Felix Dahn
Herzog Ernst von Schwaben
Felix Dahn

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Erstes Buch.

I.

Im Jahre eintausendvierundzwanzig vereinte das Pfingstfest ein paar geistliche Große in der Schwarzwald-Villa Eberhof des betagten Herzogs Ernst von Schwaben. In der weiten Halle des Mittelbaus stand in der Nische des einzigen großen offnen Rundbogens am Morgen des Pfingstsonntags ein Mann in reicher bischöflicher Tracht in vertrauter Zwiesprach mit einem erheblich Jüngeren im schwarzen Priestergewand, der ehrerbietig in das kluge, überlegen blickende Auge, in die feinen, scharf geschnittenen Züge des Ältern emporsah.

»Versäume nicht,« begann dieser, »die Briefe, die ich dir diktiert, – wenigstens die drei in Geheimschrift – durch verlässige Boten heute noch abzusenden.« – »Heute, bischöfliche Gnaden? An so hohem Feiertag? Da sind Botenfronden nicht zu verlangen. Ja, verboten.« – »Ich entbinde vom Verbot und bezahle die Ritte: dann sind es nicht Fronden. Es eilt, kann wenigstens eilen. Die Nachrichten von Kaiser Heinrich lassen dessen baldigen Heimgang erwarten. Vorher müssen alle Gutgesinnten sich über die Nachfolge verständigt haben. Das kostet Zeit und Mühe. Drum eile, mein Gozelo.«

Der Priester verneigte sich, dann begann er leise, nachdem er vorsichtig zum Fenster hinausgespäht, »mein hoher Hirt, ist eine Frage verstattet?« – »Frage. Ich kann mir denken . . .« – »Wohlan: weshalb habt Ihr nicht zum Nachfolger . . .?« – »Unsern Hausherrn hier ausersehn, nicht wahr?« – »Allerdings. Denn – nicht mir steht ein Urteil zu in solchen Dingen! – alle, aber auch alle Eure geistlichen Amtsbrüder, Herr Erzbischof, und fast auch alle Fürsten, stimmen überein in dem hohen Lob des alten Ernst, wie sie sagen: ihn loben seine dankbaren Bauern, seine Kirchen und Klöster, tapfer, aber friedfertig, gerecht, aber mild, weise, aber nicht arglistig, treu verlässig! . . .« – »Hör' auf,« der Erzbischof winkte mit der Hand und eine Falte zog sich zusammen auf der stolzen Stirn. »Man könnte neidisch werden. Du ahnst nicht, Freund Gozelo, wie jedes deiner Worte ihm schadet.« – »Schadet!? Sind's doch Worte höchsten Lobes.« – »Eben deshalb! Du hast ganz recht: ohne Zweifel einstimmig würde der Schwabenherzog gewählt, würde er aufgestellt oder stellte er sich selbst auf – woran sein schlichter Sinn nicht denkt. Gerade darum ist er nicht der König, den ich – vielmehr die heilige Kirche und zumal das Erzstift von Sankt Bonifacius – brauchen kann.« – »Ich verstehe nicht!« – »Merk' auf, aber schweige. Seid klug wie die Schlangen, mahnt der Herr. Wohlan! Ernst würde die Krone nur sich selber danken, keinem zu Vergelt verpflichtet sein. Der künftige König aber soll seine Krone mir verdanken – d. h. der heiligen Kirche. Und teuer, wahrlich – soll er sie bezahlen: nicht mir, nicht dem sündigen Menschen Aribo, sondern der Kirche und dem Erzstift Mainz.«

Der Priester staunte ihn an: »Ihr seid ein Meister der Gedanken. Und nicht bloß der geistlichen. – Und Ihr glaubt, er fügt sich Eurem Wahlkandidaten?« – »Ohne Zweifel – der Vater. Anders – vielleicht – der Sohn.« – »Der junge Ernst? Ja, ›Herr Hastemut‹ nennt ihn das Volk. Er ist gar feurig, gar ungestüm.« – »Auch ›Herr Hochgemut‹ könnte er heißen. Der Hitzkopf will gar hoch hinaus. Königs- und Kaiserkronen hängen dem Ehrgeizigen nicht zu hoch. Aber es hat gute Wege mit seinem Flug, solange der Vater lebt und ihn bändigt. Er liebt den Alten heiß und folgt ihm blind. So hat es keine Gefahr. Aber still – man kommt. Fort! besorge die Briefe.«

 

II.

