Josef Ettlinger
Benjamin Constant - Der Roman eines Lebens
Josef Ettlinger

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IV. Scheidewege

(1792–1794)

Silhouette von Mlle. Moulat
Original im Besitze von Prof. Philippe Godet, Neuchatel

Ein tiefes Bedürfnis nach Einsamkeit, nach Ruhe, nach Sammlung, nach seelischer Gesundung beherrschte Benjamins Gemüt in dieser Zeit qualvoller Unbefriedigung. Er war sich vollkommen klar darüber, was seine verzettelte Erziehung aus ihm gemacht, daß sie ihm die Welt entgöttert und den Glauben an die höchsten sittlichen Mächte entwurzelt hatte, und der Wunsch verzehrte ihn oftmals, seine vom Verstand unterjochte Halbnatur auf den Flügeln der Illusion in höhere Sphären zu retten. »Ich bin es müde, Egoist zu sein,« heißt es in einem brieflichen Bekenntnis an Frau von Charrière, »müde, meine eigenen Gefühle zu persiflieren, mir selbst einzureden, daß ich weder Liebe zum Guten, noch Abscheu vor dem Schlechten empfinde! Da ich nun doch einmal mit all meinem eingebildeten Besitz an Erfahrung, Weltkenntnis, Diplomatie, Indifferenz nicht glücklicher geworden bin, mag der Teufel das Hochgefühl der Übersättigung holen! Ich will endlich meine Seele wieder allen Eindrücken auftun, ich will wieder vertrauend, gläubig, begeisterungsfähig werden und auf mein viel zu frühes Alter, das alle Dinge dieser Welt für meine Augen entfärbt hat, noch einmal eine neue Jugend folgen lassen, die mir alles verschönen und mich vielleicht noch glücklich machen soll!«

Aber dieser hoffnungsfreudige Optimismus wird immer wieder durch Rückfälle in die Dunkelheiten der Verbitterung abgelöst. »Ich habe es mit achtzehn Jahren empfunden, mit zwanzig, mit zweiundzwanzig, mit vierundzwanzig, und ich empfinde es jetzt mit bald sechsundzwanzig mehr denn je,« schreibt er im Dezember 1792, »zu meinem Glück und zu dem der andern ist es unbedingt nötig, daß ich einsam für mich lebe. Ich bin wohl fähig, im großen Stil gut und stark zu sein, aber ich bin unfähig, die Menschen mit Nettigkeiten im kleinen zu traktieren. Die Wissenschaft und die Einsamkeit sind mein Element. Fragt sich nur, ob ich sie besser im Pariser Strudel finde, oder an irgend einem abgeschiedenen Orte. ... Mein Leben hier ist unerträglich und wird es von Tag zu Tag mehr. Ich verliere jetzt zehn Stunden täglich bei Hofe, wo man mich verabscheut, teils weil man mich als Demokraten beargwöhnt, teils weil ich hier alle möglichen Leute in ihrer Verschrobenheit lächerlich gemacht habe, was die allgemeine Überzeugung bestärkt hat, daß ich ein Mensch ohne alle Grundsätze bin. Das ist freilich ohne Zweifel mehr oder weniger meine eigene Schuld. Blasiert gegen alles, gelangweilt von allem, bitter, egoistisch, mit einer Empfindsamkeit gestraft, die mir nur Qualen schafft, unbeständig bis zur Verdrehtheit, von Tiefsinnsanfällen heimgesucht, die alle meine Unternehmungen immer wieder stocken lassen, dabei von allerhand äußeren Umständen bedrängt, von einem Vater, der gleichzeitig zärtlich besorgt und in ewiger Unruhe ist, von einer Frau, die – platonisch, wie sie behauptet, – in einen jungen Fant verliebt ist und dabei für mich Freundschaft zu empfinden vorgibt, von all den Widrigkeiten, die mein Vater zu erleiden hatte, und von den einschneidenden Veränderungen, die sein und mein Leben betroffen haben, – wie, glauben Sie, soll ich bei alledem noch Glück haben, Wohlgefallen erregen, überhaupt unter Menschen leben?"

