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Eine fast schoene
und kurzwellige Histori
von der schoenen Magelona,
eines Koenigs Tochter von Neapel, und
einem Ritter, genannt Peter
mit den silbernen Schluesseln,
eines Grafen Sohn
aus Prouincia.

 

Das erste Kapitel

Wie einstmals ein Turnier geschah durch die Edlen und Freiherrn des Grafen von Prouincia.

Die Freiherrn und Edlen des Landes hielten eines Tages ein Turnier, in welchem Peter erlanget den Preis vor allen anderen, wiewohl viel fremde und geuebte Ritter auch dabei waren, die alle nach dem gehaltenen Turnier von dem Grafen geehret wurden, von wegen seines Sohnes. Denn sein Geruecht weit erschall, wie seines Gleichen nicht waer, und redeten also mancherlei miteinander; insonderheit ließ sich einer vernehmen von der schoenen Magelona, des Koenigs zu Neapel Tochter, deren Gleichen nicht sollt gefunden werden von Schoenheit und Tugend. Es uebten sich auch viel in Ritterspielen, ihr damit verhoffend zu gefallen.

 

Das zweite Kapitel

Wie Peter ausreitet, die schoene Magelona zu besehen.

Und es begab sich eines Tages, da kam einer zu dem Peter und sagete ihm also: »Ihr sollt wandern und die Welt suchen und Euch ueben in Ritterspielen, damit Ihr weiter bekannt werdet. Und ohne Zweifel, so Ihr mir also folget, werdet Ihr einen schoenen Buhlen ueberkommen.« Da solches Peter vernahm, dieweil er auch vor von der schoenen Magelona gehoeret, satzte er ihm selbst fuer mit seinem edlen Herzen, so er moechte Urlaub haben von Vater und von Mutter, zu folgen, um die Welt zu erfahren. Nicht lang darnach, als der Hof vergangen, gedachte Peter, wie er's anfangen wollt, damit er Urlaub von Vater und Mutter erlangen moechte, die sich seines Hinwegscheidens gar nicht versahen. Es begab sich eines Tages, daß er Vater und Mutter bei einander sah sitzen, gedachte er da um Urlaub zu bitten, fiel auf seine Knie nieder und sprach zu ihnen: »Gnaediger Herr Vater und gnaedige Frau Mutter, ich bitte Euch untertaeniglich, mich als Eueren Sohn zu hoeren. Ich sehe und erkenne, wie Ihr mich bisher erzogen und in großen Ehren gehalten, auch viel verzehret von dem Euren, mich aber nicht gebrauchet, etwas zu erlangen und bekannt zu werden, wie die andern Herren. Hierum bitte ich, so es Euch nicht entgegen, mir gnaediglich zu erlauben, der Welt Lauf zu erfahren, dann mich gedaeuchte gaenzlich, es wuerde Eure Ehr und mein großer Nutzen sein. Darum mein allerliebster Herr Vater und Frau Mutter, ich bitte Euch demuetiglich, Ihr wollet mir gnaediglich und gutwilliglich erlauben.« Als der Graf und die Graefin solchen Willen ihres Sohnes vermerkten, wurden sie nicht ein Kleines beschweret und traurig; doch antwortet ihm sein Vater und sprach: »Peter, lieber Sohn, Du weißt wohl, daß wir keinen andern Sohn haben, denn allein Dich einigen, auch sonst keinen Erben, denn Dich; so stehet alle unsere Hoffnung und Trost zu Dir. So es Dir denn mißlinge, da Gott lange vor sei, wuerde unsere Grafschaft und Herrschaft ganz verloren werden.« Auch sagt ihm seine Frau Mutter: »Liebster Sohn, es ist Dir nicht vonnoeten, zu suchen die Welt; denn diejenigen, so die Welt suchen, tun es um Geld und Reichtums willen, dardurch auch der Fuersten und Herrn Gnad zu erlangen. So hast Du von Reichtum und Ehren, in Waffen und Ritterschaften, Adel, Freundlichkeit und Schoenheit so genug als kein Fuerst dieser Welt. Du hast auch ein gut Geruecht ueberall durch Deine Tapferkeit erlangt, zudem eine schoene Landschaft, Gott sei gelobet. Warum begehrest Du denn ander Gut zu erlangen; zeige nun doch an die Ursachen, warum Du deß Willens seiest, uns also zu verlassen. Siehe an Deines Vaters und mein selbst Alter und betrachte, wie wir doch auch sonst keine andere Freude noch keinen anderen Trost haben, denn allein von Dir; und so keine andere Ursach waere, Dich in Deinem Fuernehmen zu verhindern, gedaeuchte mich solches genugsam sein. Hierum bitte ich Dich, liebster Sohn, als viel eine Mutter ihr Kind bitten kann, Du wollest Hinwegscheidens fuerder geschweigen.« Als Peter solchen Willen seines Vaters und Mutter vermerket, ist er sehr erschrocken, jedoch hat er mit untergeschlagenen Augen auf ein Neues angefangen und gesagt: »Ich bin derjenige, der Euch gehorsam und willig in allen Dingen sein will, jedoch so es Euer beider Wille waere, bitte ich nochmals von Euch beiden gnaedige Erlaubnis; indem werdet Ihr mir einen großen Gefallen tun, denn ein junger Mensch mag nichts Besseres tun, als sich ueben und die Welt durchsuchen. Derhalben ich wieder auf das Untertaenigste bitte und begehr, meines Hinwegziehens keine Beschwerung zu tragen, sondern in Frieden stehen.«

 

Das dritte Kapitel

Wie der Graf und die Graefin ihrem Sohn Peter erlaubten, die Welt zu erfahren.

Da der Graf und die Graefin solchen Fuersatz und Willen ihres Sohnes vernahmen, wußten sie nicht, was ihnen hierinnen zu tun geziehmen wollt, ihrem Sohn sein Bitt und Begehr abzuschlagen oder zuzulassen. Denn ihr Sohn blieb also auf den Knien, beider Antwort zu hoeren, und als er vermerket ihr langes Stillschweigen, fienge er wieder an zu bitten also: »Allerliebster Herr Vater, meine untertaenigste Bitte ist noch einmal, Ihr wollet mir gnaediglich erlauben.« Sagt sein Vater zu ihm: »Liebster Sohn, dieweil Du also einen gewissen Willen hast, die Welt zu sehen, so geben Deine Frau Mutter und ich Dir ein gnaedig Erlaubnis; doch gedenke, daß Du nicht uebel handelst und tust, das dem Adel entgegen sei. Habe Gott den Allmaechtigen lieb vor allen Dingen, demselbigen diene allewegen, und huete Dich auch vor boeser Gesellschaft und komme als zierlich herwieder. Nimm auch Pferde und Harnisch, Gold und Silber von den meinen, als viel Dir vonnoeten will sein.« Da solches der Peter von Vater und Mutter gehoeret, dankt er ihnen beiden auf das untertaenigste. Indem nahme ihn seine Frau Mutter auf einen Ort und gab ihm drei koestliche und huebsche Ringe, welche eines großen Gelds geschaetzt wurden. Als er dieselbigen empfangen, danket er auf das Demuetigest seiner Frau Mutter und bereitet sich auf die Fahrt, nahm mit ihm Edel und Unedel, ihm zu dienen. Nachmals nahm er Urlaub von Vater und Mutter, die ihm befahlen, gute Gesellschaft zu suchen und die boese zu fliehen. Er sollt auch ihrer beider eingedenk sein. Also zog Peter auf das Heimlichst, so viel ihm moeglich war, hinweg und ritt also lang, bis er kam in die Stadt Neaples, da der Koenig Magelon, der schoenen Magelonen Vater, Hof hielt mitsamt seinem Gemahl und seiner Tochter, und zog zur Herberg auf einen Platz, welcher auf den heutigen Tag genannt wird der Fuerstenplatz. Da er nun in die Herberg kam, befraget er sich der Gewohnheiten des koeniglichen Hofs und begehrt von seinem Wirt unterrichtet zu werden, ob auch fremde namhaftige Ritter am Hof waeren. Darauf zeiget ihm sein Wirt an, es waere vor kurzen Tagen einer an Hof kommen, dem der Koenig große Ehr beweiset von wegen seiner großen Mannheit, mit Namen Herr Heinrich von Crapana genannt, welchem zu Gefallen der Koenig haett bestellet ein Rennen und Turnieren auf den naechsten zukuenftigen Sonntag. Da fragt weiter Peter seinen Wirt, berichtet zu werden, ob auch die fremden Renner und Turnierer zugelassen wuerden. Antwort ihm sein Wirt: »Ja, gern, doch daß einer geruest nach aller Notdurft auf die Bahn komme.«

 

Das vierte Kapitel

Wie Peter kam auf die Bahn, Ritterspiel zu ueben, und stellet sich auf das niedrigest Ort der Bahn, als ein Fremder und Auslaender.

Den nachfolgenden Sonntag stunde der Peter fruehe auf, denn er begehrt die schoene Magelona auch zu sehen, und hoeret Predigt. Er ließ ihm auch seine Pferde mit aller Zubehoer versehen, desgleichen auch seine Kleidung; denn er war willens, auf denselbigen Tag Ehre einzulegen; ließ sich machen zween silberne Schluessel auf seinen Helm, dabei er mocht erkannt werden in der Ehr des Himmels-Fuersten S. Peters des Apostels, denn er liebet ihn, auch dieweil er den Namen von ihm truege. Die obgenannten Schluessel waren sehr koestlich, auch eines großen Geldes geschaetzet. Er ließ sich auch Schluessel machen auf alle seine Decken seines Pferdes. Da sich nun die Zeit nahet, auf die Bahn zu reiten und der Koenig mit seinem Gemahl und der Tochter, auch anderen Jungfrauen zu Morgen gegessen, stiegen sie auf einen Schaustuhl, dem Rennen und Turnieren zuzusehen. Also kam Peter mit samt einem Knecht und Knaben auf die Bahn gezogen und hielt am niedrigsten Ort der Bahn, denn er war fremd und unbekannt, so kannt ihn auch niemand, der ihn herfuer gezogen und oben an gestellt haett. Als nun die Zeit kam, die Ruestung zu tun, von Jungfrauen und Frauen in der Ordnung zu erzeigen, kam ein Herold, rufet auf Befehl des Koenigs diesergestalt: Welcher da in Willens waere, vonwegen Jungfrauen und Frauen einen Spieß zu brechen und Ritterspiel zu ueben, der sollte auf die Bahn ziehen. Als solches geschehen, kam herfuergezogen auf die Bahn Herr Heinrich von Crapana; gegen demselben zoge einer von des Koenigs Dienern, den traf Herr Heinrich wohl, daß er am Sattel hing, brach also seinen Spieß wohl. Es begab sich aber, indem, als des Koenigs Diener also getroffen, daß er seinen Spieß von sich warf, und begab sich ungefaehr, daß derselbige Spieß Herrn Heinrichs Pferde zwischen die Fueße kam, von welchem das Pferd ward genoetiget zu fallen mit Herrn Heinrichen von Crapana; so huben an die Freunde des Dieners zu sagen: Herr Heinrich waere redlich gefallen. Das taet Herr Heinrichen sehr verdrießen und wollt darnach nicht mehr treffen. Zum anderen Mal rufet der Herold auf Befehl des Koenigs: wo ein anderer waer, der Lust hatte, einen Spieß zu brechen, der sollt auf die Bahn ziehen. Als solches der Peter vernahm, zog er auf die Bahn wider den Koenigischen, der mit Herr Heinrichen gestochen haett und gesagt, er haette Herr Heinrichen redlich herabgestochen, von welcher Red der Peter zornig und bewegt ward, denn Herr Heinrich ein beruehmter Renner war. Traf der Peter den Koenigischen also, daß er sich nicht erhalten mocht, sondern Mann und Pferd auf einem Haufen lagen, daß sich alle Umstaender und Zuseher solches Treffens taeten verwundern. Als solches der Koenig gesehen, lobete und preisete er den Ritter mit den Schluesseln und haette gern erfahren, wer solcher Ritter gewesen war. Also schicket er ihm bald einen Herold, an ihm zu erfahren, wer er waere. Als nun der Herold zu dem Peter kam, zeiget er ihm an, wie er vom Koenig seinem Herrn gesandt waere, zu erfahren, wer er war und wes Landes. Saget der Peter dem Herold: »Du sollst sagen dem Koenig, Deinem Herrn, und ihn bitten von meinetwegen, er wolle keinen Ungefallen darob haben, so ich ihm meinen Namen zu wissen verhalte; denn ich habe es gelobet, keinem Menschen zu bekennen, wie ich heiße. Doch sage dem Koenig also: ich heiß ein armer Edelmann aus Frankreich und suche die Welt, von Jungfrauen und Frauen Preis und Lob zu erlangen.« Also kam der Herold wieder zu dem Koenig und zeiget ihm an, was er von dem Peter gehoert und gesehen haett. Da solches der Koenig verstund, ward er zufrieden und zueignet solche Antwort einer Hoeflichkeit, dieweil er nicht wollt beruehmt sein. Und darnach fieng es der Peter recht an, denn ein jeder das Best zu tun sich unterstund mit ganzem Fleiß, jedoch auf das kuerzeste; darum taet der Peter sich herfuer und rennet die Fremden alle ledig ab. Aus solchem der Koenig und alle andere ihm das Lob gaben, wie daß er haett das Beste getan, und behielt den Preis; jedoch haett' der Koenig gern gewueßt (so viel ihm moeglich), wer er gewesen, desgleichen auch alle Umstaender. Das Geruecht ging auch unter den Jungfrauen und Frauen von diesem Ritter mit den silbernen Schluesseln, auch haett die schoene Magelona große Acht auf den Peter und kunnt sein nicht vergessen. Da es nun ein Ende nahm, zog jedermann in seine Herberge, und erhielt Peter den Preis von maenniglich. Als er nun von der Bahn nach seiner Herberg zog, kam zu ihm Herr Heinrich von Crapana, desgleichen andere mehr und geleiteten ihn in seine Herberg. Und in derselben Stunde ueberkam Herr Heinrich eine große Liebe zu dem Ritter mit den silbernen Schluesseln und blieben darnach gute Gesellen.

 

Das fuenfte Kapitel

Wie viel Rennen und Stechen gehalten wurden auf Befehl des Koenigs von wegen seiner schoenen Tochter Magelona.

Viel Turniere, Rennen und Stechen befahl der Koenig von Neaples auf Ansuchen seiner lieben Tochter, der schoenen Magelona, die ihn sehr alleweg bat aus Liebe, die sie zu dem Ritter mit den silbernen Schluesseln trug, doch verborgen. Wenn denn der Koenig den Ritter mit den silbernen Schluesseln ansichtig war, gefiel er ihm allenthalben wohl, sonderlich von wegen seiner Tugend, Adels und Hoeflichkeit, und sprach zuweilen wider sich selbst: »Fuerwahr, dieser Ritter wird nicht eines kleinen Geschlechts sein, denn all sein Wesen nichts anderes anzeiget: Er ist auch wuerdig, daß wir ihm mehr Ehr erzeigen, denn bisher ihm von uns ist widerfahren.« Auf das befahl der Koenig etlichen seines Hofgesindes, sich zu befleißen, zu erfahren, wer er waere, und ihm solches darnach anzeigen; das sie zu tun bewilligten. Es begab sich eines Tages, daß der Koenig ihn zum Mittagsmahl fordert, mit ihm zu essen, auf daß er ehrlich gehalten wuerde. Des war der Ritter sehr erfreuet, der Hoffnung, die schoene Magelona, des Koenigs Tochter, baß zu besehen, denn er sie vor nicht wohl besehen haette. Als nun die Zeit war, zu essen, kam der Ritter mit den silbernen Schluesseln, den hieß der Koenig, sein Gemahl und seine liebe Tochter, die schoene Magelona, auch zu ihm an seinen Tisch sitzen, allein dem Ritter zu Gefallen, ihm große Ehre damit zu erzeigen. Da sie nun alle zu Tisch gesessen, ward der Ritter gegen der schoenen Magelona ueber gesetzet. Nun war die Mahlzeit von fremden Essen aufs Beste bestellet, aber der Ritter achtet des Essens wenig, denn er allein mit seinem Herzen geflissen war, die schoene Magelona genugsam zu besehen und in ihm zu bedenken die uebertreffliche Schoene der Jungfrauen, des Koenigs Tochter, und setzet also sein Gesicht auf sie und gedachte in seinem Herzen, es waere keine schoenere auf Erden denn die schoene Magelona. Also war er entzuendet in ihrer Liebe und gedachte, einer muß selig sein, der ihr Liebe ueberkommen moecht. Doch schaetzet er sich nicht als denselben, dem es widerfahren moecht, und hielt ihms selber fuer unmoeglich, daß ihm solch Glueck begegnen sollt. Nichts destoweniger, wie ihm geschah, also ward auch der schoenen Magelona in ihrem Herzen von dem Ritter. Als sie nun gessen hatten, geschah mancherlei Spiel und Kurzweil auf dem koeniglichen Saal und ging der Koenig samt seinem Gemahl, der Koenigin, kurzweilen, gab auch seiner lieben Tochter, der schoenen Magelona, Macht und Erlaubnis, mit dem Ritter auf dem Saal zu reden. Also begab es sich, daß die schoene Magelona freundlich den Ritter mit den silbernen Schluesseln zu ihr rufet.