Aus dem Innern des Hauses trat nun Hand in Hand ein Paar: eine durch blendende Schönheit mehr noch als durch prachtvolle, sorgfältig gewählte Gewandung auffallende Frau: die erste Jugendblüte war ersetzt durch die Vollentfaltung üppiger Reize: unwillkürlich ruhte auf ihr der Blick des Erzbischofs in langer Prüfung. Da traf ihn der Ruf des stattlichen Gemahls: denn das war offenbar der ältere Mann im grünen Jagdgewand, der sie an der Hand führte. »Eia, hochwürdiger Herr Erzbischof, nicht wahr, Euch gefällt sie auch? – Trotz all Eurer Heiligkeit! – Gisela, meine Frau Herzogin, die man das schönste Weib auf deutscher Erde nennt?« – »Ich kenne auch die welsche und die wendische und füge beide hinzu,« sprach Aribo sich leicht verneigend. »Vergebt mein Anstarren, hohe Frau. Aber ich habe Euch ein Jahr nicht mehr erschaut – und Ihr habt es fleißig verwendet, noch schöner zu erblühen.«

Mit unschuldigem Lächeln reichte sie ihm die weiche, wohlgepflegte Hand zum Kusse hin: »Ich würde es nicht vergeben, wenn ich Euch nicht gefiele. Ich brauche das Lob aller Männer.« – »Sogar noch ihres alten Ehemanns,« bekräftigte der. »Und nun, frommer Seelenhirt, entbindet mich von einem kirchlichen Verbot.« – »Ich errate: Jagdspeer und Jagdgewand! Ihr wollt am heiligen Pfingstfest das wilde blutige Weidwerk treiben, harmloser, wehrloser Rehe und Hirsche Blut vergießen! Ei ei, das ist den Heiligen leid.« – »Nicht doch, Erzbischof. Nicht Hirsch noch Rehlein gilt's. In aller Morgenfrüh kam mein Meier vom Ebergrundhof gelaufen, ließ mich wecken und wehklagte laut. Der grimmige Keiler aus dem Bachensul, der früher nur die Saat der Vorwerke zerbrochen, ist jetzt bis ins Herz der Meierei gedrungen, hat die Knechte und die Saurüden angenommen, drei Hunde geschlitzt und einen Ochsenbuben getötet. Die Leute wagen sich nicht mehr aus ihren Hütten. Meinen Bauern muß ich helfen: – sogleich – nicht erst übermorgen! Die Heiligen müssen schon verzeihen. Warum helfen sie nicht selbst? Reitet nach mit Frau Gisela. Auch der ehrwürdige Herr Burchard, Euer Amtsbruder von Worms, erachtet es nicht als Sünde, hinter dem Jagdzug drein zu traben, hinaus und in den wunderschönen Pfingstsonntagmorgen unsres lieben Herrgotts hinein. Kommt mit! Die Messe habt ihr ja schon gesungen. Hört Ihr die Hörner der Jägerei draußen im Hof? Sie blasen den Ebergruß. Hinaus zum edlen Weidwerk und – vor allem! – zum Bauernschutz. Der ist des Markherrn heilige Pflicht.«

 

III.

Alsbald setzte sich der kleine Jagdzug in Bewegung in dem leuchtenden Morgenschein des Sommertags. Der Frühtau war reichlich gefallen: jeder kleine Halm der Wiese funkelte und glitzerte im Sonnenlicht: die Heidelerche stieg tirilierend in den lichtblauen Himmel, immer höher und höher ihre Kreise ziehend: alles atmete Friede, Freude, heitres Leben der Natur. Ein gut Stück vorauf kam der Herzog mit den berittenen Jägern, den Treibern und den Meutewärtern zu Fuß. Es folgte eine zweite Schar geführt von zwei stattlichen Jünglingen, denen sich auf seinem Maultier ein hoher Geistlicher angeschlossen hatte. In weitem Abstand von diesem trabten langsam die Herzogin, Aribo und beider Gefolge.

