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5.

Gegen den Mittag eines ziemlich kalten Novembertages hielt vor einem einsamen Bauernhofe, nur etwa eine halbe Tagereise von Mastricht entfernt, ein ländliches Fuhrwerk, wie es, sobald es die kalte Jahreszeit erlaubt, in jenen Gegenden gebräuchlich ist. Es hatte die Nacht gefroren, Kanäle und Teiche waren mit einer festen Eishülle bedeckt, nur die größeren Flüsse hatten der Gewalt des früh einfallenden Frostes nicht unterlegen. Das Fuhrwerk, dessen wir gedachten, bestand aus dem oberen Theile eines Leiterwagens, das auf einer Schleife befestigt war und mit dieser einen leicht über die Schneeflur und den Eisspiegel hingleitenden Schlitten bildete. Die beeis'te Leinwandhülle über den Wagen ließ nicht entdecken, ob jemand sich im Innern desselben befand. Den zwei magern Pferden, welche ihn zogen, sah man die Ermüdung und das Bedürfniß, bei gutem Futter im warmen Stalle die verlorenen Kräfte wiederzuersetzen, an. Ihre Glieder zitterten, ihre Köpfe waren tief zur Erde herabgesenkt. Demungeachtet schien der Führer, der in diesem Augenblicke von seinem hölzernen Sitze herabsprang, keinen längeren Aufenthalt an diesem Orte zu beabsichtigen. Er rief einen Knaben aus dem Hause und nachdem er diesem bedeutet, den Thieren Brot und Wasser zu geben, trat er zu dem Fuhrwerke, lös'te die obere Decke und unterstützte zwei heraussteigende Frauen mit einer Leichtigkeit und einem Anstande, die mit dem groben Kittel, der ihn verhüllte, im Widerspruche waren. Die Frauen schienen, wie er selbst, der Umgegend anzugehören. Ihre Kleidung war ländlich, wohl verwahrend gegen die Kälte, und sie hatten sich so sehr in das weite schwarze Regentuch verhüllt, daß man Gestalt und Antlitz nicht zu erkennen vermochte. Die eine nahm, während sie dem Hause zuschritt, den Arm des Mannes, die andere folgte langsamer nach, indem sie einen Pack trug, dessen äußere Hülle aus der feinsten holländischen Leinwand bestand.

Im Kamine der Küche glühete ein freundliches Torffeuer. An diesem nahmen sogleich die Frauen Platz, ohne jedoch noch ein Wort gegen den Landmann gesprochen zu haben, der ihnen mit freundlicher Einladung bis zur Hausthüre entgegen gekommen war.

Indessen schritt ihr Begleiter unruhig in der Küche auf und nieder. Er trat bald an's Fenster, an das die immer dichter fallenden Schneeflocken schlugen, und trommelte an den Scheiben; bald that er einige hastige Schritte nach dem Hauseigenthümer hin, als wollte er eine Frage an diesen richten, die ihm sehr wichtig sey, aber ehe er sie noch vorbrachte, schien er sich eines anderen zu besinnen, und kehrte wieder zum Fenster zurück.

Der Besitzer des Hofes hatte sich, nachdem er eine Zeitlang vergebens auf die Anrede seiner Gäste gewartet, behaglich in einen weiten Lehnsessel niedergelassen. Von hier aus beobachtete er ruhig die Bewegungen und das Benehmen der schweigenden Gesellschaft. Endlich zeigte sich ein Lächeln auf seinem Angesichte, er stand auf, ging zu dem Manne hin und sagte mit gutmüthiger Freundlichkeit:

»Ich errathe, was Euch im Kopfe herumgeht! Ihr seyd ein guter Niederländer und möchtet nicht gern mit dem Franzosengesindel, das hier in der Gegend schwärmt, zusammenkommen. Ich kann Euch das nicht verdenken, es ist auch nicht meine Liebhaberei. Warum wollt Ihr aber Euch nicht einem Landsmanne vertrauen? In den ganzen Generalitätslanden ist keiner, der einen wackeren Oranier an den Feind verriethe!«

»Holland und England!« rief der andere, in welchem wir nun den Junker van Daalen, so wie in seinen Gesellschafterinnen Clelien und Philippintje erkennen, in einem Tone, als wälze sich eine Last von seiner Brust: »Du hast recht! Kein rechtschaffener Niederländer verräth den andern. Die Künste und Schliche, die ich in den letzten Tagen anwenden mußte, um den Streifpartheien zu entgehen, haben mir den Kopf ganz verwirrt. Dann verließ uns auch, wo die Gefahr am dringendsten war, der feige Bursche, der uns zum Führer diente, mit Wagen und Pferden, ich mußte die elenden Thiere mit dem zerbrechlichen Fuhrwerke kaufen und, da ich die Wege nicht kannte, oft auf's Geradewohl umherirren.«

