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Du sagst mir nichts, doch zweifl' ich nicht, 
        Du schüttelst dein Haupt, Marie, 
        Ein Greis – zwei Kinder – im Dämmerlicht – 
        Da waltet die Phantasie! 
        Was wollte ich nicht um dein Lächeln geben, 
        Um deine Zweifel, du gute Frau, 
        Doch wieder sag' ich's: bei meinem Leben! 
        Marie, wir sahen und hörten genau!
        Am Morgen kehrte der Vater heim, 
          Verstimmt und müde gehetzt, 
          Und war er nimmer ein Honigseim, 
          So war er ein Wermut jetzt. 
          Auch waren es wohl bedenkliche Worte, 
          Die er gesprochen zum alten Mann; 
          Denn laut sie haderten an der Pforte 
          Und schieden in tiefer Empörung dann. 
Nun ward durchstöbert das ganze Haus, 
          Ein jeder gefragt, gequält, 
          Die Beutel gewogen, geschüttet aus, 
          Die Silberbestecke gezählt, 
          Ob alles richtig, versperrt die Zimmer, 
          Nichts konnte dem Manne genügen doch; 
          Bis abends zählte und wog er immer 
          Und meinte, der Schade finde sich noch. 
Als nun die Dämmerung brach herein, 
          Ohne Mutter und Sakristan, 
          Wir kauerten auf dem staubigen Stein 
          Und gähnten die Flamme an. 
          Verstimmt der Vater, am langen Tische, 
          Wühlt' in Papieren, schob und rückt', 
          Wir duckten an unserm Kamin, wie Fische, 
          Wenn drauf das Auge des Reihers drückt. 
Da horch! – die Türe dröhnte am Gang, 
          Ein schlurfender Schritt darauf 
          Sich schleppte die knarrende Diel' entlang. 
          Der Vater horchte – stand auf – 
          Und wieder hörten wir rücken die Stühle, 
          Am Schranke klirren den Schlüsselbund 
          Und wieder das schwere Krachen der Diele, 
          Als es vom Stuhle trat an den Grund. 
Er stand, den Leib vornüber gebeugt, 
          Wie Jäger auf Wildes Spur, 
          Nicht Furcht noch Rührung sein Auge zeigt', 
          Man sah, er lauerte nur. 
          Und wieder sah ich, die mich geboren, 
          Verbannt, verstoßen vom heiligen Grund, 
          O, nimmer hab' ich das Bild verloren, 
          Es folgt mir noch in der Todesstund'! 
Und Er? – hat keine Wimper geregt 
          Und keine Muskel gezuckt, 
          Der Stuhl. auf den seine Hand gelegt, 
          Nur einmal leise geruckt. 
          Ihr folgend mit den stechenden Blicken 
          Wandt' er sich langsam, wie sie schritt, 
          Doch als er sie ans Klosett sah drücken, 
          Da zuckte er auf, als wolle er mit. 
Und »Arnold! « rief's aus dem Geldverließ, 
          – Er beugte vornüber, weit – 
          Und wieder »Arnold! « so klagend süß, 
          – Er legte die Feder beiseit' – 
          Zum dritten Mal, wie die blutige Trauer, 
          »Arnold!« – den Meerschaumkopf im Nu 
          Erfaßt' er, schleudert' ihn gegen die Mauer, 
          Schritt ins Klosett und riegelte zu. 
Wir aber stürzten in wilder Hast 
          Hinaus an das Abendrot, 
          Wir hatten uns bei den Händen gefaßt 
          Und weinten uns schier zu Tod. 
          Die ganze Nacht hat die Lampe geglommen, 
          Geknattert im Saal des Kamines Rost, 
          Und als der dritte Abend gekommen, 
          Da setzte der Vater sich auf die Post. 
Ich habe ihm nicht Lebewohl gesagt 
          Und nicht seine Hand geküßt, 
          Doch heißt es, daß er in dieser Nacht 
          Am Bettchen gestanden ist. 
          Und bei des nächsten Morgens Erglühen 
          Das Erste, was meine Augen sahn, 
          Das war an unserem Lager knien 
          Den tief erschütterten Sakristan. 
Dem ward in der Früh' ein Brief gebracht 
          Und dann ein Schlüsselchen noch; 
          »Ich will nicht lesen«, hat er gedacht 
          Und zögerte, las dann doch 
          Den Brief, in letzter Stunde geschrieben 
          Von meines unglücklichen Vaters Hand, 
          Der fest im Herzen mir ist geblieben, 
          Obwohl mein Bruder ihn einst verbrannt. 
»Was mich betroffen, das sag' ich nicht, 
          Eh dorre die Zunge aus! 
          Doch ist es ein bitter, ein schwer Gericht 
          Und treibt mich von Hof und Haus. 
          In dem Klosette, da sind gelegen 
          Papiere, Wechsel, Briefe dabei. 
          Dir will ich auf deine Seele legen 
          Meine zwei Buben, denn du bist treu. 
»Sorg' nicht um mich; was ich bedarf, 
          Des hab' ich genügend noch, 
          Und forsch' auch nimmer – ich warne scharf – 
          Nach mir, es tröge dich doch. 
          Sei ruhig, Mann, ich will nicht töten 
          Den Leib, der vieles noch muß bestehn, 
          Doch laß meine armen Kinderchen beten; 
          Denn sehr bedarf ich der Unschuld Flehn.« 
Und im Klosette gefunden ward 
          Ein richtiges Testament, 
          Und alle Papiere nach Kaufmannsart 
          Geordnet und wohl benennt. 
          Und wir? – in der Fremde ließ man uns pflegen, 
          Da waren wir eben, wie Buben sind, 
          Doch mit den Jahren, da muß sich's regen, 
          Bin ich doch jetzt sein einziges Kind! 
Du weißt es, wie ich auch noch so früh, 
          So hart den Bruder verlor, 
          Und hätte ich dich nicht, meine Marie, 
          Dann wär' ich ein armer Tor! – 
          Ach Gott, was hab' ich nicht all' geschrieben, 
          Aufrufe, Briefe, in meiner Not! 
          Umsonst doch alles, umsonst geblieben. 
          Ob er mag leben? – vermutlich tot!  |