Da solches der Peter vernahm, kam er schnell und willig. Da sprach sie zu ihm: »Edler Ritter, mein gnaediger Herr Vater, der Koenig, hat einen großen Gefallen in allem Eueren zuechtigen Wesen, desgleichen auch die anderen alle, die hierum sein, auch von wegen Euerer ritterlichen Taten, Tugenden und adelichen Gemuets; darum bitte ich Euch, kommt oft her, Kurzweil zu machen, denn mein Herr Vater, desgleichen meine gnaedige Frau Mutter und alle anderen haben ein groß Gefallen an Euch, auch ich mitsamt andern Jungfrauen und Frauen.« Als nun solches der Ritter von der schoenen Magelona verstanden hatte, antwortete er ihr zuechtiglich: »Gnaediges Fraeulein, mir ist nicht allein moeglich, Eurem Herrn Vater, dem Koenig, meinem gnaedigen Herrn, desgleichen meiner gnaedigen Frauen, Euer Gnaden Frau Mutter, zu danken der Ehren, so mir von ihren Gnaden unverdienet erzeiget werden, auch Euere Gnaden mir als einem armen Diener eines niedrigen Standes so viel Ehren erzeiget; ich habe es auch nicht verdienet genennet werden ein geringster Diener Euerer Gnaden Hofgesindes. Jedoch, Hochgeborenes gnaediges Fraeulein, ich tue Eueren Fuerstlichen Gnaden demuetiglich danken mit Erbietung, solches zu verdienen; ich will auch Eurer Gnaden nun allwegen untertaenig sein, es sei gleich wo es wolle.« Da antwortet ihm die schoene Magelona: »Ich bedank mich Eures Erbietens und will forthin Euch fuer meinen Diener halten.« Nach diesen Worten ging die Koenigin in ihre Kammer und die schoene Magelona mit ihr, wiewohl ungern, doch am Abscheiden saget sie zu dem Ritter: »Edler Ritter, ich bitte Euch freundlich, Ihr wollet oft herein kommen zu kurzweilen. Denn ich haette wohl etwas mit Euch im Geheimen zu reden von Ritterspielen und anderem, so in Euerer Heimat geschehen, und mich beschweret nicht ein wenig, daß ich diesmal nicht Zeit habe, mit Euch zu reden.« Nahm also von ihm Urlaub und sahe ihn ganz freundlich an, mit welchem Ansehen er tiefer verwundet ward in seinem Herzen, denn vormals. Also ging die schoene Magelona in ihre Kammer mitsamt anderen Jungfrauen. Der Koenig blieb bei den Herren auf dem Saal stehen und redet mit ihnen mancherlei. Da kam er zu dem Ritter mit den silbernen Schluesseln und bat ihn freundlich, so es ihm nicht entgegen waer, er wolle ihm seinen Namen anzeigen, auch seinen Stand. Aber er koennt nichts anders von ihm erfahren, denn er waer ein armer Edelmann aus Frankreich, zoege, die Welt zu beschauen und Ritterspiel zu ueben. Als solches der Koenig von ihm verstanden hatte, ließ ers auch darbei bleiben und hielt es ihm fuer eine große Tugend und adeliches Gemuet und wollt ihn weiter nicht fragen. Denn er wohl merket, daß es ihm entgegen war. Also nahm der Koenig Urlaub und ging zu seiner Ruhe. Desgleichen nahm der Ritter Urlaub von dem Koenig und andern Herrn und ging wieder in seine Herberg.

 

Das sechste Kapitel

Wie der Peter betrachtet die uebertreffliche Schoene des Koenigs Tochter.

Da nun Peter in seine Herberg von dem Koenige kam, ging er an ein heimlichs verborgenes Ort und fing an zu betrachten und zu Herzen fuehren die freundliche Rede und gnaediges Ansehen, auch die uebertreffliche Schoene des Koenigs Tochter, der schoenen Magelona, mit welcher sie gezieret war. Alsbald die schoene Magelona in ihre Kammer war kommen, taet sie nicht viel weniger von dem Ritter zu gedenken und haett gern gewußt, wer er waer und wie er hieße, und gedacht, so er eines großen und hohen Geschlechts waere, wollt sie ihn desto lieber haben und sehen, dieweil er von ihretwegen an Hof war kommen, und gedaeuchte sie wohl, er waer nicht also gering, als er sich schaetzet, auf Anzeigung seines zuechtigen und adelichen Wesens; und nahm sich fuer, in großem Geheim ihre Liebe, die sie zu ihm trug, zu offenbaren ihrer Amme, die ihr sonderlich und heimlich getreu war. Eines Tages nahm sie dieselbige Ammen und sprach zu ihr: »Meine allerliebste Amme, Du hast mich allwegen lieb gehabt und mir große Liebe erzeiget, darum ich in keine Person dieser Welt also großes Vertrauen setze als auf Dich; hierum will ich Dir etwas sagen, bitte allein, Du wollest es heimlich halten und mir Deinen getreuen Rat mitteilen, will ich Dir's nimmermehr vergessen.« Also fing die Amme an und sprach zu ihr: »Meine allerliebste Tochter, ich weiß in dieser Welt nichts, das Ihr von mir begehret, ich wollt es gerne tun, und sollt ich darum sterben; derhalben saget mir es kecklich und eroeffnet mir Euer Herz und Gemuete ohn alle Furcht.« Da fing die schoene Magelona an, zu ihr sprechend: »Ich habe mein Herz und Liebe ganz gesetzet in diesen jungen Ritter, der den vorigen Tag den Preis im Turniere erlanget hat; ich kann auch oder mag darvor weder essen, trinken, noch schlafen; und so ich auch erfuehr, daß er eines guten Herkommens waere, wollt ich alle meine Hoffnung auf ihn setzen und ihn zu meinem Gemahl nehmen. Hierum begehre ich zu erfahren seinen Stand und Wesen.« Als solches die Amme von der schoenen Magelona vernahm, erschrack sie nicht wenig und wußte nicht, was sie antworten sollte; doch saget sie wieder zu ihr: »Meine allerliebste Tochter und Fraeulein, was saget Ihr? Ihr setzet Euer Herz und Liebe in einen jungen fremden Ritter, der Euch zusamt den Seinen unbekannt. Vielleicht begehrt er nicht mehr, denn Eure Schmach und Schande und verließ Euch dann, so er solches zuwege gebracht haett. Darum bitte ich Euch, allerliebste Tochter und Fraeulein, Ihr wollet solche Gedanken aus Eurem Herzen schlagen und des nicht mehr gedenken. Denn wo solches Euer Herr Vater, der Koenig, erfuehre, moecht Eure Lieb toericht geacht und schaedlich werden.« Da dies alles die schoene Magelona von ihrer Ammen verstanden hatte und bemerkte, daß sie nicht nach ihrem Gefallen wollt verwilligen, ward sie ganz traurig in ihrem Herzen und Gemuet, denn die Lieb hatte sie ueberfallen und umgeben, daß sie ihr selbst nicht mehr maechtig war, und sprach: »Ach, meine liebste Amme, ist das die Liebe, die Du jetzt zu mir getragen hast? Willst Du, daß ich sterbe also elendiglich und das Ende meines Lebens vollende? Ach wehe, die Arznei ist nicht weit zu suchen, sondern ist stets nahe bei Dir, ich schicke Dich doch nicht also fern von mir, Du darfst keine Sorge vor meinem Herrn Vater und Mutter, auch mir haben, noch von niemands. Und so Du das tust, das ich Dich heißen will, so ist mir geholfen; wo Du mir aber nicht folgest, sollst Du mich bald in kurzer Zeit sehen vor Deinen Augen vor Unmut und Schmerzen sterben.« Da die schoene Magelona solches geredt, fiel sie in eine schwere Ohnmacht auf ihr Bett. Als sie aber zu sich selbst kam, sagte sie: »Wisse, liebe Amme, daß er eines großen Geschlechtes und Stammes ist, welches denn seine Tugend anzeigen, auch will er darum seinen Namen nicht anzeigen. Ich glaub auch gaenzlich, so Du von meinetwegen an ihn wuerdest begehren seinen Namen und Stand, er werde ihn Dir nicht verhalten.«

Als nun die Amme sahe an der schoenen Magelona die große Liebe, so sie zu dem jungen Ritter trug, troestet sie die schoene Magelona und sprach: »Meine allerliebste Tochter und Fraeulein, dieweil es Euer Begehr und Wille ist, will ich mich also befleißen, damit ich von euretwegen mit ihm rede und solches, wie Ihr mir aufgelegt, erfahre. Seid nur getrost und bekuemmert Euch nicht mehr.«

 

Das siebente Kapitel

Wie die Amme in die Kirche ging zu dem Ritter, mit ihm auf Befehl der schoenen Magelona zu reden.

Danach ging die Amme in die Kirchen, den Ritter zu suchen, und fand ihn allein betend und tat auch gleich, als betet sie. Alsbald sie aber das Gebet verbracht, erbot ihr der Ritter Ehre, denn er kennet sie wohl, er hatte sie vormals gesehen bei der schoenen Magelona. Da fing sie zu ihm an und sprach: »Herr Ritter, ich verwunder mich nicht wenig, daß Ihr Euren Stand und Wesen also heimlich haltet und verberget. Ich weiß wohl, daß mein gnaediger Herr, der Koenig, und Seiner Gnaden Gemahl eine große Freude haetten, und insonderheit die schoene Magelona, wenn sie wueßten, von wannen und wer Ihr waeret. Der schoenen Magelona solches zu wissen zu tun, wollt ich ihr es nicht verhalten; ich weiß auch, Ihr taetet in solchem ihr großen Gefallen, denn sie es ganz herzlichen begehret zu wissen.« Als der Ritter hoeret die Frauen also reden, ward er voller Gedanken, doch vermeinet er gaenzlich, solche Rede kaeme von der schoenen Magelona, gab ihr auch zur Antwort und saget: »Meine liebste Frau, ich sage Euch großen Dank, daß Ihr mit mir also freundlich geredt habt, desgleichen danke ich auch allen denjenigen, die meinen Namen zu wissen begehren und insonderheit meinem tugendreichen gnaedigen Fraeulein Magelona, welcher, so es Euch geliebet und unbeschwerlich, Ihr mich befehlen wollet; und sie meinetwegen bitten, sie woll keinen Ungefallen daran tragen, daß ich mich nicht offenbare; denn dieweil ich von Heimat bin gewesen, habe ich es keinem Menschen zu erkennen geben. Jedoch dieweil sie denn die Kreatur auf Erden ist, deren ich das Allerbest goenne in dieser ganzen weiten Welt, auch zu dienen und gehorsam zu sein erbietig, moeget Ihr also zu ihr sagen: Nachdem sie also herzlich begehret, zu wissen meinen Namen, soll sie wissen, daß mein Geschlecht groß und hoch geadelt ist, und bittet sie von meinetwegen freundlich, sie wolle an dem ein gut Genuegen haben. Und ich bitte Euch getreulich und auch aufs freundlichst, Ihr wollet von meinem kleinen Vermoegen ihr etwas mitbringen von meinetwegen, denn ich's selber nicht doerfte ueberantworten, daran tut Ihr mir einen großen Gefallen.« Gab ihr damit der drei Ring einen, die ihm seine Frau Mutter in seinem Hinwegziehen mitgeben haett, die eines großen Gelds wert geachtet wurden. Da sie solchen Ring von dem Ritter empfangen haett, saget sie zu ihm: »Edler Ritter, diesen Ring will ich ihr von Eurentwegen ueberantworten, auch daneben anzeigen, was wir miteinander geredet haben.« Also nahmen sie Urlaub von einander und schieden hinweg.

Die Amme ging froehlich von dem Ritter, darum, daß sie mit ihm war zu reden kommen, und redet mit sich selber also: »Es mag ihm also sein, als mir die schoene Magelona angezeiget hat, daß er eines großen Geschlechts sein sollte. Denn er ist aller Tugend, Zucht und Ehren voll.« Ging zu der schoenen Magelona, welche ihrer Zukunft mit großen Freuden wartete, zoge den Ring herfuer und ueberantwortet ihn der schoenen Magelona mit Anzeigung, was sie mit einander geredet haetten. Als die schoene Magelona des Ritters Erbieten haett verstanden und sahe auch den koestlichen Ring, den ihr der Ritter ueberschickt haett, sprach sie zu ihrer Ammen also: »Mein allerliebste Amme, habe ich Dir nicht vormals gesaget, er wuerde eines großen Geschlechts sein; denn mein Herz saget mirs, auch kannst Du wohl bedenken, ob ein solch koestlicher Ring moege eines Armen sein? Das wird mein Glueck sein und kann nichts anders werden; denn ich will und begehr, ihn zu haben, und kein Gedanken soll mir in mein Herz steigen noch kommen, einen andern zu, lieben und begehren, denn allein ihn. Denn von Anbeginn, als ich ihn am ersten ersahe, ergab sich mein Herz ihm allein. Ich erkenne auch, daß er mir zu Lieb und zu Gefallen hierher gekommen ist. Dieweil er denn eines hohen Geschlechts ist, ich auch weiß, daß er von meinetwegen hierher kommen und er der schoenste Ritter unter allen in dieser Welt ist, waere ich doch unhoeflich und eines harten Herzens, wenn ich ihn nicht wiederum lieb haette. Ich will auch ehe vor Schmerzen sterben, ehe ich sein vergesse und ihn verlasse. Derhalben ich Dich bitte, meine liebste Amme, Du wollest ihm mein Gemuet und Willen zu erkennen geben und in dem mir treulich raten, und damit ich meine großen Schmerzen linder mache, so bitte ich Dich, Du wollest mir diesen Ring lassen, denn ich im Ansehen große Freude habe.« Als solches die Amme von der schoenen Magelona vermerket, daß sie ihr Herz und Gemuet also bald wollt entdecken, ward sie traurig und sprach zu ihr: »Mein edelstes Fraeulein und Tochter, auch allerfreundlichstes Herz, ich bitte Euch fleißig, Ihr wollet solchem Fuersatz in Eurem edlen Herzen keinen Fuergang geben, denn es je nicht loeblich noch ehrlich waere, daß Ihr, als eine hochgeborene Fuerstin, Eure Liebe also schnell einem fremden unbekannten Ritter gebet.«

Da die schoene Magelona solche Straf von ihrer Ammen hoeret, mocht sie nicht laenger dulden noch verschweigen und sprach zu ihr mit bewegtem Gemuet: »Du sollst ihn hinfort nicht fuer einen Fremden schelten, denn ich auf Erdreich keinen Liebern hab, wird mir ihn auch niemands aus meinen Gedanken und Herzen reden. Darum bitte ich Dich freundlich, Du wollest hinfuerder dieser Worte geschweigen, als lieb ich Dir bin und meine Gnade.« Da die Amme das alles vermerket, wollt sie nicht mehr darwider reden; doch saget sie zu ihr: »Mein liebstes Fraeulein, was ich sage, tue ich um Euretwegen und Euch zu Ehren. Denn alle Ding, so unordentlich und unbedachtlich geschehen, kommen nicht zu Ehren, auch werden sie nicht gepreiset von denen, die es erfahren. Ich lobe es wohl, daß Ihr ihn lieb habet; denn er ist's wohl wuerdig; doch also, daß solches von Euch ehrlich und zuechtig geschehe, wie es sich denn gebuehret. Denn ich habe eine gute Hoffnung zu Gott dem Allmaechtigen, diese Dinge werden wohl geraten.« Als die schoene Magelona solche maechtige Rede von ihrer Ammen vernommen haette, ward sie ein wenig gestillet und saget ihr doch: »Meine allerliebste Amme, ich will alles tun, was Ihr mir raten werdet.« Dieselbige Nacht schlief die schoene Magelona nicht viel, mit ihrem Ringe, welchen sie zum oftermal kuesset, aus großer Liebe, mit herzlichem Seufzen an den Ritter gedenkend, ihren liebsten Freund; bis nahend dem Tag entschlief sie, und da sie entschlafen war, kam ihr fuer ein solcher Traum. Der Ritter und sie waeren allein bei einander in einem lustigen Garten, und sie sagte zu ihm: »Ich bitte Euch freundlich von wegen der Liebe, so Ihr gegen mir traget, Ihr wollet mir sagen, von wannen Ihr seid und was Geschlechts. Ich liebe Euch vor allen andern Menschen auf Erden; darum begehr ich's zu erfahren, wer der Ritter, dem ich meine Liebe geben, sei.« Auch gedauchte sie danach, der Ritter antwortet ihr: »Edles Fraeulein, es ist die Zeit noch nicht kommen, mich gegen Euch zu offenbaren. Darum bitte ich Euch, Ihr wollet mich solches ueberheben auf diesmal, denn Ihr sollt es noch in kurzer Zeit erfahren.« Weiter gedauchte sie, der Ritter gaeb ihr einen Ring, der waer koestlicher denn der erste, den er ihr bei der Ammen geschickt haelt. Und lag also die schoene Magelona schlafend in großem Gefallen bis auf den Morgen frueh. Und da sie erwachet, saget sie solchen Traum der Ammen, aus welchem Ansagen die Amme vermerket, daß sie all ihr Herz und Gedanken auf den Ritter geworfen haett, derhalben sie die schoene Magelona troestet auf das Beste, so sie koennt und vermocht.