»Sprecht nicht so laut!« ermahnte mit warnender Gebehrde der Landmann. »Vor mir seyd Ihr sicher, aber nicht vor anderen, die sich mit halber Gewalt in mein Haus gedrängt haben.«

»O, ich bin bewaffnet und habe wohl schon eher die Herren Franzosen meinen Degen empfinden lassen!« antwortete Cornelius, indem er seinen Kittel aufschlug, unter dem sich Pistolen und ein kurzes Schwerdt zeigten. »Sagt schnell, wer ist es und wie viele sind ihrer?«

In dem ersten Schrecken über die Entdeckung, welche sie aus dem Munde ihres gutmüthigen Wirthes vernahmen, hatte eine der Frauen sich rasch umgewendet und das Regentuch, das beinahe zur Hälfte ihr Gesicht verhüllte, war auf die Schulter niedergefallen. Der für weibliche Schönheit keinesweges unempfindliche Landmann sah mit Bewunderung in Cleliens reizendes, durch die freie Luft, der sie einige Tage lang sich ausgesetzt hatte, in blühender Frische glänzendes Angesicht. Tief erröthend bemerkte sie es und zog langsam wieder das Tuch hinauf.

»Auch ohne die Waffen hättet Ihr den Kriegsmann nicht verleugnen können!« sagte der ehrliche Niederländer, nachdem er seine freundlichen Blicke zur Genüge auf Clelien hatte ruhen lassen, wieder zu Cornelius gewandt, »Euer ganzes Wesen verräth Euch. Schon als Ihr ankamet und Euere Pferde halten machtet, sah ich Euch an, daß Ihr nicht gewohnt seyd, die Handthierung eines Fuhrmanns zu treiben. Ihr hieltet die Peitsche, wie einen Degen, Ihr schwanget sie, als wolltet Ihr auf den Feind einhauen. Als Ihr an den Wagen tratet, um die Frauen herabzuheben, standet Ihr kerzengrade und sahet so kühn um Euch, wie ein Feldhauptmann an der Spitze seines Häufleins. Die Jungfer da,« fuhr er auf Clelien deutend fort, »ist auch nicht bei uns auf dem Lande gewachsen und ich wette, es ist dieselbe, der von den wilden Gesellen, vor denen ich Euch warnte, nachgespürt wird.«

»Nachgespürt – ihr?« fuhr der Junker, von Zorn und Befremden ergriffen auf, während die zwei Frauen ängstliche Blicke auf den Hausbesitzer richteten. »Es ist nicht möglich, niemand kann wissen –«

»Ihr könnt Euch darauf verlassen!« unterbrach ihn mit leiser, behutsamer Stimme der Landmann. »Ihr seyd Herr Cornelius van Daalen und das ist Jungfrau Clelia van Vlieten. Man kennt Euch, man hat Euch genannt und ich bin überzeugt, daß diejenigen, welche Euch nachsetzen, nichts Gutes gegen Euch im Schilde führen.«

Die drei Reisenden waren im höchsten Grade betreten über diese Entdeckung. Jeder Gedanke an einen Irrthum mußte verschwinden, als ihr wohlmeinender Wirth die Namen der zwei Hauptpersonen aussprach. Aber wer konnten diese Verfolger seyn, die eine so genaue Kenntniß des Weges besaßen, den das flüchtige Paar eingeschlagen hatte? Sie mußten, so dachte Cornelius, nothwendig im Auftrage des Herrn van Vlieten handeln, sie waren, wie es ihm bald nicht mehr zu bezweifeln schien, abgesandte Gerichtspersonen von Rotterdam, die sich wenigstens der Geliebten bemächtigen wollten, um sie in das väterliche Haus zurückzuführen.

»Die Wege der Vorsehung sind wunderlich!« jammerte indessen Philippintje. »Um ein gottgefälliges Werk zu thun, dem entsetzlichen Schiwa auszuweichen und der noch entsetzlicheren Nonnenschaft, sind wir ausgezogen, gleich dem Volke Israels aus dem Lande Egypten, aber auch uns verfolgt der grimmige Pharao und ich sehe noch kein rothes Meer, das uns den Gefallen thun will, ihn zu verschlingen!«

»Still!« gebot, durch den Drang der Umstände beunruhigt und gereizt, Cornelius nach ihr hin. »Seyd so gut,« wandte er sich dann zu dem Hausbesitzer, »und gebt mir eine nähere Kunde von den Leuten, die Ihr meint. Beschreibt mir ihre Personen, nennt mir ihre Anzahl und sagt mir, ob Ihr sie für Niederländer oder für Fremde haltet?«

