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Historia und
Geschicht von Melusina
der edlen und hochgebornen Koenigin aus
Frankreich, und mit was seltsamen Gespenstern dieselbige
alle Sonnabend oder Sambstag
in ein Meerwunder ist verwandelt
worden.

 

Das erste Kapitel

Nach der Zeit des Koeniges von Frankreich, genannt Otto, da war zu Potiers in dem Koenigreich zu Frankreich ein edler Graf, wohl erkannt, der war genannt Emerich, und war ein wohlgelehrter, sinnreicher Herr, und besonders in der Kunst Astronomia, daß er sich des Himmelslauf und der kuenftigen Ding viel wußt zu berichten. Derselbige war auch an Gut gar reich und hatte mit jagen große Kurzweil. Er hatte auch nur einen Sohn und eine einige Tochter, die er gar lieb hatte; der Sohn hieß Bertram und die Tochter hieß Blanisette, die war eine schoene und zuechtige Jungfrau. Nun waren in dem Land zu Potiers viele große Waelder und auch Hoelzer, und besonders so hieße ein Wald der Kuerbsforst; in demselbigen Wald war gesessen ein gar edler Graf, der ward geheißen der Graf von dem Forst, und war an zeitlichem Gut gar arm und war auch beladen mit viel Kindern. Er war aber ein gar vernuenftiger, weiser, redlicher Herr, und der auch gar bescheidenlich nach guter Ordnung lebet und sich und seine Kinder ehrlich hinzohe mit wenig Guts; darum er wohl erkannt ward und auch von allermaenniglich geehrt und gar wohl gehalten. Derselbige Graf war auch desselbigen Stammes und Geschlechts des vorgenannten Grafen von Potiers und seines Schilds und Helms Genoß, denn er war sein rechter Ohem. Nun betracht der vorgenannte Graf Emerich von Potiers, daß sein Ohem, der Graf vom Forst, arm waer, dazu mit vielen Kindern beladen, und gedachte, wie er ihn seiner Kinder einesteils wollte entladen, ihm etwas gestatten und zu Huelf kommen, daß er seine Nahrung desto baß gehaben moechte und die andern seine Kinder desto baß moechte anssteuren und beraten.

 

Das zweite Kapitel

Hie halten sie die Hochzeit und sitzen alle zu Tisch, trinken und essen mit einander in freudenreichem Schall.

Der Graf von Potiers ließ darauf zu Potiers ein große Hochzeit machen und seinen Vettern, den Grafen vom Forst, dazu berufen, dann er sich deß mit seinen Lehenmannen zu tun beraten haette. Und auf dieselbige Hochzeit kam nun der Graf vom Forst mit drei seiner Soehne, gar mit weidenlicher Zucht und Ordnung. Da nun auf dieser herrlichen und loeblichen Hochzeit der Graf vom Forst erschien, ehrt der von Potiers ihn und seine Soehne, nach dem es sich gebuehrt und ihm auch von natuerlicher Lieb angehoeret und von Freundschaft moeglich war; sah auch an und beschaemte die Juengling seines Vettern, des Grafen von dem Forst Soehne. Unter den dreien warde der Juengste, Reymund genannt, ihm zumal wohlgefallen, darum er zu seinem Vettern und dem Grafen von dem Forst sprach: »Lieber Vetter, ich sehe wohl, daß Ihr mit Kindern fast beladen seid. Nun begehre ich von Euch, daß Ihr mir Eurer Soehne einen gebet, den soll und will ich ziehen als mein eigenes Kind und ihn versorgen, deß Ihr mir ganz vertrauen moeget.« Da antwortet ihm sein Vetter: »Welchen Ihr da haben wollt unter den dreien, der sei Euer.« Also fordert er den juengsten, genannt Reymund, der ihm auch allerbest behaget. Das danket ihm der Graf von dem Forst gar tugendlich und gab ihm Reymund, seinen juengsten Sohn, der auch zumal ein gar adelicher Knab und ganz wohlgestalt war.

 

Das dritte Kapitel

Wie Graf Emerich seines Vettern, des Grafen vom Forst juengsten Sohn, Reymund genannt, behielt, und wie der Graf vom Forst und seine andere zwei Soehne von ihm hinweg schieden und freundlich von einander Urlaub nahmen.

Da nun die Hochzeit auf drei Tag gewaehret hatte, nahm der Graf vom Forst Urlaub von seinem Vetter und Herren und wollte wiederum zu Haus reiten, und schied der Vater und die Soehne von Reymund, desgleichen er von ihnen, und war etwas betruebet. Doch so hatte ihn der vorgenannte Graf Emerich gar lieb fuer anderen seiner Diener, denn er ihm auch fleißiger dienet, wie die anderen, dazu er auch sein geborner Freund war; darum er ihn ehret und vorzoege, daß er von allen seinem Hofgesind, Freunden und Goennern geehret ward.

Einsmals, da Graf Emerich nach seiner Gewohnheit auf einem Gejaegdt war, da die Seinen jagten ein wildes Schwein, ritt Reymund hinnach, und eilete das wilde Schwein vor den Hunden hin und zohe das ganze Gejaegdt nach, darum auch der vorgenannte Graf dem Gejaegdte schnell nacheilte auf sein Schaden und Ungewinn, und eilete ihm Reymund schnell nach, um daß er seinen Vetter nicht verloere in dem Wald. Und hieß derselbige Wald Columpier, und es war so spat am Abend, daß sie bei dem Mondschein ritten in dem Wald, und eilten dem Gejaegdt nach, und erschlug das Schwein viel Hunde zu tot, und hatten ihn alle seine Diener verloren, daß ihr keiner wußte, wo er hinkommen war, ausgenommen Reymund, der war bei ihm. Und also, wiewohl Graf Emerich mehr denn mit zwanzig Mannen auf das Gejaegdt gezogen war, doch so hatten sie ihn alle verloren. Nun da sprach Reymund zu ihm: »Herr, wir sind nun nachts von allem Volk kommen und haben die Hunde des Gejaegdts verloren und all unser Volk, nun gebuehret uns nicht, hinter sich zu reiten gegen der Nacht, denn wir das Gejaegdte noch unser Volk nicht wieder finden koennen; aber ich rate, daß wir hie zu dem Naechsten trachten, wo wir die Nacht etwan Herberg gehaben moegen.« Der Graf antwort und sprach zu ihm: »Du redest recht und ratest auch wohl, denn die Sterne stehn und scheinet auch der Mond gar hell.« Also fingen sie an zu reiten ueberzwerch durch das Holz und funden zuletzt nach viel Arbeit einen schoenen Weg. Da sprach Reymund: »Herr, ich versiehe mich, daß dieser Weg gen Potiers gehe.« Der Graf sprach: »Es mag vielleicht also sein.« Reymund sprach: »Wir wollen eilen, vielleicht so finden wir etwan unseres Volks, die den Weg baß kennen denn wir; so kommen wir nicht zu spat, man laeßt uns zu Potiers ein.« Der Graf antwortet: »Ich folge gern Deinem Rat.«

 

Das vierte Kapitel

Wie Graf Emerich und Reymund das Gejaegdt verloren hatten bei dem hellen Mondschein und sie beide irr ritten in dem Wald. Und wie Graf Emerich groß Wunder sahe an dem Gestirn und das Reymund sagte.

Da sie nun ritten und der Graf das Gestirn des Himmels und der Planeten begunnt zu achten, denn er ein guter Astronomus war und sich kuenftiger Dinge wißt zu berichten, so stehet er unter anderen Sternen einen Stern, und da er den ersahe, erseufzet er gar tief und sprach: »Ach Gott, wie ist Dein Wunder so groß und mannigfaltig, oder wie mag doch die Natur an ihr selber ein solche Gestalt haben, daß sie einen Mann laßt werden, der nun von seinem großen Uebeltun und Missetat soll also in großen und zeitlichen Ehren erhoecht werden; denn es doch unziemlich ist, daß von Uebeltun jemand soll aufkommen und geehret werben.« Er sprach: »Reymund, lieber Ohem, komme herzu, ich zeige dir großes Wunder und fremd Abenteuer, dergleichen Du nie vernommen hast.« Reymund, der war ein guetiger Juengling, der fragt seinen Herrn und Vettern, was das waere. Antwort ihm der Graf Emerich und sprach: »Da sehe ich, daß jetzund einer auf diese Stund seinen Herren ertoetet. Er wird ein gewaltiger Herr und wird maechtiger und glueckhaftiger, denn keiner seiner Freund oder Beisessen je ward.« Reymund schwiege und redet nicht ein Wort, und fande da ein Feuer, das hatten die Hirten in demselbigen Holz gelassen. Er stunde aber von dem Roß und klaubet klein Holz zusammen und machte ein Feuer, denn es kalt war. Der vorgenannte Graf stunde ab, ihm zu Schaden, und waermeten sich beide bei dem Feuer. Indem so hoereten sie beide durch das Holz etwas herfuer brechen; Reymund, der ergriff schnell sein Schwert, desgleichen der Graf seinen Spieß, so kommt dorther ein groß Schwein, klappet mit seinen Zaehnen und schaumet gar feindlich. Reymund schrei den Grafen, seinen Herrn, an und sprach: »O Herr, behalt Euer Leben und steiget schnell auf einen Baum.« Der Graf antwortet und sprach: »Solches ist mir nie gehebt worden auch noch widerfahren, und soll mir auch, ob Gott will, nimmer fuergehebt noch beweist werden, daß ich durch eines Schweins willen so schaendlich fliehe.« Das war Reymund fast leid. Der Graf zucket den Spieß und lief's Schwein an und gabe ihm einen Stich und traf es nicht recht, daß ihm das Schwein den Stich abschluge und ihn auf die Erden hernieder warf. Reymund, der zucket seines Herrn Spieß und wollte das Schwein treffen; von großem Ungefell da fehlet er des, daß ihm der Spieß abwiche und stieß den seinem Herren und Vetter tief in seinen Leib. Er zucket wieder und stach das Schwein recht und faellet es, damit kehret er sich um und kam zu seinem Herren und Vettern; den fand er schnell in Todesnoeten liegen und verscheiden.

 

Das fuenfte Kapitel

Wie Reymund seinem Vetter sein Ungefell klaget, um das er seinen Vettern und Herren also jaemmerlich ertoetet hatte.

Als nun Reymund sahe das große Ungefell, das ihm allda zuhanden gangen war, bedarf man nicht fragen, ob er nicht große Klage vollbracht hat. Ja, solches jaemmerliches und bitteres Klagen und sein Haar ausraufen, daß sein genug war, und sprach: »Glueck, was hast du mich so gar mit Jammer, mit Elend, mit Herzeleid und mit allem Ungefelle beladen; niemand aber soll sich an dich lassen, denn du viel Jammers und Leidens zufuegen kannst, dem du es guennest, und du kannst machen aus dem Armen einen Reichen und aus dem Reichen einen Armen; dem einen hilfst du auf, dem andern nieder, einem bist du sueß, dem andern bitter. Ach Glueck, was hast du mir armen jungen Toren angethan, denn du hast mich an Leib und Seel, an Ehr und Gut verderbet und mich in große Not, Elend und Arbeit bracht. Ach, wollte Gott, daß ich nun auch sterben sollt und mit meinem allerliebsten Herren und Vettern begraben werden; das waere mir eine Aufenthaltung; denn ich des zeitlichen Tods ganz beraubet bin und sein muß, dieweil ich mein Leben habe, so mag ich aus Argwohn nimmer kommen, denn daß man mich dafuer wird halten, ich habe den Stich mit Willen an meinem allerliebsten Herren und Vettern getan und ihn ermordet. So erbarms Gott von Himmel, daß ich je geboren ward, und verflucht sei die Stund, in der ich empfangen ward oder an die Welt kam, denn ich die Tat gegen Gott nimmer kann noch mag gebueßen.« Und also trieb er solche Klage mehr denn auf eine Stunde. Reymund saß wieder auf sein Pferd, so in großem Jammer, Leiden und Betruebnuß, mit großem Geschrei und jaemmerlicher Klag, und wand seine Haende klaeglich und ließ sein Pferd gehen ohn Fuehren und ohn alles Weisen, daß er den Zaum nicht anruehret vor großem Leid und Jammer, das er in seinem Herzen trug.

 

Das sechste Kapitel

Wie Reymund also irr ritte in großer Klage und zu dem Durstbrunnen kam, und Melusina da zu ihm kam und ihn troestet und ihm alles sagt, was ihm widerfahren oder kuenftig war.

