte später noch sangen es Lieder im Munde
Deines germanischen Volkes, du herrliche Blume der Ritter,
Wie dein Auge so schwarz, wenn's zürnte, – wie dunkel die Locke
Dir umrahmte die Stirne von Marmor, – wie keck du getragen
Szepter und Krone zu Köln. Und der Purpurmantel »Caroli«
Schien wie gegossen um deine so männlichen, herrlichen Glieder.
Doch leicht warfst du ihn ab auf des Stuhles seidene Polster;
Sehet der Jugend Gestalt blitzt unter den goldenen Ketten!
Seht, es verschwindet der Ernst um seine geschlossene Lippe
Und wie ein Sonnenblick fällt's brennend auf die Geliebte,
Und sie lächelte bange; des Auges perlende Tränen
Strömten die liebliche Wange herab: – »mein Herr und Gebieter!« –

     »›Sei nicht traurig, mein Kind! Was fehlet, dich glücklich zu machen?
Gestern sahst du das Haupt des Geliebten die Krone der Erde
Tragen: – ha, beugte mein Nacken sich unter demantenem Drucke?
Und dir leg' ich sie heute zu Füßen, du Krone der Frauen,
Weil du von heute der freundliche Stern bist unserer Lande,
Du mir der köstlichste Stein in der funkelnden Krone des Reiches,
Du der »Waise«»Waise« hieß der kostbarste Edelstein in der deutschen Kaiserkrone. – – – »des Glücks!‹« Sie lächelt es leise dazwischen. –
Er drauf: »›Bist du allein, wenn deine burgundischen Mädchen
Kränze dir winden und fröhliche Lieder singen der Heimat?
Bist du allein, wenn ich dir die stattliche Blüte der Ritter
Sammle von allen Gauen um deinen Söller am Hofe?
Wenn keck wiehernde Pferde sich jagen im mutigen Stechen
Nur um den Gruß, um ein Lächeln des wunderlieblichen Mundes?
Bist du allein, mein Kind, und einsam im Arme der Liebe?
Bin ich auch ernst, wenn ich oft der Zukunft droh'nde Gewitter
Mutigen, männlichen Sinnes betracht': – ich bin es um dich nur!
Bin ich auch stolz, wenn ich sehe die Mächte der Erde versammelt
Und vor dem Kaiserthrone sich beugend: ich bin es um dich nur!
Bin ich glücklich: ich bin's ja deinetwegen, Elisa!‹«

     So im süßen Geflüster, im perlenden Blute der Reben
Alles vergessend umher, – so küßt' er die Träne des Glückes
Von der errötenden Wange der Herrlichen, Einziggeliebten.

     Adelbert sah's und lachte, der Kanzler und Abt von Maria,
Beugte sich vor und sprach zu des Sprengels erlauchtem Prälaten,
Der nicht teilte die Freude des Fests und düsteren Auges
Schaute hinab ins schwärzliche Rot des schäumenden Weines:
»Seht, mein Fürst, wie sie kosen! O Liebe, du göttliche Narrheit,
Nur auf die Erde gesandt, um die Herren der Welt zu betören
Und um die Krone des Siegs dem ruhigen Sinne zu bieten!
Sprecht: was seid Ihr so trüb? Dies Fest ist der Kirche geheimer
Krönungszug, mein fürstlicher Freund! Laßt ihnen das Flimmern,
Laßt ihm das wonnige Glück und seid mit dem Herrschen zufrieden!
Ja, dem Verstande die Welt! Und der Narrheit lasset das Spielzeug!
Teilet die Freude, zerstreut die sorgengeborene Falte!
Sehet, die Macht und der Glanz ringsum – dies alles ist unser.
Drüben – der Graf von Calw, – wie mit ernstem, würdigem Schritte
Wandelt er auf und nieder, und morgen geht er ins Kloster,
Welches die Hälfte vor ihm von der stolzen Grafschaft verschlungen;
Und er danket es Gott noch, ein Laienbruder zu werden!
Dort – der lustige Trinker aus Rheineck, – hört Ihr ihn lachen?
Sehet Ihr ihn dem errötenden Fräulein bieten den Humpen?
All sein Hab und Gut ist dem Kloster in Fulda verpfändet!
Armer Teufel, – er lacht! O Liebe, du göttliche Narrheit!
Fichteneck dort – ja der! Der lacht nicht; gestern erhielt er
Just von dem einzigen Kinde, der Erbin unschätzbarer Güter,
Die bei mir, im Kloster zu Wien, eine kindische Liebe,
Wie ich ihm sagte, verschmerzt, – ein Blättlein, getränket in Tränen,
In dem erbaulichen Stile, den anfangs alle noch seufzen.
Gott mag wissen, wie dieses der frommen Äbtissin entwischt ist!
's ist sein einziges Kind und er hängt dran wie ein Verliebter;
Aber bedenket: er brachte das Wischlein, daß ich es lese, –
Ganz mit der Miene des Grames; – dem martialischen Antlitz
Stand's nicht übel; (Ihr wißt: ich liebe die Künste der Maler!)
»Nehmet sie heim,« sagt' ich, nachdem ich die Zeile gelesen; –
»Stürzt sie zurück, das törichte Kind, in die Torheit des Lebens,
»Weil's Euch bittet! Ihr seid kein Mann, Herr Graf, noch ein Vater!«
Sagt' es, wandte mich ab und ließ ihn stehen am Fenster.
Heut' nun sprach er leise zu mir: »›so vergebt es dem Kinde;
»›Aber o heilet sie mir, und sollt' sie im Schleier genesen!‹«
Und ich sag' es Euch, Herr! – Die Grafschaft sucht ihre Grenzen!
Trinket, trinket! Ich kenn' trotz meinem geistlichen Kleide
Schwert und Lanze genau und tummle die Pferde, wie einer,
Aber es ist der stolzeste Stolz, unsägliche Wollust –
Herrschen, ohne die Hand im bäurischen Streite zu rühren;
's ist ein unnennbar großes Gefühl, der Kirche zu dienen!« –