 

Das achte Kapitel

Wie eines Tages der Ritter die Ammen in der Kirchen fand und ging zu ihr und saget ihr etwas Heimlichs.

Eines Tages taet der Ritter also großen Fleiß, daß er fand die Amme der schoenen Magelona in der Kirchen, mit welcher er wollt heimlich reden. Als sie ihn vernahm, ging sie zu ihm und zeiget an, wie die schoene Magelona ein großes Gefallen haett an dem Ring, den er ihr bei ihr zugeschickt und gesandt haette, und taet ihm auch freundlich danken.

Da antwortet ihr der Ritter und sprach: »Liebe Frau, ich habe den Ring Euch geben, nicht der schoenen Magelona; denn ich weiß wohl, daß solche kleine Gabe nicht wuerdig ist, einer solchen maechtigen Fuerstin zu ueberschicken, als die schoene Magelona, mein gnaediges Fraeulein, ist, Jedoch alles mein Leib, Gut und Vermoegen ist ihr. Auch wisset, liebe Frau, daß ihre uebertreffentliche Schoene mein Herz also gefangen und verwundet hat, daß ich es Euch nicht weiter verbergen kann. Darum ist es vonnoeten, Euch zu eroeffnen alles mein Anliegen. Und so sie mir nicht Gnad erzeiget, schaetz und acht ich mich fuer den unglueckhaftigsten Ritter in der ganzen Welt. Liebe Frau, ich sage Euch im großen Geheim mein Herz und Gemuet, denn ich weiß und erkenne, daß Ihr ein große Freundin seid der schoenen Magelona. So es nun Euch nicht entgegen waere, bitte ich freundlich, Ihr wollet mein Gemuet ihr anzeigen, wiewohl ich es nicht um Euch verdienet habe; doch bin ich Willens, solches noch treulich zu verdienen.« Da sprach sie zu ihm: »Ich danke Euch; ich will auch alles, so Ihr mir befehlet, ihr treulich anzeigen, verhoffe auch, eine gute Antwort Euch wiederum zu bringen. Doch kann ich nicht verstehen, wie Ihr solche Liebe vermeinet; denn so Ihr's verstuendet fuer eine toerichte und unzuechtige Lieb, so geschweiget hinfuerder und redet nichts mehr davon.« Da sprach der edle Ritter: »Ich muß eines boesen und unglueckseligen Todes sterben, so ich je an eine solche Liebe oder Schande gedacht habe, sondern ein ehrliche, zuechtige, holdselige, treuliche Lieb, darinnen ich ihr gern dienen wollte.«

Als die Amme solches gehoeret, saget sie: »Edler Ritter, ich verheiß Euch hiemit, alles auszurichten. Dieweil aber Ihr jetzunder mir anzeiget, Ihr wollet sie lieben aus getreuer Lieb, verberget Ihr denn Euern Namen und Geschlecht fuer ihr? Denn Ihr moegt vielleicht auch solches Adels und Geschlechts sein; es wuerde zwischen Euch beiden mit Gottes Hilf ein Ehe beschlossen, denn sie liebet Euch aus ganzem Herzen. Ja, ihr hat auch von Euch getraeumet, und wenn wir zwei bei einander allein sind, so reden wir von Euch.«

Da er solches hoeret, sprach er zu ihr: »Allerliebste Frau, dieweil Ihr mir also viel gesagt habt, bin ich hoechlich erfreuet worden und bitte Euch freundlich, Ihr wollet verhelfen, damit ich mit ihr zu reden kommen moege, so will ich ihr sagen mein Geschlecht und alles, so sie von mir begehret zu wissen. Ich verhoffe auch, so sie mich gehoeret hat, sie werde mich nicht verachten. Aber keinem andern Menschen sage ich's nicht, ausgenommen ihr allein.« Da sprach die Amme zu dem Ritter: »Ich will's ihr sagen, wie Ihr mich berichtet; ich will auch helfen, damit Ihr mit ihr zu reden kommt.« Da ward der Ritter noch sehrer erfreuet dieser Zusagung und sprach: »Liebste Frau, ich danke Euch Eures Erbietens und bitte Euch freundlich, so es Euch geliebet, Ihr wollet diesen Ring, der wenig geachtet ist, von meinetwegen ihr ueberantworten. Und so sie denselbigen von mir wird annehmen, werde ich es fuer eine sonderlich Gnade achten. Denn ich besorge, der vorige Ring sei nicht nach dem, als ihr wohl gebuehret. Ihr wollet mich auch ihr untertaeniglich befehlen.«

Da sprach die Amme: »Dieweil ich also erkennet hab Euer edel Herz, will ich ihn ueberantworten von Euretwegen, will damit Euch ihr befehlen und Fleiß fuerwenden, damit Ihr mit ihr zu reden kommt.« Da sprach der Ritter: »Ich danke Euch Euers Erbietens.«

 

Das neunte Kapitel

Wie die Amme wieder zu der schoenen Magelona kam.

Da die Amme also von dem Ritter aus der Kirchen ihren Abschied nahm, ging sie den naechsten zu der schoenen Magelona Kammer zu, welche sehr krank war von großer Liebe, die sie haett zu dem Ritter, und lag also zu Bett, denn sie mocht an keinem Ende Ruhe haben. Und alsbald sie die Ammen ersaehe, stund sie auf und sprach zu ihr: »Mein allerliebste Amme, bist mir willkommen. Ach weh, bringst Du mir nicht gute neue Zeitung von dem, den ich also sehr liebe? Fuerwahr, liebe Amme, gibst Du mir nicht einen treuen Rat, damit ich ihn sehe und mit ihm rede, so muß ich sterben.«

Als die Amme solche Rede vernahm, saget sie zu ihr: »Mein edeles Fraeulein und allerliebste Tochter, ich will Euch einen solchen Rat geben, davon Ihr sollt froehlich werden, und, ob Gott will, werdet Ihr erkennen und erfahren, daß ich Euch von Herzen lieb habe.« Da die schoene Magelona solches von ihrer Ammen hoeret, sprang sie vor großen Freuden ihres Herzens aus dem Bette auf das Erdrich, halset und kuesset sie und sprach zu ihr: »Mein allerliebste Amme, saget mir neue Zeitung.« Da fing die Ammen an, ihr zu sagen, wie der Ritter waer zu ihr kommen und haett gesagt und angezeiget den großen Willen, den er zu ihr trueg, daß er von Lieb schier moechte sterben, und saget: »Glaubet mir fuerwahr, allerliebste Tochter, habt Ihr von seinet wegen großen Schmerzen, so tragt er von Eurent wegen nicht weniger Schmerzen, und die Lieb, die er zu Euch gesetzt hat, ist treulich, zuechtig und ehrlich gegen Euch; darum ich denn erfreuet bin. Und wisset, meine allerliebste Tochter, daß ich nie gehoeret habe einen also jungen Ritter, der so weislich redet als er; ohne allen Zweifel wird er eines großen und hohen Herkommens sein. Hat auch diese Gestalt mit ihm: er begehret auf Erden nicht mehr, denn mit Euch allein zu reden im Geheim; da will er Euch alles sein Wesen und Anliegen entdecken. Er will auch tun, was Ihr ihm gebietet, und besticht sich Euch in aller Untertaenigkeit, bittend, Ihr wollet ihm einen Tag bestimmen und einen Ort, daß er Euch sein Herz und Gemuet eroeffnen moege. Denn er solches sonst keinem Menschen sagen will. Er bittet Euch auch, Ihr wollet diesen Ring gnaediglich von ihm annehmen und von seinet wegen behalten.« Da die schoene Magelona solche gute und froehliche neue Zeitung hoerte, auch den Ring sahe, der also schoen und koestlicher war denn der erste, da verwandlet sich ihre Farb vor Freuden und ward rot und saget zu der Ammen: »Das ist der Ring, davon mir getraeumet hat die vergangene Nacht, denn mein Herz saget mir nichts, das mir nicht geschehe, und glaub sicherlich ohn allen Zweifel, daß dieser Ritter ist, der mein Gemahel und Mann soll werden; ohn ihn kann ich kein Lust und Freude haben. Darum ich Dich freundlich bitt, Du wollest Rat suchen und erdenken auf das Best, so Dir moeglich, mit ihm zu reden, denn ich kann nicht laenger verziehen. Darum, mein allerliebste Amme, such Mittel, damit ich ihn sehen moege nach meinem Gefallen und mit ihm reden. Denn ich habe große Hoffnung, durch solche Mittel zu kommen zu einem guten Ende meines Begehrens. Ich verheiß Dir auch hiemit, Du sollst es nicht entgelten.« Da verhieß ihr die Amme, nichts zu sparen, und allen moeglichen Fleiß fuerzuwenden, damit dies alles ausgericht wuerde. Also blieb die schoene Magelona den ganzen Tag froehlich und besichtiget und behielt ihre Ring, so ihr von dem Ritter geschicket waren, und danket ihm in ihrem Herzen dieser Gaben; denn stecket sie die Ring an ihre Finger, nachmals kuesset sie die, und vertrieb also ihre Weil und Zeit damit.

 

Das zehnte Kapitel

Wie die Amme wieder mit dem Ritter zu reden kam.

Als es nun kam auf den anderen Tag, bemuehete sich die Amme, den Ritter anzusprechen, denn sie fand ihn in der Capellen, in welche er pfleget zu gehen. Und als er sie sahe, ward er fast froehlich, denn er erhoffete, etwas von der schoenen Magelona zu erfahren, stund auf und ging ihr entgegen, grueßet sie gar freundlich und hoeflich. Da antwortet sie ihm wieder und sprach: »Gott gebe und verleihe Euch zu ueberkommen, was Euer Herz begehret.« Danach fraget der Ritter, was die schoenste Magelona beginnet, und fraget, ob er in ihrer Gnad waere? Da antwortet die Amme ihm und sprach: »Edler und allerliebster Ritter, glaubet mir sicherlich, daß kein Ritter in dieser Welt jetzund ist, der Harnisch fuehret und Ritterspiel brauchet, der also gluecklich sei als Ihr. Selig ist auch gewesen die Stund, da Ihr hieher in dieses Land kommen seid, denn durch Euere redliche Tapferkeit habt Ihr erlanget und ueberkommen die schoenste Jungfrau in dieser Welt. Euch ist auch nie kein groeßer Glueck widerfahren, denn Ihr habt ueberkommen ihr Gnad und Lieb. Sie tut Euch danksagen um den Ring, den Ihr habt durch mich ihr ueberschicket, will ihn auch von Euret wegen behalten; sie begehret Euch auch herzlich zu sehen und freundlich mit Euch zu reden. Ich bin auch wohl zufrieden, daß solches geschehe, jedoch werdet Ihr mir verheißen bei Edelmannstreu und -Glauben, daß Eure Lieb nichts anders sei denn Zucht und Ehr, wie denn geziemet einem jeden eines hohen Stands.« Als solches der edel Ritter von der Ammen verstanden haett, taet er als einer, in dem alle Tugend waren, und kniet nieder auf die Erden und sprach: »Mein liebe Frau, ich verheiß und schwoere Euch hie vor Gott, meinem Schoepfer, daß meine Meinung und Gemuet nichts anders denn Zucht und Ehr; ich begehr auch nichts anders zu erlangen, so es Gottes Will waere, denn die Liebe der schoensten Magelona zum heiligen Sakrament der Ehe, solche zu vollenden nach Gebrauch der christlichen Kirchen; oder Gott helf mir nicht in dieser Welt. Amen.«

Da die Amme solch Geluebnis von ihm hoeret, gab sie ihm die Hand und zohe ihn wieder auf und sprach: »Fuerwahr, edler Ritter, Ihr habt einen solchen Eid getan, darum Euch billig zu glauben und zu vertrauen ist. Ihr sollt auch wissen, ich will solchen Euren Willen anzuzeigen der schoenen Magelona nicht lassen. Ich bitte auch den allmaechtigen ewigen Gott, er wolle Euch in diesem Fuersatz behalten, und so es sein goettlicher Wille war, moechte ich sprechen, daß in dieser Welt nicht werde gefunden ein Paar Volks, so edel und ehrliches, zuechtiges Wesens bei einander als Ihr beide. Und darum, edler Ritter, schicket Euch darauf und kommt morgen nachmittag durch das kleine Pfoertlein des Gartens zu der schoenen Magelona in ihr Kammer, welche wird allein mit mir darinnen sein; doch will ich auch die Kammer raeumen, daß Ihr beide allein bei einander seid, da redet und erzaehlet Euer Anliegen nach Eures Herzens Begehr.« Da solches der Ritter vernahm von der Ammen, ward er hoechlich erfreuet und dankt ihr der guten Botschaft, und schieden also von einander und kam die Amme wieder zu der schoenen Magelona und saget ihr alles, wie sie es mit dem Ritter ausgericht haelt und beschlossen. Da sie solches hoeret, danket sie dem Ritter mit herzlicher Begier.

 

Das elfte Kapitel

Wie der Ritter zu der schoenen Magelona kam durch das kleine Pfoertlein.

