Johann Dietz
Meister Johann Dietz erzählt sein Leben
Johann Dietz

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Von meiner andern Verheiratung

Ich war zweiundsechzig Jahr alt, als meine Frau gestorben, und hatte bei mir viel Überlegung: ob ich wieder heiraten wollte oder nicht; zumal, wann ich gedachte an meinen vorigen Ehestand, so ging mir die Graue an.

Auch fanden sich gute Freunde, so vermeinet, von diesem Braten auch ein gut Stück zu bekommen. Machten mir entsetzlich die Graue: nicht wieder in den Bauer zu kriechen, woraus ich einmal gekommen. Ich lebete und könnte leben in meiner größten Vergnüglichkeit, jedermann würde mich flattieren, lieben und zu Gebot stehen, wäre mein eigener Herr und könnte ruhig von meinem Intresse leben. Dahingegen, so ich ein ander Weib nähme, müßte ich gewarten, wie sie einschlüge. Stelleten sich vorhero wie die Engel und frommen Seelen: wann sie aber ins Nest, wären sie ärger, als der Teufel und beissende Hunde, und gäben kein gut Wort von sich. Zudem wäre ich schon ein alter Mann und würde die wenige Wollust bald vergehen, und die Frau sich nach einem andern umbsehen, der frembden Samen würde in meinen Acker säen, frembde Eier in mein Nest und Erbe legen.

Aus: Thomasius' »Monats-Gesprächen« (1688)

Nun waren das solche Dinge, so bei itzigen Zeiten gar oft und viel gänge und gebe.

Insonderheit warnete mich der Freund, ein vornehmer Mann: ich sollte mich wohl in acht nehmen, nicht wieder unter eine große Familie und Anhang zu heiraten, wo ich ja wollte heiraten! – So ich zwar oft selbst, aus meiner eigenen Erfahrung, andern geraten. Denn da ist nichts als Laufen, eine Schwester zur andern, zur Mutter, zum Vater, Vetter und Bruder; da ist immer Gevatterstehen, Hochzeitgehen, Spazierenfahren, Gastreien und das Kostgeld; zu geschweigen: der Klatsch und Drescherei und Verleitung zur Hoffart. Da hat die die Adrigäng, die hat die Spitzen, den Rock, das Kleid: »Das muß ich auch haben!« – Die lebet so kommode, sie hat alle Tage zweimal ihren Thee oder Kaffee, ein gut Glas Wein und guten Kuchen oder Zwieback: »Das muß ich auch haben!« – »Wer wollte so leben? es bleibet alles in der Welt, Geld und Gut kombt alle Tage!« – das wären die tröstlichen Worte, welche eine der anderen zuspräche. »Und sollte gleich nichts übrig bleiben, und der Mann oder Kinder an'n Bettelstab geraten, so muß es spazierengefahren und kommode gelebt sein!«

Und wissen nicht, daß der Teufel seine Werkstatt bei dieser Wollust hätte, solche Leute dadurch in Sicherheit aus einer Sünde in die andere und Gefahr ihrer Seelen satzte. Auch wann solche Leute einmal es gewohnet, sie nicht davon könnten gebracht werden. Wie man an dergleichen Weibern sähe, die das Almosen genössen; doch nicht davon ließen!

Am allermeisten hat mir das in der Seele gekränkt und am meisten zur Resolution gebracht, daß meiner Brüder Kinder (da es überhaupt nicht gut angewandt), auch meine Schwäger, sich bereits rühmeten: »Das Haus ist mein, gewiß gnug!« – »Meines Vettern Geld wird uns nicht entlaufen!« –»Mein Lohn ist der Universalerbe!« – »So viel tausend, tausend Thaler hat er!« – Und was dergleichen ungefangene Fische und nahrhafte Vögel mehr waren!

Alle wollten sie von mir haben. Aber keiner that mir was Gutes, sondern redeten noch wohl das Ärgeste von mir, oder hetzten andere Leute an.

Wann ich jemand gehabt, der sich meiner angenommen, oder ich mich zu ihnen halten können im Vertrauen – alle diese obigen, wahrhaftigen, so beschaffenen Vorbildungen derer itzigen Zustände hätten mich vom Heiraten ganz zurückgehalten.

Welches, nachgehends besser bedacht, der allerbeste Vorschlag, den ich mir selbsten machte (denn kein Mensch gab mir Rat, außer eigenem Interesse), war wohl dieser, dem hätte folgen sollen, nämlich: ich bekam eine Berufung nach'n Zerbster Hof; hätte folgen sollen: in Regard, daß ich durch mein bischen baares Vermögen mich mit Länderei ankaufen, eine profitable Heirat thun und bei Hof eine gute Bedienung haben können. So hätte ich vergnüget und in Ruhe leben mögen.

Denn ich wahrhaftig die elende Zeit und Drangsal in unserm Lande vorhergesehen und andern gesaget und lang zuvor gewarnet; aber, mich selbst nicht draus gezogen, wie ich wohl gekonnt; denn ich kein Kind und niemand hatte.