In dieser großen jammerlichen Klag kam Reymund zu seinem kuehlen Brunnen, genannt der Durstbrunnen. Bei demselbigen Brunnen standen drei schoene Jungfrauen, hochgeboren und adelicher Gestalt, die er nun vor Leid und Jammer ganz uebersehen und ihr nicht acht gehabt hatte. Unter den die schoeneste und juengste zu ihm ging und sprach: »Ich habe nie kein Edelmann so unzuechtig gesehen, daß er fuer einem Frauenbilde hinritte oder ginge und nicht mit ihr redet noch ihr kein Ehr erbiete.« Reymund antwortet ihr allzeit nichts und trieb seine Klage stetiglich fuer sich, bis sie ihm bei dem Zaum finge und zu ihm sprach: »Sicher, Du beweisest gar nicht, daß du von dem hochgelobten Adel geboren seiest, daß du also stillschweigend fuerreiten wollest.« Da Reymund die edle schoene Jungfrau ersahe, da erschrak er und wußte nicht, ob er lebendig oder tot war, oder ob das ein Gespenst oder eine Frau war. Sie sahe wohl, daß er toedlicher Gestalt war, vor Leid und Schrecken sich entfaerbet ohn Unterlaß. Da fing sie an und schuldiget ihn großer Untreu und Unzucht, daß er nicht mit ihr redte. Da begundte er die unsaegliche Schoene ihres Leibs beschauen und sprang schnell von seinem Pferd auf die Erde und sprach: »Ach, allerschoeneste Jungfrau, ich begehre mit Fleiß an Euer adeliche Tugend, daß Ihr mir mein Unzucht verzeihen wollet, denn ich sicherlich in solchem Leid und Jammer bin von eines großen, jaemmerlichen Ungefells wegen, das mir gar kuerzlich widerfahren ist, daß ich nicht kundt wissen, ob ich todt oder lebendig war. Denn ich war von mir selbst kommen, daß ich nicht wußte, was ich taet oder wo ich war, und Euer nicht acht nahm. Doch so bitte ich Euer Gnad demuetiglich, daß Ihr mir es wollet verzeihen; ich will Euch gern darum zu Buß stehen.« Die Jungfrau antwortet guetiglich und sprach: »Reymund, lieber Freund, Dein Not und Klag ist mir leid in Treuen.« Da er hoeret, daß sie ihn mit dem Namen nennte, das nahm ihn sehr wunder und sprach: »Ach, edle Jungfrau, mich kann nicht genug verwundern, daß Ihr mein Namen wißt; denn mich duenket nit, daß ich Euch kenne. Doch so sehe ich wohl ein unsaeglich schoen Angesicht, von Leib und Gestalt wohl gezieret und zuechtig; nun saget mir mein Herz und Mut, ich soll in meinem Herzeleid ein Trost von Euch empfahen, dadurch mir mein Kummer etwas gemindert werde.«

Die Jungfrau sprach: »Reymund, ich weiß Deine Not und Klage und das Ungefell, das Dir zu dieser Stunde an Deinem Herren und Vettern widerfahren ist mit dem Schwein, und daß Du ihn und das wilde Schwein ertoetet hast, das doch wider Deinen Willen und von ungefell geschehen ist. Und wenn Du meiner Lehr willst folgen und nachkommen, so soll Dir Gut, Ehr, Gluecks und Gelds nimmermehr gebresten, sondern Du sollst glueckhaftiger, maechtiger und reicher werden denn keiner Deiner Freunde.« Reymund gewann einen Trost von der Jungfrauen freundlichen Worten. Die sprach wiederum zu ihm: »Lieber Reymund, was dir dein Vetter und Herr geweissaget hat, das muß auch an Dir vollbracht werden mit der Huelfe Gottes, der alle Dinge vermag.«

Da nun Reymund hoeret, daß sie von Gott saget, da gewann er einen besonderen Trost und gedacht in seinem Herzen: Nun mag ich etwas Trosts haben, daß die Jungfrau kein Gespenst noch keines Unglaubens, sondern von christlichem Blut kommen und nicht unglaeubig sei. Und sprach zu ihr: »Schoene, adeliche Jungfrau, ich will mein Herz und Gemuet richten, Euch zu hoeren und Euren ganzen Willen vollbringen. Aber ich kann noch mag mir selbst nicht entziehen, muß je mit Urlaub Euer Gnad fragen, wie das kommet, daß Ihr mein Namen moecht wissen und wie Euch fuerkommen oder kund getan das große Leid und Ungefell, das mir zu Haenden gangen und widerfahren ist.« Sie troestet ihn und sprach: »Reymund, verzage nicht, Dein Glueck, Heil und Ehr, die will sich erheben; denn Dir Dein Vetter und Herr das vorhin hat gesagt und nach Gott so bin ich die, durch die Du dies alles magst erholen; doch so zweifel auch nicht, dann daß ich von Gottes Gnaden und wahrlich ein gut Christenmensch sei, denn ich glaub alles das, das ein Christenmensch soll halten und glauben: daß Gott von einer keuschen Jungfrauen geboren ist und fuer uns arme Suender gelitten habe, Gott und Mensch auferstanden, gen Himmel gefahren ...« Und alle Artikel christlichen Glaubens konnte sie ihm gar ordentlich erzaehlen. Und sagt zu ihm: »Reymund, Du wirst gar hoch und zu solchen Ehren kommen, daß seiner Deines Geschlechts nie hoeher kam noch hinfuer der kommen wird.«

Reymund begundt ein großen Trost empfahen und wieder zu seinen Sinnen und zu seiner Farb kommen. Also antwortet er und sprach: »Allerliebste, schoene und adeliche Frau, ich bin bereit, alles das, was Ihr mir ratet, zu tun und zu erfuellen nach ganzer Lieb und gutem Vermoegen.« Die Jungfrau sprach: »Reymund, Du sollst mir zum ersten schwoeren bei Gott und seinem Leichnam, daß Du mich zu einem ehelichen Gemahel nehmen und an keinem Samstag mir nimmer nachfragen noch mich ersuchen wollest, weder durch Dich selbst, noch jemand anderm goennen, geheißen, verschaffen, noch Dich lassen darauf weisen, daß Du mich denn immer ersuchst, wo ich sei, was ich tu oder schaff, sondern mich den ganzen Tag unbekuemmert lassen wollest. So will ich Dir hinwieder schwoeren und geloben, daß ich derselben und all mein Zeit und Tag, besonder auf denjenigen Tag, an kein End kommen will, das Dir schaedlich oder unehrlich sei.« Dies alles gelobet und schwur ihr Reymund. Aber ob er es hielt oder nicht, werdet Ihr hernach hoeren; denn er sein Eid und Treu an ihr brach, darum ihm groß Leid und Jammer zufiel.

Die Jungfrau sprach zu ihm: »Reymund, ist es sach, daß Du mir nicht leistest oder haeltst, das Du mir gelobet und geschworen hast, so sollst Du mich wahrlich verlieren und mich nimmermehr gesehen, und es wird darnach Deinen Kindern und Erben fast mißgehen und werden abnehmen an Land und Leuten, an Ehr und an Gut.« Reymund, der schwur ihr aber zu dem andern Mal, er wollte sich selbst darinnen nimmer uebersehen, sondern sein Treu und Geluebd an ihr getreulichen halten. Das er ihr aber darnach nicht hielt, darum verlor er sein schoene und allerliebste Frau, die ihm so ungesaeglich lieb war, als Ihr denn hernach hoeren werdet. Die Jungfrau sprach zu Reymund: »Nun sollst Du hin reiten gen Potiers, und ob man Dich fragt, wo Dein Herr sei, so magst Du antworten: ich habe ihn in dem Wald verloren. Desgleichen die andern den mehrern Teil auch sagen. Darnach wird man ihn suchen und zuletzt auch finden und wird ihn mit großer Klag gen Potiers fuehren und mit großer Betruebnuß begraben; besonders die Frau und ihre Kinder werden besondern Jammer und Herzeleid haben, und andere Frauen und Maenner werden mit ihnen groß Mitleid haben, darinnen Du sie troesten sollst und ihnen freundlich dienen in ihrem großen Jammer und Herzeleid. Darnach, so er denn bestattet ist, so werden die Edlen alle kommen und ihre Lehen fuer seinen Sohn erkennen und empfahen. Und dann sollst Du ihn bitten, daß er um die getreuen Dienst, die Du dem Grafen von Potiers, der so nahe abgangen ist, getan hast, Dir ein Gab geben wolle allhie an dieser Statt und bei dem Brunnen, da wir jetzund seind, naemlich so viel Erdrichs, Felder und Holz, als Du in ein Hirschhaut beschließen oder damit umfangen moegest. Solches wird er Dir nicht versagen, sondern Dir das guennen. So sollst Du denn gedenken auf dieselbe Stund und ohn Verziehen, daß Dir datum desselbiaen Tages gut versiegelte Brief werden, darinnen begriffen sei, was die Gabe oder warum sie Dir gegeben, und den Tag und das Jahr mit rechtem Dato darein geschrieben; und wenn Dir die Gab also gegeben, verbrieft und versiegelt wird, so sollst Du Dich denn ein Weil enthalten und dannen gehen, so wirst Du denn alsbald finden einen Mann, der ein Hirschhaut feil traegt. Denselbigen laß nicht von Dir kommen, Du kaufest denn dieselbige Hirschhaut, sie kost was sie wolle; daraus sollst Du lassen schneiden einen schmalen Riemen, und so duenn, als es gesein mag, und sollst ihn von ganzer Haut zu ringsum lassen schneiden und tue sie zusammen an ein Pueschel und heiß Dir Dein Gab ausrichten ob diesem Brunnen bei diesem starken Felsen und ziehe denn den Riemen herum.« Und sie zeiget ihm, wo er hinziehen sollt, und sie hieß ihn hinwegreiten und auf ein benannten Tag wieder zu ihr an diese Statt kommen.

 

Das siebente Kapitel

Wie Reymund von der Jungfrau Melusina schied und Urlaub von ihr nahm und hin gen Potiers ritt.

Reymund nahm Urlaub von seinem Gemahel Melusina und ritt hin gen Potiers und verhieß ihr, zu leisten alles, das sie ihm zu tun geraten hatte. Er tat es auch nach ihrem Rat. Und kaeme gen Potiers an dem Morgen fruehe. Da er nun hinein kam, da sprachen sie alle: »Reymund, wie kommt es, daß Du ohne Deinen Herrn kommest; wo ist er hinkommen?« Reymund antwortet ihnen und sprach: »Sicher ich habe ihn seither nechten Abends nie gesehen, denn er entritt mir in dem Wald, dem Gejaegd nach, daß ich ihn nicht mocht erreiten, und habe ihn also verloren und darnach nit mehr gesehen.« Also fraget man ihn nit fuerbaß und niemand haett sich versehen, daß dem Reymund solcher Handel zu Handen gangen oder widerfahren waere, wiewohl er dadurch gar schwermuetig war und gar erseufzet. Doch so hielte er sich darinnen gar klug und weislich und nach Rat seines Gemahels, als ihm denn das zu tun geraten hatte. Nun kamen des Grafen Diener alle ab dem Gejaegde, einer vor, der andere nach, bis ohne zween, und ihr keiner kundte aber nicht gesagen oder wissen, an welchem Ende der Graf am Abend zuletzt gewesen oder blieben war. Dardurch sich nun gar große Klag zu Hof erhube, insonderheit von der Graefin und von ihren Kindern. Von den erhub sich ein Weinen, Schreien, großer Jammer und Klagen. Und da sie also in dieser Klag waren, da kamen die letzten zween Diener auch und trugen den Grafen also tot, und hatten mit ihm große Arbeit getan und sagten, wie sie ihn bei dem Schwein also tot gefunden haetten; aber erst da hub sich noch groeßer und jaemmerlichere Klag, denn das zumal ein erbaermliche Sach war, insonderheit der Graefin und ihren Kindern, da sie ihn also tot vor ihnen sahen. Also ward er gar koestlich und ehrlich mit großem Jammer und Klagen aller der Seinen zu seinem Begraebnus bereit. Und beklagten ihn die Edle und Gemeine, jung und alt, Mann und Frauen, Geistlich und Weltlich, aus dermaßen klaeglich und sehr. Und er ward des Morgens also bestaettiget gar ehrlich zu der Erden von allen den Seinen, die man dazu erlangen mocht. Und besonders tat Reymund solche große Klag, daß ihm dadurch viel Ehr zugezahlet und von jedermann gelobet ward und ihn auch maenniglich dester ehrlicher hielte.