Den anderen Tag, als die Zeit und Stunde verhanden war, daß der Ritter zu der schoenen Magelona sollt kommen, nahm er der Stunden fleißig wahr und gedaucht ihn die Zeit lang sein; kam doch zu dem Pfoertlein bei dem Garten, das ihm angezeiget war und fand es offen, wie ihm die Amme angezeiget haette. Also ging er hinein in die Kammer der schoenen Magelona mit großer Begierd seines Herzens und fand da die schoene Magelona samt der Ammen beide allein. Und als ihn die schoene Magelona ersahe, verwandelt sich alles ihr Gebluet und ward rot in ihrem Angesicht als eine Rose und haett guten Willen gehabt, gegen ihn aufzustehen und ihn in Arm zu nehmen und zu kuessen, denn die Lieb sie dazu taet reizen; jedoch die Vernunft, die da soll regieren das Herz eines jeglichen adelichen Menschen, erzeigt ihm ihr Ehre, wiewohl ihr schoenes Angesicht, auch ihre liebliche und freundliche Augen nicht verbergen mochten die Liebe, so sie in ihrem Herzen trug gegen dem Ritter, und das Herz sprang ihr auf im Leibe vor Freuden. Die schoene Magelona haett in ihr selbst zween Gedanken und sahe den Ritter freundlich an. Der edele Ritter verwandelt auch nicht weniger sein Farb, da er vor ihm sahe stehen die Allerschoenste und Liebste seines Herzens. Er wußte auch nicht, wie er sollt ansahen zu reden, denn er wußte nicht, ob er in Lueften oder auf Erdreich war, als denn die Liebe ihren Untertanen pfleget zu beweisen und tun. Da kniet er nieder ganz schamhaftig fuer sie und sprach: »Großmaechtige, hochgeborne Fuerstin, der allmaechtige Gott verleihe Euch Ehr und alles, das Euer Herz begehrt.« Alsdann stund die schoene Magelona auf und nahm ihn bei der Hand und saget zu ihm: »Edler Ritter, seid mir willkommen« und hieß ihn zu ihr sitzen. Da solches die Amme vermerket, ging sie in ein andere Kammer, nahe dabei; indem fing die schoene Magelona also an zu reden: »Edler Ritter, ich habe großen Gefallen in dem, daß Ihr seid zu mir kommen, denn ich habe großen Willen gehabt, mit Euch zu reden; wiewohl es nicht geziemet einem jungen Menschen, als ich bin, allein mit einem Mann heimlich zu reden, wie ich mich denn solches zu tun unterstanden habe. Jedoch hab ich wiederum angesehen Euer edles Gemuet, das mich gesichert und keck gemacht hat, solches zu tun. Wißt auch, da ich Euch den ersten Tag gesehen, hat Euch mein Herz alsbald Guts gegoennet, denn alle Gutheit, die in einem adelichen Menschen moegen sein, die werden vollkommenlich an Euch befunden. Darum, edler Herr, saget mir Eures Geschlechts Namen, Wesen und Stand und verberget mir nichts, denn kein Mensch auf Erden ist, dem ich mehr Gutes goenne denn Euch. Hierum ich gern erfahren wollte, wer Ihr waeret und aus was Lands Art, und warum Ihr hierher kommen seid?« Da stund der Ritter auf und saget: »Großmaechtige Fuerstin, ich bedanke mich anfaenglich untertaeniglich Eures freundlichen Willens und Gemuets, so Ihr gegen mir erzeiget habt, mich in eure Gnad zu nehmen, wiewohl in mir kein Tugend ist, die solchs um Euch verdienet hat. Es ist auch billig, daß Ihr von mir erfahret, wer ich sei und warum ich her kommen, jedoch bitte ich Euch aufs Untertaenigst, Ihr wollet es niemand sagen und also bei Euch behalten, denn es ist gewesen all mein Fuersatz, da ich von Heimat geritten, dies niemand zu offenbaren; es ist auch bisher verschwiegen blieben. Großmaechtigste, edelste Fuerstin, wisset, daß ich bin ein einiger Sohn des Grafen zu Prouincien, der da ist ein Oehem des Koenigs von Frankreich. Ich bin auch von Vater und Mutter allein darum hinweggezogen, Euer Lieb zu erlangen; denn ich hab hoeren sagen, wie kein schoenere Fuerstin sollt sein denn Ihr, welches denn die ganze Wahrheit ist; man kann auch solche Schoene an Euch nit genugsam aussprechen. So bin ich herkommen mit keiner Gesellschaft, wie denn große Herren, Fuersten und Edlen, die in allen Dingen geschickter sein denn ich, und haben sich in mancherlei Ritterspielen erzeiget von Euret wegen; habe ich mir fuergesetzt in meinem Herzen, wiewohl unter solchen ich der Wenigst, ob ich Euer Gnad und Lieb moecht erlangen, und ist das die ganze Wahrheit, die Ihr von mir begehrt zu erfahren. Ich habe auch bei mir beschlossen gehabt in meinem Herzen, niemand lieber zu haben denn Euch bis in mein Tod.« Da er solches geredt, hieß sie ihn niedersitzen und sprach zu ihm: »Mein edler Ritter und Herr, ich dank dem allmaechtigen Gott, meinem Schoepfer, daß er uns verliehen hat einen solchen glueckseligen Tag. Denn ich schaetz mich fuer die Glueckhaftigste in dieser Welt, daß ich gefunden hab ein so adelichen Menschen eins solchen hohen und großen Geschlechts, welches Gleichen nit gefunden wird auf Erden an Tapferkeit, Zucht, Schoene und Weisheit; dieweil denn dem also ist, daß wir zwei Liebhabende einander aus ganzem Herzen geneiget und lieben, und Ihr, mein edelster Herr, seid von meinet wegen hieher in dieses Land kommen und habt es baß ausgerichtet, denn alle andere, so vorhanden sein, habt auch den Preis und Namen aller Ritterschaft, so darf ich mich wohl glueckselig schaetzen, daß Ihr von meinet wegen in das Land kommen, Vater und Mutter, Land und Leute verlassen. Darum, edler Ritter und Herr, will sich nicht geziemen, daß Ihr Euer Arbeit verlieret, die Ihr also getreulich darzu gesetzt habt; und dieweil Ihr mir Euer Herz und Gemuet entdeckt habt, ist's billig, ich tu ihm auch also. Hierum sehet hie Euer Magelona ganz und gar, und setze Euch als einen Meister und Herrn meines Herzens und bitt, Ihr wollet solches heimlich, ehrlich und verborgen halten, bis zu der Zeit meiner Verluebnuß, und seit sicher meinesteils, daß ich wollt lieber den Tod sehen, denn mein Herz gegen einem andern bewilligen.«

Indem nahm sie eine gueldene Ketten von ihrem Hals, daran hing ein koestliches Haefftlein, und hing es an seinen Hals und sprach: »Durch diese Ketten, allerliebster Freund und Gemahel, setze ich Euch in Besitzung meines Leibs und verheiß Euch treulich, wie eines Koeniges Tochter geziemet und gebuehret, keinen andern zu nehmen denn Euch.« Indem nahm sie ihn freundlich in ihren Arm. Da kniet der Peter fuer sie nieder und sprach: »Meine allerliebste Fuerstin, die Schoenste unter allen dieser Welt, ich bin nicht wuerdig, Euch darum Danksagung zu tun, doch wie Ihr gesaget habt, also bleibe es dabei. Ich bin's wohl zufrieden. Ich verheiß Euch auch hiemit, Euer Gebot und Befehl treulich zu erfuellen, so es Gott gefaellt. Wiederum, so es Euch lieb waere, von Eurem Gemahel zu empfahen diesen Ring, meiner dabei zu gedenken.« Dieser war der dritte Ring, welchen ihm seine Mutter haett geben, als er von ihr hinwegzohe, der denn koestlicher war denn die andern zween. Also empfing die schoene Magelona den Ring gutwilliglich und wendet sich wieder gegen ihm, ihn wieder in ihre Arm zu nehmen und kuessen, nachdem rufet sie der Ammen wieder.

Da die zwei nun lang mit einander allein haetten geredt, beschlossen sie unter einander, wie sie oft und viel moechten einander sehen. Also nahm der Peter Urlaub von der schoenen Magelona und ging wieder in seine Herberg, doch froehlicher denn er gewohnet war. Und die schoene Magelona blieb allein in ihrer Kammer bei ihrer Ammen und taet nicht dergleichen, ließ sichs auch gegen niemand merken. Oft und viel aber redet die schoene Magelona mit ihrer Ammen von ihrem allerliebsten Peter und sprach: »Was duenket Dich von meinem getreuen, allerliebsten Menschen, dem Ritter? Ich bitt Dich freundlich, Du wollest mirs sagen und ganz nichts verhalten.« »Fuerwahr,« saget sie, »mein liebstes Fraulein, er ist also schoen, zuechtig, tapfer und freundlich in allen seinen Gebaerden, daß mich beduenkt, es moeg nicht anders sein, er muß von einem hohen Geschlecht sein.«

Auf das antwortet die schoene Magelona: »Hab ich Dir nicht allwegen recht gesaget, denn mein Herz und Gemuet verstund es wohl. Darum ich mich genuegen laß, Gott hab Lob, denn es ist keine Tochter also hochgeborn auf Erden, so sie die Haelft von ihm wueßte, als ich weiß, sie achtet sich glueckselig, so sie ihn moechte zu einem lieben Menschen haben.« Darauf antwortet ihr die Amme: »Liebstes Fraeulein, es ist alles wahr, wie Ihr saget; doch eins bitte ich Euch freundlich, Ihr wollet nicht leichtfertig sein aus Liebe. Denn so ihr werdet zu Hof sein bei andern Jungfrauen, desgleichen der Ritter, daß Ihr Euch nichts wollet vernehmen noch merken lassen. Denn so von Euch solches geschehe, wuerden Euer Vater und Mutter solches leichtlich verstehen; daraus denn moechten entspringen drei Uebel:

Das erste, daß Ihr schamrot wuerdet und verliert Eures Vaters und Mutter Gunst. Das ander, so sie es inne wuerden, moechte der Ritter getoetet werden; so waeret Ihr ein Ursach des Todes solchs edlen Ritters, der Euch lieber hat denn sich selbst. Und zum dritten, so wuerde ich auch gestraft werden.

Darum bitte ich Euch freundlich, Ihr wollet Euch weislich halten, als einer hochgeborenen Tochter zu tun gebuehret.« Da sprach die schoene Magelona wieder zu ihrer Ammen: »Mein liebste Amme, in diesem und andern will ich folgen Deinem getreuen Rat, denn ich erkenn, daß Du mir allwegen treulich geraten hast, und bitte Dich freundlich, so Du etwas an mir siehest, das mir nicht zu tun geziemet, Du wollest mir's sagen oder mit einem Zeichen anzeigen. Denn ich will Dir folgen als meiner liebsten Ammen und Mutter. Doch noch eins will ich Dich freundlich bitten. So wir zwei allein bei einander sind, Du wollest mir vergoennen, zu reden von meinem liebsten Menschen, damit ich mein Zeit desto leichtlicher verbringen moeg, als viel mir moeglich, bis daß ich erkenne, wo es endlich hinaus wolle. Und vor allen Dingen bitte ich Dich, Du wollest raten und helfen, damit ich ihn oft moecht sehen und mit ihm reden; denn ich kein ander Freude weiß zu haben in dieser Welt. Und so durch Unglueck, da Gott lang fuer sei, ihm etwas widerfuehre, so wiß, mein liebste Amme, daß ich mir mit meiner eigen Hand wollt den Tod tun.«

Nun da der Ritter wieder heim in sein Herberg war kommen, betrachtet er die große Freundlichkeit, die ihm widerfahren war, und lobte Gott, daß ihm solches begegnet. Er vermeinet auch, Gott haette keinem Ritter ein so hohe Ehr zugesandt als ihm. Er verwundert sich auch in ihm selbst der uebertrefflichen Schoene der Magelona, daraus er verursachet ward, ehe gen Hof zu kommen, denn sein Fuernehmen gewesen war. Doch hielt er sich ganz weislich und still gegen dem Koenig und andern, damit er nicht verdacht wuerde; also, daß ihn jedermann lieb gewann am Hofe, nicht allein die großen Herren, sondern auch das gemeine Hofgesind. Und wenn er die Zeit erkennet, darinnen er unvermerkt seine Augen moechte speisen, sahe er die schoene Magelona ganz freundlich an. Solches geschahe alles von ihm weislich heimlich und verborgen. Wenn er den Befehl haett von dem Koenig und der Koenigin, zu reden, so ging er auch hinzu. Also vertrieben die zwei ihre Zeit mit einander.

 

Das zwoelfte Kapitel

Wie der Ritter Peter die schoene Magelona versucht.

Wie einmal der edel Peter zu der schoenen Magelona kam, denn sie mochten nicht lang von einander sein, so sie es geschicken kunnten, da wollt sie der Peter versuchen und sprach zu ihr: »Edelste, allerliebste und schoenste Magelona, Ihr wißt, daß ich von Eurent wegen lange aus bin blieben von Vater und Mutter, darum, allerliebstes Lieb, weil Ihr des eine Ursach seid, wollt ich bitten, Ihr wollet mir erlauben, heim zu reiten, so es Euch gefiele; denn ich bin es sicher, daß meine Eltern Sorge und Schmerzen fuer mich tragen, dieweil sie nicht wissen, wo ich bin; ich macht mir auch solcher Beschwernus ein Gewissen.« Solches taet der Peter allein, zu erfahren, wie sie sich darin wollt verhalten. Als nun die schoene Magelona haett ihres liebsten Peter Red vernommen, stunden ihr alsbald die Augen voller Wassers, und begunnten die heißen Zaehren ihr das schoene Angesicht naß zu machen und verwandelt sich all ihre Farb und ward ganz bleich, und indem fiel sie in eine Ohnmacht, ganz schwermuetig, danach fing sie wieder an zu reden und sprach mit großem Seufzen und Weinen zum Peter. »Fuerwahr, allerliebster Peter, alles das Ihr mir gesaget, ist wahr und billig, daß die Natur will, daß sich der Sohn geb Untertan und gehorsam seinem Vater und Mutter, damit er nichts wider sie handle, das ihnen entgegen sei. Mich tut aber sehr beschweren, daß Ihr Euer Allerliebste hinter Euch wollt lassen, die ohne Euch weder Rast noch Ruhe haben mag in dieser Welt. Ich laß Euch auch fuerwahr wissen, so Ihr von mir hinwegziehet, Ihr werdet bald von meinem Tod erfahren, als durch Euret wegen wuerde ich sterben. Darum, mein allerliebster Herr und Freund, ich bitte Euch freundlichen, Ihr wollet mir Euer Hinwegziehen nicht verbergen; denn alsbald ihr hinweg kommet, will ich mich dazu schicken, denn ich weiß wohl, daß ich danach nicht lange wuerde leben, also waeret Ihr ein Ursach meines Todes. So es aber vonnoeten ist, daß Ihr hinwegziehet, bitte ich Euch freundlich, mein allerliebstes Lieb, Ihr wollet mich mit Euch nehmen und nicht hinter Euch lassen zu meinem großen Schaden.« Als nun der Peter die schoene Magelona haette also klaeglich hoeren reden, ging es ihm nahe zu Herzen; ihn gedaucht auch, sein Herz wollt in seinem Leib zerspringen, und saget ihr: »Ach, Magelona, mein allerliebstes Lieb, weinet nicht und bekuemmert Euch nicht mehr; denn ich habe mir fuergesetzt, nimmer aus diesem Land zu ziehen, sondern zu erharren das Ende, wie es mit uns ergehen werde. Ich wollte auch den Tod viel lieber leiden, denn Euch verlassen. So Ihr aber mit mir wollet, so seid sicher, daß ich Euch in aller Zucht und Ehr will fuehren und staet halten die Zusagung, so ich Euch getan vor dieser Zeit.« Als die schoene Magelona solches von dem Peter verstund, ward sie wieder erfreuet und saget zu ihm: »Mein edler Herr und Freund, dieweil ihm also ist, als Ihr anzeiget, so rate ich, wir ziehen von dannen auf das kuerzest und heimlichst, so es geschehen mag, von wegen zweier Ursachen:

Die erste, denn es ist zu besorgen, Ihr werdet verdrossen, laenger zu verziehen, und Ihr endlich keine Lust mehr habt, hie zu bleiben, und zoeget hinweg, ließet mich hinter Euch.

Die ander Ursach ist, es ist wahr, daß mein Vater mich Willens hat in Kuerz zu verheiraten und zu vergeben; daraus ich empfinde, daß er mir wuerde den Tod geben, denn ich will keinem andern vertrauet sein, denn Euch. Darum, mein allerliebstes Lieb, bitt ich freundlich, Ihr wollet aufs Kuerzest dazu tun und Mittel suchen, damit wir mit einander hinwegkommen. Denn laenger hie verziehen, moecht uns schaedlich sein, denn ich habe mein Herz ganz in Euch gesetzet, daß ich Euch nimmermehr will verlassen, so habt Ihr gesaget, Ihr wollet mich zuechtiglich und ehrlich halten, bis zu unserm Verloebnis.« Da fing der Peter an auf ein neues Schwur und verhieß ihr's zu halten. Also beschlossen sie, den dritten Tag mit einander zu ziehen nach dem ersten Schlaf. Indem sollt sich der Peter schicken mit aller Notdurft und sollt kommen mit den Pferden zum kleinen Pfoertlein bei dein Garten und allda ihrer verharren. Sie bat ihn auch fleißiglich, er wollt gute starke Pferde mitbringen, damit sie auf das schnellest aus dem Land ihres Vaters kaemen; denn sie sprach: »So mein Vater das innen wuerde, so wuerde er uns nachfolgen, und so er uns ueberkaeme, besorge ich, er wuerde uns beide toedten lassen.« Also nahm der Peter Urlaub von der schoenen Magelona und bat sie freundlich, sie sollt geschickt sein und nicht lange verziehen. Von diesem Rat und Beschluß sie die Amme gar nichts wissen ließ, denn die war nicht dabei gewesen, als sie es beschlossen hatten. Auch wollt die schoene Magelona nicht, daß sie es sollt wissen, denn sie haett große Sorge gehabt, sie wuerde es nicht verschweigen, sondern solches verhindern; darum hielt sie es heimlich. Der Peter ging von ihr hinweg in sein Herberg und schickt alles, so ihm vonnoeten war, doch verborgen, und ließ seine Rosse aufs Beste beschlagen.

 

Das dreizehnte Kapitel

Wie der edle Peter die schoene Magelona, des Koenigs Tochter, hinweg fuehret.

Nun als es kam um die bestimmte Zeit auf den ersten Schlaf, kam der Peter zu dem Pfoertlein des Gartens mit dreien Pferden, unter welchen eins war geladen mit Brot und anderer Speise auf zween Tag, damit sie nicht doerften Essen und Trinken suchen in den Herbergen. Er fand die schoene Magelona ganz allein, welche zu ihr haett genommen Gold, Silber, und was ihr vonnoeten war, und setzt sie auf ein schoenes, gutes englisch Zelterlein, das sanft ging. Darnach saß er auf ein schoen gutes Pferd und ritten beide eilends ohne Abstehen die ganze Nacht ueber, bis der Tag anbrach, auch sucht Peter die Hoelzer, wo sie am dicksten waren gegen dem Meer, damit er nicht von jemand gesehen wuerd und damit man nichts moecht von ihm erfahren. Als sie nun fern genug ins Holz waren kommen, da hub der Peter die schoene Magelona vom Pferd und zoge darnach den Pferden die Zaeum ab und ließ sie weiden und grasen, und sie saßen auf das gruene Gras unter einen Schatten und redeten von ihren Sachen und baten Gott fleißiglich, daß er sie wollt beschuetzen und endlich fuehren, da sie hin begehreten, ihr Fuernehmen zu verbringen. Und da sie beide lang mit einander haetten geredt, ueberkam die schoene Magelona großen Willen, zu schlafen und ein wenig zu ruhen, denn sie haett die ganze Nacht nichts geschlafen, auch war sie mued worden von dem Reiten. Also legt sie ihr Haupt in des Peters Schoß und fing an zu schlafen.