In den Wirbeln der französischen Revolution unterzutauchen, war mehr als einmal seine Idee gewesen, denn die großen welthistorischen Umwälzungen erregten sein Interesse um so mehr, als der Herzog von Braunschweig dabei die gewichtige Rolle als Leiter aller militärischen Operationen der Alliierten spielte und es in Braunschweig selbst bald von Emigranten wimmelte. Es verdient jedoch bemerkt zu werden, daß er selbst sich damals nicht nur noch nicht als Franzosen fühlte – er spricht in seinen Briefen von den Erfolgen »unserer« Waffen, wenn er die Koalitionstruppen meint – sondern auch noch durchaus monarchistisch und vor allem antijakobinisch gesinnt war. Der Einfluß des Hoflebens verstärkte die Abneigung gegen den Terrorismus. »Das Kriegsglück wendet sich jetzt überall gegen die Franzosen, ein Beweis, daß ihre Sache schlecht ist,« schreibt er im April 1793 an seine Tante Gräfin Nassau. Er verwünscht ein andermal »ces coquins de républicains«. Der Anblick der von den französischen Truppen verwüsteten Gebiete am Oberrhein, die er im Frühjahr 1794 auf der letzten Rückreise nach Braunschweig durchfährt, greift ihm ans Herz. Und von den politischen Persönlichkeiten der Revolutionsjahre vermag nur der von seiner leidenschaftlichen Frau bugsierte Girondeminister Roland seine Sympathie zu gewinnen, den er gelegentlich für sein »Idol« erklärt, und von dem er hofft, das; seine Partei die Marat, Robespierre »und die andern Vipern« wegfegen werde. Im ganzen kann man sagen, daß er den politischen Weltereignissen bis Ende 1794 mehr als unbeteiligter Amateurbeobachter gegenüberstand, ohne, sich zu erhitzen und ohne sich in seinem Urteil von sehr bestimmten Grundsätzen leiten zu lassen. Er war der Überzeugung nach Demokrat – wie auch Frau von Charrière, unter derem geistigen Mentorat er damals noch stand, als geborene Holländerin zwar republikanisch, gegen die Blut- und Gewaltpolitik der Terroristen jedoch die entschiedenste Antipathie empfand – aber diese Überzeugung wurde durch die wechselnden Stimmungen des Augenblicks, durch die höfische Umgebung, durch den privaten Haß gegen die republikanischen Gewalthaber in Bern stark beeinflußt. Noch war das aktive Bewußtsein des Politikers nicht erwacht: das einzige Leitmotiv seiner Briefe, so weit sie die Zeitereignisse berühren, ist nur der immer wiederkehrende, inbrünstige Wunsch, daß der Welt endlich wieder Friede geschenkt werden möchte.

