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Wie der Brigadier eine Armee rettete.

Ich habe Ihnen bereits erzählt, Messieurs, wie wir die Engländer sechs Monate lang, vom Oktober 1810 bis März 1811, in ihren Verschanzungen bei Torres-Vedras im Schach hielten. Während dieser Zeit machte ich auch eine Fuchsjagd bei ihnen mit und zeigte ihnen, daß von allen ihren Sportsleuten sich keiner mit einem Conflansschen Husaren messen konnte. Als ich mit dem frischen Blut des Tiers am Säbel in unsere Linien hineingaloppierte, brachen die Vorposten, die meine Tat gesehen hatten, in einen Sturm der Begeisterung aus, während mir die englischen Jagdteilnehmer auch noch zujubelten, sodaß ich den Beifall beider Armeen hatte. Die Tränen traten mir in die Augen, als ich merkte, daß ich die Bewunderung so vieler tapferer Männer erreicht hatte. Diese Engländer sind großmütige Gegner. Noch am selben Abend kam ein Paket unter einer weißen Flagge an: es trug die Adresse: »An den Husarenoffizier, der den Fuchs erlegte.« Drin fand ich die zwei Teile des Fuchses, wie ich ihn zurückgelassen hatte. Es lag noch ein kurzes, aber herzliches Schreiben bei, wie's bei den Engländern Sitte ist. Es besagte, daß ich, nachdem ich den Fuchs abgeschlachtet hatte, ihn nun auch verzehren müßte. Sie konnten ja nicht wissen, daß wir Franzosen keine Füchse zu essen pflegen, aber es bewies doch ihren Wunsch, daß derjenige, der die Ehren der Jagd geerntet hatte, auch an der Beute Anteil haben sollte. Ein Franzose läßt sich in punkto Höflichkeit nicht gerne übertreffen, ich schickte den braven Weidmännern also die Beute zurück und bat sie, dieselbe beim nächsten Jagdfrühstück als Zwischenspeise sich gut munden zu lassen. So verkehren ritterliche Feinde im Kriege miteinander.

Ich hatte von meiner Expedition einen klaren Plan der englischen Stellungen mitgebracht und legte ihn noch am Abend dem Marschall Masséna vor.

Ich hatte gehofft, daß er auf Grund desselben zum Angriff vorgehen würde, aber die verschiedenen Marschälle lagen sich in den Haaren, sie schnappten und knurrten gegenseitig wie hungrige Hunde. Ney haßte Masséna, Masséna haßte Junot, und Soult haßte sie alle. Aus diesem Grunde wurde nichts unternommen. Dabei wurde die Fourage immer spärlicher, und unsere prächtige Kavallerie ging aus Futtermangel zugrunde. Ehe der Winter ganz zu Ende war, hatten wir die ganze Gegend so abgegrast, daß uns nichts mehr zu essen blieb, wir mochten unsere Fouragemannschaften noch so weit hinausschicken. Es wurde also auch den Tapfersten von uns klar, daß die Zeit zum Rückzug gekommen war. Ich selbst konnte nicht umhin, diese Notwendigkeit einzusehen.

Aber der Rückzug war nicht so leicht. Nicht allein daß unsere Truppen infolge des Nahrungsmangels geschwächt und erschöpft waren, der Feind hatte auch wegen unserer langen Untätigkeit frischen Mut gewonnen. Vor Wellington hatten wir keine große Furcht. Wir hatten ihn zwar als einen tapferen und umsichtigen Führer kennen gelernt, aber die Unternehmungslust fehlte ihm. Ueberdies konnte er uns in diesem öden Land nicht allzu rasch und energisch verfolgen. Aber auf den Flanken und im Rücken unserer Armee hatten sich große Massen portugiesischer Miliz, bewaffnete Bauern und Guerillas, angesammelt. Dieses Volk hatte sich den Winter über in einem respektabeln Abstand gehalten, aber nun, als unsere Pferde kaum noch laufen konnten, umschwärmten sie unsere Vorposten wie die Aasfliegen, und das Leben eines Mannes, der ihnen in die Hände fiel, war keinen Sou mehr wert. Ich könnte Ihnen aus meinem eigenen Bekanntenkreis mehr als ein Dutzend Offiziere namhaft machen, Messieurs, die von ihnen damals abgefangen wurden, und von denen derjenige noch von Glück sagen konnte, dem eine Kugel hinter einem Felsen her den Kopf oder das Herz durchbohrte. Manche fanden einen so grausamen Tod, daß keine Kunde davon je an ihre Angehörigen gelangen durfte. Solche Fälle kamen so häufig vor, und sie wirkten derartig auf die Mannschaften, daß sich niemand getraute, das Lager zu verlassen. Besonders waren es die Greueltaten eines Guerillaführers namens Manuelo mit dem Beinamen »Der Lächelnde«, welche unsere Leute mit Schrecken erfüllten. Er war ein dicker, fetter Kerl mit jovialem Aeußeren, der mit einer verwegenen Bande in den Bergen zu unserer Linken auf der Lauer lag. Die Grausamkeiten und Brutalitäten dieses Burschen allein würden ein ganzes Buch füllen, denn er besaß eine große Macht, weil er es verstand, seine Briganten so zu organisieren, daß es uns fast unmöglich war, durch sein Gebiet hindurchzukommen. Er bewirkte das durch eine strenge Disziplin und die Androhung furchtbarer Strafen. Durch diese Mittel machte er seine Bande zum Schrecken seiner Feinde, erzielte aber dadurch außerdem einige unerwartete Resultate, wie ich Ihnen gleich erzählen werde. Hatte er doch seinen eigenen Leutnant peitschen lassen – doch davon später.

Der Rückzug war mit vielen Schwierigkeiten verknüpft, aber zweifelsohne gab's keinen anderen Ausweg mehr. So ließ denn Masséna den Troß von seinem Hauptquartier Torres-Novas nach Coimbra transportieren, dem ersten festen Platz auf seiner Verbindungslinie. Das konnte jedoch nicht unbemerkt geschehen, und sofort kamen die Guerillas näher und näher an unsere Flanken geschwärmt. Eine Division von uns, die Clauselsche, mit einer Brigade Kavallerie unter Montbrun stand weit im Süden vom Tajo, und sie mußten unbedingt von unserem beabsichtigten Rückzug in Kenntnis gesetzt werden, weil sie sonst ohne Schutz mitten im Feindesland zurückgeblieben wären. Ich war neugierig, wie Masséna das anfangen würde, denn einfache Kuriere konnten nicht durchkommen, und kleine Detachements würden sicher vernichtet werden. Auf irgend eine Weise mußte ihnen aber Nachricht gebracht werden, oder Frankreich würde um vierzigtausend Mann ärmer werden. Ich dachte freilich zuletzt daran, daß ich, Oberst Gerard, die Ehre haben sollte, eine Tat auszuführen, die im Leben jedes anderen die Krone des Ruhmes gebildet haben würde, und die selbst in meinem gloriosen Dasein mit an erster Stelle steht.