 

Das vierzehnte Kapitel

Wie man das Hinwegziehen des Ritters und der schoenen Magelona erfuhr und wie sie an allen Orten gesucht wurden.

Nun als es Tag war worden, kam die Amme in die Kammer der schoenen Magelona und tat allda lange Zeit verharren, denn sie meinet, sie schlief noch, und da sie sahe, daß die Zeit fuerueber war, in welcher sie Gewohnheit haett, aufzustehen, gedachte sie, dieweil sie also verzoege, wuerde sie schwach sein. Also ging sie fuer das Bett, da fand sie niemand, sondern das Bett war noch unzerbrochen, daran man kein Zeichen finden mocht, daß jemand darinnen waer gelegen; des sie sehr erschrack und gedachte in ihr selbst, daß sie der Peter hinweg haett gefuehret. Sie ging also in die Herberg des Peter und fraget nach ihm, da erfuhr sie, daß er hinweg war. Da hub die Amme an, so jaemmerlich sich zu stellen, daß sie vermeinet zu sterben; und ging alsbald in der Koenigin Kammer und saget ihr, wie sie die schoene Magelona haette gesucht in ihrem Bett, aber nicht gefunden; sie wueßte auch nit, wo sie waere. Als solches die Koenigin von der Ammen hoeret, erschrack sie sehr und ward zornig, ließ sie ueberall suchen, so lang bis solches der Koenig auch erfuhr, und kam das Geschrei, der Ritter mit den silbernen Schluesseln waere hinweg. Da gedachte der Koenig, der Ritter haett sie hingefuehret, und ließ der Koenig alsbald mit Macht aufbieten, nachzufolgen und zu suchen; und so man den Ritter ueberkaem, gebot er, man sollt ihn lebendig bringen, denn er wollt ihn also strafen, damit die ganze Welt davon mueßt sagen.

Da nun die Untertanen haetten verstanden den Willen ihres Herrn, gingen sie heim und nahmen ihre Harnisch und Waffen, zerteilten sich hin und wieder auf den Weg und suchten mit ganzem Fleiß; und blieb der Koenig und die Koenigin bei einander unmutig, denn der ganze Hof ward betruebet, insonderheit die Koenigin, die wollt verzweifeln, denn sie schrie und weinet jaemmerlich. Indem schickt der Koenig nach der Amme und saget ihr: »Es mag nit sein, Du mußt etwas darvon wissen zu sagen, baß denn kein Mensch.« Da fiel die gute Amme dem Koenig zu Fuß und sprach: »Allergnaedigster Herr, so Ihr in mir moecht finden, daß ich in dieser Sach einerlei schuldig bin, so bin ichs zufrieden, daß Ihr mich lasset toeten eines grausamen Todes, wie in Eurem Hof erkennet wird. Denn alsbald ich solches erfahren, hab ich's meiner gnaedigen Frauen, der Koenigin, angezeiget.« Da ging der Koenig in sein Gemach, aß und trank nichts den ganzen Tag vor Trauren. Es war auch erbaermlich zu sehen der Koenigin Wesen, samt andern Jungfrauen des Hofes, auch durch die Stadt Neaples.

Nun suchten die Untertanen hin und her, aber sie kunnten nichts finden noch erfahren von den zweien, und kamen also eines Teils in sechs Tagen wieder, die andern in fuenfzehen Tagen, erfuhren und funden nicht, darum der Koenig fast zornig war.

Nun wollen wir hie verlassen, von dem Koenig jetzt weiter zu sagen, und wollen uns wenden und sagen von der schoenen Magelona, die im Holz lag und schlief.

 

Das fuenfzehnte Kapitel

Wie die schone Magelona entschlief in dem Schoß des Peters und wie ihn geluestet, die Schlafende anzuschauen, doch zu End zornig ward.

Wie ihr oben gehoert habt, wie die schoene Magelona in dem Schoß des Peters entschlief, da haette der Peter keinen groeßeren Lust, denn im Anschauen seiner Allerliebsten; er kunnt sich auch nit ersaettigen der Schoene, die er da vor ihm sahe, und da er sie genug besehen haette, ihren schoenen roten Mund, auch das Angesicht, da kunnt er sich nicht erhalten, schnueret ihre Bruest auf, zu besichtigen ihre schoene weiße Bruestlein. Als er nun solches tat, ward er in der Liebe ganz entzuendet, redt und gedauchte ihn, er waere im Himmel, gedachte auch, Unglueck moechte ihm nicht schaden. Doch dieser Lust blieb ihm nit lang, denn er darnach uebertreffenliche Pein litte. Da nun der Peter die schoene Magelona wohl besehen haette, da sahe er ungefaehr ein roten Zendel zusammen gewickelt zwischen den Bruestlein der schoenen Magelona liegen. Da ueberkam er große Lust, zu erfahren, was es waer, und nahm es heraus, wickelt es auf; da fand er darinnen liegen die drei schoenen Ring, die er ihr gegeben haett, welche sie also lieb haett und aufhub um seinet wegen. Da sie nun der Peter haett gesehen, da wicklete er sie wieder in den Zendel wie vor und leget sie neben sich auf einen Stein und begunnt die schoene Magelona wieder anzusehen, und ward also in der Lieb verzucket, daß er nicht wußte, wo er war. Aber Gott der Allmaechtige erzeiget ihm, daß in dieser Welt kein Freude waer, sondern Traurigkeit, und kam ein Vogel, der lebet von dem Raub; derselbe ersahe den Zendel und vermeinet, es waere Fleisch, und erwischt den Zendel und flohe davon.

 

Das sechzehnte Kapitel

Wie der Peter dem Vogel nachfolget und warf zu ihm mit Steinen, aber der Vogel ließ den Zendel in das Meer fallen.

Da nun der Peter ersahe, daß ihm der Vogel die Ring hinweg gefuehret, ward er zornig; denn er besorget, so es die schoene Magelona erfuehr, es wuerde ihr nicht gefallen, die er denn ungern wollt erzuernen. Er leget seinen Mantel saeuberlich der schoenen Magelona unter ihr Haupt, damit sie nicht erwachet, und folget dem Vogel nach, warf ihn mit Steinen, denn er verhoffte, er wollt die Ring ihm wieder abjagen, und trieb es so lang, bis der Vogel den Zendel mit den Ringen ließ ins Meer fallen, denn er saß auf einem kleinen Felsen. Nahe bei dem Erdrich war ein große Menge des Wassers, also, daß niemand mocht hinueberkommen, Sorg halben, damit er nicht ersoeffe. Auf demselben Felsen saß der Vogel, zu welchem der Peter warf mit Steinen, und drang ihn also sehr, daß er die Ring ins Meer ließ fallen und flohe davon. Doch mochte der Peter nicht hinueber kommen vor Wasser, er waere sonst ersoffen, wiewohl es nit weit war von dem Land. Da ging der Peter hin und her, zu suchen, ob er moecht etwas finden, darin er sicher hinueberkommen moecht, und saget wider sich selbst: »O Gott, was hab ich getan! Haett ich die Ring liegen lassen an ihrem Ort, da sie wohl und sicher lagen; ich mein sie werden mir wohl bezahlet, desgleichen der schoenen Magelona, denn so ich lang ausbleib, wird sie mich suchen.« Also suchet der Peter so lang am Gestad, bis er fand einen kleinen alten Kahn, welchen die Fischer haetten verlassen, dieweil er nichts nuetz war. Der Peter stieg hinein und ward wieder erfreuet, aber seine Freude waehret nicht lang. Denn er nahm ein Stecken in die Hand, den er ohngefaehr haett gefunden, und leitet sich damit hinueber gegen den Felsen. Aber Gott der Allmaechtige, der alle Ding macht nach seinem goettlichen Willen, schicket es also, daß ein großer Wind aufstunt, der nahm den Peter mit Gewalt und fuehret ihn auf das hohe Meer ueber seinen Willen. Da er sahe, daß er je laenger je mehr von dem Erdrich kam und wußte nicht zu widerstehen und taet betrachten die große Gefaehrlichkeit, darin er war, sonderlich des Tods, und daß er haett die schoene Magelona also verlassen, die er mehr liebet als sich selbst, und in dem Holz liegen lassen, und besorget, sie wuerde sterben eines boesen Todes und wuerde verzweifeln ohne Huelf und Rat, gedachte er in ihm, sich selbst in das Meer zu werfen, denn sein edles Herz mocht nicht mehr dulden noch leiden solchen großen Schmerzen. Jedoch derjenige, der da versucht, die Menschen dieser Welt durch mancherlei Truebsal und Widerwaertigkeit zu fuehren und zu leiten zu der Geduld, wollt nicht verhaengen ueber ihn, daß ihm etwas an seinem Leib widerfuehr. Da kam der Peter wieder zu ihm selber als ein rechter Mensch, rufet an Gott den Allmaechtigen und sprach wider sich selbst, und dann also weinet und klaget er mehr die schoene Magelona, denn sich selber. Er saß in der Mitten des Platzes oder Schiffleins, wartet des Todes, wo ihn das Meer hin wuerf, denn er ließ es frei gehen, wohin ihn wollten fuehren die Wellen des Meeres. Er haett auch Wassers genug bei ihm im Kahn und ward naß. In dieser Gefaehrlichkeit blieb der Peter vom Morgen an bis auf den Mittag.

 

Das siebzehnte Kapitel

Wie der Peter gefangen und dem Soldan geschenkt ward.

Es begab sich auch, daß ein Raubschiff kam der Mohren, die sein ansichtig wurden und sahen ihn allein daher fahren, wie ihn der Wind fuehret; sie zogen zu ihm und fingen ihn und setzten ihn in ihr Schiff. Aber der Peter war vor Leid halber tot, er kannt sich selber nicht wohl und wußte nicht, wo er war. Da nun der Patron des Schiffs den Peter recht ansahe, gefiel er ihm wohl, denn er war wohl gekleidet und schoen; gedacht in ihm selber, er wollt ihn dem Soldan schenken. Sie schifften so viel Tagreisen, bis sie kamen gen Alexandria; als sie nun dahin kamen, da schenkt der Patron den Peter dem Soldan. Da ihn der Soldan ersehen haett, da gefiel er ihm wohl und danket dem Patron. Der Peter trug die guelden Ketten allwegen am Hals, welche ihm die schoene Magelona haett gegeben, darum gedauchte den Soldan, daß er eines großen Geschlechts waere; er ließ ihn auch fragen durch einen Dolmetschen, ob er zu Tisch dienen kuennt. Da antwortet ihm der Peter: »Ja.« Also befahl der Soldan, man sollt ihn die Weis unterrichten. Der Peter lernet's also wohl, daß er's ihnen allen vor taet. Auch gab Gott der Allmaechtige dem Soldan die Gnad, daß er den Peter lieb gewann und also sehr, als waere er sein einiger Sohn gewesen. Der Peter unterstund sich auch, die Sprach wohl zu lernen, und redet gut Moerisch und Griechisch, und war also zuechtig und freundlich, daß ihn jedermann am Hof lieb gewann, als waere er ein einiger Sohn gewesen oder Bruder. Es war auch seinesgleichen nicht am Hof mit aller Geschicklichkeit, darum er auch sehr geliebet ward, also, daß alles am Hof durch ihn geschehen mußt bei dem Soldan. Denn was ihm befohlen ward zu tun und auszurichten bei dem Soldan, das taet er mit ganzem Fleiß, derhalben er herfuer gezogen ward. In dieser Ehr war der Peter bei dem Soldan, jedoch mocht er nicht froehlich werden, denn sein Herz war ihm allwegen schwer, so er gedacht an sein allerliebste Magelona, und haett gewollt, er waer in dem Meer ersoffen, damit er solchs Schmerzen erledigt wuerd. Also gedacht der Peter an sein trauriges Leben, doch ließ er sichs nicht merken, wiewohl sein Herz also betruebet war, und taet oft Gott bitten, weil er ihm geholfen haett aus der großen Gefaehrlichkeit des Meers, daß er ihm auch Huelf und Gnad gebe, damit er das heilige Sakrament der Ehe moechte empfahen, ehe er stuerbe. Er gab auch viel Almosen den armen Christen, von wegen seiner allerliebsten Magelona; er hoffet auch, Gott wuerde sie nicht verlassen. – Nun wollen wir von ihm lassen zu reden und von der schoenen Magelona sagen.

 

Das achtzehnte Kapitel

Wie die schoene Magelona lag und schlief auf des Peters Mantel, und da sie erwacht, befand sie sich allein.

Als nun die schoene Magelona nach Lust haett geschlafen, denn sie war muede und haett die ganze Nacht gewacht, deß sie nit gewohnet war, da wachet sie auf und gedacht, sie war bei ihrem allerliebsten Peter und haett ihr Haupt in seinem Schoß. Da saehe sie auf und saget: »Mein allerliebster Peter, ich hab wohl geschlafen; ich glaube gaenzlich, ich hab Euch verdrießlich gemacht.« Und sah also um sich, da fand sie niemand, stund auf, erschrack sehr, fing an mit lauter Stimme zu rufen durch das Holz: »Peter, Peter«; aber niemand wollt ihr antworten. Da sie niemand hoert noch sahe, waer es nit Wunder gewesen, daß sie von ihren Sinnen waer kommen; da fing sie an zu weinen und ging also durchs Holz, ruft: »Peter, Peter«, als lang sie immer rufen mocht. Da sie nun lang gerufen hatte und gesucht, da ward sie heiser von dem Rufen und stieg ihr ein Schmerzen und Wehe in das Haupt, daß sie vermeinet, allda zu sterben; und fiel also in einer großen Ohnmacht auf die Erden, als waere sie tot, darin sie ein lange Zeit lag. Und als sie nun wieder zu ihr selber kam, da setzet sie sich nieder und fing an zu tun die jaemmerlichste Klag, die je ein Mensch gehoeret hat, und sagt: »Ach, mein allerliebster Peter, mein liebstes Lieb und Hoffnung, wo habe ich Euch verloren? Warum seid Ihr von mir geschieden und habt mich also verlassen, Eure treue Gesellin; Ihr wißt doch wohl, daß ich ohne Euch nicht hab wollen leben in meines Vaters Haus, da ich so reichlich gehalten ward. Ach wehe und aber wehe, wie moegt Ihr gedenken, daß ich moege leben in dieser Wildnis und Wuestung! Ach, mein edelster Herr, in welcher Irrung gehet Ihr um, daß ihr mich so verlassen habt in diesen rauhen Bueschen, in welchen ich werde eines jaemmerlichen Tods sterben! Ach wehe und aber wehe, was hab ich Euch zu Mißfallen getan, daß Ihr mich habt gefuehret aus meines Vaters Haus, des Koeniges von Neaples, mich also in großen Aengsten und Schmerzen zu toeten! Habt Ihr doch mir also große Lieb erzeiget! Ach, mein allerliebster Peter, habt Ihr an mir etwas gefunden, so Euch nicht gefallen hat? Fuerwahr, ich hab mich zu viel gegen Euch entdeckt. Nun ich je solches getan aus großer Lieb, die ich zu Euch getragen hab; denn nimmer kommt mir ein Mensch also tief in mein Herz als Ihr. Ach, edlester Peter, wo ist Euer Adel, wo ist Euer edels Herz, wo ist Euer Glaub und Zusagen? Fuerwahr, Ihr seid der allergraeulichste Mensch auf Erden, der je von einer Mutter geboren war. Wiewohl, mein Herz kann und vermag nichts Boeses von Euch zu sagen. Ach wehe, was kann ich mehr fuer Euch tun? Fuerwahr, Ihr seid der ander Jason und ich die ander Medea.« Und sie ging also verzweifelt hin und her und suchet den Peter durch das Holz, und kam, da sie die Pferde fand. Als sie die Pferde ersahe, da fing sie auf ein Neues an zu klagen und weinen und saget: »Fuerwahr, mein allerliebster Peter, ich erkenne je, daß Ihr mit Willen nicht seid von mir geschieden; des bin ich sicher. Ach wehe, mein treuer Liebhaber; und ich Untreue, daß ich Euch also geschmaehet habe! Darum mein Herz ist betruebet bis in den Tod. Ach, welches Abenteuer hat uns von einander geschieden? Seid Ihr tot, warum bin ich mit Euch nicht auch tot? Fuerwahr, es ist keiner armen Tochter nie widerfahren so ein groß Unglueck als mir. Ach Glueck, du fahest jetzt nicht ernstlich an, zu verfolgen die Treuen und Frommen, und je hoeher die Personen sind, je mehr du mit ihnen zu kriegen hast. Oh guetiger Gott, der Du bist ein Licht aller Ungetroesten und Verlassenen, ich bitte Dich, Du wollest mich arme Jungfrau troesten; behalt und behuete mir meine Sinn, mein Verstand und Vernunft, damit ich nicht verliere Leib und Seel, laß mich sehen mein allerliebsten Herrn und Gemahel zuvor ehe ich sterbe. Ach wehe, moecht ich erfahren, wo er waere! Und so ich ihn wueßte zu Ende der Welt, ich wollt ihm nachfolgen. Ohn allen Zweifel glaube ich, diese Widerwaertigkeit hab uns geben der boese Geist, dieweil unser Lieb nicht ist gewesen unordenlich, und dieweil wir nicht haben wollen bewilligen in seine boese Anfechtung, und halte dafuer, daß er ihn darum gefuehret hab in ein fremdes Land, unser beider guten Willen zerbrechen.« Solches und dergleichen saget die schoene Magelona in ihr selbst, beklaget ihr Unglueck und ihren allerliebsten Peter, ging also hin und her durch das Holz wie ein verlassene Frau, und horchet, ob sie etwas moecht hoeren oder verstehen, nahe oder weit. Darnach stieg sie auf einen Baum und sahe sich um, ob sie etwas moecht sehen und erkennen, und sahe nichts auf Erdrich denn Baeume und auf der anderen Seiten sahe sie nichts anders denn das tiefe Meer. Also blieb die schoene Magelona ganz traurig und beschwert diesen ganzen Tag ohn Trinken und Essen. Da nun die Nacht kam, suchet sie einen großen Baum, auf welchen sie mit großer Marter und Pein stieg; darauf blieb sie die ganze Nacht sitzen. Aber sie ruhet und schlief wenig, denn sie hatt große Sorg vor den wilden Tieren, die wuerden ihr ein Schaden tun; und also vertrieb sie die ganze Nacht. Darnach gedachte sie, wo er moecht hinkommen sein, und darnach, was sie tun wollt oder wo hinaus, denn sie hatt in ihrem Herzen festiglich fuergesetzt, sie wollt nicht wieder heimziehen zu ihrem Vater und Mutter, so sie sich moechte enthalten vor der Welt, denn sie foerchtet den Zorn ihres Vaters und beschloß endlich bei ihr selbst, sie wollt ihren allerliebsten Peter suchen durch die ganze Welt.

