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20. Zellerfeld

Es ist schon lange her, da lebte in dem Harzer Bergstädtchen Zellerfeld ein Bergmann namens Georg Brechtner, der in der ganzen Gegend für den besten Häuer galt und deßhalb auch bei allen seinen Vorgesetzten sich großer Beliebtheit und Bevorzugung zu erfreuen hatte, so daß er oft fürchtete, seine Kameraden möchten ihm darob gram werden. Dies war jedoch nicht der Fall, seine Tüchtigkeit wurde beinahe von Allen neidlos anerkannt, denn Georg war ein friedsamer Bursche, dienstwillig, hülfsbereit und freigebig, ohne verschwenderisch zu sein.

So hatte er manches Jahr zufrieden und glücklich in der neuen Heimath gelebt, als er bei einer Festlichkeit, die zu Ehren des Landesfürsten stattfand und zahlreiche Gäste aus den Nachbarorten nach Zellerfeld brachte, das schöne Töchterlein eines Bergmeisters aus Klausthal sah. Von dieser Stunde an war es mit seinem Herzensfrieden vorbei, er verrichtete seine Arbeit schweigend und wenn er gerade einmal in einem Augenblick des Vergessens ein Liedchen anstimmen wollte, so brach er doch sicherlich gleich wieder ab, als hätte er sich eines Vergehens schuldig gemacht. Seinen Kameraden entging diese Veränderung ebensowenig wie seine regelmäßigen Sonntagswanderungen nach Klausthal, wo er sich stets um das Haus des Bergmeisters herumtrieb, und so hatten sie denn bald herausgefunden, daß die schöne Barbara die Ursache seines ungewohnten Trübsinns sei. Dieser Entdeckung folgten natürlich, wie dies so zu gehen pflegt, allerlei unschuldige Neckereien, die der arme Georg mehr oder minder geduldig über sich ergehen ließ.

»Laß doch den Kopf nicht so kläglich hängen,« ries eines Abends ein dem Georg befreundeter Bergmann, »ein Bursch wie Du, hat's wahrlich nicht nöthig. Wenn das Mädel nur ein klein wenig Hirn im Kopfe hat, so braucht ihr nicht erst ein Anderer zu sagen, daß es hier herum nicht leicht einen besseren und schmuckern Kerl gibt als Du bist!«

»Was hilft das Alles,« gegenredete jedoch Brechtner traurig, »sie ist eines Oberen Tochter und der alte Schmidtlein ist weit und breit bekannt als ein gar harter Mann, der sehr viel hält auf seine Würde und sein Geld. Ihr wißt es ja, daß ihm ein großes Erbe zugekommen ist von einer Anverwandten, die irgendwo im Fränkischen wohnte. Meint Ihr, er würde sein Kind einem armen Häuer zum Weibe geben?«

»Ach was, nur nicht so zaghaft! Du verdienst genug, um Weib und Kind ernähren zu können, wozu brauchst Du des Alten Geld? Mach's mit dem Mädel fertig; sie sagt gewiß nicht nein, hab's schon oft gesehen, wie sie verstohlen zu Dir hinüber guckt, wenn Du in der Nähe bist und dann allemal roth wird wie eine Pfingstrose.«

»Meinst Du, daß sie mich bemerkt?«

»Das kann jedes Kind sehen. Also muthig gehandelt, wer etwas erreichen will, darf seine Zeit nicht mit Bangen und Zagen verlieren. Glück auf, Georg!«

»Glück auf!« riefen nun auch fröhlich die andern Männer, die mit den Beiden an einem Tische saßen.

Dem armen Georg wollten diese Worte nicht mehr aus dem Kopfe, wo er stand und ging mußte er sie wiederholen und wenn er der Möglichkeit gedachte, die liebliche Barbara könnte am Ende gar seine stille Neigung erwiedern, dann jagte sein Blut siedendheiß durch die Adern. Zu muthigem Handeln konnte er sich aber darum doch nicht entschließen, einmal weil er von Natur aus etwas schüchtern war und sehr gering von sich dachte, dann aber auch, weil er sich überzeugt fühlte, daß ihn der Bergmeister mit Schand' und Spott aus dem Haus weisen würde. Durfte er unter diesen Umständen dem Mädchen nahen hinter ihres Vaters Rücken und gegen seinen Willen sich in ihr Herz zu stehlen suchen und sie etwa für Lebenszeit unglücklich machen?