 

Das achte Kapitel

Wie Reymund von seinem lieben Herrn und Vettern zu Lehen empfing so viel Erdrichs bei dem vorgenannten Durstbrunnen, als er mochte in eine Hirschhaut beschließen und umfahen.

Da nun dieser Graf also wohl bestaetiget war, da kamen die Edlen alle zu seinem Sohn, Graf Bertram, und erkenneten und empfingen ihr Lehen, als man denn gewoehnlich tut von einem neuen Herrn. Reymund trat auch herfuer und tat sein Gebet, als er denn von Melusina, seinem Gemahel, zu tun unterweist war, und sprach also: »Gnaediger, lieber Herr, ich bitte Euer Gnad, als um die getreuen Diensie, die ich Graf Emerich, meinem Herrn und Vettern seligen, meine Tag getan hab, daß Ihr mir geben wollt bei dem Durstbrunnen so viel Lands, Felds und Erdrichs an Ackern und Wiesmahd, als viel ich in ein Hirschhaut beschließen oder umfahen mag; begehre auch nie mehr dafuer um all meine Dienst, und mich beduenket, mein Begehren sei so schlecht und unkoestlich, daß Ihr mir es nicht versagen.« Der Herr antwortet und sprach: »Ich will Dich Deines Gebets gewaehren und Dir es nicht versagen, es werd mir denn von meinen Raeten widerraten.« Die Herren sprachen alle gemeinlich: »Ihr sollet dem Reymund das nicht versagen, denn er solches und auch viel groeßers um unsern Herrn, Euern Vater seligen, und um Euer Gnad wohl verdienet hat.« Der Graf Bertram gab ihm die Gab nach seinem Begehren. Also bat ihn Reymund gar fleißiglich, daß er ihm darum ein Besorgnus taet und geb. Also ließ er ihm zu Stund ein Brief machen, der auch gar meisterlich gesetzt war. Und als der Brief also wohl gestellet und versiegelt ward mit des Grafen mehreren Insiegel mit samt der andern Herrn und Ritter Insiegel, und das Datum des Jahrs und Tages schoen ward darein gesetzt mit Zeugen, desselbigen Morgens fand Reymund ein Mann, der truege feil ein Hirschhaut, gar schoen und wohl gegerbet; die kaufet er von Stund an und ließ die gar schmal und duenne in Riemenweis zerschneiden, nach dem laengsten, als man mocht und kundt, und kame darnach wieder zu dem Grafen und begehrt allda, daß man ihm seine Gabe freundlich und tugendlich wollte ausrichten.

 

Das neunte Kapitel

Wie der Graf ordnet von Stund an seine Boten und auch etliche seine Raet, die mit Reymund ritten zu dem Durstbrunnen, ihm seine Gabausrichtung zu tun.

Der Graf ordnet von Stund an seine Boten und etliche seiner Raet, die mit Reymund ritten zu dem Durstbrunnen, ihm seiner Gabe Ausrichtung zu tun. Und da sie zu dem Durstbrunnen kamen, und sie sahen, daß Reymund die Hirschhaut so schmal und klein in Riemenweis geschnitten hatte, des nahm sie alle Wunder und wußten nicht, was ihnen darinnen zu tun oder zu lassen waer, denn sie gedauchten, es wuerde da gar viel zu weit an Holz und Felsen, an Wald und Land begreifen. Zu der Stund da kamen zween unerkannte Mann und nahmen die Hirschhaut und wunden sie zusammen zu einem Pueschel, der da groß ward. Sie steckten einen Pfahl auf ein besonderen Ort in der Erden und bunden dasselbige Ort des langen Riemens an den Pfahl und umzogen da den Fels und den vorgenannten Durstbrunnen und gar eine große Weite des Tals, darinnen auch ein huebscher Bach hinfloß; und hatten also zu Stund an ein gar weite Weide beschlagen und umfangen, daß die Boten, die dahin gesandt waren, sich des nicht versehen haetten, daß man kaum den halben Teil so viel und als weit damit immer haett moegen begreifen. Doch was ihm geredt und gegeben war, hielten sie ihm begnueglich und ritten gen Carthause, dabei gelegen, und kamen gen Potiers und erzaehlten das ihrem Herrn vor allem Volk, wie zween unerkannte Maenner die Riemen gezogen haetten und an den Pfahl geheftet, und wie es so große Weite begriffen haett. Der Graf sprach: »Das ist mir ein seltsam und ein fremde Sach, es mag mir wohl ein Gespenst sein, denn ich habe viel und dick gehoeret sagen, daß etwas fremder Abenteuer dick bei dem Brunnen gesehen sei. Desgleichen moechte Reymunden auch etwas Fremdes allda widerfahren sein oder noch widerfahren; doch wolle Gott, daß es ihm gut sei und sein Glueck. Denn ich des und alles Guts meinem Freund und Ohem wohl guennen wollte, als ich auch bekenne, daß das billig ist.« Reymund kam in demselben und war gar wohlgemut und danket dem Grafen gar fleißiglich seiner Gabe und sprach: »Ich weiß nicht, was mir von dieser Gabe entstehen mag, aber ich hoff, mir soll viel Gutes, auch Glueck und Selde davon entstehen.« Reymund, der stund des Morgens fruehe auf und ritt wieder zum vorgenannten Durstbrunnen, da fand er aber sein Frauen, die ihn also schoen und aus dermaßen wohl empfinge, also sprechend zu ihm: »Lieber Reymund, bis mir Gott willkommen, denn Du weis und vernuenftig bist, denn alles das, das ich Dich unterweist habe, das hast Du nicht vergessen, sondern das nach meinem Willen ganz und gar vollbracht, in Maßen, daß Du sein doch groeßere Ehre gewinnest.« Also gingen sie mit einander in ein Capellen; da sahe Reymund so viel schoenes Volks, Frauen, Ritter und Knecht, Priester und mancherlei ehrliches Volks, gar reich bekleidet. Des begundt sich Reymund gar sehr zu verwundern, was oder welcherlei Volks dies waere, und darum mochte er sich nicht enthalten, er fraget seine Frauen und sprach: »Wer oder von wannen ist das Volk alles?« Da antwortet ihm die Frau und sprach: »Es soll Dich nicht wunder nehmen, denn sie sein alle Dein.« Und kehret sich damit um zu dem Volk und gebot ihn allen, daß sie dem Reymund gehorsam und Untertan waeren als ihrem rechten Herrn und Gebieter. Das taeten sie zu Stund und erboten ihr auch Zucht und Ehr, die sie kundten.

 

Das zehnte Kapitel

Wie Reymund der Jungfrauen Melusina Hofgesind beschauet in der Capellen und ihm das gar wohl gefiel, und wie ihm auch so große Ehr von demselben Volk erboten ward.

Nun gedachte Reymund heimlich: das ist ein fremde Gehorsamkeit, nun wolle mir verleihen die Gotteskraft, daß es ein gutes Ende gewinne. Die Frau sahe, daß er in schweren Gedanken war und in einem starken Verwundern, als denn das nicht unbillig war und an ihm selbst wohl zu gedenken. Darum hube sie an und sprach zu ihm: »Reymund, ich will Dir sagen, Du kannst noch magst meinen Stand noch Wesen eigentlich erkennen, bis daß Du mich zu einem ehelichen Gemahel genommen hast.« Reymund saget darnach zu ihr: »Frau, ich bin bereit zu allen Zeiten, Euern Willen zu tun und den mit Fleiß zu erfuellen.« Die Frau antwortet ihm und sprach: »Lieber Reymund mein, es muß ein andere Gestalt haben und muß ehrlich zugehen. Du mußt Arbeit haben, und Leut zu Deiner und meiner Hochzeit mit Dir bringen, die da wissen, Hochzeit nach Ehren helfen zu halten und auszurichten. Und gedenk noch zweifel nicht, denn die, die mit Dir herkommen, nicht Gebresten haben oder gewinnen an keinen Sachen, der man zu Hochzeiten bedarf, denn Rats und Kost genug da ist. Und gedenk, daß Du mit den Deinen, die Du mit Dir bringen willst, ohn Fehlen und Aufzug auf den Montag jetzt kuenftig fruehe zu rechter Tageszeit hier seiest.«

Reymund kehret um und ritt wieder gen Potiers schnelle zu seinem Herren, grueßet ihn und sprach: »Gnaediger Herr, ich bin Euer Diener und Euern Gnaden gewohnet in Maßen, daß da mich nit beduenkt billich zu sein, daß ich Euch koenne meine Heimlichkeit verhalten, noch verschweigen sollt, und fuege Euer Gnaden zu wissen, daß ich mir ein Frau zu der Ehe genommen habe, die ein maechtige edel Frau ist, und soll und will nun auf den jetzt kuenftigen Montag Hochzeit haben bei dem Brunnen, genannt der Durstbrunnen. Und darum bitte ich Euch gar demuetiglich, daß Euer Gnaden selber persoenlich da bei mir erscheinen und mir solche Ehr tun wollet, desgleichen meine gnaedige Frau, Euer Mutter. Der Graf antwortet und sprach: »Lieber Ohem, ich will Dir gar gern zu Ehren und auch zu Lieb darkommen und Dir Deine Bitte nicht versagen; ich hoffe, daß mein Frau und Mutter desgleichen auch tu. Doch eins muß ich Dich je fragen: wer oder von wannen ist die Frau, die Du genommen hast. Schau, daß Du mir nit mißfahrest, von welcher Gegend oder was Geschlechts ist sie? Auch sage mir, ob sie fast wohl und hochgeboren sei, denn ich Dir je zu Lieb darkommen will.« Reymund antwortet ihm und sprach: »Herr, es mag nicht gesein, daß Ihr jetzt vernehmet, wer oder von wannen sie sei oder was ihr Wesen sei. Laßt Euch begnuegen, daß Ihr sie in ihrem Stand und Gestalt sehen moeget.« Der Graf antwortet ihm und sprach: »Mich verwundert nicht klein, lieber Ohem, daß Du ein Weib genommen hast und nicht wissen magst, wer sie sei, noch ihrer Freund kein Kundschaft hast.« Reymund sprach: »Herr, in der Wahrheit, sie ist also Wohlgestalt und mit Geberden, mit schoene und loeblichen Sitten geziert, als ob sie eines Koenigs Tochter war. Kein schoener Weib ward nie gesehen; ich habe auch nicht gefraget, ob sie eines Herzogen oder Marggrafen Tochter sei, sie ist ganz nach meinem Gefallen, und ich will sie auch haben.« Da der Graf diese Wort erhoeret, da gedacht er ihm, daß der Markt mehr denn halber beschlagen und gemacht waer, und ließ fuerbaß sein Fragen unterwegen und sagt: »Ich will Dir je selbst kommen und mit mir meine Frau und Mutter, und der Meinen viel mit uns.« Des danket ihm Reymund mit Fleiß. Am Montag darnach am Morgen fruehe machet sich der Graf auf mit seiner Frauen und Mutter und mit allem seinem Hofgesind, auch mit andern der Seinen, dem genannten seinem Ohem zu Ehren, mit Rittern und Knechten. Und besorget doch, etwas, daß er und die Seinen bei dem vorgenannten Durstbrunnen nicht vollkommliche Herberge moechten haben, doch schwieg er und fraget nicht fuerbaß; es war aber ein toericht Sorg, als Ihr hernach hoeren werdet. Sie schieden von Potiers und ritten gegen dem Wald zu auf Columpier durch das Doerflein und den Weg gegen den Felsen. Da sahen sie unter den Felsen in den Baeumen, auf dem gruenen Boden gar viel schoener Gezelt aufgericht, und bei dem Durstbrunnen und auch allenthalben dem Walde gar ein großer Rauch aufgehen und viel Volks dabei wandeln, und sahen Backoefen, Kuechen, Koech und viel Volks ohn alle Zahl. Sie gedachten alle, dies mag wohl nun ein Gespenst sein. Indem da ritten dorther gegen ihnen wohl bei sechzig Ritter, jung und gerade, stolze Maenner, auch wohl beritten und dazu wohl gewappnet, und empfingen den Grafen und die Graefin tugendlich und gar fast ehrlich und verfuegten sich zu Reymund, ihrem Herren, und taten ihm besondere Ehr fuer anderen Gaesten, die da waren; und grueßten sie und empfingen maenniglich Jung und Alt, jedermann nach seinem Stande und zu gleicher Weis, als ob sie alle ihr Tag bei ihn gewesen waeren.