»Einen Augenblick!« erwiederte der Landmann, ging hierauf zur Thüre und fuhr, nachdem er diese sorgfältig verschlossen und verriegelt, in jenem gedämpften Tone, den er bisher beobachtet hatte, fort. »Es sind ihrer vier. Aber nur zwei von ihnen scheinen eigentlich Absichten auf Euch und Euere Reisegefährtin zu haben. Die anderen beiden kommen mir vor, wie ein Paar verlaufene Gesellen, die sich gegen Bezahlung zu jedem Streiche hergeben und wenn ich nicht irre, so habe ich ihre Galgengesichter schon am Haven von Antwerpen gesehen, wenn ich Viktualien zum Verkaufe dorthin gebracht. Sie mengen sich auch wenig in das Gespräch jener zwei, unterhalten sich meist in flämischer Mundart und von niedrigen, nichtswürdigen Dingen. Jene aber sind ein Paar junge Leute von hübschem, munterem Ansehen. Sie sagen, sie wären Studenten von Leyden, aber ich halte sie für verkappte Franzosen, denn, wenn sie auch mit mir holländisch reden, so sprechen sie doch unter sich in französischer Zunge, von der ich bei dem Getreidehandel über die Grenze Manches verstehen gelernt habe.«

»Und diese sollten uns nachforschen, uns verfolgen?« fiel der Junker im Tone des Unglaubens und Zweifels ein. »Unmöglich!« setzte er versichernd zu. »Ich kenne diese Leute nicht, ihr Unternehmen ist gewiß gegen einen anderen gerichtet!«

»Nein, nein!« versetzte der redliche Warner ärgerlich und kopfschüttelnd. »Ihr seyd es und noch mehr die liebliche Jungfrau da, auf welche sie einen Streich abgesehen haben. Meinen Augen und Ohren kann ich trauen und woher sollte ich denn Euch, die ich in dieser Stunde zum erstenmale sehe, bei Namen zu nennen wissen, wenn ich diese Namen nicht von andern erfahren hätte, welchen an den Personen ungemein viel gelegen ist? Genug! Es war in der Dämmerung des heutigen Morgens, als mit einemmale Pferdegestampf die Straße herab klang, die Reiter vor meiner Wohnung hielten und mit heftigem Klopfen und unter wilden Drohungen Einlaß verlangten. Ich überzeugte mich bald, daß ich mit meinem fünfzehnjährigen Knaben den Stürmenden einen vergeblichen Widerstand leisten würde. Ich öffnete also freiwillig und fragte ruhig nach ihrem Begehren. Sie aber eilten an mir vorüber, gleich die Treppe hinauf in die besten Zimmer. Hier empfingen mich, der wohl ein ziemlich saueres Gesicht zeigen mochte, die jungen Leute lachend, versicherten, ich könne ganz ruhig seyn bei ihrem Besuche, sie stünden für Alles und würden, was ihnen an Speise und Trank nöthig sey, bei Gulden und Stüber bezahlen. Zur Bekräftigung ihrer Worte händigten sie mir ein Stück Geld ein. Dann aber fingen sie sogleich an, sich sehr genau nach einem Manne und zwei Frauen zu erkundigen, die am gestrigen Tage hier vorübergekommen seyn möchten. Sie beschrieben Euch und Euere Reisegefährtinnen auf das Deutlichste, sie nannten, indem sie in dem Wahne, ich verstehe sie nicht, französisch mit einander sprachen, Euere Namen und einer von ihnen schwur, er müsse Euch die Tochter des Herrn van Vlieten abjagen und solle er Euch bis an's Ende der Welt verfolgen! Sie sagten, wenn Ihr noch nicht vorübergezogen wäret, so müßtet Ihr heute durchaus ankommen, sie hätten die sichere Spur. Jetzt habt Ihr Alles vernommen, was ich weiß. Ihr seyd ein guter Holländer, deswegen halte ich zu Euch. Wären nur noch ein Paar Männer, wie wir im Hause, so wollten wir schon fertig werden mit den fremden Schelmen – und doch, wenn ich's bedenke –« setzte er unruhig die Mütze rückend hinzu – »ich könnte Euch nicht öffentlich beistehen, denn hier an dem abgelegenen Orte muß ich jeder Parthei Freund scheinen. Aber Ihr selbst werdet jetzt am Besten wissen, was Ihr zu thun habt, um in Frieden Alles auszugleichen, denn gewißlich sind Euch die Leute bekannt und Ihr durchschaut den Grund Ihres Betragens.«

»Ich will ein Franzose werden, wenn ich sie kenne und mehr von ihnen weiß, als was Ihr mir gesagt habt!« betheuerte Cornelius und ging bewegt im Zimmer auf und nieder. »O ich fürchte sie nicht,« fuhr er zu sich selbst sprechend fort, »und wollte ihnen wohl den Weg zeigen, aber – Clelia! Nein, nein! Sie darf keine Gefahr mehr laufen. Der Mann hat Recht. Wir müssen dem seltsamen Handel auf friedlichem Wege auszuweichen suchen!«

In diesem Augenblicke rief ihn das geliebte Mädchen mit sanfter Stimme zu sich heran.