Die unerläßliche Ablenkung in der zunehmenden Öde seines Braunschweiger Aufenthalts suchte und fand er in wissenschaftlicher Arbeit. Seine Bibliothek war dank seinem Sammeleifer auf mehrere tausend Bände angewachsen, und das seit Jahren vorbereitete große Werk über die Entwicklung der Religion so weit fortgeschritten, daß er bereits in der Hoffnung schwelgte, im Jahre darauf den ersten Band dem Druck übergeben zu können, – etwas verfrüht, denn es währte noch an die dreißig Jahre, bis es dazu kam. Aber auch sein Herz blieb inmitten aller Wirrungen, die mit der Lösung seiner Ehe verbunden waren, nicht unbeschäftigt: er geriet in Gefahr, es an eine andere Dame der Hofgesellschaft zu verlieren, die kurz vorher nach Braunschweig übergesiedelt war: Charlotte von Marenholtz, die Gattin eines um siebzehn Jahre älteren Landrats und Kammerherrn, der ebenso phlegmatisch war, als sie selbst lebhaft, und sich besser auf die Kunst des Cellospiels, als darauf verstand, seine Frau zu fesseln. Sie war die Tochter des hannoverschen Ministers von Hardenberg und eine ältere Schwester jenes Hofjunkers Fritz August von Hardenberg, dessen Liebeshandel mit Bürgers Gattin Elise kurz vorher den gerichtlichen Grund zur Scheidung dieser unglücklichen Dichterehe gegeben hatte. Charlotte selbst war in Göttingen längere Zeit die intime Freundin Elisens gewesen und scheint deren Verhältnis mit ihrem Bruder Fritz begünstigt zu haben, ob aus jugendlicher Unbedachtsamkeit oder weil sie sich über den moralischen Wert des einstigen "Schwabenmädchens" in einer romantischen Täuschung befand, steht dahin. In Constant hatte sie sich derart verliebt, daß sie sich scheiden lassen wollte, um ihn heiraten zu können: er seinerseits sah das Verhältnis ursprünglich nur als einen Flirt an, wurde aber, wie es seiner Art entsprach, in dem Moment von der Hitze erfaßt, als Charlotte dem Machtwort ihres Vaters, der von der Verbindung nichts wissen wollte, gehorchen zu wollen erklärte. Erst die räumliche Trennung ließ die Temperatur seiner Gefühle rasch wieder sinken und ihn schriftlich einen gedeckten Rückzug antreten. Indessen wurde das scheinbar abgeschlossene Intermezzo für sein künftiges Leben noch bedeutsamer, als er damals ahnen konnte, denn vierzehn Jahre später sollte dieselbe Charlotte, die er in Paris wieder traf, tatsächlich seine zweite Frau und er ihr dritter Gatte werden.

Diese Herzensangelegenheit spielte noch, als Benjamin mit dem bereits erwähnten, auf unbestimmte Zeit gewährten Urlaub des Herzogs im Sommer 1793 Braunschweig abermals verließ, um nach der Schweiz zurückzukehren. Wie früher, hielt er auf dem Wege nach Lausanne zunächst in Colombier kurze Einkehr, blieb dann mehrere Monate bei seinen Verwandten am Genfersee und hielt sich vom Dezember bis zum Frühjahr 1794 in Neuchatel auf, wo ihm Frau von Charrière auf seinen Wunsch einige Wohnräume gemietet hatte. Seine Bibliothek und seine Möbel waren hier aus Braunschweig bereits eingetroffen, denn er rechnete fest damit, seine Zelte dort bald gänzlich abbrechen zu können. In Lausanne fand er das gesellschaftliche Leben durch den Zufluß zahlreicher Emigranten einigermaßen verändert, die übrigens gerade hier, wo man mit der Revolution sympathisierte, eine kühlere Aufnahme fanden, als irgendwo sonst. Anfangs Dezember siedelte er, da seine Rückkehr nach Braunschweig bei dem dortigen Stand der Dinge noch nicht opportun erschien, nach Neuchatel-Colombier über, um volle vier Monate dort zu verweilen.

Es war die längste Zeit, die er je bei Frau von Charrière verbrachte, und zugleich die letzte, die ihn mit ihr bei ungetrübtem Einvernehmen finden sollte. Ihre freundschaftliche Intimität, bei der sie nach wie vor, wenn auch unvermerkt, der führende und überlegene Teil war, hatte – alle ihre Briefe legen dafür Zeugnis ab – wieder ganz die alte Stärke und war der jetzt Vierundfünfzigjährigen so sehr wie je ein Bedürfnis und ein Halt in ihrem innerlich vereinsamten, durch zunehmende körperliche Leiden beschwerten Leben. Benjamins Quartier befand sich in dem alten Schlosse von Neuchatel, in dem einige dreißig Jahre vorher der Lord-Marschall Keith, der Bruder des Feldmarschalls und Freund Friedrichs des Großen, als preußischer Gouverneur residiert hatte: hier wartete er die entscheidenden Nachrichten ab, die ihn nochmals nach der Welfenresidenz zurückrufen sollten.