»Herr Bischof Burchard, mein lieber Taufvater,« rief der jüngste der beiden Ritter – angenehm klang die helle, wohllautreiche Stimme – und warf mit anmutiger Bewegung die hellbraunen Locken zurück, »wie freu' ich mich, wie freut sich alles im Hause, zeigt Ihr wieder einmal das milde, kluge Gesicht unter uns. Von mir ganz zu schweigen: – aber der Vater, die Mutter, auch dieser viel schlimme Werner da, der sonst den frommen Herren nicht gar wohl will.«

Der Gescholtene, ein paar Jahre älter, antwortete rasch mit scharfem Ton und furchte die tiefschwarzen Brauen: »Mit Vergunst, Freund Ernst – die Frommen schätz' ich hoch: aber es sind nicht alle fromm, die geschoren sind. Die Tonsur soll dem heiligen Geist das Eindringen in das Gehirn erleichtern: – aber oft gelangt er doch nicht hinein.«

Der Bischof, ein Mann von gar ehrwürdigem, aber vor allem freundlich gütevollem Antlitz, erhob strafend den Zeigefinger der Rechten: doch das Scheltwort erstarb ihm unter einem Lächeln, als er den Jüngling in das etwas allzuscharf geschnittene, aber edle und kühne Antlitz, die blitzenden, obwohl tiefschwarzen Augen sah: »Jung Werner, jung Werner! Du lernst nicht Zucht!« mahnte er milde. – »Ah,« lachte der bitter, ja grimmig, »von wem sollte jung Werner sie lernen? Der Bastard hat keinen Vater, sagt das scheußliche Recht eures scheußlichen Reichs. Und eine Mutter zwar hat er. Aber die meine,« – hier preßte er die feinen Lippen zusammen, und strich über den Anflug des schwarzen Bartes – »die meine macht's dem Vater nach. Sie gebar mich und verschwand, diese zärtliche . . .« – »Schweig!« gebot jetzt der Bischof tief ernst. »Lästre sie nicht! Wer weiß, was sie gezwungen hat, zu verschwinden.« – »Und mein Vater?« meinte der andre, reicher gewandete Ritter »hat er nicht an dir –?« – »Vaterstelle hat er an mir vertreten,« rief der Schwarzlockige jetzt mit weicherer Stimme, ja gerührt. »Schande mir, vergäß' ich's je. Er hat den Säugling, den er, halberstarrt, eines Morgens vor dem Tore seiner Burg liegend fand, aufgehoben, hat ihn in sein Haus aufgenommen, ihn mit dem eignen Knaben, als dieser später zur Welt kam, zusammen erzogen. Er hat mir mit dem Sohn zugleich bei Kaiser Heinrich den Rittergurt erbeten und mir seine alte Feste, die efeugrüne Kiburg, zu Lehen gegeben, so daß ich niemand als ihm zu dienen habe! Also nicht Mangel ist es, was den Bastard, den Bankert ergrimmt gegen dies heilige römisch-deutsche Reich und sein widerrechtlich Recht! Nur der Haß – wider alle Natur! – gegen den eignen Vater, der mir offenbar die Mütter verführt und treulos verlassen hat. Fluch über ihn.« Und grimmig ballte er die Faust um den Schwertgriff.

»Pfui du Frevler. Weh der Sünde!« schalt nun der Bischof. »Nimm das Wort zurück.« – »Nie, solang ich lebe,« knirschte der Jüngling und erbleichte vor Erregung. – »Laßt ihn, Vater Burchard,« mahnte der Herzogsohn. »Es hilft nichts. Wie oft haben der Vater, die Mutter . . .« – »Frau Gisela,« lachte Werner. »Wenig liebt sie mich. Hat auch zu viel an die eigne Schönheit und die Kleider aus Burgund zu denken, um für andre Zeit zu haben: kaum für den Gatten und den Sohn.«

