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[Vorworte]

Vorwort zur ersten Auflage.

Zur Einführung des Werkes mögen nur einige wenige Worte dienen. Es will keineswegs ein System der Religionsphilosophie sein; für ein solches Unternehmen ist die Lage der Gegenwart viel zu verworren und die Stellung der Religion in ihr viel zu unsicher. Was heute not tut, ist vielmehr, solcher Unsicherheit entgegenzuwirken; wie das nicht geschehen kann ohne eine Verständigung über das Wesen und den Wert der Religion, so treibt es zwingend auch zu einer Beleuchtung des Ganzen des Menschenlebens. In der geistigen Anarchie unserer Zeit läßt sich an keinen festen und zugestandenen Punkt anknüpfen, alle Erörterung tieferer Art hat auf die Grundlagen zurückzugehen und von hier aus neu aufzubauen. So mußten auch wir uns aus einer allgemeinen Erwägung des menschlichen Daseins erst Schritt für Schritt zu der Stelle hinarbeiten, wo das Problem der Religion hervorbricht, um sich dann freilich bald als den Mittelpunkt alles Strebens nach Seele und Sinn unseres Daseins zu erweisen.

Bei solcher Fassung der Frage bildet für uns weitaus die Hauptsache der Entwurf des Gesamtbildes, die großen zusammenhaltenden Umrisse, eine charakteristische Beleuchtung unserer ganzen Wirklichkeit. Wir suchten dafür, unabhängig von aller und jeder Partei, einen eignen Weg; dabei hat sich gewiß viel bloß Subjektives und Individuelles eingemischt, für das keine Schonung erbeten wird. Aber mit dem Bewußtsein großer Mangelhaftigkeit der näheren Ausführung verbinden wir die feste Überzeugung, daß der hier eingeschlagene Weg ein notwendiger ist, und daß er dem inneren Bedürfnis vieler entspricht, die mit einem starken Verlangen nach Religion ein deutliches Bewußtsein der Unzulänglichkeit der gegenwärtigen Formen der Religion verbinden.

Wir selbst fühlen uns durchaus als Suchende und wenden uns daher auch an Suchende; wir hoffen auf die Sympathie und auf die Mitarbeit mancher von denen, die in diesen Dingen nicht schon abgeschlossen haben und aus der Starrheit eines vermeintlichen Besitzes alles Streben nach einer fertigen Schablone messen, deren Leben vielmehr noch in frischem Fluß ist und neuen Eindrücken offen steht; wir richten uns an die, welche mit uns die gegenwärtige Verflachung und Verflüchtigung des Geisteslebens als einen nicht länger erträglichen Notstand empfinden und die nicht davor zurückscheuen, auch in schroffem Widerspruch zur breiten Zeitoberfläche eine Erneuerung des Lebens zu suchen.

Jena, im Mai 1901.
Rudolf Eucken

Vorwort zur dritten Auflage.

Die dritte Auflage hat dieselbe Richtung weiterverfolgt, welche schon die zweite einschlug; sie strebte danach, die Darstellung einfacher und flüssiger zu gestalten, die Gedanken knapper zu fassen, Wiederholungen sorgfältiger zu vermeiden, den Kern des Tatbestandes der umsäumenden Reflexion gegenüber deutlicher hervorzukehren. Im besonderen ist sie mehr auf die Gestaltung des religiösen Lebens eingegangen und damit einem von Freunden des Werkes vielfach geäußerten Wunsche entgegengekommen. So wurden namentlich die Endabschnitte der prinzipiellen Erörterung erheblich umgewandelt. Trotz solcher Erweiterungen ließ sich der Gesamtumfang des Buches um zwei Bogen verkürzen.

Was die Aufnahme des Buches anbelangt, so hat es an einzelnen Mißverständnissen meiner Grundüberzeugung natürlich nicht gefehlt, aber im allgemeinen kann ich für eine freundliche Würdigung dessen, was ich erstrebte, sowohl innerhalb als außerhalb Deutschlands nur aufrichtig dankbar sein. Über Deutschland hinaus möchte ich diesen Dank namentlich den englischen und den amerikanischen Freunden aussprechen, denen ich manche wertvolle Winke verdanke, sowie den japanischen, welche die Schwierigkeit der Sache nicht von dem Streben abschreckte, diese Forschungen ihren Landsleuten näher zu bringen.

Möchte denn auch die neue Auflage ein wenig dazu beitragen, das Bewußtsein der Solidarität aller Völker bei diesen großen Menschheitsfragen diesseits und jenseits der Meere zu stärken!

Ich widme diese neue Bearbeitung dem Andenken eines edlen Fürsten, der inmitten ernster und schwerer Herrschertätigkeit ein warmer Freund und eifriger Förderer wissenschaftlicher Forschung war, und der meiner religionsphilosophischen Arbeit eine besonders gütige Teilnahme schenkte.

Jena, Ende März 1912.
Rudolf Eucken


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