So oft er sich diese Frage vorlegte, so oft lautete die Antwort darauf: »Nein und hundertmal nein!« – Und da Georg grundehrlich und streng gewissenhaft war, so enthielt er sich eines jeden Versuches, sich mit der lieblichen Barbara Schmidtlein in ein geheimes Einverständniß zu setzen, obgleich nun auch er bemerkte, wie sie ihn gar so freundlich und ermunternd ansah und aus ein Wort von ihm zu warten schien. Dem Verlangen, sie wenigstens aus der Ferne zu beobachten, vermochte er aber doch nicht zu widerstehen und ungeachtet der Vorwürfe, welche er sich machte, ging er doch jeden Sonntag wieder nach Klausthal.

Einstmals nun, als er abermals nach dem Nachbarstädtchen wanderte und etwa die Hälfte des Weges zurückgelegt hatte, traf er mit dem Mädchen zusammen, welches ihn so freundlich begrüßte, daß er es nicht über's Herz brachte, mit stummem Gruß vorüberzugehen. Ein Wort gab das andere und da sich Barbara ebenfalls aus dem Wege nach Klausthal befand, so blieb dem jungen Bergmann nichts übrig, als sie zu begleiten, ein Anerbieten, welches freudig angenommen wurde. Sie klagte jedoch sehr bald über Ermüdung und man ruhte ein Weilchen auf einem abgehauenen Baumstumpf, der gerade für zwei Menschen Raum bot, wenn sie sich nicht scheuten, recht dicht an einander zu rücken. Georg wollte freilich nicht niedersitzen, aber das Mädchen gab nicht nach, und so ließ er sich endlich an ihrer Seite zu traulichem Geplauder nieder, welches damit endete, daß man sich ewige Lieb' und Treue schwur.

»Aber Dein Vater, Barbara?« seufzte der junge Mann, als sich der erste Freudenrausch ein wenig verflüchtigt hatte und die ruhige Ueberlegung wieder in ihre Rechte trat.

»Toben und schimpfen wird er, daß mir jetzt schon angst und bange wird, wenn ich nur daran denke,« erwiderte Barbara nun ebenfalls beklommen, »wenn wir aber standhaft bleiben, so kommt uns vielleicht doch ein guter Geist zu Hülfe. Daß ich niemals des Schichtmeisters Weib werde, das habe ich ihm gesagt und er ist schon darüber ganz wüthend geworden. Aber das thut nichts, ich bleibe Dir darum doch treu, herzlieber Georg.«

Die folgende Woche verging für den armen Brechtner in bangen Zweifeln. Daß seine Bitte bei dem Bergmeister keine freundliche Aufnahme finden würde, stand schon nach dem, was er von Barbara gehört hatte, außer Frage, und weil dem so war, so machte er sich bittere Vorwürfe über seine Schwäche. Er hätte sich unter keiner Bedingung das Geständniß seiner Liebe entreißen lassen dürfen, er hätte klüger und besonnener sein sollen als das Mädchen.

Wie er es vorausgesehen hatte, so traf es ein. Als Georg am darauf folgenden Sonntag klopfenden Herzens vor den alten Schmidtlein hintrat, um die Hand seiner Tochter zu werben, erfaßte diesen ein so gewaltiges Erstaunen über diese Kühnheit, daß er einen Augenblick sprachlos blieb. Bald aber schüttelte er diese Erstarrung ab und nun ergoß sich eine solche Fluth von Schmähungen über den armen Häuer, daß diesem Hören und Sehen verging.