»Ich weiß, Ihr seyd kühn und muthig, Junker Cornelius,« sagte sie, »aber bezwingt diesesmal jede Aufwallung, die uns Allen Nachtheil und mir vielleicht um Euretwillen schweren Kummer bringen dürfte. Ja, Cornelius, Ihr seyd mir theuer und jede Gefahr, die Euerem Leben droht, jeder Tropfe Eueres Blutes, der in einem solchen Streite vergossen werden könnte, würde mich unglücklich und elend machen. Laßt uns still wieder den Wagen besteigen und unseren Weg fortsetzen. So gelingt es uns vielleicht, diesen unbekannten, räthselhaften Verfolgern zu entgehen.«

»Clötje, du sprichst wie ein Buch!« stimmte ängstlich Philippintje ein. »Ja! Wir wollen wieder in den Wagen, wir wollen fort.«

Der Landmann aber trat kopfschüttelnd zu ihnen heran und sagte:

»Ihr irrt, wenn Ihr glaubt, daß Ihr nicht bemerkt und erkannt worden seyd! Die zwei jungen Leute haben Falkenaugen und seit dem frühen Morgen liegen sie schon hinter den Fenstern, um zu spioniren. Kein Hofknecht im schlechten Kittel, kein Butterweib im Regentuche ist vorübergegangen, ohne daß nicht einer von ihnen herabgeschossen wäre, wie der Blitz, um sie näher zu untersuchen. Bei Euch verhalten sie sich still. Das kommt daher, weil sie ihrer Sache gewiß sind. Aber sie schmieden gewiß einen Anschlag, wie sie Euch am Sichersten angreifen, wenn Ihr an nichts denkt. Laßt mich einmal hinauf! Ich will in dem dunkeln Kämmerchen, das an ihr Zimmer stößt, einmal lauern und lauschen. Da ist jedes Wort zu vernehmen, da kann ich durch eine Spalte in der Bretterwand selbst jede ihrer Bewegungen beobachten.«

»Unbegreiflich!« sprach der Junker, der sich einem vergeblichen Nachsinnen über die wunderliche Angelegenheit hingegeben hatte. »Aber, wißt Ihr was? Nehmt mich mit! Nichts soll meine Gegenwart verrathen, das gelobe ich Euch. Vielleicht klärt sich, wenn ich die unbekannten Gegner sehe, in einem Augenblicke Alles auf, ein unschädlicher Irrthum enträthselt sich und wir können in aller Sicherheit einige Stunden der Ruhe bei Euch zubringen, deren die Frauen so sehr benöthigt sind.«

Nach einem kurzen Bedenken willigte der Hausbesitzer ein. Während Philippintje, am Feuer sitzen bleibend, trüben Gedanken nachhing und Clelia durch das Fenster auf die weiten Schneegefilde blickte, begaben sich die zwei Männer, durch eine Hinterthüre der Küche ein schmales, düsteres Treppchen hinauf, zu dem Orte, der ihren Absichten in jeder Beziehung entsprach. In dem finsteren Kämmerchen hörten sie jedes Wort, das in dem benachbarten Zimmer laut wurde, durch die Wandritze sah Cornelius ganz deutlich diejenigen, die aus einer unerklärlichen Ursache die Geliebte ihm entreißen wollten.

Seine Blicke verweilten nicht lange bei den unbedeutenden Gestalten der zwei schmutzigen Bursche, die in einem Winkel saßen und in dummer Erwartung vor sich hinsahen. Sie richteten sich sogleich auf die wohlgekleideten Jünglinge, die in unruhiger Bewegung auf und niederschritten und in einem Wortstreite begriffen schienen. Cornelius hatte sie schon gesehen. Ein augenblickliches Nachdenken belehrte ihn, daß dieses am Bord des lustigen Freiers von Rotterdam geschehen sey, er ahnete zugleich, daß sie damals schon in dem Unternehmen begriffen gewesen, das sie jetzt wiederum in seinen Weg führte.

» Cadédis!« rief der eine von ihnen mit Heftigkeit. »Die Gelegenheit ist da, so gut wir sie nur wünschen können. In fünf Minuten ist Alles abgethan. Wir rücken dem Sire Cornelius mit dem Degen auf den Leib, er muß das Mädchen herausgeben und wir führen sie auf demselben Wagen, der sie hierher gebracht, im Triumphe zurück nach Rotterdam zum Professor Hazenbrook. Er harrt unserer gewiß noch im Gasthofe und finden wir ihn da nicht mehr, so muß die Schöne mit nach Leyden wandern, wo dann der Professor das Weitere verfügen wird.«