Ich gehörte damals zu Massénas Stab. Er hatte noch zwei Offiziere in seinen persönlichen Diensten, die auch sehr tapfer und intelligent waren. Der eine hieß Cortex und der andere Duplessis. An Alter waren sie mir vor, aber in jeder anderen Beziehung waren sie jünger. Cortex war ein kleiner, dunkler Mann, sehr flink und lebhaft. Er war ein tüchtiger Soldat, aber wegen seiner Einbildung nicht zu gebrauchen. Nach seiner eigenen Schätzung war er der Erste in der ganzen Armee. Duplessis war, wie ich selbst, ein Gascogner, ein sehr feiner Kerl, wie alle Gascogner. Wir taten abwechselnd Dienst, einen Tag um den anderen. An dem Morgen, von dem ich spreche, war Cortex an der Reihe. Ich sah ihn noch beim Frühstück, aber später war weder er zu schauen, noch sein Pferd. Den ganzen Tag befand sich Masséna in seiner gewöhnlichen düsteren Stimmung. Er verbrachte viel Zeit damit, mit seinem Fernrohr die englischen Linien und den Schiffsverkehr auf dem Tajo zu betrachten. Er sagte uns kein Wort von der Mission, zu der er unseren Kameraden ausgesandt hatte, und es war nicht unsere Sache, ihn darüber zu fragen.

In der folgenden Nacht gegen zwölf Uhr stand ich draußen vor dem Hauptzelt, als er heraustrat und eine halbe Stunde regungslos auf demselben Fleck stand, und, die Arme über die Brust gekreuzt, durch die Finsternis nach Osten starrte. So kalt und gespannt stand er da, daß man die verhüllte Gestalt mit dem Dreimaster für seine Statue hätte halten können. Wonach er Umschau hielt, konnte ich nicht ahnen: aber endlich stieß er einen bitteren Fluch aus, drehte sich um, ging in seine Wohnung zurück und schlug die Tür hinter sich zu.

Am nächsten Morgen hatte Duplessis, der zweite Adjutant, schon früh eine Unterredung mit dem Marschall, nach welcher ebenfalls weder er noch sein Pferd wiederzusehen waren. In der kommenden Nacht wachte ich im Vorzimmer, Masséna ging an mir vorüber, und ich bemerkte vom Fenster aus, daß er wieder nach Osten blickte, genau wie er's in der vergangenen Nacht getan hatte. Eine volle halbe Stunde blieb er draußen stehen, ein schwarzer Schatten in der Dunkelheit. Dann schritt er wieder zurück, schlug die Tür heftig zu und ging sporenklirrend und säbelrasselnd die Treppe hinauf. Er war schon für gewöhnlich ein alter Brummbär, wenn ihm aber etwas schief ging, konnte er beinahe so wild werden wie der Kaiser selbst. Ich hörte ihn in jener Nacht fluchen und über mir auf den Boden stampfen, aber er rief mich nicht, und ich kannte ihn zu gut, um unaufgefordert hinaufzugehen.

Am nächsten Morgen kam ich an die Reihe, denn ich war der einzige Adjutant, der noch übrig war. Ich war sein Lieblingsadjutant. Er hatte einen flotten Soldaten immer gern. Ich glaube, die Tränen standen ihm an jenem Morgen, als er mich holen ließ, in den schwarzen Augen.

»Gerard!« sagte er. »Kommen Sie 'mal her!«

Er faßte mich wie einen Freund am Aermel und führte mich an das offene Fenster, das gegen Osten lag. Unter uns war das Lager der Infanterie, dahinter kam die Kavallerie mit den langen Reihen angebundener Pferde, dann die Vorpostenketten, und davor breitete sich ein ebenes, von Weingärten durchschnittenes Gelände aus. Jenseits der Ebene zog sich eine Hügelkette hin, aus der eine Spitze besonders hervorragte. Am Fuße dieser Hügel war ein breiter Gürtel Waldes. Eine einzige weiße Landstraße führte nach diesen Bergen.

»Das ist die Sierra de Merodal,« sagte Masséna, indem er nach dem Gebirgszug deutete. »Sehen Sie etwas auf der Höhe?«

Ich antwortete, daß ich nichts bemerken könnte.

»Jetzt?« fragte er, nachdem er mir sein Glas gegeben hatte.

Mit dem Feldstecher erkannte ich auf der Spitze des höchsten Berges eine kleine Erhebung, einen Haufen Stein oder Holz.

»Was Sie dort sehen,« erklärte Masséna, »ist ein Haufen Holz, der als Feuersignal dienen soll. Er wurde aufgeschichtet, als wir das Land noch in unserem Besitz hatten, und jetzt, wo wir's nicht länger halten können, liegt er zu unserem Glück noch da. Dieser Holzstoß muß heute nacht angezündet werden, Gerard. Das fordert Frankreich von uns, fordert der Kaiser, fordert die Armee. Zwei Ihrer Kameraden sind schon zu diesem Zwecke abgegangen, aber keiner von beiden ist bis zum Gipfel gekommen. Heute ist die Reihe an Ihnen, und ich hoffe, daß Sie mehr Glück haben.«

Es geziemt sich nicht für einen Soldaten, nach Gründen zu fragen, und ich wollte daher bereits hinausgehen, als mir der Marschall die Hand auf die Schulter legte und mich zurückhielt.

»Ich will Ihnen alles sagen,« fuhr er fort, »damit Sie wissen, für welche hohe Aufgabe Sie Ihr Leben riskieren. Fünfzig Meilen südlich von uns auf der anderen Seite des Tajo liegt General Clausel mit seinen Truppen. Sein Lager befindet sich in der Nähe eines Berges, der Sierra d'Ossa. Auf der Spitze dieses Berges ist ebenfalls ein Holzhaufen errichtet, und dabei ist eine Wache aufgestellt. Wir haben nun vereinbart, daß, wenn er um Mitternacht unser Feuer sieht, er als Antwort mit seinem eigenen signalisieren und sich dann sofort auf die Hauptarmee zurückziehen soll. Wenn er nicht bald aufbricht, muß er zurückbleiben. Seit zwei Tagen bin ich bestrebt, ihm sein Zeichen zu geben. Heute muß er's bekommen, sonst wird seine Armee zurückgelassen und aufgerieben werden.«

Oh, mes amis, wie das Herz in meiner Brust höher schlug, als ich vernahm, welch hohe Aufgabe mir Fortuna zugewiesen hatte! Falls ich mit dem Leben davonkäme, würde mein Lorbeerkranz um ein neues prächtiges Blatt reicher werden. Sollte ich aber dabei den Tod finden, würde er meiner Laufbahn würdig gewesen sein. Ich äußerte kein Wort, aber ich glaube bestimmt, daß sich alle diese edeln Gedanken auf meinem Gesicht ausdrückten, denn Masséna ergriff meine Hand und drückte sie.

»Dort ist der Hügel und dort ist der Holzhaufen,« sagte er. »Zwischen diesem und Ihnen ist nur dieser Guerilla mit seinen Leuten. Eine größere Abteilung kann ich für diesen Zweck nicht absenden, und eine kleine würde gesehen und vernichtet werden. Ich übertrage es Ihnen also allein. Führen Sie's aus, wie's Ihnen am besten erscheint, aber lassen Sie mich um zwölf Uhr heute nacht den Feuerschein auf dem Berge sehen.«

»Wenn er nicht aufleuchtet,« antwortete ich, »dann bitte ich Sie darum, Herr Marschall, dafür zu sorgen, daß meine Effekten verkauft werden und das Geld meiner Mutter geschickt wird.« Ich legte die Hand an den Tschako und machte kehrt; meine Brust hob sich bei dem Gedanken an die Tat, die ich vor mir hatte.

Eine Zeitlang saß ich in meinem Zimmer, um darüber nachzudenken, wie ich die Sache am besten ausführen könnte. Die Tatsache, daß es weder Cortex noch Duplessis, zwei sehr eifrigen und tätigen Offizieren, gelungen war, die Spitze des angegebenen Hügels zu erreichen, bewies, daß die Guerillas die Gegend sehr gut bewachten. Ich rechnete nach einer Karte die Entfernung aus. Ich hatte zehn Meilen offenes Gelände, ehe ich an die Bergkette kommen würde. Dann kam am Fuße derselben ein Waldsaum, der vielleicht drei oder vier Meilen breit sein mochte, und darüber erhob sich erst der Berg selbst, der zwar nicht sehr hoch war, aber mir keinerlei Deckung bot. Das waren die drei Etappen meiner Tour.