Was er denn glaube und wofür er sich wohl ansehe, daß er, ein armer Lump von einem Bergmann, ein gewöhnlicher Arbeiter, ein Mensch ohne Hab und Gut, um sein, des Bergmeisters Kind, anzuhalten wage! Das Heirathsgut des Mädchens, der vermögliche Vater steche ihm jedenfalls in die Augen und er wolle versuchen, ob er nicht etwa doch durch Frechheit eine Frucht erhaschen könne, die nicht für ihn gewachsen sei. Aber er wolle schon dafür sorgen, daß ihm solch' hochfliegende Pläne gründlich ausgetrieben würden!

In dem armen Georg kochten Scham und Zorn, als er sich so verdächtigen Härte, wo er sich doch keiner niedrigen Gesinnungen bewußt war und er bedurfte seiner ganzen Selbstbeherrschung, um nicht zu vergessen, daß ein Oberer, daß Barbaras Vater vor ihm stand.

»Ihr thut mir Unrecht und seid in einer argen Täuschung befangen, Herr Bergmeister, wenn Ihr meint, daß gewinnsüchtige Absichten mich treiben,« erwiderte er mit einer Stimme, der er vergebens Festigkeit zu verleihen strebte. »Gebt mir Eure Tochter, und ich will mich gern eidlich verpflichten, auf jede Mitgabe und auch auf jedes Erbe zu verzichten. Uebrigens bin ich nicht so arm, als Ihr denkt. Ich war stets fleißig und sparsam, so daß ich mir ein recht nettes Sümmchen erübrigen konnte, groß genug, um ein eigen Häuschen, ein Feld und eine Kuh zu kaufen. Und was die Zukunft betrifft, nun, ich habe zwei kräftige Arme und will sie gern regen, wenn es gilt, Brot zu schaffen für meine Familie!«

»So, nun möchtest Du den Uneigennützigen spielen und denkst im Geheimen, das könne Dir nichts schaden, denn ehe der alte Schmidtlein sein Kind Noth leiden läßt, rückt er doch mit den Batzen heraus!« rief der Bergmeister, neuerdings eine lange Reihe von Schmähworten an diese Bemerkung knüpfend, um den armen Brautwerber endlich aus dem Hause zu weisen.

Als Georg aufgeregt und bekümmert sich auf den Heimweg machte, da sagte er sich im Stillen: »Das kommt davon, wenn man gegen seine bessere Ueberzeugung und sein Gewissen handelt. Klagen darf ich nicht, denn ich habe es nicht anders verdient.«

Er war jedoch noch nicht weit gekommen, als Barbaras zierliche Gestalt hinter einem Busch hervorschlüpfte, wo sie seiner geharrt hatte, um von ihm selbst das Ergebniß seiner Unterredung mit dem Vater zu vernehmen.

»Laß gut sein, mein armer Georg, und gräme Dich nicht, es bleibt darum doch Alles beim Alten zwischen uns!« sagte das liebe Mädchen, seine Hand drückend.

»Nein, nein, Barbara, es geht nicht, und wenn Du mein liebes Mädchen bist, so wirst Du mich vergessen und alle die thörichten Worte, die wir zu einander gesagt haben. Ich will nicht, daß Du Dich um meinetwillen in Unglück und endlosen Kummer stürzest. Wozu hilft der Kampf, wenn man klar vorhersehen kann, daß man doch unterliegen wird?«

»Das wollen wir erst sehen; der liebe Gott wird treu Liebende nicht verlassen! – Wie ich heimkomme, gehe ich zum Vater und sage ihm, daß niemals ein Anderer mein Gatte wird, als der Georg Brechtner. Will er es nicht zulassen, dann nehme ich den Schleier.«

»Nein, nein, Barbara, Du darfst Dich nicht für mich opfern.«

»Red' nicht so, wenn Du mir gut bist und laß mich machen, wie es mir recht erscheint,« zürnte das Mädchen.

Georg ließ sich schließlich gegen seinen Willen von ihren lieben Worten überzeugen und als sie schieden, da tauschten sie nochmals das Versprechen, standhaft zu bleiben und treu zusammen stehen zu wollen in allem Leid und Ungemach.