»Es ist nicht möglich, dich zu Ruhe und Besonnenheit zu bringen!« versetzte mit einer Sanftmuth, die sehr gegen die Heftigkeit seines Gefährten abstach, der andere. »Es würde an Tolldreistigkeit grenzen, wenn wir hier, wo der Wirth es sicherlich mit ihm hielte, wo in den Ställen und Scheunen ein Anzahl Knechte versteckt seyn kann, die auf den ersten Wink gegen uns stünde, einen Angriff auf den muthigen Kriegsmann wagen wollten, der gewiß gut mit Waffen versehen ist und sie auch zu gebrauchen versteht. Nein, Le Vaillant, das ist nichts! Wir bleiben hübsch ruhig und still hier oben. Wir beobachten mit Luchsaugen Alles, was bei dem Wagen vorgeht. Ungehindert lassen wir sie einsteigen und abfahren. Sind sie aber ein Paar hundert Schritte entfernt von diesem Hause, dann auf unsere Pferde, ihnen nach in gestrecktem Gallopp, dem Junker Cornelius die Pistole unter die Nase, ehe er sich dessen versieht, er herunter vom Bocke, wir hinauf, unsere vier Pferde noch vorgespannt – und querfeldein fort über Stock und Stein!«

Der Erstere machte keine weitere Einwendung. Er schien sich schweigend der besseren Ansicht seines Cameraden zu unterwerfen.

Cornelius hatte genug gesehen, genug gehört. Die Namen Hazenbrook und Le Vaillant klangen ihm wie Arabisch. Alles war ihm noch unbegreiflich, nur war er jetzt völlig von den feindlichen Absichten, welche die, wie Studenten gekleideten, zwei jungen Leute gegen ihn und Clelien hegten, überzeugt. Nichts anderes, als eine Kriegslist konnte aus dieser kritischen Lage helfen, wenn es nicht zu einem Handgemenge kommen sollte, dessen Ausgang sehr zweifelhaft war. Indem er seinen Führer die dunkele Treppe hinabzog, strengte er vergebens seine Gedanken an, irgend ein Rettungsmittel zu ersinnen.

Er sah sehr verstört aus, als er zu den Frauen in die Küche zurückkehrte. Clelia trat ihm mit forschenden Blicken entgegen. Sie schien ruhig, aber ihr Inneres war in großer Bewegung. Philippintje warf nun einen Blick auf den Junker. Sie glaubte ihr Todesurtheil in seinen Zügen zu lesen, sie brach in lautes Weinen aus.

»Ich habe Diejenigen gesehen,« hob Cornelius an, »die sich, aus einer mir unbegreiflichen Ursache, ein Geschäft daraus machen, uns in einer feindlichen Absicht zu verfolgen. Sie wollen Euch mir entreißen, Euch einem gewissen Hazenbrook zuführen, von dem ich nie etwas gehört habe. Bei dem Degen des großen Marlborough! Ich fürchte sie alle Vier nicht und gedächte es mit ihnen aufzunehmen, oder würde gern untergehen im Kampfe für Euch; aber was sollte dann aus Euch werden, ohne Freund, ohne Beschützer hier im fremden Lande?«

»Hazenbrook?« wiederholte Clelia, in Nachdenken verloren. »Auch ich habe diesen Namen niemals vernommen.«

»Er klingt wie Indisch!« versicherte jammernd Philippintje. »Gewiß ist es ein Götze, wie der Schiwa, und wir als schuldlose Jungfrauen sollen ihm zum Opfer gebracht werden!«

»Ich glaube, ich habe das Mittel gefunden, die sauberen Gesellen um die Frucht ihrer Mühen zu bringen und ihnen eine Nase zu drehen, die von hier bis Mastricht reicht,« nahm jetzt der Landmann, der bisher in einer nachsinnenden Stellung hinter dem Junker gestanden hatte, das Wort. »Sie wollen sich ruhig halten und warten, bis Ihr Euch in den Wagen zurückbegeben habt und abgefahren seyd? Sie mögen warten! Sie sollen, wenn Ihr anders meinen Rath befolgt, noch stundenlang am Fenster stehen und sich die Augen aus dem Kopfe sehen nach Euerer Abreise, während Ihr schon wenigstens halbweg Mastricht seyd und dann von ihnen nichts mehr zu befürchten habt. Hört mich an! Allenthalben ist das Wasser der Teiche ausgetreten auf die Wiesen, dann ist es gefroren und von hier bis zum Ziele Euerer Reise ist die herrlichste Schlittenbahn von der Welt. Ihr seyd ein Holländer. Ein tüchtiger Holländer läuft jedes Pferd zu Schanden, wenn er Schlittschuhe unter den Füßen hat. Ich gebe Euch zwei Stuhlschlitten, in diese packen wir die Frauen, den einen führt Ihr, den andern mein Junge und der Böse müßte sein Spiel haben, wenn Ihr die fünf Stunden bis zur Stadt nicht vor Abend zurücklegtet. Ich lasse Euch zur Hinterthüre hinaus. Die oben warten und warten – wann die Dämmerung nahet, trete ich ganz gleichmüthig an den Wagen, spanne aus und ziehe die Thiere in den Stall. Dann mögen sie kommen und fragen – mir soll es nicht an Antworten fehlen! Was sagt Ihr zu dem Anschlage?«

»Nassau und Oranien!« rief Cornelius, indem er den Mann in der Freude seines Herzens umarmte. »Er ist vortrefflich, er ist nicht mit Geld zu bezahlen!«