 

Das eilfte Kapitel

Wie der Graf Bertram und die Graefin, seine Mutter, von Reymund, Melusina und ihrem Volk gar ehrlich empfangen wurden.

Da danketen sie von Melusina wegen dem Grafen sprachen zu ihm: »Unsere Fraue Melusina hat uns gar fast befohlen, daß wir Euch gute Herberge sollen geben.« Der Graf antwortet ihnen herwiederum und sprach: »Ich sehe ein gute Ordnung.« Und also gaebe man ihm fast gute Herberg in schoenen Gezeiten; seine Pferde wurden wohl gestellet und hatten Barren und Raufen, die schon in den Gezeiten gemacht waren. Es kamen auch gar viel schoener Frauen und Jungfrauen, die die Graefin und alle die Ihren auch schon lieblich empfingen. Sie verwundert sich auch der adelichen Bereitschaft, die sie sahen, das sie sich nimmer versehen hatten keiner koestlichen Zurichtung an einem so seltsamen Ende. Reymund zohe mit dem Grafen in sein Herberg, in dem war die Capell gar reichlich und mit koestlichen Kleinoden aus der maßen wohl zugericht. Man leutet darnach alsobald zu der Predigt, und Melusina, die Braut, fuehret man zu der Capellen, die war nur gar schoen und adelich gezieret und gleichet sich baß einem schoenen Engel, denn einem toetlichem Menschen. Und dabei auch unsaeglich koestlich und wohl zugericht mit Kleidern, Kleinodern und allen Sachen. Und also ging ihr der Graf von Potiers entgegen und empfing sie nach allen Ehren schoen und wohl. Desgleichen die schoen Jungfrau Melusina empfing ihn mit Scham und loeblicher Geberde und ging also zu der Capell mit mancherlei Getoen von sueßem Saitenspiel, Pfeifen und Posaunen und Floeten, des dazumal gar viel war, und aus der maßen koestlich und reich zugericht, daß alle die, die mit dem Grafen darkommen waren, sprachen: »Das ist ein unsaeglich schoen Hochzeit, dergleichen wir alle nie gesehen noch vernommen haben.« Und war auch nicht ein Wunder, ob sie diese Hochzeit fremde daucht, denn an solchem Ende also koestliche Hochzeit gar ungewoehnlich seind zu haben.

 

Das zwoelfte Kapitel

Wie Melusina und Reymund bei der Capell von dem Bischoff mit einander vermaehlet wurden.

Sie wurden bei der Capellen nach der Predigt loeblich zusammen vermaehlet, und der Graf fuehret die Braut von der Capellen gen dem Gezelt zu der einen Seiten und ein Fuerst und Herr aus derselben Gegend zu der andern Seiten. Da sie nun alle in das Gezelt kamen und man Wasser auf die Haende nahm, da ward die Braut zu Tisch gesetzet und mit ihr der Graf, darnach die Graefin und darnach ein maechtiger Herr aus demselbigen Land, der auch zu Ehren und Wuerdigkeit dar zu der Braut gesetzt ward. Graf Bertram und alle die Seinen, die sahen ein solche gute Ordnung, das sie eigentlich meinten achthaben, wie doch die Hochzeit ausgericht sollt werden, daß sie sich auch ein ander Mal darnach gerichten moechten.

 

Das dreizehnte Kapitel

Wie man zu Tisch saß und Reymund dienet selber zu Tisch und auch andere Ritter.

Es dienet Reymund selbst zu Tisch mit seinen Rittern zuechtig und nach adelichen Sitten, und die Edlen und auch die andern Dienstleut, die trugen die Speis und den Trank zu den Tischen. Und war unsaeglich viel Kost bereitet worden und zugericht auf das allerkuenstlichest, als man kundt erdenken. Und besonders war auch da viel und mancherlei Wein und fast koestlich von Dames und von Rottschelle, und von Temars, Byane, Claret, Rosmarin und Ipocras, Wein von Tornis und von deutschen Landen, auch sonst von manchen Enden. In allen Gezeiten war der Wein aus der maßen herrlich gut und die Kost wohl und reichlich bereitet. Nach dem Imbiß, da man nun gessen und getrunken hatte und jedermann froehlich war, da Hub sich ein schoen Gestech und kamen auf die Bahn Freund und Gaest von beider Partei, des Grafen von Potiers und der Melusina, und waren gar reichlich mit koestlichen Kleinodern gezieret. Die schoenen Frauen hatten ihr Aufsehen auf sie, denn da ward gar ritterlich und fast wohl gestochen.

 

Das vierzehnte Kapitel

Wie auf der Hochzeit gestochen wurde, besonders Reymund.

Reymund, der stach insonderheit ritterlich und wohl. Das wahret bis zu Abend, da beleget man die Tisch und aßen zu Nacht, und mit viel Kurzweil ward das Nachtmahl vertreiben, desgleichen mit huebschen schoenen Worten, die man vor nie mehr gehoeret hatte. Zuletzt, da sie dauchte, daß Zeit war, da kaeme der Melusinen Volk und hießen die Braut besonders kommen und fuehreten die in ihr Gezelt. Dasselbige von Seiden koestlich und aus dermaßen mit mancherlei Voegelen war gestricket, und ihr Bett war auch reichlich zugeruestet und bereitet und mit Lilien wohl bedecket, daran legt man die Braut. Reymund kam auch und legt sich zu ihr. Am letzten, da kaeme ein Bischoff, der sie an dem Bett gesegnet und schoene Gebet ueber sie tat. Da nahm Urlaub der Graf und die Graefin und schieden dann von ihnen, und maenniglich suchet seine Herberg, denn es eben spat war. Und blieben auch etlich wachend die lange Nacht, tanzten und sprungen. Etliche blieben auch wachend und sungen gar schoene Lieder und Gedicht, es war von Hofliedern oder anderem Gesang.

 

Das fuenfzehnte Kapitel

Wie Reymund Melusina gelobt, sich an ihr treulich zu verhalten.

Wie Melusina und Reymund zu einander wurden gelegt, laß ich jetzt alles stehen, denn es ist oben vor diesem Capitel begriffen, und sage Euch hie, wie sie ein Wesen miteinander hatten. Sie hube an und sprach zu ihm: »Lieber Freund und Gemahel, Glueck hat uns zusammen gefuegt in Maßen, daß wir nun ehelich sein, und sollen sein und bleiben bis an unser Ende. Und ich stehe in Deinem Willen und Gebot, doch also, daß Du mir auch haltest, was Du mir in Treuen gelobet und geschworen hast. Denn ich weiß auch wohl, da Du kamest zu dem Grafen von Potiers, Deinem lieben Herren und Vettern, und Du ihn batest, zu kommen und ihn auch ludest zu Deiner Hochzeit mit seinen Herrn Rittern und Knechten, und ihm sagtest, daß Du mich zu deinem Weib haettest genommen, da fraget er, wer oder von wannen oder von was Geschlecht ich waere. Aber Du gabest ihm gar ein gute Antwort, aber darum so wiß und hab keinen Zweifel daran, denn ob Du mir das haeltest, daß Du mir gelobet, versprochen und geschworen hast, daß Dir denn auch gutes Glueck, Ehren und Selden nimmer gebrist noch auch gebresten soll, sondern daß Du als ein glueckhaftiger, seliger Mann werden sollst und auch fast mehr, denn keiner Deines Geschlechts und Vordern je warde. Uebersiehst Du Dein Geluebd, Eid und Ehr, so wirst Du gar große Not und Arbeit leiden und Kummer gewinnen und also um Dein Land und Leut des mehrern Teils kommen und mich dazu verlieren und nicht wieder finden, noch mein warten.« Reymund gelobt ihr in ihr Hand und schwur ihr aber teuer und hoch, daß er sein Geluebd und auch Eid an ihr stett halten wollt und darwider nimmer tun. Also sprach sie aber: »Lieber Reymund, ob Du das tust, so bist Du zu einer guten Stund geboren worden.« Und daß ich nun diese Matery zum kuerzten mache, so lebten die zwei so freundlich mit einander, daß Melusina in derselbigen Nacht eines Sohns schwanger ward, derselbige ward genannt Uriens. Diese Hochzeit wahret fuenfzehen Tag, und lebeten in großen Freuden und Kurzweil. Und nach den fuenfzehen Tagen, da begabt Melusina die Frauen, die auf ihr Hochzeit waren kommen, naemlich die Graefin und alle die Frauen, die mit ihr darkommen waren, gar reichlich, daß maenniglich sprach: »Ach Gott, was mage dieses Wunder sein, Reymund ist gar gluecklich zu ihr kommen.« Zuletzt, da man nun von dannen scheiden wollt, da tat Melusina auf ein helffenbeinen Schrein, dann zumal koestlich und schoene Kleinod waren, und gab daraus der Graefin ein koestliches Kleinod und Perlen, von Gold und Edelgestein gemacht, desgleichen vor nie mehr gesehen ward.

 

Das sechzehnte Kapitel

Wie der Graf Bertram und die alte Graefin, seine Mutter, und auch alle Gaest Urlaub nahmen und von dannen schieden, wieder heimwaerts zu.

Der Graf Bertram und auch die Seinen schieden also von dannen, gar zumal ehrlich und nahmen vor Urlaub von Melusina, und sie schieden also von dannen. Da beleitet sie Reymund bis fuer den Wald mit viel ehrlichen Leuten, die mit ihm ritten. Nun hatt der vorgenannte Graf Bertram den Reymund, seinen Vettern, gar aus dermaßen gern gefraget, wer Melusina oder von wannen sie gewesen waere, da besorget er, den Reymunden daran zu erzuernen und ließ es auch anstehen und sagt ihm gar nichts davon. Und danket ihm Reymund und auch der Graefin fast der Ehren, die sie ihm getan hatten, und daß sie also zu seiner Hochzeit kommen waeren. Und schieden von einander. Da nun diese fremde und abenteuerliche Hochzeit ein End nahm, aller erst, da erhob sich das große Wunder und Abenteuer, als Ihr nun hernach hoeren werdet. Und ward ein solches Gebau angefangen, desgleichen vor und nach nie mal mehr gesehen oder erhoeret, noch vernommen ist worden, noch immer wird. Reymund kam wiederum zu der Melusina, kuesset die Liebliche und sprach: »Allerliebstes Gemahel, wie wollen wir nun fuerbaß unsere Zeit vertreiben?« Die Melusina antwortet ihm und sprach: »Ich hoffe, daß uns Gott soll versehen mit allem dem, was wir denn bedoerfen. In acht Tagen kamen ihrer Werkleut mancherlei Handwerker, die fingen an und faellten das Holz aller hernieder, das innerhalb den Pfaehlen mit dem Hirschriemen war begriffen, und sie schlugen das zu kleinen Truemmern, ausgenommen das, das denn zu Bauholz gut war, und machten um den hohlen Fels gar fast tiefe Graeben. Und richtet dies alles Melusina aus und bezahlet ihre Werkleute alle Tag mit bereitem Geld, darum sie auch dester williger waren, ihr Werk zu vollbringen. Sie machten gar ein tiefes und gar ein starkes Fundament und setzten die ersten Gesatz auf den harten Fels. In kurzer Zeit hatten sie gar großmaechtige Tuerme und dabei gar aus dermaßen eine hohe starke Ringmauer gesetzet, und machten zwei gar gute und feste starke Schloß. Um das unterste Schloß machet man gar einen guten und hohen Zwinger, der fast gut und stark war. Da nun die Landsleut sahen, daß ein unsaegliches groß und starkes Werk an dem Schloß und so gar in kurzer Zeit ganz und gar vollbracht war worden, des kundten sie sich nicht verwundern. Als nun das Schloß zu aller Wehr fest und stark zugericht ward, da nennet es Melusina ihrem Taufnamen nach aehnlich und sprach: »Dies Schloß soll und muß Lusinien geheißen und genennet werden. Denselben Namen noch heut bei Tag gar viel Volks in Frankreich in ihr Losung und Geschrei, das sie in Streiten und in Kriegen gebrauchen. Da nun das Schloß mit Tuermen, Ringmauern, Zwingern und Graeben ausbereitet ward, und aus dermaßen stark gemacht, und maenniglich sich da verwunderten des großen Gebaeues und Werks, da nahet die Zeit, da Melusina eines Kinds sollt niederkommen und genesen. Da gebar sie einen Sohn, den nennet sie Uriens, der dernach zu großen Ehren kam. Doch war sein Angesicht nicht schoen, sondern einer seltsamen Form und Gestalt, denn er war kurz und breit und stach unter den Augen, und war ihm das eine Auge rot und das andere gruen. Er hatte auch einen großen weiten Mund und lang hangende Ohren. Aber von Leib und Beinen, von Arm und Fueßen und aller Geschoepf war er gar gerad und wohlgeschickt und adelich gestalt. Darnach ließ sie das Schloß mit aller Eingebaeu ausbereiten, die Gaenge, die Erker und alles unter ein Dach zusammen ziehen, und besetzt das mit Leuten, Speiß und Gezeug in Maßen, daß es nicht zu gewinnen noch zu stuermen war, denn die Graeben, die waren gar unsaeglich tief, und die Mauern und Tuerm hoch und auch stark, und die Tore waren mit Ueberschuetzen und mit einem starken Schloßturm gemacht, und hieß heidnische Spaeher darein legen, die des Turms und Schlosses Tagwaechter waren und die zukommenden Gaest verkuendeten. Melusina gebar desselbigen Jahrs einen Sohn, der ward genannt Gedes, der hatte eine inbruenstige Roete unter seinem Angesicht, die so gar rot war, daß sie herwider schien, doch war er sonst zumal schoene und von Leib wohl geschicket. Darnach bauet sie aber ein gewaltiges herrliches Schloß, genannt Fauent. Darnach den Turm Mauent, darnach Meuent. Da dies alles vollbracht ward, da bauet sie aus Andacht, der Mutter Gottes zu Ehren, ein schoenes Kloster, das nennet sie Malliers. Zuletzt bauet sie das Schloß und die Stadt, Portenach genannt.