     – »Wahr, (entgegnete drauf in trüberem Tone der Kurfürst:)
Wenn sie, ein ehernes Bild, aus einem Gusse gegossen,
Fest, unwandelbar steht im Meere der stürmischen Zeiten;
Doch wenn innen im Marke des künstlichen Baues ein Stein nur
Morsch wird, leise sich neigt und ausbricht, – wehe dem Ganzen!
Habt Ihr die neueste Schrift schon gesehn von den Franziskanern?
Gott vertilge die Rotte des Korah mit Schwefel und Feuer!
Wie sie Partei drin schändlich ergreift – ein rasender Wahnsinn! –
Ja, für den Bayern ergreift und bekämpfet die Rechte der Fürsten, –
Wie sie der Kirche verworfenen Feind zum Kaiser erkiesen,
Wie sie die Völker erregen und Krone, Tiare nicht scheuen!
Ist auch unser der Adel, – vergesset die Städte, das Volk nicht!
Blutige, gräßliche Zeit, wenn Kutte die Kutte befehdet!
Denket der mächtigen Städte, des Volks!« Und Adelbert lachte:
»Denket des Felsens, woran ja noch alle die Stürme zerschellt sind!
Unsere Macht wird nimmer gebrochen mit Schwertern und Stangen;
Denn was sie schuf, war nicht die Gewalt. Ihr kennet die Sage, –
Ohne Vergleich! – daß einer hinaus muß, wo er herein kam.
Laßt sie sich ruhig verbluten im traurigen Streite der Waffen;
Nur um so mächtiger hebt sich der alte, der heilige Phönix;
Ja, ein unnennbar großes Gefühl, – der Kirche zu dienen!«

     Also flüsterten leise die Zween, und Becher an Becher
Ließen sie heimlich erklingen, daß zürnend schäumte der Rheinwein.

     Und noch ein anderes Paar lauscht nicht auf die Zimbeln. Der eine
Dort im rötlichen Dunkel der Purpurtapete verborgen, –
Leopold war es, des Herzogs Bruder, der Adler des Hauses
Österreich. Zwiefach brannte die Glut des verdüsterten Auges
Ihm aus dem bärt'gen Gesichte, so oft er hinüber im Saale
Schweigend schaute zum Bruder und dann sein Blick an dem Purpur
Dürstend hing, der lose der kräftigen Schulter entfallen;
Dann wohl zuckte vor Freuden ein Blitz ihm über das Antlitz,
Wie wenn ferne Gewitter dahinziehn am Horizonte,
Fichteneck aber, – die Arme gekreuzt, ganz ruhig, gelassen, –
Jeglicher Schritt und jegliches Wort der markige Krieger.
Weniges red'te das Paar, doch schwere, gewaltige Worte.

