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14. Kaiser Heinrich V

Goslar hatte festlichen Schmuck angelegt, der Glocken eherne Stimmen schallten weithin über die kaisertreue Stadt und an dem Thore, durch welches Heinrich V. seinen Einzug halten sollte, lagerte das Volk in dichten Scharen. Dennoch fehlte die rechte Festesfreude, man lebte in bangen Zeiten und der Kronenraub schien weder dem jungen Kaiser noch dem Reiche gute Früchte tragen zu wollen. Allenthalben regten sich schlimme Geister, überall zuckten drohende Flämmchen empor und die eigennützigen Schmeichler, die den Sohn gegen den Vater aufgereizt hatten, lehnten sich nun gegen den neuen Gebieter auf, der nicht alle ihre Wünsche erfüllen mochte und konnte. Was die Zukunft bringen würde, man wußte es nicht und schwer lastete die Ungewißheit auf allen Gemüthern.

Endlich erschien der junge Kaiser auf einem milchweißen Pferde, umgeben von seinem glänzenden Gefolge. Die Pracht dieses Aufzuges stand jedoch in keinem Einklange mit seiner trüben Miene. Man sah, wie schwer die geraubte Krone auf seiner Stirn lag, wie schwer er litt unter den Wirren, die den Wohlstand des Reiches zu untergraben drohten, dieses Reiches welches ohnehin schon so viel erdulden mußte von seinen Fürsten und Edlen, die ihren Hader, ihre Streitigkeiten auf Kosten der gewerbfleißigen Bürger und des geknechteten Landmannes ausfochten.

Und in der That, Sorge, Schmerz und Reue nagten an Heinrichs Herzen und dazu gesellten sich bange Befürchtungen für die Zukunft, denn, er sieht es klar, der ausbrechende Brand drohte, ihn zu verschlingen, der Vater rächte sich noch aus dem Grabe heraus bitter an dem ungetreuen Sohne.

Ernst und bleich schritt er zum stolzen Kaiserhause hinan und sein erster Gang galt jenem Gemache, in welchem der Vater zur Welt gekommen war.

Er schloß sich darin ein und, Schild und Schwert an sich gelehnt, sank er in einen Sitz. Und je länger er da saß, umso schwerer wurde ihm zu Muthe, umso heftiger schmerzte die Reue über die begangene Unthat, denn noch niemals zuvor hatte die Stimme des Gewissens so vernehmlich zu ihm geredet, und schon reute es ihn, nach Goslar gekommen zu sein, wo so ernst mahnende Erinnerungen seiner harrten. Doch das half nichts, immer wieder tauchte der vielgeprüfte Vater vor ihm auf, der endlich im hohen Kaiserdome zu Speyer Ruhe gefunden, vor den er nicht mehr hintreten konnte, Abbitte zu leisten und stetig flüsterte ihm die innere Stimme zu: »Der Fluch Deines Vaters ruht auf Dir und Du, der Du keine Treue gekannt hast, Du sollst keine Treue finden auf Deinem Lebenswege!«

Thränen rieselten in seinen Bart, so weh war ihm noch nie gewesen und kampfes- wie lebensmüde wünschte er sich den Tod. Tiefer und tiefer sank sein Kopf auf die Brust herab, die brennenden Augen schlossen sich und überwältigt von den Anstrengungen der freudlosen Reise, von den Sorgen und Aufregungen verfiel er in schweren Schlaf, während es am fernen Horizonte leise zu grollen begann.

Und immer näher heran wälzte sich das Ungewitter, immer mächtiger und schauerlicher wurde das Brüllen des Donners; verheerend fegte die Windsbraut über die steilen Giebeldächer hin und in immer kürzeren Zwischenräumen fuhren hell leuchtende Schlangen über den tiefdunkeln Himmel dahin, für einen flüchtigen Augenblick die ganze Stadt in grelles Licht tauchend.

Hochaufgerichtet stand der aus dem Schlafe geweckte Kaiser und blickte sinnend hinaus in das Toben der Elemente. Wie, wenn jetzt ein Wetterstrahl ihn träfe, seinen Qualen ein Ende bereitend? – Mögen sie dann doch kämpfen und sich zanken um die Beute, was kümmerte es ihn?

Und kaum, daß Heinrich diesen Gedanken zu Ende gedacht, krachte es gewaltig vom Himmel herab und streckte ihn zu Boden.

Lange lag er so, betäubt vom himmlischen Feuer und vom jähen Schrecken, wie er sich aber endlich erhob, da fand er sich unversehrt, nur die Hand, welche das Schwert gehalten hatte, zeigte eine leicht verbrannte Stelle, doch sein Schild war zerschmolzen und auch das Schild nicht mehr brauchbar.

Bekundete sich durch diesen Strahl der Zorn des Himmels, in welchem er nimmermehr Vergebung zu finden hoffen durfte oder hatte er nur eine Mahnung an ihn ergehen lassen?

Die ganze Nacht verbrachte Heinrich betend und sinnend, doch fand er keine Lösung für seine Zweifel und am frühen Morgen ließ er einen hochgelehrten Gottesdiener aus dem Sankt Petersstifte zu sich bescheiden.

Ernst und ruhig hörte der fromme Mann den Kaiser an, um milde zu erwidern:

»Eine Mahnung war es, hoher Herr, eine Mahnung Dich zu bessern. Wohl hast Du gefehlt und Dich schwer vergangen an Deinem eigenen Vater, doch jeder, auch der schwerste Sünder findet Vergebung, wenn er sein Unrecht bereut und zu sühnen sucht. Du kannst das Deinige sühnen, wenn Du willst, denn Dir sind reiche Mittel verliehen worden und große Macht. Wende beide gut und zum Heile Deines Volkes an, verwalte treu Dein Amt und laß Dich weder durch die Lockungen des Ehrgeizes noch durch die des Gewinnes ablenken von jenem Pfade, den zu beschreiten das Wohl des Reiches erheischt, welches Du allein im Auge halten darfst. – Thaten sind es, mein Kaiser, die der Himmel vom Sünder, vom Menschen überhaupt verlangt und jeder Glückliche, der Dir sein Glück zu danken hat, jede Thräne, die Du getrocknet, jede Freude, die Du bereitet hast ohne Nebengedanken, ohne Nebenzweck, bringt Dich Deinem Schöpfer näher.«

»Du verurtheilst mich, auch ferner die Krone zu tragen, die so schwer auf mir lastet, Mönch?«

»Du hast sie an Dich gerissen und derjenige, dem sie gebührte, ist nicht mehr da, sie aus Deinen Händen zurückzuempfangen, folglich mußt Du sie bewahren, mußt den Brand zu löschen suchen, den Du selbst entfacht. Beharre fest und handle nach Deinem Gewissen mit unbeugsamer Ausdauer, es gibt kein Unglück, welches ewig währt, wenn wir ihm nicht freien Lauf lassen.«

Heinrich wünschte von dieser Stunde an nicht mehr den Tod herbei, wohl aber wurde er ein anderer, ein besserer Mann.


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