Hans Dominik
John Workmann wird Millionär
Hans Dominik

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20. Kapitel

Die Glut der Mittagssonne brannte auf das Tal hinab, in dem die Hauptexpedition lagerte und auf die Rückkehr der beiden Führer wartete. Achtzehn Maultiere, bequem an langen Leinen angepflöckt, weideten und lagen zum Teil gesättigt und faul ausgestreckt, wo ein Baum ihnen ein wenig Schatten bot. Noch fauler waren die indianischen Treiber. Die lagen in ihren malerischen Kostümen im vollen Schatten, rauchten, spuckten und rafften sich nur von Zeit zu Zeit zu einem kräftigen Schluck aus der Matekanne auf. Ab und zu griff einer zum Tabaksbeutel, drehte sich mit geschickten Fingern eine neue Zigarette, das Maisblatt, welches die Umhüllung abgeben mußte, gewandt zusammenrollend.

Diese drei Gauchos waren mit ihrer augenblicklichen Stellung restlos zufrieden. Eine so wundervolle Gelegenheit, sich einmal gründlich auszufaulenzen, hatten sie schon lange nicht mehr gehabt. Seit fast einer Woche waren die beiden Gringos, die sie geheuert hatten, verschwunden. Seit fast einer Woche beschränkte sich ihre ganze Arbeit auf Essen, Trinken und Schlafen. Denn die beiden Caballeros, Sennor Lopez und Sennor Juliano, kümmerten sich kaum um sie und machten ihnen keinerlei Vorschriften. Die steckten vielmehr den ganzen Tag in der Höhle, in der die weißen Herren das ganze Gepäck untergebracht hatten.

Nur einen Wunsch hatten die drei Treiber, daß die beiden Gringos, diese beiden Nordamerikaner, noch recht lange fortbleiben möchten. Sennor Lopez und Sennor Juliano hatten in der Tat in der Höhle zu tun. Man konnte die Wahl, welche die Herren Murphy und Finnigan in der Person des Sennor Lopez getroffen hatten, nur bedingt eine glückliche nennen. Freilich am Wollen fehlte es nicht. Lopez hatte die felsenfeste Absicht, seinen Auftraggebern in Valparaiso alles Wissenswerte zu funken. Und er hatte genug des Wissenswerten in Erfahrung gebracht und, soweit es seine recht mangelhaften Kenntnisse des Alphabetes gestatteten, sogar niedergeschrieben. Aber sein Können war nicht so stark wie sein Wollen. Trotz aller Schaltungsschemata und trotz aller gedruckten Erklärungen, die jener Sendung aus Valparaiso beilagen, wollte es ihm nicht gelingen, die drahtlose Station in Betrieb zu bringen. Am Tage nach dem Fortgange von Webster und John Workmann hatte er Juliano ins Vertrauen gezogen und diesen seinen alten Kumpan sofort bereit gefunden, ihre jetzigen Brotherren an die Wolframkompanie zu verraten. Von zwei Seiten her Geld zu verdienen, das war eine Sache, die sich weder Sennor Lopez noch Sennor Juliano aus der Nase gehen lassen wollten. So hockten sie seit Tagen zusammen in der Höhle und versuchten, die drahtlose Sendestation in Gang zu setzen. Einiges ging ja, aber anderes wollte durchaus nicht gehen.

Da war ein winzig kleiner Benzinmotor, ein wahres Kleinod und Kunststück der Motortechnik. Mit seinen vier Zylinderchen kaum größer als eine Zigarrenkiste, und doch imstande, fünf Pferdestärken zu leisten. Diesen Motor hatten sie verhältnismäßig leicht in Gang gebracht. Er lief, schnurrte wie ein Uhrwerk und trieb dabei die wunderhübschen kleinen Dynamomaschinen, die direkt mit ihm gekuppelt waren.

»Caramba!« fluchte Juliano, sprang einen Meter in die Luft und flog gegen die Felswand. Er hatte den einen Pol des kleinen Hochspannungsdynamo berührt und einen Schlag von 4000 Volt erwischt. Nur dem Umstande, daß er nicht auch den zweiten Pol angefaßt hatte, verdankte er sein Leben. Der Schlag war von dem anderen blank auf der Erde liegenden Pol durch den verhältnismäßig schlecht leitenden Fels gegangen, war dem Sennor Juliano in die Füße gefahren, durch die Hand, die den Maschinenpol berührte, wieder herausgegangen und hatte ihn wie ein Bund Flicken gegen die Wand geworfen.

»Caramba! Caramba!« fluchte er, während er sich die blauen Flecken rieb und gleichzeitig eine Brandblase an seiner Hand betrachtete.

Lopez sprang hinzu,

»Lassen wir das, Juliano. Es hat doch keinen Zweck, die Maschine laufen zu lassen, solange wir die Schaltung nicht richtig zusammen haben.«

Mit einem Griff unterbrach er den Zündstrom des Motors und setzte die Maschine still.

»So kommen wir nicht weiter, Juliano. Wir müssen erst schalten. Komm her und hilf mir dabei.«

Fluchend und murrend trat Juliano an den kleinen Tisch heran, auf dem, von dem grellen Lichte einer Azetylenlampe bestrahlt, die übrigen Teile der Sendestation standen. Da war die große Senderöhre, die von den beiden kleinen Dynamomaschinen des Benzinmotors gleichzeitig beheizt und mit hochgespanntem Anodenstrom beschickt werden mußte. Den Anschluß dieser Röhre an die Maschine hatte Sennor Lopez inzwischen glücklich herausbekommen und machte jetzt die Anschlüsse.