Der Bergmeister tobte mit seiner Tochter nicht weniger, als mit Georg, ohne daß es ihm jedoch gelungen wäre, ihren Widerstand zu brechen, worüber er in eine solche Wuth gerieth, daß er den ersten freien Tag benützte, um den Inspektor aufzusuchen, unter welchem auch jene Grube stand, in der Georg arbeitete. Mit heftigen Worten klagte er den jungen Bergmann an, seine Tochter entführt und ihn selbst bedroht zu haben, bis der Inspektor versprach, für die Bestrafung des Schuldigen Sorge tragen zu wollen.

So leicht ging die Ausführung dieses rachsüchtigen Planes jedoch nicht, indem der Bergmeister keine Beweise für die Vergehungen beizubringen vermochte, deren er Georg beschuldigte, für den seine Kameraden wie seine unmittelbaren Vorgesetzten so einmüthig einstanden, daß Schmidtleins Ränke zu keinem Erfolge führten.

»Mach' Dir kein schweres Herz, Georg,« tröstete ihn der gutmüthige Schichtmeister, »anhaben können sie Dir nichts, denn daß Du Dich in die Barbara vergafft hast, ist wohl ein dummer Streich, doch kein Verbrechen, und wenn sie etwa meinen, ich würde mich dazu verstehen, Dich abzulegen, um dem Herrn Schmidtlein zu Gefallen zu sein, so soll mir's leid thun. So lange ich auf meinem Posten bleibe, bleibst Du auf dem Deinigen, und müßte ich die Sache vor den Oberbergrath selbst bringen!«

Der Beistand und die Theilnahme, die er allenthalben fand, waren für Georg in seinen Drangsalen allerdings ein Trost, seines Herzens schweres Leid und die bitteren Selbstvorwürfe, die er sich machte, vermochten sie aber doch nicht zu lindern. Er wurde immer schwermüthiger und trug sich oft mit dem Gedanken, Zellerfeld für immer zu verlassen, bange brauchte ihm ja nicht zu sein, ein geschickter Bergmann findet überall sein tägliches Brot. Wenn er trotzdem noch immer damit zögerte, so geschah es nur um Barbaras willen, die ihm erklärt hatte, eine solche Trennung brächte ihr den Tod.

Einmal, Georg arbeitete gerade an einem ganz abgelegenen Orte, mit kräftiger Hand das harte Gestein bearbeitend, wobei er sich nach Herzenslust seinen trüben Gedanken überlassen konnte, übermannte ihn sein Leid und er brach in lautes Schluchzen aus. Plötzlich aber berührte ihn eine Hand an der Schulter und als er aufsah, bemerkte er einen riesenhaften Mönch, auf dessen dunkle Kutte ein langer silberweißer Bart niederwallte und der ein langes Unschlittlicht in der Hand hielt, welches eine ungewöhnliche Helle verbreitete.

Erschrocken fuhr er zurück, denn er erkannte wohl, daß der sogenannte Bergmönch vor ihm stand, von dessen Walten in den Gruben er von den Kameraden schon allerlei vernommen hatte, der ihm aber niemals noch in den Weg getreten war.

»Du brauchst Dich nicht zu fürchten,« lachte da der Mönch gutmüthig, »sage mir lieber, warum Du wie ein kleines Kind mit Weinen die kostbare Zeit vergeudest, anstatt zu arbeiten?«

Erzählen sollte er seine Leidensgeschichte? – Warum nicht? Er hatte sie ja schon so vielen erzählt, die ihm nicht helfen konnten, weßhalb sollte er es nicht wieder thun, wenn ihn einer dazu aufforderte, der ihm wohl helfen konnte, wenn er wollte? – Und so ließ er sich nicht lange bitten, sondern schilderte freimüthig, wie er Barbara kennen und lieben gelernt und welche Aufnahme seine Werbung beim Bergmeister gefunden hatte.

Der Bergmönch hörte aufmerksam zu, wie aber Georg seinen Bericht beendet hatte, erhob er sich und ging schweigend davon, ohne sich um des Häuers Erstaunen zu bekümmern, der jedenfalls ein Wort des Trostes eher erwartet hatte, als diesen plötzlichen Aufbruch.