 

Das neunzehnte Kapitel

Wie die schoene Magelona herab stieg von dem Baum und kam, da sie die Pferde fand, loeset sie auf und ließ sie laufen.

Als nun der Tag herfuer brach, da stieg sie von dem Baum hernieder, ging an den Ort, da sie die Pferde fand, die da noch angebunden waren, loeset sie auf mit weinenden Augen und saget: »Als ich in mir gedenke, wie Euer Herr ist verloren und mich in der Welt tut suchen, also will ich auch, daß ihr in die Welt lauft, wo ihr hin wollt«, und zog ihnen die Zaeum ab und ließ sie also laufen durch das ganze Holz, wo sie hin wollten, und ging danach also lang im Holz, und suchet einen Weg, bis sie fand die Landstraße. Die ging gen Rom; und da sie sich auf die Landstraße fand, wendet sie wieder dem Holz zu und suchet ein Ort, das dick war und hoch gelegen, darum sie mocht sehen, wer hin und wieder ging, aber sie mocht man nicht sehen.

Da sie nun eine Zeit lang da blieb, da sahe sie auf dem Weg daher kommen eine Pilgerin, der rufet sie zu ihr; die kam alsbald und fraget, was sie begehret. Da bat sie die Pilgerin, sie wollt ihr geben ihren Rock und die andern Kleider. Da solches die Pilgerin hoert, gedacht sie bei ihr selber, sie waere nicht allein im Holz ohne Leut, und vermeinet, die schoene Magelona spottet ihr, und sprach: »Gnaedige, liebe Frau, so Ihr wohl gekleidet seid, sollt Ihr darum der Leut Jesu Christi nicht spotten; denn solcher schoener Rock, den Ihr antraget, zieret Euch den Leib, aber mein Rock, hoffe ich, werd mir mein Seel zieren.« »Mein liebe Schwester, ich bitte Dich, Du wollest keinen Verdrieß haben, denn ich rede von gutem Herzen und will mit Dir freimarken.« Als nun solches die Pilgerin verstund, daß sie das redet aus gutem Herzen ohn allen Spott, da zog sie sich aus und gab ihr die Kleider, desgleichen die schoene Magelona die ihren und bekleidet sich mit den Kleidern der Pilgerin also wohl, daß man ihr nicht viel an dem Gesichte mocht sehen; und was sie nicht verbergen mocht, da nahm sie ein nasse Speichel und Erdrich, beschmieret sich damit, daß sie nicht erkannt wuerde.

 

Das zwanzigste Kapitel

Wie die schoene Magelona gen Rom kam in der Pilgerin Kleider, und wie sie eine fromme Frau aufnahm in ihr Haus.

In dieser Kleidung nahm die schoene Magelona ihren Weg gen Rom und ging so lang, bis sie in die Stadt kam. Alsbald sie dar kam, ging sie des ersten Gangs in S. Peters Kirchen und kniet fuer dem hohen Altar nieder und fing an, ganz inniglichen zu weinen und zu seufzen, und verbracht ihr Gebet. Darauf stund sie auf und wollt in ein Herberg gehen. Da sahe sie ihren Vetter in die Kirchen treten, der da war ihrer Mutter Bruder, in großer Ehr und Gesellschaft, welche sie taeten suchen. Darob sie sehr erschrak, doch nahmen sie ihr nicht acht, denn es kunnt sie unter ihnen keiner erkennen in dieser Kleidung; und ging also wie eine Pilgerin. In dem Spital blieb sie fuenfzehn Tag wie eine arme Pilgerin, und ging alle Tag in die Kirchen S. Peters und verbracht allda ihr Gebet in großer Traurigkeit und großem Weinen; verhofft, Gott der Allmaechtige wuerde sie endlich erhoeren. Indem als sie allda blieb, fiel ihr zu, sie wollt ins Land Prouincia ziehen; denn sie da verhoffet, etwas von ihrem allerliebsten Peter desto ehe zu hoeren, und macht sich auf den Weg und ging also lang, bis daß sie kam in die Stadt, Genua genannt; da erfraget sie den Weg gen Prouincia, welcher der kuerzest und sicherste waer; und es ward ihr geraten, sie sollt auf dem Meer fahren, denn derselbige Weg waer der kuerzest und sicherst. Und als sie an die Port des Meeres ging, da fand sie zu allem Glueck ein Schiff ganz zubereitet und wollt gen Todtenwasser genannt fahren. Sie kam mit dem Patron ueberein und zohe mit ihm dahin. Als sie nun dahin kamen, da ging sie eines Tages durch die Stadt wie ein arme Pilgerin; da rufet ihr ein fromme Frau und nahm sie in ihr Haus von Gottes willen; sie aßen und trunken auch miteinander und legte sie in ein koestlich Bett. Denselbigen Tag fraget die gute Frau die schoene Magelona viel von ihrer Wallfahrt; also saget sie ihr, wie sie kaem von Rom wallfahrten. Danach fraget sie wieder die schoene Magelona von der Gewohnheit und Eigenschaft der Laender und ob fremde Leut moechten sicher wandern. Da sagt sie: »Ihr wisset, liebe Pilgerin, daß wir haben ein Herrn dieses Landes aus Prouincia von hinnen gen Arragon, und heißt unser Herr der Graf von Prouincia. Er ist maechtig und haelt sein Land in gutem Fried, also, daß nie kein Mensch hat vernommen, daß jemands waer ein Verdrieß geschehen, denn er befilcht, Sicherheit und Gerechtigkeit zu halten in seinem Land. Er und die Graefin sind also freundlich und holdselig gegen armen Leuten, daß es Wunder ist; aber sie sind sehr betruebet und zornig, und wir alle mit ihnen als die Untertanen, von ihres Sohnes wegen, genannt Peter. Der ist der edlest Ritter in dieser Welt, denn er ist vor zweien Jahren hinweggezogen, sich zu ueben in der Welt in Ritterspielen, und in dieser Zeit ist nichts mehr von ihm gehoeret worden. Sie besorgen allein, er sei tot oder ihm sei ein großer Schad widerfahren, das denn ein großer Schad waer. Und fing also an zu erzaehlen die Guttaten und Tugenden des edlen Peters, die er haett. Als solchs die schoene Magelona merket und gehoert von dem Grafen und der Graefin, und daß der Peter nicht heimkommen, da erkannt sie, daß der Peter nicht williglich was von ihr kommen und solchs haett getan ein boeses Abenteuer. Und also von Mitleiden fing sie an zu weinen, und die Frau, dabei sie war, vermeinet, sie weinet aus Mitleiden und hielt sie dester baß, und mußte die Nacht bei ihr schlafen.

 

Das ein und zwanzigste Kapitel

Wie die schoene Magelona sich fueget auf ein Port der Heiden, zu dienen den armen Leuten in ein klein Spital daselbst, und da zu behueten ihre Jungfrauschaft, und wartet, ob sie moecht etwas erfahren von ihrem lieben Peter.

Dieselbe Nacht setzet ihr die schoene Magelona im Herzen fuer, dieweil der Peter nicht heimkommen waer, sie wollte sich dahin wenden, wo sie dem allmaechtigen Gott andaechtiglich moechte dienen, damit sie ihr Jungfrauschaft dester baß moechte unbefleckt behalten, und ob sie etwas moechte erfahren von ihrem lieben Peter; denn sie verhoffet, da mehr etwas zu erfahren von ihm, denn anderswo, und tat also fragen, ob in dem Land waer ein Ort, da man andaechtiglich moecht Gott dienen. Die gute Frau Wirtin saget, daß nahe waer die Insel des heidnischen Ports, da alle Schiff und Kaufmannschaft aus allen Laendern hinkaemen, auch viel armer Menschen, Kranke und Schwache. Also ging die schoene Magelona, das Ort zu besuchen und gefiel ihr wohl; ließ von dem Geld, das sie haette, ein klein Kirchlein bauen und ein klein Spital mit dreien Betten. In derselbigen Kirchen ließ sie machen ein Altar in der Ehre S. Peters, ihrem allerliebsten Peter zu Gefallen, und gab der Kirche den Namen S. Peter von Magelona. Da nun die Kirchen und Spital gebauet war, da taet sie sich hinein und dienet den Armen daselbst mit großer Andacht, und fuehret ein scharfes Leben, also, daß die Leute der Insel und auch die Umliegenden sie hielten fuer eine heilige Frau; man nennet sie auch die heilige Pilgerin. Es kam groß Opfer in das Kirchlein von viel Leuten und ward also weit erkannt, daß der Graf und die Graefin (des Peters Vater und Mutter) selber mit großer Andacht kamen, die Kirch zu besuchen. Es begab sich eines Tages, daß sie alle beide kamen, zu besuchen dies Kirchlein und Spital und sahen der Spitalerin Wesen und sagten wider einander: »Es muß eine heilige Frau sein.« Die Spitalerin, als sie die zwei ersahe, ging sie zu ihnen als eine, die sich wohl wußte zu halten, und erbot ihnen Ehr und befahl sich ihnen beiden, von welchem Erbieten der Graf und die Graefin ein Wohlgefallen empfiengen, und gefiel ihnen ihre Weise sehr wohl. Jedoch zog die Graefin die Spitalmeisterin auf ein Ort, und redeten mit einander von mancherlei Dingen und kamen also weit, daß die Graefin ihr sagete, wie sie betruebet waer um ihren Sohn, und fing an, herzlich zu weinen. Die Spitalerin taet sie auf das Best, so sie mocht, troesten, obwohl ihr noetiger waer gewesen, sie zu troesten, denn der Graefin. Jedoch ward die Graefin fein durch die Spitalerin gestillet und saget zu ihr: Sie haett ein großes Gefallen an ihrem Reden und sprach, sie wollt oft zu ihr kommen, und alles, was sie beduerfte, das sollt sie begehren, das wollt sie ihr nicht versagen. Darum die Spitalerin ihr Dank saget. Also zog die Graefin wieder heim und bat die Spitalerin, sie sollt Gott treulich bitten, damit sie erfuehr, wo ihr Sohn waer; das ihr denn die Spitalerin verhieß mit gutem Herzen, und schieden also von einander. Und die Spitalerin ging hin und wartet also der armen Leut, wie sie denn gewohnet war zu tun, und fuehret ein sehr hartes und strenges Leben.

 

Das zwei und zwanzigste Kapitel

Wie die Fischer desjenigen Orts eines Tages fischten und fingen einen schoenen Fisch, genannt ein Meerwolf, und von wegen seiner Schoene schenkten sie ihn dem Grafen und der Graefin.

Eines Tages begab sich's, daß die Fischer desselbigen Orts fischten in dem Meer und fingen einen Fisch, genannt ein Meerwolf, der sehr schoen war; darum sie ihn dem Grafen und der Graefin schenkten, welchen sie mit großem Dank empfingen. Als nun der Fisch durch die Diener ward getragen in die Kuechen, ihn zu bereiten, da fand, der ihn bereitet, in des Fischs Bauch ein roten Zendel, und da sie solches sahen, da nahm es eine Magd und brachts der Graefin zu sehen und saget: »Gnaedige Frau, wir haben das gefunden in dem Fisch.« Da nahm es die Graefin und wicklets auf und fand darin die drei Ring, welche sie haett geben ihrem allerliebsten Sohn Peter, als er von ihr gezogen, und als sie dieselbigen gesehen haett, da kennt sie die Ring, fing an zu weinen inniglich und fuehret einen großen Unmut und Trauren und sprach: »Ach wehe, allmaechtiger, ewiger, guetiger Gott, nun bin ich sicher und genugsam bericht, daß mein allerliebster Sohn tot ist. Nun bin ich aller meiner Hoffnung beraubt, ich werd ihn nimmermehr sehen.

Oh allmaechtiger, ewiger, guetiger Gott, was hat die unschuldige Kreatur verwirket, daß ihn der Fisch hat verschlucket?« Da die Graefin also heulet und schreit, indem kam der Graf, und als er das Geschrei gehoert, welches die Graefin taet, erschrack er gar sehr und fraget, was das waer. Und ging also in ihre Kammer zu ihr.

Als ihn die Graefin ersahe, saget sie zu ihm klaeglich und weinend: »Ach weh, weh, wie bringet uns ein unvernuenftig Tier so gar boese Maehr um unsern lieben Sohn Peter.« Und fing ihm an zu sagen, wie sie haelt gefunden ein Zendel, darinnen waeren gelegen die drei Ring, welche sie ihm haett geben, als er hinweg gezogen waer, und zeiget dieselbigen Ring dem Grafen. Da er sie saehe, erkennet er sie alsbald und ward auch sehr betruebet, legt sein Haupt aufs Bett und fing an, klaeglichen zu weinen, wohl eine halbe Stund; darnach, als ein tugendreicher und beherzter Herr, kam er zu der Graefin und troestet sie aufs Allerbeste, so er vermocht, und sprach zu ihr: »Wiß, liebe Hausfrau, daß dieser Sohn nicht unser, sondern Gottes des Allmaechtigen gewesen ist, denn er hat ihn uns gegeben. Nun jetzunder es ihm wieder gefallen, zu schaffen nach seinem goettlichen Willen mit ihm, als mit seinem eigenen. Darum wir nicht sollen zornig noch traurig sein. Darum bitte ich Dich, Du wollest abstellen Deinen Unmut und Schmerzen und Gott loben, daß er ihn uns hat geschickt und geben; und so Du das wirst tun, so tust Du ein Gefallen Gott, dem Allmaechtigen, ja mir auch.«

Alsobald befahl er seinen Dienern, hinwegzunehmen die koestlichen Teppich seines Palastes, und darhenken schwarze Tuecher durch sein Haus. Als solches die Untertanen erfuhren, da wurden sie alle traurig, denn sie haetten den jungen Grafen sehr lieb. Nicht lang danach haett die Graefin Willen, zu ziehen zu der Spitaelerin, die Kirch und Spital zu sehen und der Spitaelerin ihre Not zu klagen. Als sie zu ihr kommen und ihr Gebet in der Kirchen verbracht haett, nahm sie die Spitaelerin bei der Hand und fuehret sie zu einem Betstuhl, fing an, mit großem Seufzen und Schmerzen ihr zu sagen, wie es ergangen war, und zu verzaehlen, wie daß sie keine Hoffnung mehr haett, ihren liebsten Sohn zu sehen. Da die Spitalerin solches von der Graefin verstanden haett, fing sie an mit ihr inniglichen zu weinen und saget: »Gnaedige Frau, ich bitte Euch, so Ihr die Ring habt, Ihr wollet mich sie sehen lassen.« Die Graefin zog sie herfuer und gabs ihr zu sehen; da sie solche Ring ersaehe, erkannt sie dieselben bald, und waer nit Wunder gewesen, daß ihr Herz vor Leid war zerbrochen in ihrem Leib. Jedoch wie eine tugendreiche und weise Tochter, die ihre Hoffnung in Gott allein setzt, saget sie also: »Gnaedige Frau, Ihr sollt Euch nit bekuemmern, denn die Ding, so nit gewiß sind, sollen nit verhoffet werden. Wiewohl das die Ring sind, welche Ihr Eurem liebsten Sohn Peter geben habt, kann und mag doch wohl sein, daß er dieselbigen hat verloren oder einer andern Person geben. Darum ich Euch bitt, Ihr wollt Euch nit mehr betrueben oder bekuemmern; darin werdet Ihr Eurem Herrn Gefallen tun, und mehret ihm seinen Schmerzen, alsbald er Euch siehet betruebt und traurig. Darum kehret Euch gegen Gott, den Allmaechtigen, und danket ihm um alles, das er Euch erzeiget hat.« Also troestet die Spitaelerin die Graefin auf das Beste, so sie mocht, wiewohl ihr Schmerzen nicht weniger war denn der Graefin; sie waer auch wohl notduerftiger Troestens gewesen denn die Graefin. Die Graefin gab große Gaben in das Spital, Gott fuer die Seel ihres Sohnes zu bitten, ob er tot waer, wo nicht, daß sie etwas von ihm erfuehr, und zohe also wieder heim. Und die Spitaelerin blieb also fast traurig und fiel auf ihre Knie vor dem Altar bittend, und bat Gott, so er lebendig waer, ihn zu fuehren in aller Sicherheit zu seinen Freunden, wo er aber tot waere, wollt sich Gott seiner armen Seel erbarmen und derselbigen gnaedig sein. Und blieb lang also in ihrem Gebet. – Nun wollen wir aufhoeren zu reden von dem Grafen und der Graefin und der Spitaelerin, und wollen reden von dem Peter, der die Zeit am Hof des Soldans war.