 

Das siebenzehnte Kapitel

Wie Melusina drei Soehn nach einander gebar in dreien Jahren, die alle drei ungestalt waren unter dem Angesicht, und sonst von Leib ganz vollkommen.

Nach dem, als nun die obgeschriebenen Ding geschahen, gebar sie einen Sohn, der war gar schoen, ausgenommen, daß ihm das eine Auge um ein kleines hoeher stunde denn das andere. Derselbe hieß Gyot. Desselbigen Jahres bauet Melusina ein Schloß, genannt Alrotschelle, und darnach zu Sonites machet sie gar ein schoene Brueck. Darnach gebar sie einen Sohn, genannt Anthoni, der bracht an die Welt ein Loewengriff an seinem Backen. Dieser Sohn war auch rauh von Haar und hatte gar lange und scharfe Naegel an seinen Fingern. Er war so grausam, wer ihn sahe, der mußt ihn foerchten. Auch vollbracht er darnach zu Luetzelburg große Sachen und Taten an demselben End. Und erzohe die vorgenannten Frauen ihre Kinder schoen und lieblich, bis daß sie erwuchsen. Und da es nun Gott wollt fuerbaß fuegen, da gewann sie aber einen Sohn, derselbige hatte nicht mehr denn ein Aug, das stunde ihm in der Mitte seiner Stirn, und ward genannt Reinhart; doch saehe er viel mehr mit einem Auge, denn haette er zwei gehabt. Und da er erwuchs, da vollbracht er große Taten. Darnach, da bracht sie aber einen Sohn, der ward genannt Goffroy mit dem Zahn. Derselbe hatte einen Zahn, der ihm als ein Eberzahn vorn aus dem Munde ging. Es war aus dermaßen ein starker Mann und wohlmuegendt seines Leibs; und fremder, wunderbarlicher und wilder Sinn hatte er viel, und noch viel mehr, denn keiner seiner Brueder hatte gehabt, als Ihr hernach wohl hoeren werdet. Melusina gebar den siebenten Sohn, genannt Freymund, der war von Leib und Gestalt gar schoen, aber er hatte auf der Nasen ein haeriges Fleck, der war gleich, als ob er von Wolfshaut und Haaren war. Derselbe Sohn war gar weise und vernuenftig, er verdarb aber also jung, als Ihr hernach auch wohl hoeren werdet. Nicht lange darnach gebar sie den achten Sohn, derselbige hatte drei Augen, deren ihm eins an der Stirn stund, und der ward Horibel geheißen. Dieser ward boeser Sitten, alles sein Gemuet und Herz stunde nur auf Arges. Darnach gebar sie aber einen Sohn, genannt Dieterich, der gar ein treuer Ritter ward. Zuletzt gewann sie den zehenten Sohn, den nennet sie Reymund, der ward Graf im Forst.

 

Das achtzehnte Kapitel

Wie Goffroy von dem Land schiede und sein Bruder Freymund darzwischen zu einem Moench ward zu Malliers in dem Kloster, das seine Mutter hatt lassen bauen.

Diese Brueder kamen zu großen Ehren in der Welt. Aber davon wollen wir nicht erzaehlen, und sagen nun fuerbaß von Melusina. Nun war ihr siebenter Sohn, geheißen Freymund, der war weise, vernuenftig und wohlgelehret und wandelt zumal sehr in das Kloster Malliers und gewann inbruenstige Liebe in das Kloster, sofern, daß er in Andacht und Demuetigkeit kam, daß er in demselbigen Kloster ein Moench werden und ein geistlich Leben fuehren wollt; und bracht das mit großer Bitt an sein Herrn und Vater und an sein Frauen und Mutter Melusina. Der Vater antwortet und sprach zu ihm: »Freymund, Du siehst nun, daß Anthonius und alle Deine Brueder nach großen Ehren werben und kuehne und mannliche Ritter sein und Lob und Preis an manchen Enden erworben haben. Und sollte ich denn erst einen Pfaffen oder Moench machen, das tue ich nit gern; ich will, daß Du auch nach Ehren und um Ritterschaft werbest, als Deine Brueder.« Freymund sprach: »Ein Ritter will ich nimmer werden, noch kein Harnisch fuehren, denn ich will Gott bitten fuer Euch und meine Mutter und meine Brueder, und ich bitte Euch demuetiglich und um Gottes willen, daß Ihr mich laßt geistlich werden; denn mir in dieser Zeit nichts liebers ist noch mich so wohl erfreuen mag, als daß ich geistlich werde und ein Moench sei in dem Kloster zu Malliers, da ich nun mit Gottes Huelf mein Leben enden will und Gott dem Allmaechtigen dienen.« Reymund sahe die große Begierd, die Freymund hatte, geistlich zu werden, und schicket einen Boten zu Melusina, der ihr saget Freymunds Begier und daß er zu Malliers ein Moench werden wollte. Und ob ihr das gefiel, das solle sie ihn lassen wissen. Melusina entbot ihn hinwieder, daß er in den Sachen moechte tun, was ihm gut gedeucht; und was er darinnen tat, das sollt ihr je ganz wohlgefaellig sein. Reymund kuesset seinen Sohn Freymund und sprach: »Freymund, ich habe zu Deiner Mutter gesandt, ihren Willen zu vernehmen, ob ihr auch auf dies mal gefaellig waere, daß Du ein Moench zu Malliers wuerdest, oder welchen Stand Du an Dich naehmest und nach Ehren oder Ritterschaft wuerbest, als auch Deine Brueder tun. Also hat sie das ganz zu mir gesetzet. Nun habe acht, was Dir das Liebest sei: Ob Du zu Malliers lieber ein Moench waerest, da sie gar eine strenge Regel halten, oder daß Du zu Mormostier ein Moench werdest, oder zu Gotzburg, oder zu Poliers lieber ein Thumbherr, oder zu Thuris in Thorante zu S. Martin ein Thumbherr sein wollest? So bin gegen unserem allerheiligsten Vater, dem Papst, wohl verdient, und verhoffe auch Dir jetzt wohl ein Bistum zu erwerben, es sei gleich zu Paris, zu Peama oder zu Arras.« Freymund antwortet und sprach: »Lieber Herr und Vater, ich begehre nichts anders, denn zu Malliers ein Moench zu werden.« Und also folget der Vater seinem Willen und machet ihn zu einem Moenche und ließ ihn den Orden annehmen und die Profeß tun. Des freueten sich alle die Moench sehr, das ihnen aber hernach zu großem Kummer und Herzeleid geriete, als Ihr auch hernach wohl hoeren werdet. Nun waren die Melusina beide zu Fauent, und es wollte Melusina, Reymundes Gemahel, ihre Kleider an die Luft heraus henken, so kommt ein Bot geritten, der brachte dem Reymunden Botschaft und Briefe, und darzu gute Maehr, daß Anthonius und Reinhart, seine Soehne, also gestritten haetten vor Luetzelburg und darnach vor Prag, und wie Anthonius ein Hertzoa und Fuerst zu Luetzelburg und Reinhart ein gekroenter Koenig zu Behem worden waere. Der Maehre ward er gar froh und rufet seinem Gemahel Melusina lachend und mit Freuden und saget ihr die guten Maehr. Melusina ward von Herzen froh und dankten beide Gott und seiner Gnaden, daß er ihnen so Glueck und Selde zugefueget, daß ihre Soehne also zu hohen Ehren kommen waeren, drei zu Koenigen gekroenet, der vierte ein Fuerst, und der so nahe bei ihnen ein Moench worden, dardurch sie verhoffeten, er solle Gott fuer sie alle bitten. Das aber nicht lange waehret, sondern ein klaegliches Ende gewann, als Ihr hoeren werdet. Auch daß die andern Soehn also wohl beraten sollten werden, darum so lobten sie Gott, daß er ihnen auch so viel Ehren und Guts zufueget, und begehreten von Gott, daß sie auch also geraten sollten werden. Die Maehr erschallen durch das ganze Land, daß sich maenniglich erfreuet, und jedermann hatte Freud mit Reymund und Melusina. Nun laß ich dies alles sein und muß sagen von dem Ende, das diese Freude nahm, denn gewoehnlich die Glueckseligkeit dies Jammers alles nimmt mit Leid, Bekuemmernis und Schmerzen ein Ende in dieser Zeit. Ob das nicht geschieht, so ist's ein Gewißheit der Verdammnuß, als wir auch das lesen in einem Exempel von dem heiligen Lehrer S. Augustino. Der wollte eine Nacht nicht in einer Herberg bleiben, als er von Rom reit in eines Wirtshaus, der sein Schulgesell war. Den fraget er, wie es ihm ginge? Da antwortet ihm der Wirt, es ginge ihm fast gluecklich und wohl und reichtet an zeitlichem Gut und nehme fast zu. Da ruft S. Augustin seinen Diener einen und sagt ihm heimlich: »Gehe bald und lege die Sattel auf, denn wir wollen gar bald fliehen, daß uns Gottes Zorn allhie nicht ergreife.« Denn S. Augustinus nicht fern von dem Haus auf die Straß kaeme, da hube die Herberge, darin S. Augustinus das Nachtmahl gessen hatte, an zu brennen, und verdarbe der Wirt und alles sein Hausgesinde, Weib und Kind, Knecht und Maegd, und man siehet noch heut des Tages die Gruben desselbigen Hauses. Nun komme ich wieder an die History. Es fueget sich einsmals auf einen Sambstag, daß Reymund Melusinam aber verlorn hatt als auch andermal; doch hatte er sie noch nie ersucht, noch auch ihr je nachgefragt, und sein Geluebd und Eid gehalten, denn er auch nie nichts denn Guts und keines Argen gedachte. Und in dieser Zeit, da war eben der Graf vom Forst, Reymunds Vater, mit Tod abgangen; darum so kam sein Bruder, der Aeltere, der dazumal Graf war, gen Lusinien zu seinem lieben Bruder, den er gar schoen und ehrlich empfinge, und das war an einer Hochzeit, als die Grafen und Landherren zu ihrem Herrn Reymunden geritten waren. Da sprach der Graf vom Forst zu seinem Bruder: »Lieber Bruder, heißt Euer Gemahel herfuer zu Euch und Euern Gaesten kommen und sie allda empfahen und ihnen Ehr antun, als sich's denn nun gebuehret.« Reymund antwortet und sprach: Lieber Bruder, laßt Euch nicht verlangen; auf morgen sollt Ihr sie sehen.« Also ward nun das Mahl gegeben und ehrlich vollbracht; und nach dem gehaltenem Mahl, so nahm der Graf vom Forst seinen Bruder, und fuehret ihn besonder und sprach: »Reymund, lieber Bruder, ich besorge, Ihr seid bezaubert. Und das ist eine ganze Landmaehr und sagt maenniglich, Ihr seid nicht wohl bedacht, das Ihr nicht sollet noch bedoerfet Euerem Gemahel nachfragen, wo sie oder wie sie sich haelt an dem Sambstag. Und ist ein fremde Sach, daß Ihr nicht wisset, was ihr Gewerb, ihr Tun und Lassen sei. Und ich muß es Euch je sagen, denn Ihr habt fein groß Unehr, viel Nachrede; denn etliche meinen, sie truebe Bueberei und habe andere Leute lieber denn Euch. Etliche sprechen, es sei ein Gespenst und ein ungeheuer Wesen um sie. Das sage ich Euch als meinem lieben Bruder, und dazu rate ich Euch, daß ihr gedenket zu wissen, was ihr Gewerbe sei; daß Ihr nicht zu einem Toren gemacht und von ihr also geaeffet werdet.« Da er die Rede hoeret, da ward er vor Zorn rot und darnach bleich, und kehret sich an die Wort seines Bruders in großer Grimmigkeit und in hartem Zorn, und ginge gar schnell und nahm sein Schwert und liefe an ein Kammer, darin er noch nie kommen war, die er ihr zu ihrer Heimlichkeit gebauet hatte, und kaeme an ein eiserne Tuer. Da stund er und dachte, was ihm nun zu tun war; und nach seines Bruders Worten kam ihm in seinen Sinn und gedachte, daß sein Weib, die Melusina, gegen ihm untreulich fuehre und große Schand triebe und jetzund vielleicht an solchen Enden waer, daß sie Unehr haett. Und also zog er sein Schwert aus und sucht, ob er ein Loch moechte finden, dardurch er seines Gemahels Handel moechte sehen und befinden, dardurch er denn die Wahrheit fuende und nicht also zweifeln moecht. Und er machet mit seinem Schwert ein Loch durch die Tuer. Ach wie ein groß Uebel er ihm selber macht! Denn er verloere darnach alle seine Freude, als Ihr hoeren werdet. Reymund saehe durch das Loch hinein und saehe, daß sein Weib im Bad nacket saß; sie war oberhalb dem Nabel ein schoen weiblich Bild und von Leib und Angesicht ganz schoen, aber von dem Nabel hinab war sie ein großer, langer und ungeheurer Wurmschwanz, als blau Lasur und mit weißer Silberfarb troepflich unter einander gesprengt, als denn ein Schlang gemeinlich gestaltet ist.