Philippintje aber stand zitternd auf und seufzte:

»In einem Schlitten soll ich fahren? Ueber's Eis? Einbrechen, ertrinken?«

Niemand hörte auf sie. Während der wackere Hausbesitzer seinem Sohne die nöthigen Eröffnungen machte, Schlitten und Schlittschuhe in den gehörigen Stand setzte, nahmen die Reisenden einige Erfrischungen zu sich, wie sie der ländliche Haushalt ihres Wirthes darbot. Clelia war jetzt ruhig und gefaßt. Wo sie eben nur dunkele, räthselhafte Nacht erblickt hatte, erschien ihr tröstlich und freundlich wieder ein Hoffnungsstern. Sie sprach ihrer Gefährtin Muth ein. Sie stimmte einen scherzhaften Ton an und brachte es wirklich bald dahin, daß Philippintje anfing, ihre Besorgnisse zu verbannen und sich sogar auf die Lustfahrt im Schlitten freuete.

Jetzt kam der Landmann zurück. Alles war fertig, Alles zur Abreise bereit. Sie entfernten sich leise durch die hintere Thüre des Gemaches; sie schlichen durch dunkle Gänge, durch die geräumigen Viehställe, durch den Garten. Das Schneegestöber hatte aufgehört. Nur eine dünne durchsichtige, weiße Flordecke lag auf dem weiten Eisspiegel, der sich, als sie aus dem Garten traten, ihren Blicken bot. Des Wirthes Knabe harrte hier mit Schlittschuhen und Schlitten. Vergebens bemühete sich Cornelius, dem Manne eine Belohnung aufzudringen.

»Ihr kommt schon einmal wieder!« antwortete er. »Bis dahin hat es Zeit. Euer Fuhrwerk und Euere Pferde bleiben mir ja ohnehin im Versatze,« fügte er lächelnd hinzu.

In dem Augenblicke ihrer Abfahrt brach die Sonne durch Wolken. Sie röthete Clelia's Wangen und ließ das blühende Mädchen in einem Himmelsglanze erscheinen, der Cornelius mit Entzücken und den nachsehenden Landmann mit Bewunderung erfüllte.

Mit Windeseile flogen die Schlitten über die silberglänzende Eisdecke hin. Cornelius hatte seit seinen Knabenjahren für einen Meister im Schlittschuhlaufen gegolten; aber der Sohn des Wirthes übertraf ihn, wenn auch nicht an Zierlichkeit der Bewegungen, doch in Gewandtheit und Geschwindigkeit bei Weitem. Das mußte Philippintje zu ihrem oftmaligen Schrecken und Entsetzen erfahren. Er machte die künstlichsten Drehungen und Schleuderungen mit dem Schlitten, in dem sie saß, er fuhr sie wie toll im wirbelnden Kreise herum, er zog sie lange Strecken hindurch hinterrücks fort und wenn sie dann anfing, zu schreien und zu schelten, so lachte er hell auf, sprach ihr freundlich zu und versicherte, das sey hier zu Lande die Manier, ihre Mädchen und Weiber schrieen auch, aber sie sähen es doch gern und, weil man das wüßte, kehrte man sich nicht daran. Er begann dann von Neuem sein neckendes Spiel, ohne sich jedoch jemals von dem Junker weit zu entfernen, der, seine schöne Last vor sich hin schiebend, alle Kräfte aufbieten mußte, um nicht hinter dem flüchtigen Knaben zurückzubleiben.

Der Landmann war in der Gartenthüre stehen geblieben und hatte ihnen so lange nachgesehen, wie seine Blicke sie erreichen konnten. Er wünschte ihnen alles Glück auf den Weg. Cornelius offenes treuherziges Wesen hatte ihn angesprochen, und der Eindruck, den Clelia's Schönheit auf ihn gemacht hatte, war von jenen Gefühlen des Wohlwollens begleitet, die wir denjenigen, die durch einen persönlichen Vorzug sich in unseren Augen auszeichnen, so gern zu widmen geneigt sind. Er ging in das Haus, in das Gemach zurück, wo noch am Kamine der Stuhl stand, auf dem das schöne Mädchen gesessen hatte. Ein zufriedenes Lächeln schwebte auf seinen Zügen. Er glaubte ein gutes Werk gethan zu haben, er mußte sich im Stillen über die Täuschung der Laurer im ersten Stocke lustig machen. Er horchte nach ihnen hin. Alles war ruhig. Sie standen gewiß in gespannter Erwartung am Fenster und gedachten, in jedem Augenblicke die reizende Beute, die sie schon in ihrem sicheren Besitz sahen, aus dem Hause treten zu sehen, sie standen gewiß bereit, sogleich, wenn es ihr Anschlag mit sich brachte, hinabzustürmen, ihre Pferde zu besteigen und das Werk zu vollführen, das, nach ihrem Wahne, ihnen gar nicht fehlschlagen konnte! Der Landmann mußte laut auflachen, wenn er sich das in seinen Gedanken ausmalte. Um die Täuschung fortzusetzen, ging er hinaus zu den Pferden, gab ihnen zu trinken und warf ihnen Heu vor, als sollten sie sich zu der ferneren Reise vorbereiten und stärken. Ein Blick nach den Fenstern des oberen Stocks belehrte ihn, daß die zwei jungen Leute ihren Lauerposten nicht verlassen hatten. »Ihr steht mir gut dort!« dachte er. »Ergötzt Euch nur noch ein Paar Stunden, an der freien Aussicht, die Ihr oben habt; dann mögt Ihr ausfliegen wohin Ihr wollt, meine Eisvögel holt Ihr doch nicht ein.«