»Santa Madre«, stöhnte Juliano von neuem. »Santa Virgine! Es ist Teufelszeug . . . heilloses, verwünschtes Teufelszeug, was die Gringos dir da geschickt haben. Wir werden niemals damit zurechtkommen.«

»Wir müssen damit zurechtkommen, Juliano . . . wir müssen . . . denke doch daran! Tausend Pesos für jeden von uns haben die Herren versprochen, wenn wir ihnen sichere Nachricht geben. Tausend Pesos, Juliano.«

Der Gedanke an die tausend Peseten ließ Juliano seine Beulen und Schmerzen vergessen. Eifrig beteiligte er sich an den Versuchen seines Kumpans, die Schaltung weiter herzustellen. Jetzt endlich schien es zu glücken. Diese Spule hier und dieses andere Ding . . . Condensatoro stand auf der Schachtel, in der es verpackt war, die mußten ganz bestimmt so und nicht anders zusammengeschaltet werden. Natürlich . . . jetzt war die Sache ganz klar. Da standen dieselben Buchstaben auf den Anschlußklemmen, wie hier auf dem Schaltungsschema . . . jetzt waren die Schwierigkeiten überwunden.

Auch Sennor Lopez sprang in die Höhe, aber nicht, weil er einen Schlag bekommen hatte, sondern aus reiner Freude.

»Wir haben es, Juliano! Wir werden es gleich haben. In einer Stunde . . . in einer halben Stunde werden wir soweit sein und senden können . . . tausend Peseten, Juliano . . . tausend Pesos für jeden von uns.«

Es schien wirklich so, als ob jetzt alle Schwierigkeiten überwunden wären. Jetzt waren sie hinter das Geheimnis gekommen, daß die Bezeichnungen auf den Klemmen der Stationsteile genau den Bezeichnungen auf dem Schaltungsschema entsprachen. Jetzt wurde die Sache äußerst einfach. Jetzt konnten sie die Station zusammenbauen, wie ein Kind die Steine seines Baukastens nach der Vorlage zusammensetzt. Schnell fügte sich jetzt Teil an Teil und Stück an Stück. Der erste Schwingungskreis kam an die Röhre. Der zweite, der Abstimmkreis, wurde richtig mit diesem gekoppelt und der dritte, der Antennenkreis, mit diesem verbunden.

»Wir haben es, Lopez . . . Santa Maria, wir haben es«, schrie Juliano. »Jetzt nur noch die . . . die Antenna . . . Antenna, Lopez . . . was ist das? Das ist hier nur ein langer Strich auf dem Schaltbild.«

»Die Antenna, Juliano, das wird der lange Draht sein, der da noch in dem Kasten liegt. Den müssen wir hier anschließen und dann aus der Höhle heraus bis zum Wipfel eines hohen Baumes führen. Aber das wollen wir noch nicht machen, Juliano. Die Treiber da draußen könnten zu schnell neugierig werden. Die Antenna ziehen wir erst, wenn wir unsere Station hier drin geprüft haben. Jetzt schließen wir den Draht hier nur an . . . an die Bobina hier. Siehst du hier die Stelle auf dem Schaltbild. Da der Alambre de cobre, das ist der Antennendraht, der hier an den Carrete de alambre, an die Bobina, an die letzte Spule hier angeschlossen werden muß. Und dann legen wir die Antenna hier auf den Höhlenboden hin.«

»Wird das gehen, Lopez? Ich denke, wir müssen sie zum Baumwipfel bringen.«

Lopez pfiff vergnügt durch die Zähne.

»Es geht auch so, Juliano . . . natürlich auch so. Alambre aislado . . . Der Draht ist ja isoliert. Wir können ihn ruhig auf den Boden legen.«

Die Antenne war angeschlossen. Aufatmend wischte sich Lopez den Schweiß von der Stirn und nahm einen tiefen Zug aus der Pulqueflasche. Jetzt, da das große Werk gelungen, zog er den feurigen Palmenwein dem nüchternen Mate vor. Ein langer, sehr langer Zug aus der Pulqueflasche. Dann warf er den kleinen Motor wieder an. Schnurrend begann das Maschinchen zu laufen. Jetzt ein Schalterdruck, und der Glühdraht der großen Senderöhre leuchtete hell auf. Jetzt eine Bewegung an einem zweiten Schalter, und die Hochspannung lag an der Röhre. Bedeutende elektrische Energie strömte vom Glühdraht durch das Vakuum zu dem großen zylindrischen Anodenblech. Die Gewalt der aufprallenden Elektronen ließ es schnell rotglühend werden.

»Grazias, Santa Madre!« schrie Lopez. »Die Röhre arbeitet, Juliano. Sie arbeitet genau so, wie es hier geschrieben steht. Der Draht weißglühend, das Blech rotglühend. Jetzt wollen wir weiter sehen.«

Mit diesen Worten beugte er sich zu dem Morsetaster nieder und begann Morsezeichen zu drücken, die er auf einem Blatt Papier vor sich aufgezeichnet hatte.

»Es geht, Juliano! . . . Es geht . . . Siehst du, wie . . .«


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