 

Das neunzehnte Kapitel

Wie Reymund Melusina im Bad ersaehe und er zumal uebel erschrack und in großem Zorn sein Bruder von ihm schicket, denn er ihm Arges von Melusina sagt, das sich aber nicht also erfande.

Reymund, als er nun diese greußliche und fremde Geschoepf an seinem Gemahel saehe, da ward er gar sehr bekuemmert und von allem seinem Gemuet betruebet und erschracke sehr von diesem Gesicht und stund also vor Furcht und großen Sorgen, daß ihm der Schweiß vor Angst ausginge. Doch besann er sich und vermachte das Loechlein, das er mit seinem Schwert gemacht hatte, wieder mit einem Wachs, und versaehe sich des nit, daß es sein Gemahel haett empfunden, was er getan hatte, und kehret da stillschweigend wieder von bannen in großem Zorn und Grimm ueber seinen Bruder, und versiegelt dies Loechlein wohl, daß niemand hinein gesehen mochte, und kam wieder zu seinem Bruder in großem Zorn und Grimmigkeit. Da ihn der Bruder saehe kommen, da gedauchte ihn wohl, wie er zornig war, und versaehe sich vor ihm, er haette sein Weib Melusina an was unehrlicher Tat und ungetreuen Sachen funden.

Also hube er an und sprach: »Lieber Bruder, ich versahe mich zu Stund an, daß Euch Euer Gemahl abgetreten und Euch nicht Treu geleistet hat.« Reymund sprach: »Ihr lueget durch Euer Maul und Rachen; Ihr seid ein schaendlicher Mann und seid zu einer unseligen Stunde herkommen. Und saget mir von meinem Gemahl nichts Arges, denn sie ist fromm und aller Schand unschuldig. Und gedenket, daß Ihr Euch von dannen hebt; denn solltet Ihr Euch ein Weil hier enthalten, es mueßt Euch den Leib kosten. Unselig sei die Stund, darin Ihr herkommen seid. Denn ihr habt geschafft, daß ich ein Sach getan habe, die mir wohl all mein Tage schaden moechte. Eilet bald von meinen Augen und kommt nit wiederum zu mir, dieweil wir beide noch leben.« Reymund, der war so erzuernet, daß er fast von ihm selbst kommen war vor Zorn. Der Graf, sein Bruder, sahe diesen Zorn und erschracke gar sehr und ritte schnell seinen Weg wiederum heim. Und war ihm herzlich leid und jammert ihn fast, darum, daß er seinen Bruder so gar erzuernet und seine Huld und Gunst verloren haett. Denn es dem Grafen vom Forst zu Unheil geriete, und kame des um sein Leben, als Ihr wohl hoeren werdet. Also war nun Reymund in großem Jammer und Herzeleid, und besann sich des, da er Melusina zum ersten nahme, wie er ihr so treu und hoch geschworen hatte, daß er sie an keinem Sambstag nimmer wollt suchen, noch niemand gehellen zu tun, und wo er das braeche und ihr sein Geluebde nicht hielte, daß er sie verlieren und nit mehr sehen wuerde. Und so er an ihr bruechig war worden und er sich besonders versahe, daß sie wohl wueßt, daß er an der eisernen Tuer gewesen waer und sie ihn auch wohl gesehen haelt, denn sie kundt ihm gar wohl sagen die Wort, die der Graf von Poliers mit ihm geredet hatte, da er ihm saget, daß er sich vermahlet haette, und also sich dieser Sache begundt eigentlich bedenken und besinnen, da begundt er gar inniglichen erseufzen und hatte in seinem Herzen großen Jammer und Herzenleid. Und klaget sein großen Kummer und Herzenleid sehr und begundt zu spreche«: »Ach der elenden Stunde, daß ich armer und elender Mann je geboren ward. Soll ich nun durch meine Untreu verlieren die, die all mein Freud, mein Aufenthalt, mein Kurzweil und mein Trost und mein Zuversicht ist.«

Und vor Leid und Jammer zog er sich aus und legt sich an ein Bett, und weinet bitterlich und sprach: »Ach Melusina, soll ich Dich verlieren, so will ich doch durch die Wueste fahren und mich ganz und gar von der Welt tun, und ein Einsiedel oder Moench werden und mich der Welt nichts annehmen.« Solche Klage triebe er den ganzen Tag und die lange Nacht ohne Aufhoeren bis des anderen Tages, der da war der Sonntag, und wendet sich letzthin, jetzt her, nun auf den Ruecken, nun stunde er auf, nun leget er sich nieder; und fuehret also ein klaegliche Weis, daß alle die Seinen in großem Kummer waren, doch so wußte niemand, was doch ihm gebrach. Indem so kommt Melusina und entschloß mit einem Schluessel die Kammer und ginge hinein zu Reymunden und schloß hinter ihr wieder zu. Und zog sich ganz nackend aus und leget sich also wieder zu ihm an sein Bett und kuesset und umfing ihn gar tugendlich. Sie befaende auch wohl, daß er sehr kalt und vor Leid und Unmut ungesund worden war, denn er war gar verkehrt. Sie sprach zu ihm: »Reymund, allerliebster Gemahel, wie gehabt Ihr Euch? Seid Ihr bloede, oder was gebricht Euch; foerchtet oder besorget Ihr Euch. Seid Ihr krank, so laßt mich das wissen, so will ich Euch mit der Huelfe Gottes wohl helfen.« Da nun dies Reymund erhoeret, da ward er froh und gedachte, sie weiß vielleicht nicht um die Untreu, die Du ihr beweist hast. Aber sie wueßt es alles wohl, wiewohl sie nie dergleichen taet; doch tat sie es darum, daß sie wohl wußt, daß er noch keinem Menschen davon nichts gesagt hatte und die Sach ihm selbst behielte.

 

Das zwanzigste Kapitel

Wie Goffroy Botschaft kaeme, daß sein Bruder Freymund ein Moench waer worden zu Malliers, in dem schoenen Kloster; darum er gar zornig ward, als Ihr hernach denn wohl vernehmen und hoeren werdet.

Also kam an Goffroy ein Bot mit einem Brief von seinem Vater, der hatte ihm geschrieben, daß er und die Melusina, seine Mutter, von Gnaden des allmaechtigen Gottes frisch und wohlmoegend waeren, auch daß sie von den andern seinen Bruedern viel Gluecks und Ehre vernahmen; auch so waere Freymund, sein siebenter Bruder in ein geistlichen Orden kommen und waere ein Moench worden zu Malliers in dem Kloster. Und also begehret Reymund, sein Vater, in seinem Schreiben zu wissen von ihm, was sein Fuernehmen und Meinung waer, fuerbaß zu tun. Da nun Goffroy verstund, daß Freymund, sein Bruder, in ein geistlich Leben kommen und ein Moench worden war, da ward er vor Zorn bleich und grimmig und schaeumet wie ein wildes Schwein; darum alle die, die bei ihm waren, mußten vor Forcht wegen schweigen und dorfte niemand mit ihm reden. Also hube er an und sprach zorniglich: »Die schelmischen und boesen Moench zu Malliers, die haben mir meinen Bruder verzaubert und dazu mit falschen Worten hinterkommen und hintergangen, daß er den ritterlichen Orden verschmaehet hat und ein loser Moench worden ist. Das soll ihnen nimmermehr wohl gedeihen und ich will jetzund das Kloster und alle Moench darinnen verderben und verbrennen.« Goffroy sprach zu seinen Dienern: »Ihr sollt schnell die Pferde zubereiten.« Das geschahe. Also saß er auf und ritt eilends und saeumt sich nicht lange, bis er gen Malliers zu dem Kloster kam. Das geschahe an einem Dienstag. Der Abt und das ganze Convent ginge ihm entgegen und waren seiner Zukunft froh; dieselbige Freud aber bald ein Ende nahm, denn Goffroy war grimmiges Zornes voll und sprach zu dem Abt und zu ihnen allen: »Ihr unseligen Moench, warum habt Ihr meinen Bruder also bekehret und hinterkommen, daß er ein Moench ist worden und die edle Ritterschaft verleugnet hat! Daran habt ihr gar sehr unweislich getan und habt Euren Tod erjagt, denn Ihr muesset darum verderben und Euer Leben darum geben.« Und er begundte gar sehr zornig zu werden und vor Grimmigkeit die Zaehn aufeinander beißen. Der Abt und auch die Moench begundten vor großer Sorge schwitzen und erzittern. Doch antwortet ihm der Abt und sprach: »Herr, es ist nicht durch mich geschehen, denn er ist sein selbst maechtig und ist von Andacht beweget worden, dadurch er in diesen Orden und Kloster kommen ist. Und Euer Bruder steht hier gegenwaertig, den fraget selbst ob dies also sei oder nicht.« Freymund hube an und sprach: »Lieber Bruder, ich sage Euch fuerwahr und bei meinem Eid, daß ich niemands denn allein meinem Willen gefolget habe, und meine Schuld ist es, daß ich hie zu einem Moench worden bin; und ich habe nichts Besseres verstanden noch zu tun gewußt. Denn ich in dem Willen habe, hie fuer Euch Gott zu bitten, fuer meinen Vater und fuer meine Mutter und fuer alle meine Brueder, auch fuer alle unsere Vorfahren, und es ist auch meines Vaters guter Will gewesen und auch meiner lieben Mutter.« Goffroy war voll grimmiges Zorns und half gegen ihn kein Red noch Gut, und stunde zu Fuß ab von seinem Pferde und beschloß das Kloster allenthalb und die Moench darinnen und ließ ihm bringen einen großen Haufen Heu's, Stroh und Holz, und ließ das alles an einen Ort des Klosters auf einen Hauf tragen und gegen dem Wind anstoßen mit Feuer. Die Moench waren alle in die Kirchen geflohen, dieselbigen verbrannten auch ganz und gar und alle die Moench, die darinnen waren. Also verdarbe sein leiblicher Bruder mit den anderen Moenchen von Feuersnot, jung und alt also jaemmerlich, daß ihrer keiner davon mocht kommen; denn sie alle miteinander, wie Ihr jetzt gehoeret habt, gar jaemmerlichen verdorben und umkamen, ganz und gar unverschuldet und auch unverdient. Das doch einem solchen wohl beruehmten Ritter zumal unehrlich war, dadurch seinem Vater und seiner Mutter gar großer Kummer auferstund und ihn Ungefell kamen, als Ihr hernach baß vernehmen werdet. Desselbigen Ungefells diese Tat ganz und gar eine Ursach war, daß Goffroy das Kloster und die Moench, die darinnen waren, mit einander verbrennet.

