Annette von Droste-Hülshoff
Gedichte
Annette von Droste-Hülshoff

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Hoffnung

        Laß das Leben wanken,
Laß es ganz vergehn,
Über seine stillen Schranken
Will ich ernst und mutig sehn.
Findet gleich Vernunft die Wege
In dem dunklen Lande nicht:
Hoffnung kennt die Stege,
Trägt ein sichres Licht.

Wenn mich alle lassen:
Meine Hoffnung bleibt,
Wird mich rettend dann umfassen,
Wenn mich Not und Sünde treibt.
Ob auch Tod und Trübsal wüte,
Ob Gewalt der Böse hat,
Herr, auf deine Güte
Bau ich meine Stadt!

Ihn muß ich beklagen,
Der die Hoffnung senkt;
Ach, wie konnte er verzagen,
Wo des Herren Wille lenkt!
All sein Trost in Schmerz und Leiden,
All sein Ruhm in Spott und Schmach
Mußte von ihm scheiden,
Da die Hoffnung brach.

Wer sie will umschmiegen
Und nicht läßt in Not,
Spricht: »O Grab, wo ist dein Siegen,
Und wo ist dein Stachel, Tod!«
Keine Macht ob seinem Herzen
Hat der Trug und eitle Schein,
Und aus bittern Schmerzen
Preßt er süßen Wein.

Jesu, mich behüte,
Stärke mein Bemühn;
Ach, es war ja deine Güte,
Die die Hoffnung mir verliehn!
Wolltest du von mir dich wenden,
Alles Gute wendet sich:
Sünden ohne Enden,
Schmach und Schuld um mich!

Hast du Leid beschlossen,
Ist die Prüfung da,
Herr, ich trag es unverdrossen,
Bleibt mir deine Hoffnung nah.
Alles magst du mir entziehen,
Was mein Leben heiter macht,
Hoffnung wird mir glühen,
Wie ein Stern zur Nacht.

Willst du Freuden schicken,
O du Herr so mild,
Willst du mir mein Leben schmücken
Mit des ird'schen Glückes Bild:
Laß mein schwaches Herz nicht offen
Sein für diese eitle Welt;
All mein stilles Hoffen
Sei auf dich gestellt!

Wenn dann meine Stunde
Nun geschlagen hat,
Und von meinem bleichen Munde
Kaum noch tönt dein Name matt:
Ach! dann werd' ich freudig schauen,
Wie mein Hoffen mag bestehn;
Denn ein fromm Vertrauen
Läßt nicht untergehn.

 


 


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