Paula Dehmel
Das grüne Haus
Paula Dehmel

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Neujahrsspiel

Das Jahr und die Monate

Ein Neujahrsfestspiel für Kinder oder junge Leute

Das Jahr kommt in einem grauen Mantel, der die darunter befindliche Festkleidung ganz verhüllt, vor die Zuschauer. Nach Beendigung des Prologes winkt es nach und nach den 12 Monaten, die, nachdem sie ihren Vers gesprochen, sich um die Mutter scharen. Ein direkt an das Schlußwort des Jahres anschließender Tanz erhöht die Wirkung des Festspiels.

Das alte Jahr Grüß Gott, ihr Leute, ich bin das Jahr,
das immer ist und immer war,
das immer kommt und immer geht
und niemals zaudernd stillesteht;
das mit geheimem Pendelschlag
die Weltuhr regelt Tag für Tag.
Die Würfel werf ich: Leben und Tod,
Glück oder Unglück, Heil oder Not;
sie fallen gewichtig und ordnen die Welt, –
doch bin ich dem Höheren unterstellt! –

Zwölf Kinder hab ich zur Welt gebracht,
sie gleichen sich wenig, doch jedes hat Macht;
sie strömen gestaltend durch die Welt;
eins ist mir immer zugesellt,
während die andern harren und ruhn
zu neuer Arbeit, zu frischem Tun.

Nur heut an meinem Geburtstag sind
sie alle gekommen aus Regen und Wind,
aus Sonne und Nebel, aus Tiefen und Höhn,
ihre alte Mutter wiederzusehn.
Herein, meine Söhne, ein Kompliment
und sagt den Leuten, was ihr könnt!

Januar Grüß Gott! Ich bin der Januar,
voll Schnee und Eis hängt Bart und Haar
Der Vetter Nordwind versteht das Blasen,
steif sind die Ohren, rot die Nasen.
Zugefroren ist See und Fluß.
Schnell! den Schlittschuh an den Fuß!
Die Eisen gleiten
durch blitzende Weiten,
in Bogen und Zacken,
das gibt rote Backen!
Hört ihr das Schellengeläut? Meine Gäste
sausen durch Schnee und Rauhreifgeäste!

Februar Grüß Gott! Ich heiße Februar,
gleiche dem Bruder fast aufs Haar,
nur trage ich gern ein Maskenröckchen,
an meiner Kappe klingeln Glöckchen.
Weil ich im Spiel und Tanzen tüchtig,
schelten sie mich vergnügungssüchtig,
spotten und lachen hinter mir her,
weil ich zu kurz geraten wär;
rufen: »Prinz Karneval,
Narren gibt's überall –.«
Doch meinen Punsch und Pfannekuchen
möchten Narren und Weise versuchen.

März Grüß Gott! Ich bin der Bruder März,
ich habe ein wildes, stürmisches Herz.
Kann mich nicht mit den Brüdern vertragen,
puste ihnen den Schnee vom Kragen.
Säubre die Wälder,
fege die Felder,
tu aus der Seele das Kalte hassen,
muß es doch oft mir gefallen lassen;
aber, bin ich erst König ein Weilchen,
grüßt ihr mit mir die ersten Veilchen,
seht ihr die Spitzen an Sträuchern und Bäumen,
die selig von künft'ger Entfaltung träumen.

April Grüß Gott! Ich bin der lust'ge April,
der immer tut, was er grade will.
Mal liebe ich's naß, mal liebe ich's trocken,
die Vögel tu ich nach Hause locken.
Schneewassergüsse
schwellen die Flüsse.
Ich aber streif' durch den Wiesengrund,
öffne der Obstblüte lieblichen Mund
und nicke den närrischen Träumern zu,
(mit ihnen steh ich auf du und du)
schickt sie nur immer, ich lehre sie lachen,
und sich aus den Plagen der Welt nichts machen.

Mai Grüß Gott! Der Mai darf kaum noch wagen
besondres von sich auszusagen.
Ich schäme mich wirklich; bin so bekannt,
wie ein bunter Pudel rings im Land.
Diese sammetlockigen deutschen Dichter!
(hole der Kuckuck das Reimgelichter)
»– der süße Mai, der entzückende Mai«
»der blütenbekränzte, der himmlische Mai –«
– mir wird ganz blümerant dabei,
denk ich an all die Dudelei.
Die Kinder lob ich, das lärmt und lacht
und feiert ganz ungereimt meine Pracht

Juni Grüß Gott! Ich werde Juni genannt,
Farben und Düfte bring ich ins Land.
Seht, wie's im Garten knospet und quillt,
Seht, wie die Frucht sich rundet und schwillt!
Vor allem muß ich die Rosen wecken,
ich küsse sie wach an Stamm und Hecken.
Sind Regen und Wind
mir wohlgesinnt
schaff ich und wirke am grünen Gewande,
halte die Hoffnung am schimmernden Bande
und pflege das Wachstum der kommenden Zeit;
wenn der Schnitter prüft – ist die Saat bereit.