Le Vaillant und sein Gefährte – in diesem haben unsere Leser schon längst den Leydener Studenten La Paix wiedererkannt – befanden sich indessen in jenem peinigenden Zustande, den das Gefühl der Erwartung einer nahen Catastrophe, des heranrückenden Momentes, in dem sich der Ausgang eines noch zweifelhaften Unternehmens entscheiden muß, in seinem Gefolge hat. Sie waren in jener Nacht, in der wir sie verließen, glücklich zu einer einsamen Küstenwohnung gelangt, sie hatten die vorüberfahrende Barke Syrene bestiegen, allein, indem sie hier gewiß Clelien und Cornelius zu finden glaubten, sich in ihren Hoffnungen getäuscht gesehen. Aber sie kannten ja das Reiseziel der Flüchtlinge! In Antwerpen waren sie an's Land gestiegen. Frische Geldsummen, die sie hier bei einem befreundeten Handelshause aufnahmen, setzten sie in den Stand, Pferde zu kaufen und zwei Diener zu miethen, die sie bei ihrem Unternehmen unterstützen sollten. Sie schlugen den nächsten Weg nach Mastricht ein, aber La Paix gebrauchte die Vorsicht, seine Leute zum Oefteren seitwärts in's Land zu schicken, um hier nach den Verfolgten zu forschen. So gelang es ihm, die Spur der Flüchtlinge zu finden. Schon früher würde er sie ereilt haben, wäre nicht der Junker van Daalen von der rechten Straße ab, auf Seitenwege gerathen, auf welchen die Nachsetzenden ihn nicht vermutheten. Deshalb gewannen sie auch den Vorsprung einer halben Tagereise vor ihm. In dem einsamen Gehöf, zu dem sie am heutigen Morgen gelangt waren, beschlossen sie auf gut Glück hin, einen Tag zu rasten. Sie waren nun überzeugt, daß die Flüchtlinge hier noch nicht vorübergezogen seyn konnten, sie sahen endlich, wie wir wissen, am Mittage dieses Tages eine Hoffnung erfüllt, die ihnen schon so oft fehlgeschlagen war.

» Morbleu!« sagte Le Vaillant zu seinem Freunde, der nur Augen für das unten harrende Fuhrwerk zu haben schien, nachdem beide schon über eine Stunde am Fenster gestanden und nutzlos auf einen Umstand gelauert hatten, der ihnen die baldige Abfahrt der Flüchtlinge anzeigen möchte. »Die sitzen fest am Kamin und machen uns wohl die Zeit noch lang, ehe wir uns auf die Klepper werfen können, um ihnen den Spaß zu verderben. Sandis ! Du hättest meinen Rath annehmen sollen. Jetzt wäre Alles gethan, wir hätten das Vögelchen im Käficht und wären schon auf dem Rückwege nach der Heimath, wo unser würdiger Professor gewiß mit sehnsüchtig geöffneten Armen den Preis für seinen Amenophis Pharao erwartet. Du wirst es noch erleben, daß wir endlich, wenn wir meinen, die Huldgestalt zu fassen, nur in einen blauen Dunst greifen und daran ist nichts anderes schuld, als deine ewige Bedenklichkeit, dein endloses Zaudern. Cadédis –«

»Still, sie kommen!« unterbrach ihn La Paix und seine Blicke glänzten. Aber es war nur der Landmann, der wohlgemuth aus dem Hause trat und den Pferden Futter vorwarf. Nichts destoweniger nahmen die Studenten seine Erscheinung als eine günstige Vorbedeutung auf. Le Vaillant nahm seinen großen Raufdegen von der Wand und gürtete sich damit, ebenso La Paix. Die beiden Gesellen, deren übles Aussehen eher ein Paar Wegelagerer vermuthen ließ, als die Diener zweier Musensöhne, erhoben sich und dehnten, wie zu baldiger Thätigkeit und zum bevorstehenden Handgemenge, die gedrängten starkgliedrigen Gestalten, die ebenfalls mit Pistolen und kurzen Degen wohl versehen waren.

Le Vaillant rieb sich zufrieden die Hände, während sein Freund wieder ungeduldig zum Fenster trat. Der Landmann war verschwunden. Alles wieder still, wie zuvor.