Es schien mir, daß, wenn ich erst den schützenden Wald erreicht hätte, alles andere leicht zu machen sei, denn ich konnte mich in seinem Schatten verbergen und, nachdem's dunkel geworden war, die kahle obere Hälfte hinaufsteigen. Von acht bis zwölf Uhr hatte ich vier Stunden Zeit zum Aufstieg. Ich hatte also nur den ersten Teil reiflich zu überlegen.

Ueber dieses flache Terrain führte die einladende weiße Straße, und es fiel mir ein, daß meine Kameraden die Pferde mitgenommen hatten. Das war sicher ihr Verderb gewesen, denn nichts war für die Briganten leichter, als diese Chaussee zu überwachen und alle Vorüberkommenden aus einem Hinterhalt zu überfallen. Es würde mir ja keine Schwierigkeiten gemacht haben, querfeldein zu reiten, zumal ich damals über ein ausgezeichnetes Pferdematerial verfügte, denn ich hatte außer Violetta und Rataplan, zwei der feinsten Springer in der ganzen Armee, auch noch den großartigen englischen Rappen vom Baron Cotton. Jedoch nach reiflicher Erwägung kam ich zu dem Entschluß, zu Fuß zu gehen, weil ich dann eher jede Chance, die sich bieten würde, ausnutzen könnte. Ich warf also über meine Husarenuniform einen langen Mantel und setzte eine graue Mütze auf, wie man sie beim Fouragieren trägt. Sie wundern sich vielleicht, warum ich mich nicht als Bauer verkleidete, darauf kann ich Ihnen nur sagen, Messieurs, daß ein Ehrenmann nicht gerne den Tod eines Spions stirbt. Es ist ein Unterschied, ob man ermordet oder ob man einfach kriegsrechtlich erschossen wird. Jenes Ende zu nehmen, wollte ich nicht wagen.

Am Nachmittag entfernte ich mich aus dem Lager und passierte unsere Vorposten. Unter meinem Mantel hatte ich einen Feldstecher, eine Pistole und natürlich auch meinen Säbel. In der Tasche hatte ich Zunder, Stein und Stahl.

Zwei bis drei Meilen marschierte ich durch die Weingärten und kam so gut voran, daß ich mich innerlich freute und bei mir dachte, man braucht doch nur ein Mann mit etwas vernünftiger Ueberlegung zu sein und die Sache richtig anzufangen, um sie leicht zum Gelingen zu bringen. Cortex und Duplessis, die einfach die Landstraße entlang galoppiert waren, mußten natürlich bemerkt worden sein, aber der schlaue Gerard, der unter den deckenden Weinsträuchern dahinschlich, war ein ganz anderer Kerl. Ich hatte sicher fünf Meilen hinter mir, ohne auch nur auf das geringste Hindernis gestoßen zu sein. Da kam ich an eine kleine Weinschenke, vor der ich einige Karren und eine Anzahl Menschen erblickte, die ersten, die ich bis dahin gesehen hatte.

Nun, wo ich längst außerhalb unseres Bereichs war, wußte ich, daß jeder Mensch mein Feind war. Ich duckte mich also und schlich an eine Stelle, von der aus ich besser beobachten konnte, was da vorging. Ich merkte dann, daß diese Leute Bauern waren, die leere Weinfässer aufluden. Ich konnte nicht einsehen, inwiefern sie mir förderlich oder hinderlich sein sollten und setzte also meinen Weg ruhig fort.

Doch bald wurde mir klar, daß meine Aufgabe nicht so leicht war, wie sie geschienen hatte. Als sich das Gelände hob, hörten die Weingärten auf, und ich kam auf ein offenes, hügeliges Terrain. Ich kroch in einen Graben und betrachtete die Gegend durch mein Fernglas. Da bemerkte ich denn sehr bald, daß auf jedem Hügel eine Wache stand, und daß diese Kerle eine Postenkette ausgestellt hatten, ganz genau so wie wir selbst. Ich hatte von der Organisation dieses »Lächelnden« gehört und sah hier ein praktisches Beispiel davon vor mir. Zwischen den einzelnen Hügeln war ein Kordon von Schildwachen, und obwohl ich in einem weiten Umkreis um die Flanken herumging, sah ich doch überall Feinde vor mir. Da war guter Rat teuer. Es gab so wenig Deckung, daß keine Ratte hätte durchkommen können, ohne gesehen zu werden. Natürlich würde es nicht schwer gewesen sein, während der Nacht durchzuschlüpfen, wie ich's mit den Engländern bei Torres-Vedras gemacht hatte; aber ich war noch zu weit von jenem Berge ab und konnte ihn, wenn ich bis zum Eintritt der Dunkelheit warten wollte, nicht mehr rechtzeitig erreichen, um den Holzhaufen um Mitternacht in Brand zu stecken. Ich lag in meinem Graben und schmiedete tausenderlei Pläne, von denen einer immer gefährlicher war als der andere. Endlich kam mir plötzlich jener Lichtblitz, der bei dem tapferen Manne, der sich nicht der Verzweiflung hingibt, nie ausbleibt.

Ich sagte Ihnen bereits, Messieurs, daß vor dem Wirtshaus leere Fässer aufgeladen wurden. Die Ochsen vor den Wagen standen mit den Köpfen nach Osten zu, es war also klar, daß die zwei Wagen in derselben Richtung fahren würden, die ich auch einschlagen mußte. Wenn ich mich nun auf einem derselben verbergen konnte, was für einen einfacheren und besseren Weg gab's dann für mich, durch die Linien der Guerillas zu kommen? Dieser Plan war so gut und so ausgezeichnet, daß ich einen Freudenschrei nicht unterdrücken konnte, als er mir in den Sinn kam, und ich lief sofort auf die Schenke los. Dort konnte ich hinter ein paar Hecken genau beobachten, was auf der Straße vorging.

Drei Bauern mit roten Jagdmützen waren mit Ausladen beschäftigt. Mit einem Wagen waren sie fertig, auf dem anderen lag erst die unterste Reihe Fässer. Eine Anzahl leerer Fässer lagen noch draußen vor dem Wirtshaus. Fortuna war mir hold – ich hab' immer gesagt, sie ist ein Weib, das einem kühnen jungen Husaren nicht widerstehen kann. Als ich so wartete, gingen die drei Männer ins Wirtshaus, denn es war ein heißer Tag, und sie hatten Durst bekommen bei der Arbeit. Schnell wie der Blitz stürzte ich hinter meinem Versteck hervor, kletterte auf den Wagen und kroch in eins der leeren Fässer. Es hatte einen Boden, aber keinen Deckel, und es lag auf der Seite, das offene Ende nach innen gekehrt. Ich lag drin wie ein Hund in seiner Hütte, die Knie bis ans Kinn gezogen, denn die Fässer waren nicht sehr groß, und ich bin kein kleiner Mann. Ich war kaum drin, so kamen die Bauern auch schon wieder 'raus, und gleich darauf hörte ich einen Krach über mir, woran ich merkte, daß sie ein anderes Faß auf mein's geworfen hatten. Sie schichteten soviele auf, daß ich nicht mehr wußte, wie ich je wieder herauskommen sollte. Doch damit hatte es ja noch gute Weile, und ich zweifelte nicht, daß mich mein gutes Glück und mein eigener Mutterwitz, die mich soweit gebracht hatten, auch noch weiter bringen würden.

