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Hymnus

Erde, nun werde
freudegrün!
Die Hände zucken,
die Schläfen glühn!
Über die Erde
amboßentsprungen,
hämmerumklungen
strömt gewaltiges Funkensprühn!

Ich sah die Herzen
der Not verzagen
und dennoch wieder
schon verglimmende Kerzen
lodernd empor
Flammen leuchtender Hoffnung schlagen ...
Ich sah die Arme der Not,
ringend im Wirbel hungrig niederreißender Flut
gierig schäumender Wogenmeute,
mutgebrochen sinken schon,
endlos wälzender Qualenwut
verzweifelnde Beute, ...
und doch griffen sie wieder empor!
Neuer Sterne verheißendes Blinken,
sieghaft blitzend durch dunkelsten Flor,
riß sie wieder empor!

Sie stemmen den Nacken, sie recken den Arm
wider des Elends drückende Faust.
Trotzgebärend verjüngtes Mark,
willensstark
ringen sie weiter wogenumgraust ...

O du Volk, das Paläste baut
und in dunstigen Höhlen haust,
du, trotz Ketten ein kämpfendes Volk,
ja, du bist groß,
bist ein Koloß an Kraft,
schöpferhaft,
riesengroß
in erschütterndem Los!

Sturmwind umheulte
die Opferschalen,
zerblies die Feuer,
zerriß die Flammen,
sprengte über die heilige Glut
zu tausend Malen
des Verderbens zischende Flut, ...
hat die Gluten er ausgelöscht?
Nein!
Siehe, es dampfen die Schalen
stolz auf hohen Altären!
Siehe, schon schlagen,
Sinnbild der Tatkraft in wachsendem Wagen,
höher und höher die Flammenähren!
Roter, lodernder Feuerschein
strahlt in des Himmels Wölbung hinein, –
Volk, du bist groß!

Du bist die Sehnsucht der neuen Zeit,
Sehnsucht empörter Gerechtigkeit:
Packe der Hämmer Schaft!
Schwinge die Hämmer der Kraft!
Das Eisen glüht
in heiliger Glut, –
wer es bewältigen kann,
das bist du!
Neben dir keiner, nur du!
So schlag dröhnend es an!
Schlag bezwingend zu!
Dir in den Händen ruht,
dir aus den Händen erblüht,
was retten kann!

Lichtempor
trägst du die Furchenstirn,
denkend bereitet dein Hirn
glücklichste Zukunft vor.
Nicht zum Murmelgebet,
dumpfer Entsagung voll,
neigst du dein Haupt!
Dir vor dem Geist erwachsen steht,
hoch im lichtblau-schimmernden Raum,
deiner Pflege geweiht
der Zukunft Baum,
dicht überlaubt,
blütenbereit,
und ist kein Traum!

Deines Schicksals drückendes Joch,
Schicksal der Welt,
nimmt von des Frondiensts Schultern dir
kein Gott!
Auf dich selber bist du gestellt,
auf dich allein!
Werde dir selber nicht zum Spott!
Eigenen Schwertschlags
ringend, bezwing
das Dräun der Gewalt,
das dich entfriedet!
Eigenen Schwertschlags
sprenge den Ring,
der an den Felsen der Not dich geschmiedet!
Werde frei!
Das ist die Losung, dir gestellt.
Bist du frei,
siehe, so ist es die Welt!

Du bist berufen und auserwählt!
du sollst werden der Heiland-Gott,
zum Opfergang,
zum Todesgang
für die Menschheit gestählt!
Werden sollst du der Gott
seligster Zukunftszeit,
dem, von blutigen Qualen kasteit,
gläubig Millionen vertraun,
den voll brennender Inbrunst heiß
ihre sehnenden Sinne rufen,
dem mit schimmerndem Palmengrün
sie des Weges Dornengeleis
herrlich bestreun, das Heiligste gebend!
In Erlösungsschauern erbebend,
werden sie auf dich schaun,
freudezitternd die Hände hebend!
Jauchzend den Hosiannagruß,
werden sie Mantel dir küssen und Fuß,
schreitest du endlich hinan die Stufen,
neu den Tempel der Menschheit zu baun,
kampfgefestet und schaffenskühn
Großes aufzusonnen zum Blühn,
größer, als die Größten es schufen!

Volk, das am Amboß steht der Zeit,
armnackt, schlagbereit,
wissendes Volk, das sich selbst befreit:
Leuchtend von deines Wirkens Stätten
dringt ein wuchtig zuckender Schein
blitzgroß-mächtig
in die Höhlen der mitternächtig-
wolkendüsteren Not hinein!
Augen spannen sich weit,
Tausende fahren empor ...
Ist schon Wachenszeit?
Sprang des Kerkers Tor? ...

Erde, ja, werde
freudegrün!
Die Hände zucken,
die Schläfen glühn!
Über die Erde
amboßentsprungen,
hämmerumklungen
strömt gewaltiges Funkensprühn!


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