 

Das ein und zwanzigste Kapitel

Wie Goffroy mit dem Zahn das Kloster, Malliers genannt, das seine Mutter Melusina hatte bauen lassen nach dem aller koestlichsten, in den Grund verbrennet und auch alle die Moench, so darinnen waren.

Wie nun Goffroy seinen Zorn vernichtet und seinen boesen Willen vollbracht hatte an dem Kloster und darzu an den Moenchen, die er so gar elendiglich taet verbrennen und verderbet unverschuldeter Sach, naemlich den Abt und seinen Bruder Freymund und dazu wohl hundert Moenchen, da begundte ihn sein Missetat und Suende sehr uebel gereuen. Dasselbige aber dem Abt und den anderen Moenchen zu spat war. Also schied er von dannen in großem Leid und Zorn, schalt und fluchet ihm selbst nach dem, und ihm gedaucht, daß er sich gegen Gott, auch den Moenchen und dem wuerdigen Gotteshaus verwirket haett. Und also haette Goffroy vor großem Leid und Unmut schier verzweifelt an ihm selbst und ritte gegen dem Land Garande.

Nun lassen wir dies alles bleiben und kommen wieder an die foerdere History, wie es mit Reymund und der Melusina ein Gestalt gewunnen habe. Reymund, der war zu Fauent, da er auch gern war, und war auch bei ihm die schoene Melusina. Nun es begaebe sich einesmals, da sie ueber dem Tisch sitzen, so kommt ein Bote, der grueßet den Herrn und sie und schwiege darnach, denn er seine Botschaft nicht gern sagen wollt, denn sie nicht froehlich sondern erschrecklich war. Reymund fragt ihn zur Stund, was Maehr er braecht. Der Bot verhielte die Botschaft so lange er mocht, doch zum letzten sprach er: »Herr, meine Botschaft muß ich Euch sagen, aber ich tue es nicht gern. Euer Kinder eins, das ist tot.« Reymund antwortet und sprach: »Wie kommt das, welches ists unter meinen Kindern?« Er antwortet und sprach: »Es ist Freymund.« Er fraget den Boten: »Seind ihm aber christliche Recht geschehen oder nit?« Er antwortet und sprach: »Herr, nein; denn keines christlichen Rechts er bekommen und ist verbrunnen und verdorben zu Malliers in dem Kloster mit den anderen Moenchen, die auch verbrunnen sein.« Reymund, der sprach: »Lieber Bote, sage mir ganz, wie doch die Sach ergangen sei, denn ich des ein Wissen will haben.« Der Bot sagt und erzaehlet ihm Goffroys Bosheit und Missetat, die er so frevenlich begangen haett an dem Kloster, an dem Abt, an seinem Bruder Freymund und an allen andern Moenchen, und wie sie ihn sollten verwiesen haben mit listigen Worten, daß er zu einem Moench waer worden, und was ihm der Abt zur Antwort gegeben haett, und wie er die Tuer ganz verriegelt haett und mit Holz, Heu und Stroh einen großen Haufen gemacht und den gegen dem Wind angezuendet und das Kloster und die Moench alle darinnen verbrennet bis in den Grund. Da Reymund diese boese Maehr hoeret und vernaehme, da saget er zum Boten: »Lieber Bot, gedenke, daß Du mit der Wahrheit umgehest und kein Unwahrheit sagest.« Der Bot antwortet und sprach: »Herr, es ist leider viel zu wahr, denn ich habe die Hofstatt des armen und elenden Klosters gesehen.« Da Reymund dies hoeret und vernahme, da erzuernet er sehr ueber Goffroy und ward von ganzem seinem Gemuet beweget. Er saß auf schnell ohn allen Verzug, und ritt selbst gen Malliers; da hoeret er in dem Lande allenthalben und in den Doerfern große Klag des Klosters halben, das Goffroy also verderbet hatte. Er kam auf die Hofstatt, da sahe er, daß das Kloster und alle Moench darinnen verbrennet waren, da ward er so gar zornig, daß er darnach sein selbst entgelten mußt, als Ihr hoeren werdet. Er reuet fast, moechte ihm Goffroy werden, er mueßt auch eines boesen Todes sterben. Und saß also in großem Zorn wieder auf sein Pferd und ritte heim gen Fauent, und kaeme dennoch desselbigen Tages dar. Und da er wieder von dem Pferde stund, da ginge er in ein Kammer, da beschloß er sich und klagt da sehr sein Herzenleid und das große Uebel, das Goffroy hatte an dem Kloster und an seinem Bruder und auch an allen Moenchen begangen, die in dem Kloster waren, und klaget das Uebel, das er auch selbst an seinem Vetter, dem Grafen von Potiers, getan hatte, wiewohl das wider seinen Willen geschehen war. Und daß er darnach auch ein Meerfei und ein Gespenst Weib genommen haett und zehen Soehne von ihr gewonnen und jetzund den einen so jaemmerlich verloren haette und von seinem eigenen Bruder so jaemmerlich verderbet waer worden. Da gedachte er: »Soll denn Goffroy immer so gut tun? Dazu hat er nicht wohl angefangen, denn er hat ein großes Mordstueck begangen an seinem leiblichen Bruder und an viel geistlichen Moenchen. Und gedacht auch: es ist ein Gespenst um dies Weib, das mag ich wohl berufen, denn sie sich in dem Bad erzeiget hat als ein halber Mensch und ein halber Wurm, das doch ein grausamliches Ansehen war.« Als Reymund nun in diesen Gedanken und in großem Unmut lang wehklagt, da schloß Melusina die Kammertuer auf und ging hinein, und mit ihr Ritter und Knecht, Frauen und Jungfrauen, und funden Reymund liegen in seinen Kleidern auf dem Bett. Reymund sahe sein Gemahel kommen. Und er war in so großem Unmut und Zorn, dar mit er bekame sein großes Herzenleid und ein langwaehrendes Reuen dazu, auch ein betruebtes Scheiden, als Ihr nun hoeren werdet. Melusina die Tugendreiche und dazu die Hochgeborene hube an und sprach ganz freundlich zu ihrem Gemahel: »Reymund, Du sollst Dich nicht so uebel gehaben und dich selber betrueben und bekuemmern in Sachen, daran Du nicht schuldig bist, noch die nit gebessern magst, denn Du sollst geduldig sein in Deinem Kummer und Leiden und sollst es Gott befehlen, der alle Ding vollbringet nach seinem Willen, und dem seinen Willen niemand verkehren mag. Der will nun vielleicht, daß wir diesen Kummer und dies Herzeleid haben; und was niemand wiederbringen mag, das ist sehr weislich getan, daß man das geringe fahren laß. Und ob Goffroy gesuendiget und mißgetan hat an dem Gotteshaus, das er verbrennet und verderbt hat, gewinnt er recht Reu, als ich hoff; so wiß ohn Zweifel, er moege es bueßen, sonder so er Reu und Leid darueber empfahet, als ich hoffe, er werde es tun. Denn Gottes Barmherzigkeit gar viel und groß ist und begehret nicht des Suenders Tod, sondern daß er lebe und sich bekehre.« Melusina, die redet vernuenftig und weislich, aber Reymund lag da so in großer Grimmigkeit und so voll Zorns, daß alle Vernunft von ihm schied, und nicht moeglich war, daß er guts reden mocht, als uns auch bezeuget Seneca, da er spricht: » Iratus nil nisi criminis loquitur. Der zornige Mensch redet nichts, denn das laesterlich ist.« Er spricht auch fuerbaß: » Melius est iram vincere tacendo quam loquendo.« Das ist zu Deutsch also geschrieben: »Es ist viel besser, den Zorn zu ueberwinden mit Schweigen, denn mit Reden.«

 

Das zwei und zwanzigste Kapitel

Wie Reymund in großem Zorn und Grimmigkeit um Goffroys Missetat wegen Melusina vor den Leuten beschaemet, wie sie ein Meerwunder waer.

Der hochgeborn Fuerst und Herr Reymund saehe sein fromme Frauen grimmiglichen und zorniglich, und auch trotzenlich an und schwiege eine kleine Weile still, und hube doch an und sprach vor ihnen allen: »O Du boese Schlang und schaendlicher Wurm, der Samen nach all Dein Geschlecht tut nimmer gut, siehe, was schoenen Anfang Dein Sohn Goffroy mit dem Zahn hat getan. Er hat sein eigenen leiblichen Bruder Freymund und darzu hundert Moench mit dem Abt und darzu das schoene Kloster verbrennet und laesterlich verderbet, und besonders meinen Sohn, den ich am allerliebsten hatte. Und ich bin da gewesen und habe es alles mit den Augen selbst gesehen.« Spricht Melusina: »Ach Reymund, wie hast Du Dich so ganz und gar von aller Vernunft geschieden und lassest Unbescheidenheit in Dir so gewaltig regieren, warum hast Du die verargwohnet, der es als leid war als Dir, die Dich als gar lieb und so wert hat und wider Dich nie Arges tat. Und ueber solche Geluebd und Eid, so Du ihr gelobet und geschworen hattest und sie Dir auch, und Dir allen ihren Handel und Sach gesagt, und ob Du ihr solch Dein Geluebd und Treue nicht hieltest, daß Du sie verlieren wuerdest. Reymund, Dein Glueck, Dein Selde und alle Deine Freud und Ehr sollen leider jetzund ein Ende haben.« Da die Melusina solche Wort geredet, da erschracke sie aus dermaßen sehr und uebel von Grund ihres Herzens und Gemuets, daß sie sich fuerbaß fuer Schrecken und Zittern auf ihren Fueßen nicht mehr auffenthalten mochte noch kundte, und fiel von Stund an vor ihnen allen, die da gegenwaertig waren, ernieder auf die Erden und laege also da bei einer halben Stund lang. Die Herren und die Diener erschracken auch aus dermaßen sehr von den Worten, die sie gehoeret hatten von Reymund, ihrem Herren, zu ihr reden. Und erschracken und wurden gar sehr bekuemmert, noch viel mehr, da sie sahen die Frauen so gar schnell ernieder fallen und sie ganz von ihren Kraeften kommen. Sie nahmen die Frau und huben sie auf und gossen ihr kalt Wasser unter ihr Angesicht, mehr denn fuenfzehen mal, daß sie doch zuletzt wieder zu ihr selber kam.

 

Das drei und zwanzigste Kapitel

Wie Melusina vor großer Ohnmacht und betruebten Jammer ernieder fiele und sie darnach wieder zu ihr selbst kame. Und daß sie darnach mit Reymund, ihrem Gemahel und mit etlichen Landsherren redte von ihrem Hinscheiden. Auch Horridel, ihres Sohnes wegen, der drei Augen hatte und darnach in einem Keller ersticket ward.