Bald nachdem der Wagen voll geladen war, setzte er sich in Bewegung, und ich lachte in meinem Faß bei jedem Schritt, denn er führte mich doch näher an mein Ziel. Die Fahrt ging langsam, und die Bauern schritten neben dem Fuhrwerk her. Das erkannte ich daran, daß ich ihre Stimmen ganz nahe hörte. Sie schienen mir sehr fröhliche Burschen zu sein, denn sie lachten herzlich, während sie dahinwanderten. Worum sich ihre heitere Unterhaltung drehte, konnte ich nicht verstehen. Obwohl ich ihre Sprache ziemlich gut spreche, konnte ich doch nichts Komisches aus den Bruchstücken heraushören, die an mein Ohr drangen.

Ich rechnete aus, daß wir bei dem Tempo eines Ochsengespanns zwei Meilen in der Stunde zurücklegten. Nach zweieinhalb Stunden – mes amis, solche Stunden, mit zusammengezogenen Gliedern, dem Ersticken nahe und beinahe vergiftet von den schädlichen Gasen – nach Verlauf dieser Stunden mußte also das freie Gelände hinter uns liegen und wir am Saum des Waldes und am Fuße des Berges sein. Nun überlegte ich, wie ich aus meinem Faß herauskommen würde. Ich hatte bereits an verschiedene Wege gedacht und wog sie gerade gegen einander ab, als die Frage in einer sehr einfachen aber ebenso unerwarteten Weise für mich entschieden wurde.

Der Karren hielt plötzlich an, und ich hörte mehrere rauhe Stimmen. »Wo, wo?« schrie einer. »Auf euerem Karren,« sagte ein anderer. »Wer denn?« rief ein dritter. »Ein französischer Offizier; ich hab' ihn an der Mütze und den Stiefeln erkannt.« Sie brüllten alle vor Lachen. »Ich guckte gerade in der Posada zum Fenster 'naus und sah ihn ins Faß springen, so geschwind wie'n Stierkämpfer in Sevilla, wenn 'n Stier hinter ihm her ist.« »In welches denn?« »In dieses,« antwortete der Kerl und schlug tatsächlich mit der Faust an die Stelle, wo sich mein Kopf befand.

Quelle situation, Messieurs, für einen Mann in meinem Stand! Heute, nach vierzig Jahren, werde ich noch rot, wenn ich dran denke. Eingesperrt wie ein Vogel und hilflos das rohe Gelächter dieser Lümmel anhören zu müssen – dazu der Gedanke, daß meine Mission nun ein schimpfliches, ja sogar lächerliches Ende genommen hatte. Ich hätte den Mann gesegnet, der eine Kugel durch das Faß gejagt und mich aus allem Elend befreit hätte.

Ich hörte das Krachen der 'runtergeworfenen Fässer, bis zwei bärtige Gesichter und die Rohre zweier Gewehre in mein's guckten. Sie packten mich an den Rockärmeln und zogen mich heraus an das Licht des Tages. Ich muß seltsam ausgesehen haben, als ich dastand in dem blendenden Sonnenlicht, mit den Augen blinzelnd und nach Luft schnappend. Ich war krumm und lahm, ich konnte meine steifen Glieder nicht gerade kriegen, und mein Mantel war halb rot wie der Rock der englischen Soldaten von der Hefe, in der ich gelegen hatte. Sie lachten und lachten immer lauter, diese Hunde, und als ich ihnen durch mein Benehmen und meine Gebärden meine Verachtung zu erkennen zu geben suchte, wurd's immer schlimmer. Aber selbst unter diesen erschwerenden Umständen betrug ich mich als der Mann, der ich bin, und als ich sie langsam mit meinem Blick fixierte, war keiner dieser Lacher imstande, mir ins Gesicht zu sehen.

Dieser eine Blick in die Runde genügte für mich, um meine Situation genau zu erkennen. Ich war von diesen Bauern an einen der Vorposten der Guerillas verraten worden. Es waren ihrer acht, wild aussehende, haarige Burschen, mit großen Hüten und den vielknöpfigen Röcken und bunten Gürteln. Jeder trug eine Büchse und hatte eine oder zwei Pistolen im Gurt. Der Anführer, ein großer, bärtiger Kerl, hielt mir die Mündung seiner Flinte ans Ohr, während die anderen meine Taschen durchsuchten und mir Mantel, Pistole, Feldstecher, Säbel und, was das Schlimmste von allem war, das Feuerzeug abnahmen. Nun durfte es kommen, wie's wollte, ich war ruiniert, denn ich hatte nicht mehr die Mittel, um den Haufen anzuzünden, selbst wenn ich ihn erreichen sollte.

Acht Mann von dieser Sorte und drei Bauern, mes chers amis, und ich ohne jede Waffe! War Etienne Gerard darob in Verzweiflung? Verlor er die Besinnung? Oh, Sie kennen mich zu gut, meine Herrn, aber diese verdammten Briganten kannten mich noch nicht. Nie habe ich mich so mit aller Kraft des Geistes angestrengt, wie gerade in diesem Augenblick, wo alles verloren schien. Sie werden freilich nicht drauf kommen, und wenn Sie noch so lange raten, durch welche List ich ihnen entwischt bin. Hören Sie also zu, ich will's Ihnen sagen.

Sie hatten mich vom Wagen heruntergezerrt und durchsucht, und ich stand noch schief und krumm zwischen ihnen. Aber die Steifheit ließ schon nach, und ich war lebhaft darauf bedacht, auf irgend eine Weise durchzubrechen. Die Posten der Briganten waren in einem schmalen Paß aufgestellt. Hinter demselben erhob sich eine steile Bergwand und nach vorne lief das Terrain dachförmig ab bis an ein viele hundert Meter entferntes und mit Buschwerk bestandenes Tal. Diese Kerle würden sowohl bergauf wie bergab viel rascher laufen können als ich. Sie hatten Abarcas oder rindlederne Schuhe an, die nach Art von Sandalen befestigt waren, und mit denen sie überall festen Fuß fassen konnten. Ein weniger resoluter Mann würde verzweifelt sein. Aber ich bemerkte sofort die seltsame Chance, die mir Fortuna gegeben hatte, und benutzte sie. An der Kante des Abhangs lag eins von den Weinfässern. Ich bewegte mich ganz langsam und unmerklich drauf zu, dann sprang ich wie ein Tiger mit einem gewaltigen Satz hinein, die Füße voran. Ein rascher Ruck, und es lag auf der Seite und rollte den Berg hinunter.

Ich werde diese fürchterliche Reise nie vergessen, Messieurs – oh, wie's mit Donnergepolter hinunter sauste! Mit den Knien und Ellbogen stemmte ich mich gegen die Wandungen, sodaß ich ein kompaktes Bündel bildete und dadurch dem Faß die nötige Widerstandsfähigkeit und das richtige Gleichgewicht verlieh: aber der Kopf guckte an der Seite 'raus, und es war ein Wunder, daß ich mir nicht den Schädel einschlug. An den sanft abfallenden Stellen rollte es ganz erträglich, aber an den steileren machte es Bocksprünge in die Luft und stürzte krachend wieder zu Boden, sodaß mir alle Knochen knackten. Oh, wie mir der Wind um die Ohren pfiff! Mein Kopf drehte sich wie ein Kreisel, es wurde mir übel, schwindelig und zuletzt war ich fast besinnungslos! Dann hörte ich das Schrammen und Knacken von abbrechenden Zweigen: ich hatte das Buschwerk erreicht, das ich von oben weit unter mir gesehen hatte. Unaufhaltsam raste mein Vehikel weiter, noch über ein freies Feld und wieder in ein zweites Gebüsch, bis es gegen einen Baumstamm prallte und zerschellte. Ich kraxelte aus dem Häufchen Dauben und Reifen heraus. Mein Kopf tat mir überall weh, aber im Herzen war ich froh und gutes Muts, wußte ich doch, welch hehre Tat ich vollendet hatte – den Holzstoß auf dem Berge sah ich bereits in Flammen stehen.