Dem kleinen Kreise, der die Herrin von Colombier umgab, hatten sich kurz zuvor zwei neue Ankömmlinge angeschlossen: Therese Forster, die Gattin Georg Forsters, und Ludwig Ferdinand Huber, der einstweilen noch ihr und ihrer Kinder Beschützer war, bald aber, nach Forsters Tode, ihr anderer Gatte werden sollte. Beide hatten in Bôle bei Neuchatel eine Zuflucht gesucht, nachdem sie gleichzeitig und im Einverständnis mit Forster, der in Paris seine verhängnisvolle politische Mission erfüllen zu müssen glaubte, ihren Wohnort Mainz verlassen hatten, und Frau von Charrière nahm sich ihrer mit tätigem Interesse an, das freilich mehr ihrem Schicksal und ihrer ganzen Situation galt, als ihren Personen. Sie bemühte sich besonders, ihnen literarische Einnahmequellen zu erschließen, und Huber, der der Regierung des Fürstentums Neuenburg als Jakobiner verdächtig und von Ausweisungsgefahren bedroht war, hat ein paar Jahre lang außer anderen französischen Werken besonders die Romane und Dramen Frau von Charrières aus dem Manuskript ins Deutsche übertragen und im Druck erscheinen lassen. Auch Constant wandte dem heimatflüchtigen deutschen Paare seine wärmste Sympathie zu. Er scheint Huber – der bekanntlich mit Schiller in dessen Leipziger Zeit nahe befreundet und mit Körners Schwägerin Dora Stock eine Zeitlang verlobt gewesen war – schon vor dem Zusammentreffen in Neuchatel flüchtig kennen gelernt zu haben: jetzt schloß er sich freundschaftlich nahe an den deutschen Publizisten an, und blieb auch späterhin mit ihm in brieflichem Verkehr, als jener mit den Seinen nach Deutschland zurückgekehrt und in Ulm Redakteur der von Cotta eben neugegründeten »Allgemeinen Zeitung« geworden war.

Ein Brief Therese Hubers aus späteren Jahren, in dem sie von jenen Neuchateler Tagen spricht, gibt den Eindruck wieder, den sie als Augenzeugin von Benjamin Constant und seinem damaligen Verhältnis zu Frau von Charrière empfing. »Constant«, lautet ihr Bericht, »ist höchst liebenswürdig, libertin ohne corruption, ohne Häuslichkeit, ohne Ordnung, ohne Tätigkeit, mit der größten Leichtigkeit alles zu entbehren, wie ein petit greffier seine Knöpfe selbst anzunähen und seine Suppe selbst zu kochen, voll Kenntnisse, voll rastlosem Trieb zu Geschäften, und bei diesen Widersprüchen eine wehmütige Anerkennung von dem, was reines einfaches häusliches Glück ist. Wie Madonna an den Toren des Himmels sah er mit stillem Schmerz Hubers und mein Glück. Eine schlanke Gestalt. Grazie mit gaucherie, edle Züge bei Häßlichkeit, jugendliche Männlichkeit bei einem teint blaffard und rotem Haar, das mir seitdem immer lieb ist. Ein verfehltes, durch die Welt zerstörtes Geschöpf, dessen Anlagen aber so schön sind, daß der Stempel der Gottheit nie ganz verwischt war. Frau von Charrière fand ihn in Paris, wo er durch kindische Unvorsichtigkeit, gutherzige Verschwendung verarmt, zugrunde gerichtet war, und aus Eigensinn oder was weiß ich« – (man sieht, daß Therese über Benjamins Jugendgeschichte nur oberflächlich unterrichtet war oder sie wieder vergessen hatte) – »sich mit seinen Vormündern nicht verständigte. Sie riß ihn heraus, rettete durch die zärtlichste Pflege seine Gesundheit, seine Existenz – und Benjamin im vierundzwanzigsten Jahr und diese wundervolle Frau im ... dreiundvierzigsten? machten mein Herz klopfen mit dem graziösen Ausdruck von Liebe – so empfanden wir – sagten meine Blicke, die erstaunt Hubers Blicke aufsuchten. Das ist mir Phänomen, es widerstreitet meinem Gefühl, meinen Grundsätzen, aber ich erlebte es. Sie war, wie ich sie kennen lernte, der Gesellschaft satt; die ängstliche mediocrité der Menschen um sich, der ewige Widerspruch, den ihre Wünsche, ihre Gewohnheiten, ihre Ansichten überall und auch in ihren nächsten Umgebungen fanden, ihr stets getäuschtes Herz, ihr nahendes Alter hatten sie difficile gemacht. Sie war kühn, wie nur möglich ist, in allen Urteilen, und dennoch mit nationeller französischer konventioneller Beschränktheit, innig, despotisch, großmütig, stets edel im größten Unrecht, edel wie ich niemand kannte, rastlos tätig, schneidend im Urteil, oft zynisch in der Darstellung (sollte das nicht Folge von kalten oder überwältigten Sinnen sein können?) aber hinreißend, wenn sie gewinnen wollte.«