Sie hub gar erbaermlich an und sprach: »Ach Gott! Ach Gott! O Reymund, wehe mir, daß ich dich je sahe mit Augen, wehe mir, daß ich ueber Deiner schoenen Geberde so viel Wohlgefallens je gewann! Das soll Gott geklaget sein. Wehe mir, daß ich Dich bei dem Brunnen je fande, wehe mir, daß ich Deinen stolzen Leib je umfinge, wehe mir des elenden Tages, daß ich Dein Kundschaft und Liebe je gewann, wehe mir der Stund und des Augenblicks, daß ich Dich mein je gewaltig macht! Dein große Verraeterei und Falschheit, Dein falsche Zung und Deine zornige grimmige Rede und Verweisen haben mich so gar in langwaehrende Arbeit, Angst und Not gesetzt, darin ich sein und bleiben muß bis an das End des juengsten Tages, so Gott ueber Lebendige und Tote richten wird. Du schaendlicher, ehrloser Schalk und Boesewicht, aller Untreu voll, Du meineidiger und falscher Ritter, wie hast Du mir gehalten, wie hast Du so laesterlich und schaendlich dein Geluebd, Ehr und Lob uebersehen! Noch hatte ich mich gelitten in dem, daß Du mich im Bad hattest gesehen, wenn Du Dir es heimlich und verschwiegen haettest behalten und keinem andern Menschen offenbaret, denn alldieweil es niemand gewußt haett, so haette es mir nicht geschadet, aber seither, daß Du nun selbst geoffenbaret hast, so muß es Dir an Leib und Gut, an Glueck und Seide und sonderlich an Deinen Ehren mißgehen. Das kommt Dir von Deinem falschen Meineid und Deiner großen Missetat, die Du an mir armen Frauen so schaendlich hast begangen. Denn haettest Du mir Dein Geluebd gehalten und geleist, aufrecht und ehrlich, so waere ich bei Dir blieben so lange, bis Gott ueber mich geboten haette, und waere natuerlich gestorben als ein ander Weib und der Erden befohlen worden, und waere meine Seel und mein Leib gewißlich zu der ewigen Freuden kommen. Nun, so muß mein Leib und Seel zu dieser Stund hie in Leiden und Pein bleiben bis an den juengsten Tag, und Du hast Dir selbst erworben, das Dein Leiden, Kummer und Arbeit jetz und anfanget, und es wird Dir uebel und mißgehen, und Dein Land wird nach mir weit verteilet und nimmer wieder zusammen in ein Hand kommen. Etliche Deines gesipten Geschlechts, die werden auch unsellig und nimmer Fried gewinnen. Nun habe fuerbaß in acht, denn ich Dir fuerbaß kein Gesellschaft nimmer leisten mag, das mir doch schwer und leid ist.« Melusina, die Ungemute, nahm mit traurigem Gemuete drei Landsherren und fuehret die besonders zu Reymund und sprach: »Reymund, an mir ist keines Bleibens mehr. Horribel, unser achter Sohn, der drei Augen in die Welt hat bracht, den sollst Du nicht lebendig lassen und von stundan nach meinem Hinscheiden toeten und verderben. Und ob er lebendig blieb, so moecht in dem ganzen Land zu Potiers vor großem Krieg, der da wuerd, kein Korn oder andere Fruecht mehr wachsen, denn er wuerde es ganz und gar verwuesten, und seine Brueder wuerde er alle bringen in ein große Armut, und alle seine Freund, die seines Geschlechts sein, wuerde er verderben und verheeren. Aber um den Unmut, den Du hast, darum, daß Goffroy das Kloster und die Moenche verbrennet und verderbet hat, sollt Ihr wissen, daß es Gott also ueber die Moench verhaengt hat, von ihrer greulichen großen Suend wegen. Unangesehen also, denn sie ihr Regel und Observanz nicht gehalten haben, von Aergernus wegen der Leut, als Du vor gehoert hast, denn um eines Suenders willen etwann hundert verderben und schaden nehmen; und wisse auch, daß Goffroy das Kloster wiederum wird lassen bauen, koestlicher und besser denn es vor je gewesen, und werden auch mehr Moench an der Zahl darin bestaettiget und versorget, denn jetzund darinnen gewesen sind, und er wird das Kloster reichlicher begaben, und er wird noch gar viel Gutes tun, so er alt wird. Aber eines sage ich Dir, ehe daß ich von Dir scheiden will, daß Du und die noch ueber hundert Jahr nach Dir kommen, sollen wissen, wenn man mich siehet in der Luft daher schweben ob dem schoenen Schloß Lusinien, so soll es gewiß sein, daß desselbigen Jahrs das Schloß einen andern Herrn gewinnen, und ob man mich in der Luft nicht erkennen kann, so wird man mich aber bei dem Durstbrunnen sehen. Und dies geschicht, all dieweil das Schloß also in Ehren und Gebaeuen steht, denn ich meines Taufnamens auch ein Teil daran geleget habe, besondern am Freitag vor, ehe daß der Herr des hohen schoenen Schloß soll geendet werden. Aber daß ich das Schloß soll lassen und davon scheiden muß, das nimmt mir alle meine Freud und bringet mir groß Trauren; doch so muß es sein und mag auch anders nicht ergehen. Reymund, da wir zusammen von Angesicht kamen, da funden wir beide, je eines an dem andern Freud, Lust und Kurzweil. Ach Gott, das fueget und will sich nun zu einem großen Leid und Kummer ziehen, unser Freud ist verkehret in groß Trauren, unser Staerke und Kraft ist verkehret in Ohnmacht, unser Wohlgefallen in Mißfallen, unser Selbe in Elend, unser Sicherheit in Sorge, unser Glueck in Ungefell, unser Freiheit in Dienstbarkeit.«

 

Das vier und zwanzigste Kapitel

Wie Melusina so jaemmerlich klaget ihr groß Ungefell und Hinscheiden, das sie tun mueßt. Und wie er sie um Gnad bad und sie beide vor Herzenleid niederfielen.

Dies kommet alles von Gluecksunfall, wo etwann das Glueck einen erhoehet und den andern wieder erniedert, aber Du hast selber Schuld daran, und von Deiner großen Unwahrheit und Untreu wegen, so, wirst Du Dein Herzenlieb verlieren und um sie kommen. Nun mage ich je laenger nicht bleiben, aber Reymund, lieber Freund, Gott vergebe und verzeihe Dir Deine Missetat, die Du an mir begangen hast, denn durch das so leide ich Pein bis an den juengsten Tag, des waer ich durch Dich erloeset worden. Ach Gott, nun muß ich wieder in Leiden und Kummer, von dannen ich kommen bin!« Da nun Reymund diese Klag vermerket und erhoeret und der hochgeborenen Fuerstin, seines lieben Gemahels, Hinscheiden begundte zu betrachten, so bedarf niemand fragen, ob er sehr dadurch wurde betruebet. Ja, ohn alle Fehle und so sehr und fast, daß es unmoeglich zu schreiben und zu sagen war, und er mocht vor Jammer und Herzenleid nicht mehr ein Wort gesprochen, denn ihn gedauchte, daß sein Herz alle Augenblick vor großem Schmerzen, Jammer und Leid billich brechen sollt, daß er auch von Gott von Herzen begehret zu sterben. Reymund stunde auf und ginge zu Melusina mit gar jaemmerlicher Geberde und umfinge und kuesset sie mit großer Betruebnuß und Kuemmernuß und weinet bitterlichen. Und vor großem unaussprechlichen Herzenleid, daß sie beide hatten des Scheidens halben, fielen sie beide nieder auf die Erden.

Die Landsherren und Hofdiener, Frauen und Jungfrauen, begundten sehr zu trauren und huben beide wieder auf, sie weineten und alles Volk mit ihnen. Reymund stund auf und fiel fuer sie nieder auf das eine Knie und bate sie ganz fieißiglichen mit ganzem Ernst, daß sie ihm verzeihen und vergeben wollt, daß er sich selber so boeslich versehen und sein Geluebd ueberfahren haett. Melusina antwortet ihm und sprach: »Das soll noch mag nicht mehr gesein, denn es Gott nicht also geordnet hat, und es muß nun also zugehen. Doch, lieber Reymund, vergiß Deines Sohns Freymunds; aber doch Deines Sohns Reymunds, des sollest Du auch nicht vergessen, denn derselbige soll Graf werden im Forst an Deines lieben Bruders Statt. Auch denke Dieterichs, Deines neunten Sohns, der noch an der Ammen ist, denn er zu Portenach und zu Rotschelle Herr sein und werden soll, denn er noch gar ein mannlicher Ritter werden muß, desgleichen alle die Soehne, die von ihm kommen, werden mannlich und stark kuehne und beruehmte Ritter. Lieber Freund, ich bitte Dich, daß Du Gott allezeit fuer mich bittest, denn ich auch Dein nichtvergessen will, Du sollst auch von mir noch viel Trosts und Huelf zu gewarten sein in Deinen anliegenden Noeten, doch magst Du mich hinfuer in einer weiblichen Natur nicht mehr gesehen.« Melusina, die sprange mit ebenen Fueßen in ein Fenster und sahe hinaus, und wollte doch nicht von dannen scheiden ohne Urkund der Landsherrn und alles Hofgesinds, als Ihr hoeren werdet. Nun redet sie fuerbaß zu Reymund und sprach: »Gesegne Dich Gott, mein Herz, mein Lieb und wahrer rechter Freund, gesegne Dich Gott, mein holdseliger und herzliebster Gemahel, gesegne Dich Gott, mein koestliches Kleinod, das ich so gar sueßlich und lieblich geliebt habe! Gesegne Dich Gott, Du edle Kreatur, gesegne Dich Gott, mein Wollust und Freud und was ich in dieser Zeit lieb gehabt. Gesegne mir Gott den schoenen, edlen und sueßen, auserwaehlten und holdseligen Gemahel, mein allerliebster Buhle und auch mein freudenreicher Mann! Gesegne Dich Gott, mein liebster Herr und sueßer Hort! Gesegne Dich Gott, mein Auffenthaltung, mein Kurzweil und Schimpf, vielmehr denn zu tausend Malen! Ach, gesegne Dich Gott, mein allerliebster Trost und Hort in meines Herzens Grunde! Gesegne Euch Gott, alles Volk! Gesegne Dich Gott, das Schloß Lusinien, so sein und schoen, das ich gemacht und selbst gestiftet habe! Gesegne Dich Gott, Du sueßes Saitenspiel! Gesegne Dich Gott alles, was einer Frauen Wohlgefallen mag! Gesegne Dich Gott, mein allerliebster Freund, der mir mein Herz hat besessen.«

 

Das fuenf und zwanzigste Kapitel

Wie Melusina Reymund gesegnet und alles Volk, und schiede weinend und schreiend hinweg.

Als nun Melusina diese Wort aller vollbrachte, da taete sie vor ihnen allen einen Sprung, und sprang gegen einem Fenster und schoß also zum Fenster aus und war zur Stunde eines Augenblicks unter dem Guertel wiederum ein feindlicher, ungeheurer, langer Wurm worden, des sie sich alle sehr verwunderten, denn niemand unter ihnen allen sie vormals also gesehen hatte, denn allein der Reymund. O, der elenden Stunde, da er mit ihr zu Krieg kame von Goffroys wegen, als Ihr gehoeret habt. Melusina, die schoß durch die Luft schnelle und umfuhr das Schloß dreimal und ließ zu jedem mal einen großen Schrei, gar zumal erbaermlichen, und schoß also durch die Luft hin schnelle, daß von Stund darnach alles Volk noch niemand sie mehr gesehen mochten. Reymund, der stund also bei den Seinen und war in gar großem unseligem Leid und großer Qual. Er schrie und weinet bitterlichen, und rauft ihm selber sein Haar aus und flucht gar viel und dick der Stunde, darinnen er geboren ward. Und da er vor Leid so viel gesprechen mocht, da rufet er und sprach: »Nun gesegne Dich der allmaechtige Gott, mein schoener Gemahel, mein liebste Freundin, aller Ehren eine Kron! Gesegne Dich Gott, mein Geluebde und Gesundheit! Gesegne Dich Gott, meine sueße Meisterin! Gesegne Dich Gott, meine Freud und mein Reichtum! Gesegne Dich Gott, mein Kurzweil! Gesegne Euch Gott, aller Schimpf und Schall! Gesegne Euch Gott von hohem Preis, die ich lobe und ruehme! Gesegne Euch Gott, mein Weib und Gemahel! Gesegne Euch Gott, meine sueße Blum! Gesegne Euch der allmaechtige, ewige Herr und Heiland Jesus Christus! Nun sind mir alle mein gute Tag vergangen, seit ich Euch nicht mehr gesehen mag. Wehe, daß ich je geboren ward!«

Es klagt sich Herr Reymund unmaeßiglichen fast, daß alle die Seinen, und wer das sahe, der mußte mit ihm klagen und weinen. Denn auch sonst um die Melusina gar große Klag war in allen ihren Landen, und dazu auch anderswo, wo man sie erkannt hatte. Besonders klagt er gar sehr, daß von seiner Missetat und Schuld wegen er sie verloren haett und sie nimmer bekommen moecht, und satzt das alles so schwer zu Herzen, daß ihn darnach nimmermehr kein Mensch froehlich sahe bis an sein Ende.


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