Juli Grüß Gott! Erlaubt mir, daß ich sitze,
ich bin der Juli; fühlt ihr die Hitze?
Kaum weiß ich, was ich noch schaffen soll,
die Ähren sind zum Bersten voll;
reif sind die Beeren, die blauen und roten,
saftig sind Möhren und Bohnen und Schoten.
So habe ich heut wenig zu tun,
Darf mich ein bißchen im Schatten ruhn.
Duftender Lindenbaum
rausche den Sommertraum!
Seht ihr die Wolke? Fühlt ihr die Schwüle?
Bald bringt Gewitter Regen und Kühle.

August Grüß Gott! Ich bin der Monat August,
bin ernster Pflichten mir bewußt;
muß Frucht und Korn zur Ernte reifen,
meine Lieblingsmusik ist das Sensenschleifen.
Bald kommt die Ernte; der Himmel lacht,
der Segen wird in die Scheunen gebracht.
Zum fröhlichen Reigen
Jubeln die Geigen,
doch mancher steht abseits vom Taumel und denkt
des Schöpfers, der alles zum Besten lenkt,
der Ordnung bringt in den Gang der Dinge,
daß Schweiß und Fleiß auch Freude bringe.

September Grüß Gott! Ich bin der September, ich ziere
mit rotem Weinlaub eure Spaliere.
Dem Wandrer lachen auf allen Wegen
köstlich die reifenden Früchte entgegen,
die gelben und roten. Ich liebe die Ferne,
am Ufer der Meere träume ich gerne,
wo die Welle beginnt,
wo die Welle zerrinnt,
wo die Brandung braust und überschäumt
und ein Zugvogelschwarm den Himmel säumt.
Da lieg ich und grüble und suche vergebens
den Sinn des Sterbens, den Sinn des Lebens.

Oktober Grüß Gott! Ich bin der Bruder Oktober;
die Nase glänzt mir wie Zinnober,
das kommt vom Gläschengucken. Vor Zeiten
lehrt' ich die Menschen Wein bereiten,
der wurde bald ihr Lieblingsgetränke,
Jetzt kriegt man ihn in jeder Schenke.
Kommt mit zum Wein,
ich lade euch ein!
Seht, wie die Wälder sich buntselig färben,
sie wissen: ein Schlaf nur ist alles Sterben.
So kommt und trinkt und fragt nicht viel:
Das Leben ist des Lebens Ziel!

November Grüß Gott! Der November stellt sich vor.
Mir ist ergeben der große Chor
der Winde und Stürme, die das Gefilde
von Unrat säubern; und auch die Gilde
der Nebel und Wolken ist mir vertraut;
wer auf des Meeres Sanftmut baut,
wagt sein Leben, wenn ich regiere,
ich hasse den Frohsinn in meinem Reviere,
ich hasse die Sonne, hasse die Milde,
zerreiße im Felde das letzte Gebilde.
Ich liebe nur eins, wenn das Jagdhorn schallt,
hinter scheuem Wilde die Büchse knallt!

Dezember Grüß Gott! Ich bin der Dezember, und flechte
zu kurzen Tagen die langen Nächte,
Karg ist die Sonne in meinem Gezelt,
doch bring ich ins Haus eine warme Welt.
Wenn im Ofen die Bratäpfel schmoren,
flüstert es leise von Mündern zu Ohren,
gibt es ein Reden, ein Kichern und Necken,
ein Fragen und Freuen, Paketeverstecken,
ein »bitte Mama«, ein »sag doch Papa,
ist's Christkindel denn noch nicht da?«
Wenn am heiligen Abend der Tannenbaum brennt,
bin ich in meinem Element;
Hell sind die Kerzen,
heller die Herzen,
Uns kümmert nicht Kälte noch Regen und Wind;
doch denen, die arm und traurig sind,
und denen die Not alle Freude verbannt,
geben wir gern mit Herz und Hand.

Das Jahr Wohl, meine Kinder! Ihr aber denkt
an den Wechsel der Dinge und den, der sie lenkt.
Stein wird zu Sand, Lebend'ges zu Stein,
Luft wird zu Wasser, Glut zu Wein,
Frucht wird zum Samen, Samen zum Baum,
Raum wird zu Zeit und Zeit zum Raum.
Und immer rollt durchs Himmelszelt
die Erde, unsre alte Welt,
die stets verjüngt, in neuer Kraft,
fruchtbar ihr strahlendes Kleid sich schafft.
Jedoch ihr Diadem und Zier
ihr Menschenkinder, das seid Ihr!
Drum freut euch ihrer Herrlichkeit,
freut euch des Meeres, so stark und weit,
freut euch der Wälder, der Blüte, der Frucht,
freut euch der Berge mit Tal und Schlucht.
Und freut euch eurer eignen Kraft,
die der Erkenntnis Wunder schafft;
seid glücklich, daß ihr Menschen seid,
der schönste Schmuck in Gottes Kleid,
seid friedensstark, seid willensklar,
das wünscht das neue Erdenjahr!

( Sie hat den grauen Mantel abgeworfen und steht im strahlenden Kleide.)

Seid friedensstark und willensklar,
das wünscht der Monate bunte Schar!

Prosit Neujahr!Wenn sich ein Reigen an das Festspiel anschließt, fällt das »Prosit Neujahr« fort und das Jahr spricht zum Übergange folgende Strophe:

Nun reicht euch zur Wende
des Jahres die Hände
und grüßt euch mit Neigen
und schlingt euren Reigen.
Spiel auf, Musik, begleite sie,
denn alles eint die Harmonie!


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