Meine vorige Frau hatte mich unter allen Leuten in der ganzen Stadt stinkend gemacht und so übel ausgeschrieen, daß, ich nimmer keine andere Frau bekommen sollte. Denn sie gönnete es keiner, ins Haus zu kommen, und hatte all ihr Dichten und Trachten drauf gerichtet, daß ich steinalt bei ihr werden, oder vor ihr sterben sollte. Dessenohngeachtet ließen sich doch viele antragen. Aber gemeiniglich hatte es einen Haken. Darunter eine war, so ein Hufeisen verloren, mir fünftausend Thaler zufreien wollte. Aber das wollte ich nicht thun und mich prostituieren. Ich gedachte mich also gar wohl in acht zu nehmen.

Aber wider alles vermuten war ich von einer einfältigen Manier gefangen. Der Frau Reinhardin, im »Grünen Helm«, war ihr Mann verstorben, und sie in großer Schuld und Unrichtigkeit verlassen. Ich wurde ersuchet: ihr Kurator zu werden, welches ich auch that und ihr treulich beistund, ihre Sache dermaßen einrichtet und ordnete, daß es zu keinem Konkurs kam, wie's die Herrn NB. Advokaten schon hatten eingefädet und sich drauf gespitzet, noch sie aus dem Gasthofe bringen konnten.

Dies erkannten alle Menschen, auch die Gerichte und Advokaten, welche mich lieber davongehabt. Die Frau erkannte dies auch und that mir viel Gutes, daß ich mehr bei ihr, als in meinem Hause, darin ich wenig Freude bei meiner Frauen Leben hatte.

Inzwischen stirbt gegenüber der Seilermeister Andres Müller, ein junger Mann, der verließ eine junge Witwe von fünfundzwanzig Jahren und einen Sohn von fünf Jahren, sie war Bäckermeister Reisen Tochter am Markt. Diese Witwe hatte viel Verdruß von ihres Mannes Mutter, bei welcher sie im Hause zur Miethe war. Als selbige siehet, daß ... [ Der Handschrift fehlt mindestens ein Blatt!] ... eine öffentliche Abbitte und Ehrenerklärung thun und sechs Mark Strafe erlegen. Das war's alles, und hatte der Prozeß ein Ende.

Weil er aber gedrohet und sich verschworen hatte: er wollte sie erstechen, so nahm ich sie noch vor der Hochzeit in mein Haus, war anno 1727, den 5. Junii. Ich machte alles auf meine Kosten zu einer köstlichen Mahlzeit bereit, bate viel vornehme Leute, auch das ganze Kirchen-Kollegium und Priester dazu, nahm kein Geschenke. Aber Pastor Schwentzel kam nicht.

Wir lebeten zwei Jahr miteinander, und wollte sich kein Erbe zeigen. Da war schon ein Lamentieren: wann sie keine Kinder hätte, würden meine Freunde ihr alles nehmen, daß ich gnug zu reden hatte.

Endlich, anno 1729, gab uns der liebe GOtt einen Sohn, den ließ ich Johann Carl Anton nennen.Johann Anton, des Meisters Dietz einziger Sohn, starb als Candidatus juris mit 22 Jahren am 13. Dezember 1750. (Totenregister der St. Moritz-Kirche zu Halle). Aber Herr Magister Roth hatte ihn nur Johann Anton getaufet, weil er gesaget: es ginge mehr nicht an. Seine Pathen waren der Großvater Herr Carl Andres Reise, Herr Doktor Anton Christoph Reimers und die Frau Doktor Deutschbeinin. Ich nahm keine Geschenke an.

Nach zweien Jahren, als den 24. Julii 1731, bescherete uns GOtt wieder eine Tochter, welche in der heiligen Taufe genennet wurde: Johanna Magdalena. Ihre Pathen waren: die Frau Rathmann Dreißigen, die Frau Loßin und Herr Borchardt, der Kaufmann. Im Widder geborn.

Anno 1734, den 4. Augusti, gab mir GOtt wieder eine Tochter, welche in der heiligen Taufe den Namen empfing: Christiana Dorothea. Ihre Pathen sind Christiana Sophia, Herrn Stadtpräsident Schäffers Eheliebste, Herr Hofrath Doktor Michael Alberti, die Frau Pastor Struenseen. In der Wage geboren. (NB. Johann Anton ist geboren anno 1729, den 25. Augusti, im Zeichen der Jungfrau.)

Bei diesen actis habe ich auch observieret, daß es nicht ratsam sei, große und vornehme Gevattern zu bitten. Ob sie sich gleich anfanges gut stellen, so achten sie doch hernach weder der Kinder noch der Eltern, wann man, gleich wie ich, kein Gevatter- oder Pathengeld im geringsten genommen. Meine Frau wollt es nicht haben. Aber nun habe ich's erfahren, daß's nicht gut thut. Lieber seinesgleichen, geringe Leute genommen! Denn das heilige Werk thut ein jedweder gern, wann's nichts kostet. Aber wo der Teufel den Geldmißbrauch dazu bringet, ist das heilige Werk jedem ein Widerwille.

Anno 1737 befände sich meine Frau abermals schwanger; war aber dabei sehr böse und eigensinnig, daß ein harter Zank unter uns entstanden.

Anno 1737 hat uns GOtt abermals eine Tochter gegeben, den 2. Aprilis, in Zeichen des Stiers, welche in der heiligen Taufe benennet worden: Tabea Friederika. Ihre Pathen sind gewesen: Paul Andreas Förster, Frau Maria Magdalena Pohlen und Jungfrau Johanna Elisabeth Reißin, nunc vero Frau Falkenbergin ...

Anno 1738 bin ich gestorben, meines Alters zweiundsiebenzig Jahr, zwei Monat.


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