 

Das drei und zwanzigste Kapitel

Wie der Peter eine lange Zeit blieb an dem Hof des Soldans, und durch seine Geschicklichkeit regieret er den Soldan und den ganzen Hof, denn jedermann haett ihn lieb.

Der Peter blieb eine lange Zeit an dem Hof des Soldans zu Babylonien und ward von dem geliebet, als waere er sein einiger Sohn. Der Soldan mocht auch keine Freud haben, denn der Peter waere dabei, doch haette der Peter allwegen sein Herz zu der schoenen Magelona, denn er wußte nicht, wo sie hin kommen war. Also nahm er eines Tages fuer, Erlaubnus zu nehmen von seinem Herrn, sein Vater und Mutter zu besuchen. Und es begab sich eines Tags, daß der Soldan ein großes Fest hielt, und war froehlich und gab große Gaben vielen Menschen. Da ersaehe der Peter die Zeit, fiel fuer ihn auf die Knie und sprach also: »Herr, ich bin lange Zeit an Eurem Hof gewesen und durch sonderliche Gnad um viel Sachen, so ich Euch fuergetragen, von Euch gehoeret worden; ich habe auch viel ander Leuten ihre Sach ausgericht', aber meinethalben, mir zu geben, habe ich noch nie nichts begehrt oder gebeten. Darum ich auf diesmal Euer Gnad etwas bitten wollt zu geben, so Ihr mir solches nicht abschlagen wollt.« Als ihn der Soldan saehe also demuetiglich bitten, sprach er zu ihm: »Lieber Peter, es ist nichts wenigers, was Du von mir eines andern wegen begehret hast, habe ich Dir gutwilliglich bewilliget; wie viel mehr, so Du fuer Dich selber wuerdest bitten, will ich mit einem froehlichen Herzen Dir geben, was Du begehrest. Darum begehr, was Du willst, es soll Dir von mir nicht abgeschlagen werden.« Solcher gnaedigen Troestung war der Peter herzlich erfreuet und saget zu ihm: »Gnaediger Herr, ich begehr nicht mehr von Euch, denn Ihr wollet mir gnaediglich erlauben, heim zu ziehen, Vater und Mutter, auch andere meine Freund zu besuchen; denn dieweil ich an diesem Hof gewesen bin, habe ich nicht von ihnen koennen erfahren. Darum ich Euch bitt, mir guetlich und gnaediglich zu erlauben, und solchs kein Beschwerung zu haben.«

Als der Soldan solches vom Peter vernahm, ward er unruhig und sagt zu ihm: »Lieber Peter, guter Freund, ich bitte Dich, Du wollest Deines Hinwegziehens nit gedenken, denn Du magst nirgend hinkommen, daß Du baß gehalten werdest, denn bei mir; Du wirst auch keinen Freund haben, der Dir also viel Gutes beweiset als ich, denn ich will Dich machen zum gewaltigsten Mann des ganzen Lands. Jedoch, dieweil ich Dir hab solches zugesaget, will ichs halten. Doch wirst Du mir verheißen, so Du Vater und Mutter besucht hast, Du wollest wieder zu mir kommen, und so Du ihm also tust, wirst Du tun als ein Weiser.« Das ihm denn der Peter verhieß zu halten.

Nachdem ließ der Soldan einen Befelchbrief durch sein Land ausgehen und gab ihn dem Peter, in welchem stund geschrieben, an welches Ort er kam des Mohrenlands, sollt man den Peter halten als ihn selber und ihm in allem behuelflich sein, was er begehret. Mit dem gab ihm der Soldan Gold und Silber eine große Menge und ander Kleinod. Also nahm der Peter, da es ihm gelegen war, Urlaub von dem Soldan und zohe hinweg; von seinem Abziehen weineten viel, die ihn lieb hatten. Er kam in kurzer Zeit gen Alexandria; als er dahin kam, zeiget er seinen Brief dem Statthalter allda des Soldans. Als er den Brief verlesen haelt, da erbot er dem Peter große Ehr und fuehret ihn in ein koestliche Herberge, die mit allem, so man haben sollt, versehen war. Da versaehe er sich mit allem dem, so ihm vonnoeten war, und nahm den Schatz, ließ ihn in vierzehn Laegel oder Faeßlein machen, die auf beiden Seiten moechten gefuellet werden mit Salz, und in die Mitten setzt er den Schatz.

 

Das vier und zwanzigste Kapitel

Wie der Peter wollt gen Prouincia fahren.

Und eines Tages, da sie zugerichtet waren, ging er an das Meer und fand zum Glueck allda ein Schiff, das wollt gen Prouincia, das mit allem bereit war, alsbald davon zu fahren. Da redet der Peter mit dem Patron des Schiffs, ob er ihn wollt mit ihm nehmen mit vierzehn Laegeln, die er haett, und saget, er wollt dieselbe gen geben in ein Spital, darum wollt er ihm seinen Willen machen. Als der Patron des Schiffs ihn haett vernommen, antwortet er ihm und sprach: Er war wohl zufrieden, daß er mit ihm zoege; aber der Laegel halben wollt er ihm raten, er ließ sie hinter ihm und fuehret sie nicht mit; denn so er in Prouincia kaem, fuende er allwegen Salz in gutem Kauf. Da antwortet ihm der Peter wieder: Er sollt sich darum nicht bekuemmern, denn er wollt ihn wohl bezahlen, allein daß er sie fuehret, denn er wollt es dahin fuehren, wo es ihnen geduenkt. Als der Patron die Antwort des Peter gehoeret und vernommen, schwieg er still und war damit zufrieden. Der Peter bezahlet den Patron wohl. Da saget der Patron: Er sollt sein Salz in das Schiff legen und was er mit ihm gedaecht zu fuehren, denn mit Gottes Huelf wollt er hinweg fahren, so guter Wind aufstuend. Diese Nacht hatten sie guten Wind und ließen die Segel aufziehen und kamen gar gluecklich in ein Insel, genannt Sagona, und funden allda sueß Wasser. Der Peter war muede, stieg auf das Land und wollt nicht auf dem Meer bleiben. Da er auf das Land kam, ging er auf der Insel hin und her und fand die schoensten Bluemlein; also setzet er sich mitten darein und vergaß seines Leids eines Teils. Er fand unter den Blumen eine, die war die schoeneste ob allen von Farben und Geschmack; er brach sie ab. Alsbald fiel ihm zu die schoene Magelona, da fing er an zu sagen: »Wie diese schoene Blum uebertrifft alle andere Blumen, also auch uebertrifft die schoene Magelona alle andere Frauen und Jungfrauen mit Schoene.« Und fing also herzlich an zu weinen und zu empfinden großen Schmerzen in seinem Herzen und gedacht, wo sie hin waer kommen. In diesen Gedanken ward er schlaeferig und leget sich schlafen. Dieweil erhob sich ein guter Wind; da ließ der Patron rufen jedermann, man sollte zu Schiff gehen. Da der Patron sahe, daß der Peter nicht vorhanden war, da befahl er, ihn zu suchen, aber man kunnt ihn nicht finden; sie ruften laut, aber er schlief zu hart, derhalben ers nicht hoeret. Als sie ihn nicht funden, da wollt der Patron, dieweil er also guten Wind haett, die Zeit nicht versaeumen und hieß die Segel aufspannen, und fuhren also davon. Der Peter aber blieb also schlafend liegen. Die schifften also lang, bis sie kamen an ein Port, der Heiden Port genannt, und da luden sie das Schiff ab. Als sie nun die vierzehn Laegel funden, sagten sie zu dem Patron: »Was wollen wir mit den Laegeln tun des Edelmanns, der auf der Insel Sagona ist hinter uns geblieben, der sein Schiffgeld wohl bezahlet hat, dieweil er saget, er wollt sie in ein Spital geben?« Da wurden sie eins unter einander, dieselbigen zu geben in das Spital S. Peters, denn sie gedachten, sie kuenntens nicht baß anlegen. Da ging der Patron zu der Spitalmeisterin und saget zu ihr, daß der Herr der Laegel verloren worden, darum er sie wollte geben in das Spital, sie sollt Gott fuer die Seel bitten.

 

Das fuenf und zwanzigste Kapitel

Wie die Spitalmeisterin ein großen Schatz fand von Golde, Silber und Kleinoden in Laegeln des Peters, die da wurden geben in das Spital um Gottes willen.

Es begab sich eines Tages, da die Spitalerin solches notduerftig ward, da machte sie ein Laegel auf; da fand sie in der Mitten ein großen Schatz von Gold. Davon sie erschrack und nahm eine andere und brach sie auf, da fand sie auch wie in der ersten; da saget sie bei ihr selbst: »Ach, armer Mensch, Gott, der Allmaechtige, Hab Deine Seel; denn ich sehe wohl, daß ich nicht allein mit Schmerzen, Unmut und Truebsal umgeben bin.« Danach nahm sie die anderen Laegel alle und schlug sie auch auf, da fand sie einen großen Schatz. Alsbald ließ sie Maurer und andere Werkleute berufen und fing an, die Kirche groeßer zu machen, und machet also eine schoene Kirche und ein Spital, in welchem der Gottesdienst und alle Ding ordentlich zugingen, und kam das Geschrei so weit, daß viel Volks dahin kam. Und brachten große Allmusen und Opfer und verwunderten sich darob, die Spitalerin wußt also koestlich zu bauen, denn man sich bei ihr nicht Gelds versahe.

 

Das sechs und zwanzigste Kapitel

Wie der Peter entschlafen in der Insel blieb, da er an sein liebste und getreuste Magelona gedacht.

Als der Peter blieb entschlafen liegen in der Insel eine Zeit, da saehe er auf und saehe, daß es Nacht war, stund bald auf und ging zu dem Meer, da er das Schiff haett verlassen. Als er dasselbige nicht saehe, da gedacht er, die Nacht betroege ihn, damit er nicht sehen moecht' und fing an laut zu rufen; aber es antwortet ihm niemand. Da ueberkam er großen Schmerzen in seinem Herzen, daß er niederfiel als waer er tot, und verlor gar seine Vernunft und fing darnach an, herzlich zu weinen, und sprach: »Oh, allmaechtiger, ewiger, guetiger Gott, werd ich nit einsmals meiner Tag erledigt, kann ich nit sterben? Welcher Mensch ist auf Erden, den das Unglueck verfolgt als mich?« Solcher gestalt weinet und beklaget sich der Peter die ganze Nacht bis an den Tag und sucht in der Insel, ob er moecht ein Schiff sehen, das ihm aus der Insel moecht helfen; aber er mocht nichts sehen, das ihm haett moegen helfen. Da er sich mit dieser Truebsal umgeben sahe, gedacht er an Gott, denn er vermeinet sich zu nahen seinem End, und bat ihn, er wollt sich sein erbarmen. Da schicket Gott, der Allmaechtige, der die Seinen nicht verlaeßt, die Sache also, daß ein Fischerschifflein kam, darauf man wollt sueß Wasser holen.

 

Das sieben und zwanzigste Kapitel

Wie der Peter ohnmaechtig ward, dieweil er das Schiff haett verloren, und ihn die Fischer funden.

Als die Fischer in die Insel kamen, funden sie den Peter gestrackt liegen, als ob er tot waere. Als sie solches ersahen, hatten sie ein Mitleiden mit ihm und gaben ihm zu essen Spezerei, Confekt und trinken, legten ihn auf ihr Bett, das sie haetten, deckten ihn warm zu aufs Beste, so sie mochten. Da er nun ein wenig zu ihm selbst kam, trugen sie ihn in das Schifflein und fuehrten ihn in eine Stadt Crapana, da halfen sie ihm in das Spital und gingen also von ihm und befahlen ihn dem Spitalmeister. Nachdem er nun eine lange Zeit in dem Spital war und mocht weder essen noch trinken, sein Sach auch von Tag zu Tag boeser ward, da wandert er hin und wieder, ob er moechte gesund werden; aber seines Herzens großer Schmerz mochte solches nicht leiden und betruebet ihn sehr, daß er krank blieb in dem Spital liegen bei neun Monat; er war auch noch nicht heil und gesund.

 

Das acht und zwanzigste Kapitel

Wie sich der Peter auf ein Schiff verdinget, in Prouincia zu fahren.

Eines Tages begab sich's, daß er spazieren ging an das Meer nach seiner Gewohnheit, und saehe ein Schiff an Port, zu welchem er ging; da hoeret er die Schiffsleut die Sprach seines Vaterlands reden. Da fraget er, wenn sie wieder wollten heimfahren. Sagten Sie: aufs laengst in zween Tagen. Da kam der Peter zu dem Patron und bat ihn um Gottes Willen, er wollte ihn mit ihm fuehren, denn er war auch aus demselben Land und lange Zeit krank gelegen. Antwortet der Patron: Er waere es in Willens zu tun um Gottes Willen, weil er sein Landsmann waer, doch mueßt er mit ihm fahren gen Todtenwasser genannt, in die Insel der Heiden Port; des war er wohl zufrieden und saß in das Schiff. Indem begab es sich einsmals, daß die Gesellen im Schiff redeten von der Kirch S. Peters zu Magelon und dem Spital. Da Peter hoeret reden und nennen Magelona, verwundert er sich und fraget, wo solche Kirche waere. Also sagten sie es ihm, es laege in der Insel, die Heidnische Port genannt, da waere eine schoene Kirche und Spital gebauet, darinnen Gott viel Zeichen tat, und sagten zu dem Peter: »Wir raten Euch, daß Ihr Euch dahin gelobet von Grund Eures Herzens.« Als der Peter solches von den Schiffgesellen gehoeret haett, da verhieß er Gott, er wollt in demselben Spital einen ganzen Monat bleiben, ehe er sich Vater und Mutter zu erkennen geb, bis er gesund wuerde von seiner Krankheit und etwas hoeret von seiner schoenen Magelona, wiewohl er glaubt, sie waere tot von dieser Zeit. Die Schiffleut schiffeten also lang, bis daß sie kaemen an die Port, der Heiden genannt, und luden den Peter also ab.

 

Das neun und zwanzigste Kapitel

Wie der Peter wieder zu Land kam ins Spital der schoenen Magelona.

Als nun der Peter auf dem Land war, ging er gar in die Kirche und danket Gott dem Allmaechtigen, daß er ihm haett sicher bis daher geholfen. Da er nun gebetet haett, da ging er in den Spital, sich zu ruhen als ein Kranker, damit er seinem Verheißen genug taet.

Als nun die Spitaelerin nach ihrem Gebrauch umging, die Kranken zu besehen, da ersaehe sie ihn, daß er neulich war kommen, und hieß ihn aufstehen, wusch ihm seine Haend und Fueß und kuesset ihn, wie sie gewohnet war, bracht ihm zu essen; darnach leget sie ihm schoene weiße Tuecher unter und hieß ihn sich darein legen und sprach zu ihm: »Alles, was Ihr beduerft, das begehrt, es soll Euch gegeben werden, damit Ihr bald gesund werdet.« Also pfleget sie allen Kranken zu tun, die zu ihr kamen.

 

Das dreißigste Kapitel

Wie der Peter in dem Spital war in der Insel, genannt der Heiden Port, welches die schone Magelona eine Stifterin war.