     – Fichteneck also begann: »ich sagt' es ihm offen und ehrlich;
Torheit war es, um eines so eitlen, so kindischen Traumes
Willen der Löwenhöhle zu nahn; jetzt hat er die Folgen!« –

      – »›Habt Ihr Kunde vom Feind?‹« – »Noch nicht; er bringt
sie wohl selber;
Alle die Leute vom Rhein sind nicht auf unserer Seite
Und sie verraten ihn nicht und lag' er uns heut' vor dem Tore!« –

     –»›Ha, dies Volk! O verdammt! Ich hass' und achte die Bauern,
Seit ich gekämpft und geblutet bei Sempach .... Saht Ihr die Schanzen?
Halt sich Köln?‹« – »Ich komme vom Wall; 's ist nicht zu verteid'gen.
Blutige Tage im offenen Feld, ein ehrlicher Rückzug,
Mehr ist nicht zu erwarten. Ich wollt', wir wären in Schwaben.« –

     Leopold schwieg, tiefernst das Getriebe, das bunte, betrachtend
Und um den Bruder erstickend ein bitterfreundliches Lächeln.
Fichteneck griff an die Seit' und allzeit zucket es leise
Ihm um die Lipp'; ihm fehlte der treue Genosse der Schlachten;
Klirren hört' er ihn nicht; drum deucht' ihm so stille der Lärm rings;
Trinken mochte er nicht; schlecht mundet' ihm heute der Rheinwein.
Und doch tönten im Saal stets lauter und lauter die Pauken
Und doch strahlte die trunkene Lust stets heller und heller
Aus manch glühendem Sterne, der heut am goldenen Himmel
Einer so wilden, so glücklichen Nacht der Liebe, des Weines
Aufging. – –

     Weitauf flogen die Türen im Saal; laut klirret ein Degen;
Helmlos, wirren Gewandes im ehernen Panzer und Halsberg
Stürzet ein Ritter herein; – »Verrat! – Verrat! – Zu den Waffen!«
Gellt ein Schrei ins Gewühle der klingenden Pauker und Zimbeln,
Und durchs offene Tor, von keinem Menschen erblickt noch,
Schlüpfet das grause Gespenst, das dort auf den Ketten der Brücke
Stille gesessen, herein und riesen-, riesengestaltet
Richtet sich's plötzlich empor und greifet nach Becher und Harfe,
Schmeißt sie zu Boden, und grinset sie an, die erstarrenden Gäste,
Lautlos, langsam bewegend das Haupt, – der lebendige Schrecken!
Polternd stürzet ein zweiter herein: »sie steigen auf zwanzig
Leitern über die Wälle, die Mauern; die Wachen erliegen!
Ihnen voran, wie ein Teufel, ein blonder, lockiger Junge;
Und so ein alter Kerl, großäugig, ein riesiger Recke,
Hinter ihm, – Kurt von Staufeneck war's; ich kannte die Klinge; –
Schmeißt mir ein Dutzend Knechte, wie Kälber, die Mauer herunter
Und: »zu den Waffen!« gurgeln die Kerl', im Schlamme versaufend;
»Auf! zu den Waffen!« schrei' ich; »es gilt ein ehrliches Fechten!«

     Sprach's und bleich, wie der Tod, und zurückgesunken im Stuhle
Stammelt der Bischof: »Flieht! In die Kirchen! Betet, ach betet!
Läutet die Glocken zusammen und betet!« – –»›Trompetet! Trompetet!‹«
Donnert dazwischen Leopold auf; »›und die Gatter herunter!‹«

     Aber den mutigen Blick auf die liebliche Jungfrau geheftet
Richtet sich Friedrich auf. Wie flammte das Auge! Wie hob sich
Mächtig die Brust und sprengte des Kollers seidene Litzen:
»Danket es Gott, ihr Herren! es gilt ein ehrliches Fechten!
Schnell, wie der Wind, war stets mein tapferer Vetter von Bayern;
Sei's drum! Wahrlich, ihr habet des Feinds euch nimmer zu schämen.
Brücken herauf, bis wir uns gesammelt! Frisch mit dem Schwerte
Schlagen wir durch und ginge der Weg durch Heere der Hölle!
Leopold, du mein mutiger Adler, führe die Vorhut;
Fichteneck decket den Rücken; denn keinen festeren Heerschild
Weiß ich als die getreueste Brust des treusten der Ritter;
Und in die Mitte – da nehmet die Krone des heiligen Reiches,
Nehmet das Heiligste mir, – dich, herrliche Krone der Frauen!«

4. Die Sendung.

     Wer hat den Kaiser Ludwig so düster je gesehn?
     Sie hatten ihn verlassen; er will zur Ruhe gehn;
     Der Schlaf konnt' ihn nicht finden, der durch das Lager ging;
     Das war, seitdem der Purpur die Schulter ihm umfing;
     Es stand auf seinem Feldtisch der Schlaftrunk unberührt;
     Das war, seitdem das Szepter des Reiches er geführt;
     Die Sorge hört er schleichen durchs Zelt, am Stab gebückt;
Das war, seitdem die Krone des heil'gen deutschen Reichs ihn drückt.