Von der furchtbaren Erschütterung war mir ganz übel, und ich hatte das Gefühl, wie seinerzeit, als ich auf dem Meere jene Bewegungen zum erstenmal kennen lernte, welche die Seekrankheit hervorrufen. Ich mußte mich ein paar Augenblicke neben die Trümmer meines Fasses setzen und meinen Kopf mit den Händen stützen. Zu längerer Rast war keine Zeit, denn schon hörte ich über mir schießen, ein Zeichen, daß meine Verfolger hinter mir waren. Ich stürzte ins wildeste Dickicht und lief und lief, bis ich ganz erschöpft war. Dann warf ich mich keuchend zu Boden und horchte. Nichts rührte sich. Ich hatte meine Feinde abgeschüttelt.

Als ich wieder zu Atem gekommen war, setzte ich meinen Weg schleunigst fort. Ich watete bis an die Knie im Wasser durch verschiedene Bäche, weil mir einfiel, sie könnten mich mit Hunden verfolgen. Als ich eine freie Stelle erreicht hatte, wo ich Umschau halten konnte, fand ich zu meiner größten Freude, daß ich trotz meiner Abenteuer nicht weit von meinem Wege abgekommen war. Ueber mir erhob sich der Peak von Merodal mit seinem kahlen, kühnen Haupt, das aus den Eichenwäldern, die seine Flanken bedeckten, hervorragte. Diese Haine von Zwergeichen bildeten die Fortsetzung des Strauchwerks, das mich eben deckte, und ich glaubte nichts wieder befürchten zu müssen, bis ich die andere Seite erreicht hätte. Freilich machte ich mir klar, daß jeder Mensch gegen mich war, daß ich keinerlei Waffe mehr hatte, und daß viel Volk um mich herum war. Ich sah niemanden, hörte aber verschiedentlich schrille Pfiffe und auch einmal einen Schuß in der Ferne.

Es war 'ne harte Arbeit, durch das Gestrüpp vorwärts zu dringen, und ich war daher ganz froh, als ich in höheren Bestand kam und ein Pfädchen fand. Natürlich war ich nicht so dumm, es selbst zu benutzen, ich hielt mich nur in seiner Nähe und folgte seinem Lauf. Ich war eine Weile gegangen und meinte, nahe am Rande des Waldes zu sein, als ich ein sonderbares Geräusch hörte, es klang wie Stöhnen. Zuerst hielt ich's für das Geschrei irgend eines Tieres, aber allmählich vernahm ich Worte, von denen ich nur den französischen Ausruf: » Mon Dieu!« unterscheiden konnte. Mit größter Vorsicht ging ich nach der Richtung, wo der Schall herkam. Und was zeigte sich meinen Augen?

Auf einem Lager von trockenem Laub lag ein Mann in derselben grauen Uniform, die ich selbst trug. Er war offenbar schrecklich verwundet, denn ein Tuch, das er auf seine Brust preßte, war rot von Blut. Um sein Lager war eine ganze Pfütze, und eine solche Menge Fliegen umschwärmten ihn, daß mich deren Brummen und Summen sicher aufmerksam gemacht haben würde, wenn mir sein Aechzen entgangen wäre. Ich machte erst einen Moment halt, weil ich eine Falle fürchtete, dann aber erstickte mein Mitleid und meine Anhänglichkeit jedes andere Gefühl, ich stürzte auf ihn zu und kniete an seiner Seite. Er sah mich verstört an, es war Duplessis, der Mann, der gestern abgegangen war. Ein Blick auf seine eingefallenen Wangen und seine gebrochenen Augen sagte mir, daß er im Sterben lag.

»Gerard!« flüsterte er; »Gerard!«

Ich konnte ihn nur mitleidig anschauen, aber er, der wackere Mann, dachte noch an seine Pflicht, obwohl er dem Tod nahe war.

»Der Haufen, Gerard! Willst du ihn anzünden?«

»Hast du Stein und Stahl?«

»Hier!«

»Dann will ich ihn heute nacht noch anstecken.«

»Ich sterbe zufrieden mit diesem Bewußtsein. Sie haben mich erschossen, Gerard. Erzähl' dem Marschall, daß ich mein Bestes getan habe.«

»Und Cortex?«

»Er war noch unglücklicher. Er ist ihnen in die Hände gefallen und auf schreckliche Weise gestorben. Wenn du siehst, daß du ihnen nicht mehr entrinnen kannst, Gerard, schieß dir selbst 'ne Kugel durch den Kopf, damit du nicht wie Cortex sterben mußt.«

Ich merkte, wie ihm das Sprechen sauer wurde, und bückte mich zu ihm nieder, um seine leisen Worte besser zu verstehen.

»Kannst du mir noch irgend einen guten Rat geben, wie ich meine Aufgabe löse?« fragte ich ihn.

»Ja, ja; De Pombal. Er wird dir helfen. Vertrau' De Pombal.« Mit diesen Worten sank er hinten 'nüber und war tot.

»Vertrau' De Pombal. Das ist ein guter Rat.« Zu meinem Erstaunen stand ein Mann direkt neben mir. Derartig war ich durch die Worte meines Kameraden von allem übrigen abgelenkt, daß er hatte hervorkriechen können, ohne daß ich ihn bemerkt hatte. Nun sprang ich auf und blickte ihn an. Es war ein schlanker, dunkler Mann mit schwarzem Haar und Bart und schwarzen Augen und traurigem Gesichtsausdruck. Er hatte eine Weinflasche in der Hand und über der Schulter ein Gewehr, wie's die Guerillas trugen. Er machte keine Anstalt, es abzunehmen, und ich erkannte, daß dies der Mann sei, den mir mein sterbender Kamerad empfohlen hatte.

»Ach, er ist dahin!« sagte er, indem er sich über Duplessis beugte. »Er floh ins Gehölz, nachdem er einen Schuß bekommen hatte; glücklicherweise fand ich ihn, wo er zusammengebrochen war, und konnte ihm so seine letzten Stunden leichter machen. Diese Lagerstatt ist mein Werk, und ich hatte diesen Wein geholt, seinen Durst zu lindern.«

» Monsieur,« sagte ich zu ihm, »im Namen Frankreichs danke ich Ihnen. Ich bin nur ein Husarenoberst, aber ich bin Etienne Gerard, und dieser Name hat einen guten Klang in der französischen Armee. Darf ich fragen –«

»Jawohl, Herr, ich heiße Aloysius de Pombal und bin der jüngere Bruder des bekannten Edelmanns gleichen Namens. Augenblicklich bin ich der erste Leutnant in der Guerillabande unter Manuelo, der gewöhnlich ›Der Lächelnde‹ genannt wird.«

Meiner Treu, ich faßte an die Stelle, wo meine Pistole sein sollte, aber der Mann lächelte über diese Bewegung.

»Ich bin sein erster Leutnant, aber zugleich auch sein Todfeind,« sagte er. Dabei riß er seinen Rock auf und schob das Hemd weg. »Sehen Sie hierher!« rief er und zeigte mir seinen Rücken, auf dem er alte und neue, blaue und rote Streifen hatte. »Das hat mir der ›Lächelnde‹ angetan, mir, einem Mann vom vornehmsten Geblüt in ganz Portugal. Wie ich mich dafür an ihm rächen werde, sollen Sie noch sehen.«

Aus seinen Augen sprach eine solche Wut, und er knirschte mit den Zähnen, daß ich an der Wahrheit seiner Worte nicht mehr zweifeln konnte, zumal die blutunterlaufenen Striemen auf dem Rücken sie bestätigten.