Eine lange Zeit ruhet der Peter in dem Spital, nahm zu an seiner Gesundheit, denn die Spitalmeisterin pfleget ihn so wohl, daß er sich darob verwundert und saget in seinem Herzen: »Ohn Zweifel muß die Frau eine heilige Person sein.«

Einstmals gedacht der Peter an seine allerliebste Magelona und fing an zu weinen und sprach: Oh allmaechtiger, ewiger Gott, so Du mich durch Deine goettliche Milde ließest wissen von meinem allerliebsten Gemahel, der schoenen Magelona, wollt ich meines Leids alles vergessen und Geduld getragen haben.«

Als er solches gesaget, da ließ er ein großen Seufzer. Nun ging die schoene Magelona von einem Kranken zu dem andern, wie denn ihre Gewohnheit war, und als sie zu dem Peter kam und solchen Seufzen von ihm vernahm, da gedacht sie, was ihm fehlet oder waer, und sprach zu ihm: »Lieber guter Freund, was fehlet Euch? So Ihr etwas wollet haben, zeiget es nur an, so soll es Euch werden, da will ich auch kein Geld sparen.« Da dankt ihr der Peter und antwortet, es fehlet ihm gar nichts, nur, wie der Kranken und Betruebten Gewohnheit ist, wenn sie gedenken an ihr Unglueck, so beklagen sie sich und haben Leichterung in ihrem Herzen, das also zu betrachten. Als die Spitaelerin hoeret reden von dem Unglueck, da fing sie an ihn freundlichen zu troesten und fraget ihn um sein Truebsal. Da saget ihr der Peter all sein Anliegen, doch nennet er niemand, und sprach also: »Es ist gewesen ein reicher Sohn, der hoeret reden von einer schoenen Jungfrauen in fremden Landen und verließ derhalben Vater und Mutter, zohe hinweg, dieselbige zu besehen. Also gab ihm Gott das Glueck, daß er ihr Lieb erlanget, doch ganz heimlich, daß es niemand vernahm. Er nahm sie zu der Ehe und fuehret sie heimlich hinweg von Vater und Mutter; darnach verließ er sie in einem wilden Wald schlafend liegen, zu ueberkommen seine Ring.« Und zeiget ihr alles seine Geschicht an bis auf die Zeit, da er kommen war in das Spital. Durch diese Worte verstunde die schoene Magelona wohl, daß er der Ritter, ihr allerliebster Gemahel war, den sie also oft begehret haett, den sie an allen seinen Gebaerden erkannt; und vor großer Freude fing sie an zu weinen. Doch wollt sie sich gegen ihm zu der Zeit nicht entdecken, aber aufs freundlichste, so sie zu tun vermocht, fing sie an zu reden mit ihm und ihm zu troesten; darnach ging sie in die Kirchen und kniet fuer den Altar und fing an zu weinen vor großen Freuden, die sie in ihrem Herzen haett, und danket Gott dem Allmaechtigen, daß er ihr solche Gnade haett mitgeteilet, damit sie erlebet haett, ihren allerliebsten Gemahel vor ihrem Ende zu sehen. Und als sie ihr Gebet geendet, da ließ sie ihr koenigliche Kleider machen, denn sie haett Gelds genug, sie haett auch wohl gelernet, solches anzugeben zu machen, wie ihr denn zu tragen gebuehret, und ließ ihr darnach ihre Kammer schoen zurichten und schmuecken auf das Allerkoestlichste.

 

Das ein und dreißigste Kapitel

Wie sich die schoene Magelona ihrem allerliebsten Peter zu erkennen gab.

Und da alle Ding bereitet waren, da ginge sie zu dem Peter und saget ihm: »Mein liebster Freund, kommet mit mir, denn ich habe ein Bad bestellet, Euch zu waschen Eure Haend und Fueß, daß Euch gut sein soll. Denn ich habe ein gute Hoffnung zu Gott dem Allmaechtigen, meinem Schoepfer, der werde Euch gnaediglich erhoeren, frisch und gesund machen. Da ging er mit ihr in die Kammer, da hieß sie ihn niedersitzen und verziehen, bis sie wieder zu ihm kaeme. Also ging sie in ihr koestliche Kammer und bekleidet sich ganz in die koeniglichen Kleider und setzt den Schleier doch wieder auf wie vor, als sie gewohnet war zu tragen, daraus man je nichts sehen mocht denn allein die Augen und Nasen; aber unter dem Schleier haett sie ihr schoenes Haar, das ihr ging bis auf das Erdreich, das da leuchtet als Gold, schoen zugericht, ging also zum Peter und sprach: »Edler Ritter, seid froehlich! Da sehet Ihr hie vor Euch stehen Euern allerliebsten Gemahel und treue Freundin, die Magelona, von welcher wegen Ihr so viel erlitten habt. Ich habe auch nicht weniger erlitten von Euret wegen. Ich bin dieselbige, die Ihr allein schlafend liegen gelassen habt in dem Holz und wilden Wald, und Ihr seid derjenig, der mich gefuehret hat aus dem Haus meines Vaters, des Koeniges von Neapels; ich bin die, der Ihr verheißen habt ihr Ehr und Zucht bis zum Beschluß unserer Ehe. Ich bin auch diejenige, die diese gueldene Ketten hat gehenkt an Euren Hals mit Uebergebung des Gewalts meines Lebens. Ich bin die, deren Ihr habt die drei Ring geben, die koestlich sein gewesen. Darum, allerliebster Herr und Gemahel, sehet mich an, ob ich dieselbige sei oder nicht, der Ihr tut von Herzen begehren.« Indem warf sie ihren Schleier von ihrem Haupt auf die Erden, da fiel ihr schoenes Haar herab gleich als das Gold.

 

Das zwei und dreißigste Kapitel

Wie der Peter erkennet die schone Magelona, seinen getreuen Gemahel.

Und als der Peter von Prouincia sahe die schoene Magelona ohn einen Schleier, da erkennet er sie erst recht, daß sie die war, die er lang haett gesuchet, und stund auf, fiel ihr um den Hals und taet sie freundlich kuessen in rechter guter Lieb, und fingen beide an, vor Freuden zu weinen. In solcher Liebe blieben sie bei einander und kundt keins kein Wort reden vor großer Freude; doch nachmals setzten sie sich zusammen und erzaehlet eins dem andern sein Unglueck. Ich kann nicht die Haelfte erzaehlen der Freuden, so sie haetten, denn ich geb solches einem jeglichen selber zu bedenken; solche Ding lassen sich auch baß bedenken denn schreiben. Jedoch mochten sie sich nicht ersaettigen ihres Kuessens und Anzeigen ihres Ungluecks, und richteten den ganzen Tag nichts anders aus, denn Kuessen und einander klagen.

Nun begab es sich auch, daß die schoene Magelona ihm anzeiget, wie sie die vierzehn Laegel haett empfangen mit dem Schatz, den er verloren haett, und saget ihm, wie sie dieselbige Haelfte haett verbauet an dem Gotteshaus, welches zu hoeren der edel Peter sehr erfreuet war. Nach dem beschlossen sie mit einander wie sie die Sache dem Grafen und der Graefin wollten zu wissen tun; doch saget der Peter der schoenen Magelona, er haette gelobet, einen Monat in dem Spital zu bleiben und die Zeit waer noch nicht vergangen. Saget ihm die schoene Magelona: »Mein allerliebster Herr und Gemahel, wenn es Euch gefiel, so wollt ich zu dem Grafen und Graefin gehen und sie freundlich bitten, sie wollten zu mir kommen auf den Tag, so Euer Geluebnis aus waer? Und so sie denn kaemen, wollte ich sie in diese Kammer fuehren, da wollten wir uns ihnen zu erkennen geben.«

Da solches der Peter hoeret, gefiel es ihm wohl. Also verschaffet die schoene Magelona, daß der Peter schlafen mußt in ihrer Kammer, aber sie lag in einer andern. Wiewohl die schoene Magelona dieselbige Nacht nicht viel schlief vor Freuden, die sie in ihrem Herzen trug, und begehret, daß bald Tag wuerde, damit sie den Grafen und die Graefin troesten moecht ihres Leids, denn sie wußte wohl, daß sie sehr betruebet waren, das denn sie beschweret. Es waren auch nicht mehr vorhanden denn vier Tag an dem Monat, den der Peter haelt gelobet, daß er sich gegen Vater und Mutter nicht wollte melden und zu erkennen geben.

 

Das drei und dreißigste Kapitel

Wie die schoene Magelona zu dem Grafen und Graefin kam, bat sie, zu ihr zu kommen ans den naechsten Sonntag.

Als nun der Tag kam, daran sein Verluebnis ausginge, bekleidet sich die schoene Magelona wieder mit ihren Kleidern, wie sie gewohnet war zu tragen im Spital; daran sie der Peter erkannt, und ging folgends in die Kammer zu dem Peter, welcher vor großen Freuden die Nacht wenig haelt moegen schlafen und nahm Urlaub von ihm und zog also zu dem Grafen und der Graefin, welche ihr viel Ehr erboten und sie freundlich empfingen, denn sie dieselbe sehr lieb hatten, und hießen die Spitaelerin zu ihnen niedersitzen. Da fing die Spitalmeisterin also an zu reden: »Gnaediger Herr, auch gnaedige Frau, ich bin zu Euch kommen, Euch ein Gesicht zu eroeffnen, welches die vergangene Nacht gesehen hab, Euch zu erfreuen, damit Ihr moeget in Hoffnung leben, denn kein Mensch soll an Gott verzweifeln. Es gedauchte mich, daß Christus unser Erloeser zu mir kaeme und fuehret einen schoenen jungen Ritter bei seiner Hand und sprach zu mir: »Dieser ist derjenige, darum Du, auch Dein Herr und Frau, so lang habt gebeten.« Solchs habe ich Euch nicht wollen verhalten, denn ich weiß wohl, daß Ihr betruebet seid um Euren Sohn. Aber glaubet sicherlich, Ihr werdet ihn sehen in kurzer Zeit, lebendig, frisch und gesund. Darum bitte ich Euch, Ihr wollet lassen hinwegnahmen Eure schwarzen Trauerkleider und aufhenken die Kleider der Freuden.«

Da solches der Graf und die Graefin von der Spitaelerin haetten verstanden, wurden sie sehr froehlich; wiewohl ihnen schwer war, zu glauben, daß der Peter noch lebet. Doch der Spitalmeisterin zu Gefallen befahlen sie, die schwarzen Trauerkleider hinwegzunehmen, und baten sie, sie sollt mit ihnen zu Morgen essen. Aber ihr Herz vermocht ihnen solches nicht zuzusagen; darum sprach sie, sie haett daheim zu tun, und bat sie freundlich, sie wollten beide auf den naechsten Sonntag bei St. Peter in der Kirchen erscheinen, denn sie haett gaenzlich gute Hoffnung zu Gott dem Allmaechtigen, ehe sie von einander abscheiden, sie wuerden erfreuet werden. Und nahm also Urlaub von ihnen, und verhießen ihr, sie wollten kommen.

 

Das vier und dreißigste Kapitel

Wie die schoene Magelon« wieder kam vom Grafen und der Graefin zu ihrem allerliebsten Peter, welcher ihr mit großen Freuden wartet, ihr Wiederantwort, so sie empfangen haett, zu hoeren.

Nach dem kam die schoene Magelona wieder zu dem Peter, der ihr wartet mit sehr großer Begierd, und zeiget ihm an, wie sie die Sach haett ausgerichtet, und daß sie sich gaenzlich versehe, sein Vater und Mutter wuerden nicht ausbleiben. Darnach ließ sie, die schoene Magelona viel Kleider machen fuer den Peter und sie.

 

Das fuenf und dreißigste Kapitel

Wie der Graf mit der Graefin kam in das Spital zu S. Peter auf den angezeigten Tag.

Als nun der Sonntag kam, da nahm der Graf die Graefin und sein Gesind und zogen zu S. Peter von Magelona und hoereten Predigt. Als die Predigt ein Ende haett, nahm die Spitaelerin den Grafen und die Graefin, ein jegliches auf eine Seiten, und sprach zu ihnen: sie wollt gern etwas Heimlichs mit ihnen reden, doch mueßten sie in ihre Kammer kommen; darein sie denn gern bewilligten.

Da sie zu der Kammer kamen, da sprach die Spitaelerin zu ihnen: »Gnaediger Herr, auch gnaedige Frau, so Ihr Euren Sohn sehet, moeget Ihr ihn kennen?« Da sprachen sie: »Ja.« Als sie in die Kammer kamen und der Peter seinen Vater und Mutter saehe, da kniet er fuer sie nieder. Da sie ihn sahen und erkannten, da liefen sie zu ihm und fielen ihm um den Hals und kueßten ihn freundlichen, doch vermochten sie kein Wort eine lange Zeit zu reden. Also ging das Geschrei aus, wie des Grafen Sohn wiederkommen waer. Da kamen Edel und Unedel, empfingen ihn und erboten ihm große Ehr, und ward jedermann froehlich. Nach dem allen redet der Graf und die Graefin, sein Vater und Mutter, mit dem Peter, und fragten ihn mancherlei, wie es ihm ergangen war.

 

Das sechs und dreißigste Kapitel

Wie sich die schoene Magelona dem Grafen und der Graefin zu erkennen gibt.

In mittler Zeit ging die schoene Magelona in ihre Kammer und bekleidet sich auf das Koestlichste, als denn ihr zu tun wohl gebuehret, so bald sie mochte, und kam darnach also gekleidet wieder zu ihnen. Als sie die schoene Magelona ersahen, verwunderte sich der Graf und die Graefin, woher die schoene Jungfrau kaem, die ihnen unbekannt war. Also stund der Peter auf, umfing sie freundlich und kuesset sie. Da solches die Leute ersahen, da verwunderten sie sich alle. Nach dem nahm sie der Peter bei ihrem Arm und sprach zu Vater und Mutter: »Gnaediger Herr Vater, auch gnaedige Frau Mutter, diese Jungfrau ist diejenige, von welcher wegen ich bin von Euch gezogen, und wisset, daß sie ist eine Tochter des Koenigs von Neaples.« Da gingen sie ihr entgegen, umfingen sie freundlichen und dankten Gott dem Allmaechtigen.

 

Das sieben und dreißigste Kapitel

Wie das Geschrei durch das ganze Land Prouincia ging, wie der Peter waer wieder heim kommen, und wie sie ein Fest hielten vierzehn Tage lang.

Das Geschrei kam durch das ganze Land Prouincia, wie daß der Peter wieder heim kommen waer, und wie er war in der Kirchen S. Peters von Magelon. Da sahe man Edel und Unedel zu Roß und zu Fuß kommen, und geschaehe allda ein Turnier vom Adel des Landes, dem Peter zu Gefallen. Die andern aber tanzten und waren froehlich. Da nun Vater und Mutter gehoeret haetten das Unglueck ihres Sohnes, desgleichen der schoenen Magelona, daraus ihnen Gott der Allmaechtige geholfen, da nahm der Graf seinen Sohn bei der Hand und fuehret ihn fuer den Altar S. Peters in die Kirch, und desgleichen taet auch die Graefin der schoenen Magelona, und knieten nieder, danketen Gott dem Allmaechtigen.

 

Das acht und dreißigste Kapitel

Wie der Peter und die schoene Magelona zusammen gegeben werden.

Da sie ihr Gebet hatten verbracht, saget der Graf zu seinem Sohn Peter also: »Ich will, dieweil diese Jungfrau von Deinet wegen also viel gelitten, Du wollest sie zu der Ehe nehmen.« Antwortet ihm Peter: »Allerliebster Vater, da ich sie aus dem Hause ihres Vaters fuehret, war es mein Will, sie zu ehelichen; doch auf Befelch Euer und meiner Mutter bin ich zufrieden, jetzunder sie oeffentlich zur Kirchen zu fuehren.« Also gab sie ein Bischof zusammen, und die Graefin gab dem Peter einen schoenen Ring, damit er sich verehlicht.

Also hielten sie ein groß Fest und Freude durch das ganze Land, vierzehen Tage lang, und gefiel jedermann die schoene Magelona wohl. Sie sagten auch, es moecht in seinem Menschen also viel Tugend erfunden werden als in ihr. Da richtet man mancherlei Kurzweil an und wollt ein jeglicher das Beste tun, damit er die Lieb gegen seinem Herrn beweisen moecht.

 

Das neun und dreißigste Kapitel

Wie nach diesem ehelichen Beilaeger der Graf und die Graefin lebten zehen Jahr, und sturben darnach alle beide.

Als nun das eheliche Beilaeger ganz vergangen war, lebete der Graf und die Graefin noch zehen Jahr in gutem Fried mit einander. Da sie nun gestorben waren, ließ sie der Peter beide ehrlich begraben in der Kirch S. Peters zu Magelon. Nach ihnen lebete der Peter und die schoene Magelona acht Jahr und zeugeten einen schoenen Sohn miteinander, der da tapfer und keck ward. Und als die Historien bezeugen, ward er darnach Koenig zu Neaples und Graf zu Prouincien. Der Peter und die schoene Magelona fuehreten bei einander ein freundliches und glueckseliges Leben. Und als sie sturben, da Wurden sie auch begraben in die Kirche S. Peters, und noch auf den heutigen Tag, da die schoene Magelona hat den Spital gestiftet, ist ein schoene Kirch der heiligen Dreifaltigkeit.

Ende.


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