      Wer hat ihn je gesehen so finster und so blaß?
     Sonst flammten seine Augen in Liebe, wie in Haß; –
     Wer je die Lippe beben, die sonst so fest befahl?
     Wer je des Grames Falten auf dieser Stirn von Stahl?
     Drum sind sie schlafen gangen die Ritter von seinem Lehn,
     Die ihm um Reich und Krone zur Seite sollten stehn,
     Die aus demselben Munde und aus demselben Blick
Sich Kraft geholt und Stärke für jedes Kampfes Mißgeschick.

     Durch seines Zeltes Spalte scheint voll der Mondenschein;
     Von klaren Sternen dringet ein Gruß zu ihm herein;
     Wohl schaut der blaue Himmel ihm treu ins Angesicht;
     Heut' tröstet ihn die Farbe der alten Treue nicht;
     Er stützt in beide Hände das Haupt so kummervoll;
     Er lauscht, wie leis von außen des Knappen Sang erscholl;
     Er lauscht und sinnet wieder; ihm ward so weh, so weich,
Als müßt' er Tränen weinen, der Herr vom heil'gen deutschen Reich.

»Es knistert im Winkel, es raschelt im Stroh; –
          Gefangen! Gefangen!
Wo weilet ihr, Tage, so sonnig und froh?
          Gefangen! Gefangen!
Da die Fluten der schäumende Drache zerschnitt,
Da mein jauchzender Jagdzug die Fluren durchritt
     Und die Hörner der Freude mir klangen?

Und er drücket ans Gitter das lockige Haupt;
          Gefangen! Gefangen!
Mein Volk ist zertreten, die Krone geraubt;
          Gefangen! Gefangen!
Nur einen weiß ich, der Treue mir hält;
Der suchet mich sicher in weiter Welt
     Und ich harre und hoffe mit Bangen.

O Heimat drüben im Sonnenlicht!
          Gefangen! Gefangen!
O du freie Flut, die am Fels sich bricht!
          Gefangen! Gefangen!
O trag meine Grüße, du eilender Sturm;
Er wird mich nicht finden im einsamen Turm,
     Bis ich zu Grabe gegangen.

Öd ist mein Leben, der Hoffnung entlaubt;
          Vergessen! Vergessen!
Drum hab' ich umsonst an die Treue geglaubt;
          Vergessen! Vergessen!
Es war eine schimmernde Perle von Schaum;
Ich habe gebüßt den goldenen Traum,
     Den ich geträumet vermessen.

Gestorben ist er ja nimmermehr;
          Vergessen! Vergessen!
Wär' er treu, – es käme sein Geist hierher;
          Vergessen! Vergessen!
Der hätte stille bei mir gewacht,
Er hätte manch lange, manch öde Nacht
     Auf meinem Lager gesessen.

Und er drückt ans Gitter das Haupt, schneeweiß;
          Vergessen! Vergessen!
Er sah noch hinüber, er flüsterte leis:
          Vergessen! Vergessen!
Die Heimat glühet im Abendrot,
Und der treueste Freund ist doch der Tod;
     Der wird mich ja nimmer vergessen!

Am Turme raschelt's; das Gitter bricht;
          Gerettet! Gerettet!
Es, tritt herein im Mondenlicht;
          Gerettet! Gerettet!
»Grau bin ich geworden; doch bin ich am Ziel;
»Ich habe gewonnen das lange Spiel;
     »Ich habe mein Leben gewettet.«

Und der Nachen durchschnitt die schlummernde Bucht;
          Gerettet! Gerettet!
Wohl war's eine stille, heimliche Flucht;
          Gerettet! Gerettet!
Sie fahren hinüber im Mondenschein;
Der graue Schiffer zieht's Ruder ein;
     Das Bot liegt am Strande gekettet.

