Johann Dietz
Meister Johann Dietz erzählt sein Leben
Johann Dietz

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Von meiner Heimreise

Als ich nun vierzehen Wochen mit dem General in Hamburg gewesen, und er ganz gesund worden, ersuchte ich umb meine Dimission. Der Herr wollte lange nichts davon hören. Endlich fragete er bei fernerm Anhalten: was mir bei ihm fehlete? – Ich schützte vor: ich hätte 'nen alten Vater und Mutter; die wollten mich gerne nach Hause haben und verheiraten. Als auch die Wahrheit war. Denn mir's mein Vater oft geschrieben hatte. – Der General sagte: »Was wollt ihr in eurem Bettellande machen? Hier ist's besser. Ich will euch versorgen und ein beständig Regiment geben.« – Ich bedankte mich vor das gnädige Anerbieten und wollte absolut nach Hause. – Endlich ward er bös, schrieb mir einen Zettel oder Assignation an Texera seine banco; und den Abschied mußte mir der Obrist geben und Glück auf die Reise wünschen.

Ich nahm den französischen Zettel und trug ihn an den Ort. Da ich in die großen Zimmer kam, bin ich erstaunet über alles Geld, so in großen Säcken und Kästen sortieret da stund. Der Kassierer nahm meinen Zettel und fing an, zu zählen. Ich gedachte: »Wird er nicht bald aufhören?« – Aber er zählete immer fort, bis es hundert Thaler an lauter dänischen Kronen waren. »Da ist sein Geld!« sagte er. – Ich strich's ein und bedankte mich nochmals bei dem General vor das viele Geld.

Damit reisete ich fort, nach Ütersen zu. Und war mein Herr auch wieder zu Haus gekommen, welcher mir meine Traktamente, so gut, als ab ich da gewesen, auch auszahlen ließ. Ich packte mein Geld und Sachen in einen Kuffer ein; gab ihn auf die Post.

Ich aber setzte mich auf mein Pferd, nahm das andere zur Hand, umb zu wechseln, ritt immer über die Lüneburger Heide, ganz alleine, nach Halle zu.

Als ich über kam, war eine große Freude bei meinen Eltern.

Unterwegens aber, in Magdeburg, traf ich meinen Bruder an, welches mir der Kaufmann, Herr Rathmann Köppen, sagte und uns beide zu Gaste bate, zusammen über Tische setzte.

Aber mein BruderDietzens Bruder; vermutlich GOttfried Dietz, der unterm Obristen Hans Heinrich v. Katte, und zwar in der Kompagnie des Rittmeisters de Castelnau, zwölf Jahre als Reiter gedient hatte. Auf sein Verlangen erhielt er am 18. Januar 1709 in Maastricht seinen Abschied. später diente GOttfried Dietz beim Korps Gens d'Armes einundsechzig Monate als Gemeiner unterm Obrist-Wachtmeister Joachim Friedrich von Jeetze, der ihm die erbetene Dimission, da er schwachheits- und krankheitshalber zu seineren Kriegsdiensten untüchtig war, im Quartier Zielenzig am 15. April 1724 erteilte. Der alte Mann wurde in die Maison de Charité in Berlin aufgenommen. – Nach des Barbiers Tode suchte GOttfried Dietz einen sehr aussichtslosen Prozeß gegen die Witwe seines Bruders wegen seines väterlichen und mütterlichen Erbteiles, sowie wegen eines Vermächtnisses, das ihm angeblich im Testament des Johann Dietz ausgesetzt sein sollte, anzustrengen. (Königl. Geh. Staatsarchiv z. Berlin K. 52, 159 j.) kannte mich nicht, bis ihn Herr Köppe fragte: wo sein Bruder, der Barbier, wäre? endlich: ob er mich wohl kennete? – Da merkte er's, daß ich es wäre und fiel mir umb den Hals.

Aber ich gab ihm eine dichte Reprimande wegen seines Übelverhaltens, wie mir geschrieben.

Ich verschaffte ihm einen guten Meister, einen Sattler, und gab ihm etwas Geld (das bei ihm keinen Grund hatte) und vermahnete ihn zu allem Guten. Aber er that nicht lang gut und ging wieder unter die Soldaten, da ihn der Vater doch zweimal schon losgemacht. Und half kein Raten noch vermahnen, bis es ihm auf sein Alter mit Armut im Elend eingetroffen, was ich ihm vielfältig prognostizieret.

Mein seeliger Vater hatte aus Vorsorge vor mich eine Barbierstube, nämlich die Grünewaldische, vor mich von der Erben erkauft und etliche vierzig Thaler draufgegeben. Auch wollte er gerne, daß ich ein Mägdlein, nach seinem Gefallen, nämlich Heintzens Tochter am Markt, heiraten sollte.

Allein die Barbierer, sonderlich mein eigener Lehrherr, der mein Vetter, wollten mich durchaus in Halle nicht wissen; weil sie befürchten: ich möchte ihn'n mehr Abbruch in der Nahrung thun, als ein Frembder. Denn ich glaube: daß unter keiner Profession mehr Nahrungsneid, als damals unter den Barbierern. Deswegen verschrieben sie einen, Namens Elias Geißlern, aus Leipzig und verkauften ihm heimlich die Barbierstube, in Gerichten aber vorgebende, sie hätten das NäherrechtNäherrecht = Vorkaufsrecht. vor einem Frembden nach ihrer Ordnung.

Mußte ich also zurückstehen, obwohl ich zu allen praestandis mich erbot und gute Wort verlor. Es half aber nichts. Ich mußte wieder fort aus Halle. – Allein, es bekam beiden, den Barbierern und dem Käufer sehr übel. Und hat man augenscheinlich GOttes Strafe gesehen, wie folget.


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