»Ich habe noch zehn Mann, die zu mir stehen,« fuhr er fort, »in wenigen Tagen hoffe ich zu Ihrer Armee zu stoßen, nachdem ich erst hier mein Werk vollendet habe. Inzwischen –« Sein Gesicht nahm mit einemmal ein ganz sonderbares Aussehen an, er riß plötzlich die Flinte von der Schulter und schrie: »Hand hoch, du verdammter Franzos! Hände in die Höh', sonst blas ich dir eine Kugel durchs Hirn!«

Sie staunen, mes amis! Sie sind starr! Nun denken Sie, wie ich damals starr war und staunte über diese unerwartete Wendung unseres Gesprächs. Ich sah die schwarze Gewehrmündung und dahinter die schwarzen, blitzenden Augen. Was konnte ich tun? Ich war machtlos. Ich streckte meine Hände in die Luft. Gleichzeitig vernahm ich von allen Seiten menschliche Stimmen, ein Schreien und Rufen und das Getrampel vieler Füße. Ein Haufen furchtbarer Gestalten brach durch die grünen Büsche, ein Dutzend kräftiger Männerhände packten mich, und ich Unglücksmensch war, noch eh' ich mir's recht versah, zum zweitenmal in ihrer Gefangenschaft. Glücklicherweise hatte ich keine Pistole, um mir mit eigener Hand eine Kugel durch den Kopf jagen zu können. Wäre ich in jenem Augenblick bewaffnet gewesen, würde ich jetzt nicht hier im Café sitzen und Ihnen diese alten Geschichten erzählen, mes amis.

Derbe, haarige Hände hielten mich an jeder Seite umschlungen und führten mich auf dem erwähnten Pfad durch den Wald, und der Schuft De Pombal erteilte die Befehle dabei. Vier Briganten trugen die Leiche meines Kameraden Duplessis. Als wir aus dem Wald heraus ins Freie traten, war die Sonne schon tief gesunken. Ich wurde nun den Berg hinaufgetrieben, bis wir ins Hauptquartier der Guerillas kamen, welches in einer Kluft in der Nähe des Gipfels lag. Dort erblickte ich auch den Holzhaufen, der mich so teuer zu stehen gekommen war, einen viereckig aufgeschichteten Stoß Holz, gerade über uns. Etwas unterhalb befanden sich zwei oder drei Hütten, die zweifelsohne Ziegenhirten gehört hatten, und in denen nun diese Schurken hausten. In eine derselben wurde ich gesteckt, gefesselt und hilflos, und neben mich wurde der Leichnam meines armen Kameraden gelegt.

Als ich so dalag, quälte mich nur der eine Gedanke, wie ich nach ein paar Stunden jenen Haufen über mir in Brand setzen könnte. Da wurde plötzlich die Tür aufgemacht und ein Mann trat herein. Wenn mir die Hände nicht gebunden gewesen wären, würde ich ihm die Kehle zugeschnürt haben, denn es war kein anderer als dieser De Pombal. Einige Briganten folgten ihm auf den Fersen, er hieß sie aber draußen bleiben und schloß die Tür hinter sich.

»Du Schuft!« sagte ich.

»Still!« rief er. »Sprechen Sie leise, denn ich weiß nicht, ob uns nicht jemand belauscht, und mein Leben steht auf dem Spiel. Ich muß Ihnen Aufklärung geben, Oberst Gerard; ich bin Ihnen ebenso zugetan, wie ich's Ihrem Kameraden war. Als ich an seiner Leiche zu Ihnen sprach, merkte ich, daß wir umzingelt waren, und daß Ihre Gefangennahme unvermeidlich war. Ich hätte Ihr Schicksal teilen müssen, wenn ich gezaudert hätte. Ich griff Sie also auf der Stelle selbst, um das Vertrauen der Bande nicht zu verlieren. Ihr eigener Verstand wird Ihnen sagen, daß mir nichts anderes zu tun übrig blieb. Ich weiß jetzt noch nicht, ob ich Sie retten kann, aber ich will's wenigstens versuchen.«

Das warf ein neues Licht auf die Situation. Ich erwiderte ihm, daß ich nicht wüßte, wie weit ich seinen Worten trauen dürfte, ich würde ihn nach seinen Handlungen beurteilen.

»Weiter verlange ich nichts,« sagte er. »Noch einen guten Rat! Der Führer will Sie gleich sehen. Sprechen Sie offen mit ihm, sonst wird er Sie zwischen zwei Brettern zersägen lassen. Widersprechen Sie ihm nicht. Geben Sie ihm jede Information, die er wünscht. Es ist Ihre einzige Aussicht auf Rettung. Wenn Sie Zeit gewinnen können, mag vielleicht noch ein günstiger Umstand für Sie eintreten. Kommen Sie sofort, damit kein Verdacht entsteht.« Er half mir auf, dann öffnete er die Türe und zerrte mich sehr unsanft 'naus, und im Verein mit den Burschen draußen schleppte er mich unter Puffen und Rippenstößen an den Platz, wo der Häuptling saß, umgeben von seinen rohen Gesellen.

Es war ein merkwürdiger Mann, dieser Manuelo »Der Lächelnde«. Er war wohlbeleibt, von frischem, behäbigem Aeußeren, mit einem groben, glattrasierten Gesicht und einer Glatze, der richtige Typus eines braven Familienvaters. Als ich dieses ehrbare Lächeln sah, konnte ich's kaum für möglich halten, daß dieser Mensch wirklich der elende Schurke sein sollte, dessen Name in gleicher Weise den englischen wie den französischen Truppen ein Schrecken war. Bekanntlich hat ein britischer Offizier namens Frent den Kunden später wegen seiner Grausamkeiten hängen lassen. Er saß auf einem Stein und sah mich so freundlich an wie einer, der einen alten Bekannten wiedertrifft. Es entging mir jedoch nicht, daß einer seiner Leute auf eine Säge gelehnt war, und dieser Anblick genügte, um mich von allen Illusionen zu kurieren.

»Guten Abend, Oberst Gerard,« rief er mir entgegen. »Wir sind von Massénas Stab bereits hoch beehrt worden: einen Tag erschien Major Cortex, den nächsten Oberst Duplessis, und nun Oberst Gerard. Vielleicht erweist uns der Marschall gar selbst noch die Ehre seines Besuchs. Sie haben Duplessis gesehen, wie ich gehört habe. Cortex werden Sie dort unten an einen Baum angenagelt finden. Wir haben nun bloß noch darüber zu befinden, wie wir über Sie am besten verfügen.«

Das war keine sehr heitere Begrüßungsrede; aber sein Gesicht zeigte stets ein gemütliches Lächeln, und er sprach ganz leise, sanft und liebenswürdig. Plötzlich beugte er sich jedoch vor, und ich las in seinen Augen Strenge und Nachdruck.

»Oberst Gerard,« sagte er, »ich kann Ihnen nicht versprechen, Ihnen das Leben zu schenken, denn das würde unserer Gepflogenheit widersprechen, aber ich kann Ihnen einen leichten Tod bestimmen oder einen schrecklichen. Welchen wünschen Sie?«

»Was wollen Sie, daß ich Ihnen dafür tun soll?«

»Wenn Sie 'nen leichten Tod sterben wollen, fordere ich von Ihnen, daß Sie mir auf die Fragen, die ich an Sie richte, genaue, wahre Antwort geben.«

Da kam mir plötzlich ein Gedanke.