Und die Leiche trägt er schweigend ans Land;
          Gerettet! Gerettet!
Zwei Gräber scharret er in den Sand;
          Gerettet! Gerettet!
»Mein heiliges Wort, – ich hielt es dir;
»Ruh' sanft, mein Bruder; hier schlafen wir
     »In freie Erde gebettet.«

     »Herein, mein trauter Knappe! herein, mein Sänger wert!
     Herein, du junger Degen mit deinem alten Schwert!«
     Der König lacht's, halb spottend; das war so seine Art;
     Der Stirne Falten schwinden, er strich vergnügt den Bart:
     »Ich gab' dich liebgewonnen mit deinem Lockenhaar;
     Ich sehe manchmal gerne dein blaues Augenpaar;
     Ich kann den Schlaf nicht finden; es ist nicht meine Zeit;
Du solltest sie mir kürzen; drum sitz' und trinke mir Bescheid,«

     Jung Volkmar trat zum Tische; mit Züchten er sich neigt;
     Er fühlt es, wie zum Herzen das junge Blut ihm steigt;
     Er griff zum vollen Humpen, er trank mit kräft'gem Zug,
     Eh' er das blaue Auge auf zu dem Kaiser schlug.
     »Ich brauch's Euch nicht zu sagen, nach was mein Sinnen dürst't;
     Ihr habt mir mehr gegeben, mein kaiserlicher Fürst;
     Den Trunk aus Eurem Becher, von Euren Reben gut, –
Den will ich Euch bezahlen mit meinem eigenen jungen Blut!«

     Da lachte Ludwig wieder; doch ernster war sein Blick:
     »Erzähle drum mir endlich dein wunderlich Geschick,
     Was mir so treuen Diener wohl zugeführet hat!«
     Da schüttelt seine Locken der Knappe, wie er bat:
     »Was kann es Euch doch frommen, woher ich kommen bin,
     Wer meine Väter waren, – wenn ich Euch treulich dien'?
     Und wenn ich für Euch sterbe, – wo ich geboren ward?«
Der Kaiser drauf erwidert: »Das ist die echte deutsche Art«.

     »Die Hab' ich lieben lernen an meinem Friederich,
     Als er noch keine Stunde von meiner Seite wich,
     Als wir noch Lanzen brachen im lustigen Turnei;
     Wir dachten nicht, wie blutig der Ernst des Lebens sei;
     Wir sangen manche Lieder aus Zeiten alt und neu.
     Von Kampf und Ritterehre, von heil'ger deutscher Treu';
     Wir haben uns geschworen, – ein Lied hat das gemacht, –
Zu sein, wie Waffenbrüder, im Leben und in Todesnacht.«

      »Ob uns auch auseinander der Sturm geworfen weit, –-
     Wir hatten fortgesponnen den Traum der Kinderzeit;
     Wir liebten fort, wie einstens; wir haben fortgeglaubt,
     Bis du, mein Bruder Friedrich, mir meinen Traum geraubt;
     Bis sie mich auserkoren zum König in freier Wahl,
     Bis ich dafür geboten mein Wort und meinen Stahl;
     Und das werd' ich trotz Kämpfen und Jammer, Hohn und Spott –
Ich werd' es wieder lösen; das helf' mir der allmächtige Gott!«

     »Du hast ihn mir geboten; ich nahm den Handschuh auf;
     Ich stütze mich nicht einzig auf meines Schwertes Knauf;
     Es mögen lichter werden der Ritter treue Reihn;
     Ich werde drum nicht wanken; das Volk, das Recht ist mein;
     Ob Blut im bösen Streite spritzt unterm eignen Dach,
     Ob mir zu bittrem Leide der Freund die Treue brach,
     Ob mir ihr giftig Hassen die Kirche zugewandt:
Ich werd' nicht sinken lassen mein großes, deutsches Vaterland.«

     Da ist er aufgesprungen, der ritterliche Held;
     Als würd' es ihm zu enge, so riß er auf das Zelt;
     Es lag in stiller Ruhe vor ihm das weite Land;
     Die weißen Nebel stiegen, der Mond darüber stand;
     Er hob den Arm zum Himmel, ein mächtig Heldenbild,
     Und: »einig! einig!« flüstert's, wie im Gebete mild;
     Jung Volkmar stand zur Seite und wagt zu atmen kaum;
Er war so groß, so heilig, der stolze, kaiserliche Traum.