»Na, was nicht ist, kann noch kommen,« dachte Georg und machte sich mit neuem Muth an die Arbeit. »War es wirklich der Bergmönch, so ist mir geholfen, der verläßt keinen, der ordentlich ist und seiner Hülfe bedarf; vielleicht aber hat sich einer meiner Freunde einen Scherz mit mir gemacht.«

Georg arbeitete unverdrossen fort, bis es Zeit war, Schicht zu machen, dann nahm er sein Gezähe zusammen und rüstete sich zur Ausfahrt. Er hatte jedoch kaum einige Schritte in der Strecke vorwärts gethan, als plötzlich der Bergmönch wieder vor ihm stand und ihm ein Lederbeutelchen entgegenhielt, welches sich durch ungewöhnliches Gewicht auszeichnete.

»Nimm das,« sagte er, »mach' es aber erst am Morgen auf und sage Niemanden ein Wort darüber. Jede Plauderhaftigkeit wird von mir hart gerächt.«

Georg dankte dem Mönch und suchte zum ersten Mal nach langer Zeit in freudiger Stimmung sein bescheidenes Zimmerchen auf, wo es seine erste Sorge war, den Beutel in einem Schrank zu bergen.

Die Ungeduld störte jedoch seinen Schlaf, und kaum daß der Tag graute, eilte er zu dem Schrank, nahm seinen Beutel heraus und leerte den Inhalt auf den Tisch, der nun über und über mit Goldkörnlein bedeckt war.

Als Georg diesen reichen Schatz vor sich ausgebreitet sah, begann er zu jauchzen wie ein Kind, bis sich eine neue Sorge in sein Herz schlich. Reich war er nun allerdings, vielleicht sogar reicher noch als der hochmütige Bergmeister. Doch wie sollte er das Gold verwerthen, wie seinen plötzlichen Reichthum rechtfertigen? Würden seine Vorgesetzten, seine Kameraden nicht denken, er habe sich das Gold unrechtmäßig angeeignet, würden sie ihn nicht für einen Dieb ansehen? Und wer es ihm gegeben hatte, das durfte er ja nicht sagen.

Rasch raffte er die glänzenden Körnlein wieder zusammen, schob sie in den Beutel und verbarg diesen neuerdings im Schrank.

Nein, er durfte von diesen Schätzen keinen Gebrauch machen. Hundert Male besser arm und unglücklich bleiben, als sich einem entehrenden Verdacht aussetzen und die Achtung der Genossen verlieren.

So verging beinahe ein halbes Jahr, ohne daß Georg seinem Entschlusse untreu wurde und ohne daß er den Bergmönch wieder zu sehen bekam, bis er eines Tages abermals vor einem ganz einsamen Orte lag und mitten in eifriger Arbeit den Berggeist vor sich stehen sah, der auch diesmal einen ledernen Beutel in der Hand hielt.

»Du bist ein braver Bursche,« sagte er, »und hast es nicht eilig, Deinen Schatz im Gasthause zu vergeuden und Dich damit zu prahlen. Darum bringe ich Dir noch mehr. Du wirst nun so reich sein, daß Du den halben Ort Zellerfeld aufkaufen kannst.«

Georg jedoch nahm dem Mönch das Geschenk nicht ab, sondern sagte:

»Ich danke Dir, Du guter Herr der Berge, aber ich kann Dein Gold nicht gebrauchen.«

Der Bergmönch sah ihn eine Weile starr an, dann ließ er sich dem Häuer gegenüber auf einer Bank nieder und frug mit gutmüthigem Spott:

»Warum nicht – bist Du ein zu großer Herr etwa, um von mir ein Geschenk anzunehmen?«

»O das nicht; ich weiß wohl, daß ich nur ein armer Teufel bin, aber wenn auch, für unehrlich möchte ich doch nicht angesehen werden und dies würde sicher der Fall sein, wenn ich plötzlich über so vieles Geld zu gebieten hätte, über dessen Erwerb ich mich nicht ausweisen kann.«

Der Bergmönch blieb eine Weile stumm, dann aber warf er dem Häuer den Beutel in den Schoß und sagte:

»Nimm es nur, ich will die Sache schon in Ordnung bringen.«

Damit verschwand er so plötzlich wie er gekommen war.