»Sie wollen mich töten,« sagte ich; »es kann Ihnen einerlei sein, wie ich sterbe. Wenn ich Ihnen Ihre Fragen beantworte, wollen Sie mich dann meine Todesart selbst wählen lassen?«

»Jawohl, das will ich,« antwortete er, »das heißt, bis Mitternacht des heutigen Tages.«

»So schwören Sie mir's!« rief ich.

»Das Wort eines portugiesischen Edelmannes genügt,« erwiderte er.

»Kein Wort werde ich sagen, bis Sie geschworen haben.«

Er wurde rot vor Zorn und blickte sich nach der Säge um. Aber er hörte an meinem bestimmten Ton, daß ich mein Wort halten würde und kein Mann war, den man unterkriegen könnte. Er zog ein Kreuz unter seiner Zammara, dem schwarzen, schafledernen Wams, hervor und sagte:

»Ich schwör's!«

Oh, welche Freude ich bei diesen Worten empfand! Was für ein Ende – was für ein Ende für den ersten Degen Frankreichs! Ich hätte vor Entzücken lachen mögen bei diesem Gedanken.

»Nun Ihre Fragen!« versetzte ich.

»Sie schwören mir Ihrerseits nun, sie der Wahrheit entsprechend zu beantworten?«

»Das tue ich bei der Ehre eines Gentleman und Soldaten.« Es war, wie Sie sehen, meine Freunde, ein furchtbares Versprechen, das ich da ablegte; aber was wollte es bedeuten im Vergleich zu dem Gewinn, den ich erlangen würde?

»Das ist ein ganz hübscher und interessanter Handel,« sagte er, ein Notizbuch aus der Tasche nehmend. »Wollen Sie so gut sein und sich 'mal nach dem französischen Lager umdrehen?«

Ich folgte seinem Wink, drehte mich um und blickte hinunter auf das Lager in der Ebene unter uns. Trotz der fünfzehn Meilen Entfernung konnte man bei der reinen Luft alles bis ins kleinste und haarscharf erkennen. Ich sah die langen Vierecke unserer Zelte und Baracken, die Linien der Kavallerie und die dunkeln Flecken, wo die zehn Batterien Artillerie lagen. Welch trauriger Gedanke, daß mein herrliches Regiment dort unten vergeblich warten und seinen Obersten nie wiedersehen würde! Mit einer Schwadron desselben hätte ich diese Halsabschneider sämtlich vom Erdboden vertilgen können. Meine Augen wurden feucht, als ich in jene Ecke des Lagers blickte, wo ich achthundert Mann wußte, von denen ein jeder für seinen Obersten das Leben hingeben würde. Aber meine Traurigkeit verging, als ich hinter den Zelten die Rauchwölkchen aufsteigen sah, welche das Hauptquartier bei Torres-Vedras bezeichneten. Dort war Masséna, und, so Gott wollte, würde auf Kosten meines Lebens sein Auftrag heute nacht zur Ausführung gelangen. Stolz und Jubel erfüllten meine Brust. Ich wünschte mir die Stimme des Donners, um ihnen zurufen zu können: Sehet her auf mich, Etienne Gerard, der sterben wird, um die Armee Clausels zu retten! Allerdings war der Gedanke betrübend, daß eine so hochherzige Tat geschehen würde, ohne daß ein Mensch da wäre, sie zu melden.

»Nun,« sagte der Brigantenführer, »Sie sehen das Lager, und Sie sehen die Straße, die nach Coimbra führt. Sie ist voll von Gepäck- und Krankenwagen. Bedeutet das, daß Masséna auf dem Rückzug begriffen ist?«

Man konnte die schwarzen Linien der Wagen und ein gelegentliches Blitzen von Stahl bei der Begleitungsmannschaft wohl erkennen. Das, was klar vor Augen lag, zuzugeben, konnte, abgesehen von meinem Versprechen, kaum als eine Indiskretion gelten.

»Er wird sich zurückziehen,« sagte ich.

»Nach Coimbra?«

»Ich glaube.«

»Aber die Armee Clausels?«

Ich zuckte die Achseln.

»Jeder Pfad nach dem Süden ist besetzt. Kein Bote kann ihn erreichen. Wenn Masséna zurückgeht, ist Clausel verloren.«

»Er muß für sich selbst sorgen,« sagte ich.

»Wieviel Mann hat er?«

»Gegen vierzehntausend, schätze ich.«

»Wieviel Kavallerie?«

»Eine Brigade der Division Montbrun.«

»Was für Regimenter?«

»Die vierten Chasseurs, die neunten Husaren und ein Regiment Kürassiere.«

»Ganz richtig,« sagte er, in sein Notizbuch blickend. »Sie sprechen die Wahrheit, aber wehe Ihnen auch, wenn Sie's nicht täten.« Dann ging er Division um Division die ganze Armee durch und fragte mich über die Zusammensetzung jeder Brigade. Ich brauche Ihnen wohl kaum zu sagen, mes amis, daß ich mir lieber die Zunge hätte herausreißen lassen, als ihm darüber Aufschluß zu geben, wenn ich nicht ein höheres Ziel im Auge gehabt hätte. Er sollte alles erfahren, wenn ich nur die Clauselsche Armee retten konnte.

Endlich klappte er sein Notizbuch zu und steckte es wieder in die Tasche. »Ich danke Ihnen für diese Information, die morgen noch an Wellington gelangen wird,« sagte er. »Sie haben Ihren Anteil bei unserem Geschäft erledigt, nun ist's an mir, meinen zu vollenden. Wie möchten Sie am liebsten sterben? Als Soldat werden Sie's sicher vorziehen, erschossen zu werden, doch manche halten einen Sprung vom Merodal für einen leichteren Tod. Es haben schon eine stattliche Anzahl dieses Ende gewählt, aber wir waren leider nie in der Lage, später Bericht von ihnen einzufordern. Dann ist noch die Säge da, die scheint jedoch nicht so populär zu sein. Wir könnten Sie ja auch hängen, zweifelsohne, dazu müßten wir uns aber der Unbequemlichkeit unterziehen und einen Spaziergang hinunter in den Wald machen. Doch, Versprechen bleibt Versprechen, und Sie scheinen ein ausgezeichneter Kerl zu sein, so wollen wir uns keine Mühe verdrießen lassen, Ihren Wünschen gerecht zu werden.«

»Sie sagten,« antwortete ich, »daß ich noch vor Mitternacht sterben müßte. Ich will also gerade bis zur letzten Minute vor dieser Frist warten.«

»Sehr gut,« sagte er. »Dieses sich Festklammern ans Leben ist ziemlich kindisch, aber wir werden Ihrem Wunsche entsprechen.«

»Was die Methode anbelangt,« setzte ich hinzu, »so liebe ich einen Tod, den alle Welt sehen kann. Setzen Sie mich auf jenen Holzstoß dort über uns und verbrennen Sie mich bei lebendigem Leibe, wie in früheren Zeiten Heilige und Märtyrer verbrannt worden sind. Das ist kein gewöhnliches Ende, sondern eins, um das mich ein Kaiser beneiden könnte.«

Diese Idee schien ihn höchlich zu amüsieren.