     »Du sollst! Ich will es wagen! (So rief der König laut;)
     Auf, Knappe, sattle, reite, noch eh der Tag ergraut,
     Nach Wien, die Donau nieder; such' ihn in Wald und Feld;
     Dring' ein in seine Hofburg und in sein Herzogszelt.
     Noch einmal, eh wir ziehen das Schwert zum letzten Streit,
     Will ich den Herzog mahnen an die Vergangenheit;
     Ob auch der schlimmste Teufel den Sinn ihm hat betört:
Noch einmal will ich kühnlich stürmen das Herz, das mir gehört!«

     »Das Lied, das du gesungen mir in der vor'gen Nacht,
     Das war's, bei dessen Klängen wir unsern Bund erdacht;
     Das hat ein Sangesmeister uns Knaben einst gelehrt;
     Mir ist's ein dunkles Rätsel, wo du das Lied gehört;
     So oft wir Abschied nahmen, so oft wir gingen zur Ruh,
     So oft wir wiederkamen: wir sangen's leis uns zu;
      So oft wir scherzend zürnten, war's unser Nachtgebet;
Wir hielten's heimlich heilig wie ein geweihtes Amulett.«

     »Das sollst du vor ihm singen, mein Edelknappe wert,
     Das wird ihn besser treffen als Lanze, Pfeil und Schwert;
     Das ist die Zauberformel für jenen finstern Bann,
     Wenn etwas noch auf Erden ihn draus erlösen kann.
     Ich hab' dem deutschen Volke mein alles zugewandt;
     Der freien Männerehre vertrau' ich Leib und Land;
     Sie schütze Kron' und Leben mir in dem schlimmsten Streit;
Wir will ich anvertrauen mein Herz in dieser bösen Zeit.«

     Ha, wallte da dem Knappen das goldestreue Blut!
     Ha, jagt's ihm durch die Adern wie heil'ge Feuerglut!
     Er sank ins Knie, er schwenkte die alte Wehre blank:
     »Daß Ihr mich reiten lasset, sag' ich Euch ewig Dank«.
     Er wollte mehr noch sagen, als er das Wort verlor;
     Der Kaiser zieht ihn lächelnd mit mildem Blick empor;
     Es zuckt ihm um die Lippen geheim wie Lust und Schmerz;
Fast hätt' er ihn gezogen fest an das kaiserliche Herz.

     Der Knappe geht zu rüsten; der Kaiser sieht ihm nach;
     Drauf sinkt er müd zu Bette und Träume werden wach;
     Er sieht den Jungen reiten, ihm wird so wunderbar, –
     Er sieht zwei blaue Augen, ein blondes Lockenhaar; –
     Es klingen alte Lieder in heimatlichem Weh;
     Ihn führt im Dämmerlichte die allerschönste Fee,
     Und leis durch Kampf und Bluten, durch Gram und Herzeleid
Führt ihn ihr blaues Auge zurück zum Spiel der Kinderzeit.

5. Ave Maria

      Ave Maria! Du heilig Bild
          Trockne die Quelle
          Der Tränen mild;
All die geflossenen zähltest du;
Vergib dem Herzen, das ihn nicht läßt,
Vergib dem Auge, von Sünde genäßt,
Vergib dem Munde, der ewig klagt!
      Ave Maria! Blicke nieder,
          Engelreine, heilige Magd;
               Gib mir wieder
                    Meine Ruh!

Kannst du nicht vorüberziehen,
Holder Lenz, an diesen Mauern?
Müssen meine Blumen blühen
Zum Verbleichen, zum Vertrauern?
O was muß dein warmer Drang,
Frühlingsodem, mich durchbeben?
Muß er doch, wie Seufzer, bang
Durch die Klostergänge schweben.

           Ave Maria!
Rosenblüten, todesblaß
Opfr' ich dir auf kalter Schwelle,
Nicht von Tau, – von Tränen naß;
Doch auch Tränen perlen helle;
Trockne du die Blättlein dir.
Wenn sie sündig dir erscheinen;
In den Augen laß sie mir,
Muß ich still die Nacht verweinen;
           Ave Maria!

Magst mit milder Allgewalt
Purpurn dir die Knospen säumen:
Meine Wangen, bleich und kalt,
Laß von Tod und Grabe träumen;
Laß den Duft Gebet dir sein,
Der sich hebt zum Himmelsglanze;
Mich laß stille und allein
Sterben unterm Dornenkranze.

Kein Seufzer verweht.
Was das Herz mir bricht;
          In Tränen vergeht
          Mein Kummer nicht;
All die geflossenen zähltest du;
Trockne die Wangen, von Sünde genäßt;
Heile das Herz, das ihn nicht läßt;
Über den Sternen bin ich dein;
          Ave Maria! Hab' Erbarmen;
          Himmelskönigin, engelrein,
               Gib der Armen
                    Die ewige Ruh'!


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