Aus Braunschweig erhielt Constant inzwischen nur spärliche Nachrichten über den Fortgang seiner Angelegenheiten, mit deren Wahrnehmung sich der ihm wohlsinnte Minister Herr von Féronce befaßte. Es war ersichtlich, daß er selbst an Ort und Stelle zurückkehren mußte, um die Dinge so oder so zur Entscheidung zu bringen. Anfang April verließ er Neuchatel ohne Frau von Charrières Vorwissen, von der er sich, um sie zu schonen, brieflich verabschiedete, und traf Ende des Monats wieder in Braunschweig ein. Hier hatte die Gegenpartei, die auf seiten seiner Frau stand, dafür gesorgt, daß alle möglichen ungünstigen Versionen über ihn im Umlauf waren. Wilhelmine im besonderen hatte sich nicht gescheut, dem erbprinzlichen Paare Briefe ihres Gatten auszuliefern, worin er sich von Holland aus, zur Zeit, da die Prozeßaffäre seines Vaters spielte, über den Prinzen-Statthalter von Oranien seiner Frau gegenüber in den abfälligsten Ausdrücken geäußert hatte. Da der Prinz-Statthalter der Vater der Erbprinzessin war, die häufig in Holland weilte, und zwischen Holland und der französischen Schweiz damals zahlreiche und nahe gesellschaftlich-militärische Beziehungen existierten, stand auch Constants Reputation in der Heimat auf dem Spiel, wenn er diesen Machenschaften nicht die Stirn bot und der Welt zeigte, daß sein Weggang aus Braunschweig durchaus freiwillig und der schuldige Teil bei seiner Scheidung seine Frau allein war. Er fand sich bei der Rückkehr vom Herzog mit Auszeichnung aufgenommen, der trotz aller Intriguen nach wie vor wünschte, ihn an seinem Hofe zu halten, aber da die Tage des regierenden alten Herrn gezählt schienen und der Thronfolger ihm offen feindlich gesinnt war, ließ sich Constant durch die ihm gemachten Anerbietungen nicht halten, und so konnte die Scheidung endlich in aller Form beim Konsistorium anhängig gemacht werden. Der Sühnetermin vor dieser Behörde im Juli 1794 war zugleich die letzte persönliche Begegnung der beiden Gatten: gleich nachher verließ Benjamin die Stadt, in der er mit Unterbrechungen sechs Jahre gelebt hatte, und in der er einige wenige gute Freunde und sehr viele häßliche Erinnerungen zurückließ. Auch Charlotte von Marenholtz, deren glühende Briefe nach der Schweiz er kühl und kühler beantwortet hatte, sah er nicht wieder: sie empfing ihn nicht, als er ihr seinen Besuch machen wollte. Auch ihre Scheidung wurde bald nachher vollzogen, und sie sowohl als Herr von Marenholtz gingen später neue Ehen ein.

Das Kapitel Wilhelmine sollte mit der Ausgangs des Jahres auch formell ausgesprochenen Scheidung zu Ende sein. Constant hatte mehr getan, als seine Pflicht war, und seiner Gattin eine hinreichende Rente ausgesetzt. Diese selbst wurde durch höhere Weisung veranlaßt, zunächst für einige Jahre ihren Wohnsitz außerhalb Braunschweigs zu nehmen. Nach ihrer Wiederkehr dorthin lebte sie noch einige dreißig Jahre in Zurückgezogenheit und starb im Jahre 1826.


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