»Warum nicht?« sagte er. »Wenn Sie Masséna ausgesandt hat, bei uns zu spionieren, so wird er schon verstehen, was das Feuer auf dem Berge zu bedeuten hat.«

»Ganz recht,« antwortete ich. »Sie haben meinen Grund richtig erraten. Er wird's begreifen, und alle werden wissen, daß ich eines würdigen Soldatentodes gestorben bin.«

»Ich habe nichts dagegen einzuwenden,« sagte der Brigant mit seinem teuflischen Lächeln. »Ich will Ihnen etwas Ziegenfleisch und Wein in Ihre Hütte schicken. Die Sonne geht unter, es ist bald acht Uhr. In vier Stunden halten Sie sich bereit.«

Es war eine schöne Welt, aus der ich scheiden sollte. Ich blickte hinunter auf den goldigen Streifen, wo die letzten Strahlen der sinkenden Sonne auf die blauen Fluten des Tajo schienen und die weißen Segel der englischen Schiffe erleuchteten. Sie war sehr schön, und es war sehr traurig, sie verlassen zu müssen: aber es gibt noch Schöneres als das. Der Tod für andere, für Ehre und Pflicht, für Treue und Liebe – das sind Schönheiten, viel herrlicher als diejenigen, welche das Auge schauen kann. Ich bewunderte mein eigenes edelmütiges Betragen und dachte darüber nach, ob wohl je jemand erfahren würde, wie ich mitten in den Flammen dieses Scheiterhaufens, der die Armee Clausels rettete, mein Leben ausgehaucht hätte. Ich hoffte es und betete darum, denn was für ein Trost würde es für meine Mutter, was für ein Vorbild für die Armee, was für ein Stolz für meine Husaren sein! Als De Pombal endlich mit dem Essen und dem Wein in meine Hütte trat, war mein erstes, worum ich ihn bat, einen Bericht über meinen Tod zu schreiben und ihn ins französische Lager zu senden. Er antwortete zwar nichts, aber ich aß mein Abendbrot doch mit besserem Appetit bei dem Gedanken, daß mein ruhmvolles Ende nicht ganz unbekannt bleiben würde.

Ich war ungefähr zwei Stunden dagewesen, als die Türe wieder aufging und der Hauptmann hereinguckte. Es war dunkel, aber ein Brigant mit einer Fackel stand neben ihm, sodaß ich sehen konnte, wie seine Augen und seine weißen Zähne leuchteten.

»Bereit?« fragte er.

»Es ist noch nicht Zeit.«

»Sie bestehen darauf, bis auf die letzte Minute zu warten?«

»Ein Versprechen ist ein Versprechen.«

»Gut. So sei's. Wir haben noch unter uns etwas Gerechtigkeit zu üben, weil sich einer meiner Leute nicht ordentlich geführt hat. Wir haben den strengen Grundsatz, daß es dabei kein Ansehen der Person gibt, wie Ihnen De Pombal hier bezeugen kann. Bindet ihn und legt ihn dann auf den Scheiterhaufen, De Pombal, ich will wiederkommen und ihn sterben sehen.«

De Pombal und der Mann mit der Fackel kamen herein, während der Häuptling fortging. De Pombal machte die Türe zu.

»Oberst Gerard, Sie dürfen diesem Mann vertrauen, er gehört zu meiner Partei. Jetzt oder nie. Noch können wir Sie retten. Aber ich nehme ein großes Risiko auf mich, und ich wünsche ein festes Versprechen. Wenn wir Ihnen das Leben retten, garantieren Sie mir, daß wir dann im französischen Lager freundlich aufgenommen werden, und daß die ganze Vergangenheit vergessen sein wird?«

»Dafür stehe ich.«

»Und ich vertraue auf Ihre Ehre. Nun, rasch, rasch, kein Augenblick ist zu verlieren! Wenn dieses Scheusal zurückkommt, werden wir sonst alle drei eines fürchterlichen Todes sterben.«

Ich sah staunend, was er machte. Er zog ein langes Seil hervor, wand es um den Leichnam meines Kameraden und band ihm ein Tuch vor den Mund, das beinahe das ganze Gesicht bedeckte.

»Legen Sie sich hierher!« rief er mir zu und legte mich an die Stelle des Toten. »Vier von meinen Anhängern warten draußen, und sie werden diesen auf den Holzstoß legen.« Er öffnete die Tür und gab Befehl. Mehrere Briganten traten ein und trugen Duplessis hinaus. Ich selbst blieb am Boden liegen, unruhig von Hoffnung und Spannung.

Nach fünf Minuten kehrte De Pombal mit seinen Leuten zurück.

»Sie liegen auf dem Holzhaufen,« sagte er, »ich möchte denjenigen sehen, der behauptete, Sie wären's nicht, und Sie sind so gebunden und geknebelt, daß niemand erwarten kann, daß Sie sich bewegen oder sprechen. Nun bleibt nur noch übrig, die Leiche Duplessis fortzuschaffen und sie vom Merodal hinunterzustürzen.«

Zwei von der Gesellschaft ergriffen mich am Kopf und an den Füßen und trugen mich, steif und leblos, aus der Hütte. Als ich ins Freie kam, hätte ich vor Staunen laut aufschreien mögen. Der Mond stand über dem Holzhaufen, und darauf lag ganz oben die Gestalt eines Mannes, dessen Umrisse im Mondschein zu erkennen waren. Die Räuber waren teils im Lager, teils standen sie um den Haufen herum, denn keiner hielt unsere kleine Gesellschaft an oder stellte irgendwelche Fragen. De Pombal führte sie in der Richtung nach dem Abgrund. Am Rande, als wir außer Sicht waren, durfte ich wieder meine eigenen Füße gebrauchen. De Pombal deutete auf einen schmalen, gewundenen Pfad.

»Da geht's 'nunter,« sagte er, und dann plötzlich: » Dios mio, was ist das?«

Ein schreckliches Geschrei drang unten aus dem Walde an unser Ohr. Ich sah, daß sich De Pombal schüttelte wie ein erschrecktes Pferd.

»Es ist dieser Halunke,« flüsterte er. »Er mißhandelt einen anderen, wie er mich mißhandelt hat. Aber weiter, weiter, denn Gott sei uns gnädig, wenn wir ihm in die Hände fallen!«

Hinter einander krochen wir den schmalen Ziegenpfad hinunter. Am Fuße das Abhangs befanden wir uns wieder in dem Walde. Plötzlich gewahrten wir einen hellen Feuerschein, und die schwarzen Schatten der Bäume lagen vor uns. Man hatte den Holzstoß angezündet. Von unserer Stelle aus konnten wir noch den regungslosen Körper mitten in den Flammen sehen und die schwarzen Gestalten der Guerillas, die wie Kannibalen drum 'rumtanzten und heulten. Ha! Wie ich die Faust gegen sie erhob, gegen diese Höllenhunde, und wie ich ihnen schwur, daß ich eines Tages mit meinen Husaren Abrechnung mit ihnen halten würde!

De Pombal wußte, wie die Vorposten verteilt waren, und kannte jeden Pfad, der durch das Holz führte. Aber um diese Schurken zu umgehen, mußten wir um die Hügel herum und große Umwege machen. Und doch wie gerne machte ich sie, nur um den einen Anblick, den mein Auge genoß! Es mochte gegen zwei Uhr sein, als wir an einer lichten Stelle unseres Weges halt machten. Als wir uns umschauten, sahen wir die rote Glut des niedergebrannten Holzhaufens, als ob der Peak von Merodal einen Lavahaufen ausgespien hätte. Und dann, als ich noch hinausstarrte, erblickte ich noch etwas – etwas, worüber ich vor Freude aufjauchzte und vor Entzücken mich auf der Erde wälzte. Denn, ferne am südlichen Horizont, blitzte ein großes gelbes Licht auf, es wurde größer, man sah die Flammen, es kam von keinem Haus, auch von keinem Stern, es war das Signalfeuer vom Mont d'Ossa, die Antwort der Clauselschen Armee auf das Zeichen, das ihnen Etienne Gerard gegeben hatte.


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