»Die Weiber können nicht aus dem Neste kommen!« grollte Le Vaillant, nachdem er an die Seite seines Gefährten getreten war. » Morbleu! Hätten wir es nur mit Männern zu thun, so wären wir längst im freien Felde mit ihnen aneinander und du solltest sehen, daß keiner vermag vor Le Vaillant's Schwert zu bestehen!«

»Die Gelegenheit wird schon kommen, wo du deine Heldenthaten an den Mann bringen kannst;« erwiederte kaltsinnig La Paix. »Jetzt richte deinen Muth gegen dich selbst und bekämpfe deine Hitze, deine Ungeduld.«

La Paix war, durch seines Freundes unaufhörliche Aufforderungen gereizt, nun hartnäckig geworden und bestand fest auf seinem Sinne, obschon sich in einzelnen Augenblicken eine gewisse Besorgniß über die Richtigkeit seiner Ansicht in ihm regte. Immer hatte Le Vaillant eine Art von Oberherrschaft von Seiten seines Landsmannes anerkannt. Dieser unterwarf er sich auch jetzt, zwar mit Widerwillen, aber nicht ohne alles Vertrauen, das auf so viele günstige Erfolge des Freundes in ähnlichen Fällen begründet war.

Aber noch eine Stunde verging in der Pein des Harrens, eine andere schlich ebenso mit Schneckenschritt vorüber und nichts veränderte sich in der Lage der Verbündeten. Die Abenddämmerung näherte sich. Viele Landleute, Männer und Weiber, kamen aus den benachbarten Städtchen, wo ihr ländlicher Handel sie hingeführt hatte, zurück und kehrten in dem einsamen Hofe ein, um hier, wie sie es gewohnt waren, zu übernachten und morgen in der Frühe des Tages ihren Weg nach der entlegenen Heimath fortzusetzen.

Jetzt war der Augenblick der Enttäuschung gekommen. La Paix mußte sehen, wie im vollen Gelächter mit anderen Landleuten und mit Gebehrden, die den Studenten und seine Begleiter deutlich genug als den Gegenstand seines Spottes bezeichneten, der Wirth aus dem Hause trat, die Pferde ausspannte und das Fuhrwerk, das die schöne Clelia getragen hatte, unter Dach schob. Er biß sich in die Lippen. Er trat hastig vom Fenster zurück und sagte mit ärgerlicher gepreßter Stimme:

»Wir sind betrogen! Ich durchschaue die ganze Geschichte, den listigen Streich, den man uns gespielt hat. Der Wirth ist ein Spitzbube. Er hat uns verrathen, er hat die Beute, die uns schon sicher war, längst weiter geschafft, während er uns mit dem ruhig wartenden Fuhrwerke genarrt.«

» Sandis! so müssen wir ihm den Hals brechen;« fuhr Le Vaillant wild auf und legte die Hand an den Degen.

»Versuche es nur!« entgegnete spitz sein Freund. »Die fünfzig rüstigen Bauernhände, die dem Schelm jetzt zu Gebote stehen, werden dir die Lust dazu schon vertreiben. Ehe du ihm an die Gurgel kommst, werden die Dreschflegel so auf deinem Rücken herumtanzen, daß du dein Lebelang nicht wieder gerade gehen kannst. Aber es ist kein Augenblick zu verlieren! Wir müssen ihnen nach. Führt die Pferde vor!« rief er den Dienern zu. »Vielleicht ist uns die Nacht günstiger, als der Tag.«

Sie stürmten die Treppe hinab. In der Thüre der Küche stand der Hauseigenthümer, hinter ihm ein Haufe von Bauern, mit feisten, wohlgenährten Gesichtern. Sie hielten die derben Knochenfäuste, wie zum Angriffe gerüstet, empor, sie lachten laut auf, als sie die Herabeilenden erblickten.

»Ihr wollt schon fort?« rief der Wirth mit scheinbarem Bedauern, hinter dem der Schalk sich verbarg, ihnen zu: »Gewiß den andern nach? Ja, da müßt Ihr Euch eilen, denn die sind schon vor mehr als drei Stunden abgereis't, so rasch und auf so flüchtigem Fuhrwerk, daß sie in diesem Augenblicke wohl vor den Thoren von Mastricht halten können.«

Die Studenten würdigten ihn keiner Antwort. Le Vaillant schoß einen wüthenden Blick nach ihm hin. Aber außer einem: » Cadédis!« das ihm unwillkührlich zwischen den Zähnen hervordrang, ließ er keine Verwünschung, keine Drohung laut werden. In wenigen Augenblicken standen die Pferde bereit. Mit wilder Hast schwangen sich die Jünglinge auf und flogen, wie vom Sturmwinde gejagt, in die winterliche Gegend hin. Die Diener folgten ihnen nach. Bald war das Geräusch ihrer Rosse verhallt. Ein lauer Südwind strich über die Fläche und erweichte und lockerte die Eis- und Schneedecke, die auf den Gewässern und auf dem Lande ruhete.


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