Georg steckte den Beutel zu sich und verfuhr mit ihm genau so, wie mit dem ersten; am folgenden Morgen jedoch ging er viel später daran, seinen Inhalt zu untersuchen, denn er war überzeugt, abermals Goldkörner zu finden. Wie groß war daher sein Erstaunen, als ihn statt dieser eine reiche Menge schön geprägter, gangbarer Goldmünzen entgegenfielen, mit deren Zählung er gar nicht fertig werden konnte. Und als er zufällig an das erste Beutelchen rührte, öffnete sich dieses und er sah, daß sich jetzt auch hier solche Münzen befanden.

Als Georg diese seltsame Verwandlung sah, schöpfte er neue Hoffnung, einmal, weil er daraus zu ersehen glaubte, daß der gute Bergmönch der freundliche Beschützer aller braven und armen Knappen, ihm allerwegen beistehen würde, und dann auch, weil er solche Münzen eher verwerten konnte, als rohe Goldkörner, deren Besitz unbedingt einen häßlichen Verdacht auf ihn gelenkt hätte.

Und daß der Bergmönch sich seiner wirklich auch noch weiterhin annahm, sah er schon in den nächsten Tagen, denn wie er eines Morgens sein Häuschen verließ, um einzufahren, trat ihm der Briefbote entgegen und gab ihm einen großen, amtsmäßig aussehenden Brief. Derselbe kam von einem Notar aus den bayrischen Landen, der ihn von einem Vermächtniß benachrichtigte, welches ihm von einer uralten Verwandten zugefallen war. Ob es viel oder wenig sei, stand nicht darin, sondern nur die Aufforderung, Brechtner solle kommen und sein Erbe holen.

Nun war ihm geholfen, und wenn er zurückkam, konnte er des Bergmönchs Geschenk für sein Erbe ausgeben, dadurch entging er allen Verdächtigungen und lästigen Fragen, mit welchen man ihn sonst sicherlich bestürmt haben würde.

Obgleich Georg nur etwa zwei Monate fortblieb, fand er bei der Rückkehr nach Zellerfeld doch manches verändert. Der Schichtmeister, den Barbara hatte heirathen sollen, war nun der Verlobte eines reichen Mädchens aus Sachsen und der Bergmeister Schmidtlein hatte einen großen Theil des Geldes, welches ihn so stolz machte, durch den Zusammenbruch eines Bankhauses verloren. Infolgedessen that er auch gar nicht mehr so hochmüthig gegen den früher verachteten Brechtner, denn die Kunde von der reichen Erbschaft, die er gemacht, war ihm vorangeeilt, und Schmidtlein zeigte sich nun ganz gern bereit, ihn als Schwiegersohn aufzunehmen.

Drei Monate später fand die Hochzeit des jungen Paares statt, an der auch ein fremder Jäger theilnahm, der im Augenblick erschienen war, wo sich der Zug zur Kirche begeben wollte und gebeten hatte, im Hause des Bergmeisters ein Weilchen von den Strapazen der Jagd ruhen zu dürfen. Diese Bitte war ihm nicht nur gewährt worden, sondern man bat ihn, dazubleiben und an dem schönen Feste theilzunehmen, was er auch that.

Wie er sich aber in später Nacht entfernte, rief er die Braut zur Seite und überreichte ihr ein kleines Tannenbäumchen, das aussah als wäre es von Zucker.

»Bewahre es gut,« sagte er, »und vergiß nicht, es am heiligen Abend auf den Festtisch zu stellen.«

Barbara kam dieser Anweisung nach und war nicht wenig erstaunt, wie das Bäumchen sich vor ihren Augen in blankes Gold und die Tannenzapfen, die von den Aesten niederhingen, in kostbare funkelnde Steine umwandelten.

Das Tannenbäumchen war das Hochzeitsgeschenk des Bergmönchs gewesen, der die Familie Brechtner die Eltern wie die Kinder, ihr ganzes Lieben hindurch beschützte.


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