Verstimmt hob dieser an: »Wohlan, mein Vater sollte dir genügen! Ist's ein Mann!« – »Der beste, den ich kenne unter der Sonne,« rief der Bischof. »Das Herz des Kindes und des Weisen Haupt. Jedem Menschen, der ihm naht, muß er was Liebes tun: bevor ist ihm nicht wohl. Seht ihr, Knaben, darin ist er auch überlegen – dem einzigen Mann; den man ihm sonst vergleichen mag.« – »Wer ist das?« forschte Ernst eifrig. – »Ich ahne,« brummte Werner, wieder die Brauen furchend. »Ihr meint Konrad, den Frankenherzog. Ich haß' ihn.« – »Werner, es braucht viel Langmut, all deinen vielen Haß zu ertragen. Wer viel haßt, lebt nicht lang.« – »Mag ich gar nicht.« – »Ja, ich meine den Frankenherzog. Er ist klug, tapfer und willensstark, wie nur noch Herzog Ernst. Was hast du gegen ihn?« – »Was ich gegen ihn habe?« schrie Werner, vor Zorn erbleichend. »Den tödlichen Haß der Rache für gekränkte Ehre.« – »Er? Der gerechteste der Männer!« – »Der üble Höllenwirt hole ihn und seine Gerechtigkeit! Ich rede mit keinem Menschen davon, das verbreitet nur meine Schande. Aber Euch, guter frommer Bischof, will ich's sagen: – 's ist wie Beichte. Denn ein solcher Rachehaß, wie ich ihn hege, ist Sünde, ich weiß! Aber doch auch nicht Sünde: niemals bereu' ich sie, nie leg' ich sie ab. Ah, ich liebe diesen Haß mehr als mein Leben.« – »Jung Werner!« mahnte der Bischof, »Was . . ., was hat er Euch getan?« – »Den schlimmsten Schimpf: Hört nur!« – »Laßt ihn lieber schweigen,« bat Ernst »es macht ihn wütig.«

»Nein, ich will's wieder einmal aussprechen – es liegt Wollust in dem Zorn des Wehs. Er hatte – vor Jahren – ein Lanzenstechen – ausgeschrieben, nach Wirzburg auf Einladung des Bischofs Meinhart, des Rotenburgers, der sein Ohm. Alle seine fränkischen und auch die schwäbischen Ritter waren geladen: – auch ich kam, einen Tag vor dem Erstritt. Er selbst war noch nicht eingetroffen. Aber in seinem Auftrag wies mich der Ehrenherold aus den Schranken – als vaterlos. Mit Schimpf und Schande mußt' ich abreiten – zum Rennwegertor wies mich der Herold hinaus – vor allen Helmen der Lanzengäste. Wütend sandte ich ihm kampflichen Gruß auf Tod und Leben: er ließ mir sagen: des Vaterlosen Kampfgruß sei wie Spreu. Ah, da dacht' ich, sann ich, träumte ich, ihn zu ermorden.« – »Unsinniger, Unseliger,« schalt der Bischof. – »Beruhigt Euch! Ich hab's ja nicht getan. Und ich hab' es diesem Ernst da versprochen, es nicht zu tun, weil . . .« – »Weil der Herr es verbeut.« – »Nein, weil's die Ehre verbeut, dieselbe Ehre, die er mir abspricht: diese Ehre, die ich dennoch habe, und halte, rettet sein Leben.« – »Beruhige dich!« mahnte Ernst. »Kaiser Heinrich hat dich ja später gegraft, auf meines Vaters Bitten. Dadurch hat er dich ehrlich machen wollen.«

Werner zuckte die Achseln. »Ja! Nach dem Recht! Nicht nach gar mancher Männer Achtung. Auf Schritt und Tritt stoß ich auf verachtende Gebärden, wenn auch nicht Worte: – die weiß ich zu rächen! Aber schon ein scheeler Blick, wie dieser Graf Mangold, der Tugendspiegel, sie blickt, läßt mir das Blut siedheiß aufkochen. Auch jetzt noch würde mir der Franke den Zweikampf weigern. Feig ist er nicht, aber eiskalt. Er trägt an des Herzens Stelle einen Eisklumpen. Ich bin gewiß: der kann nichts lieben, nichts auf Erden.« – »Doch, kecker Scheltemund, doch! Ich kenne ihn besser! Er liebt so treu das Reich, dies vielbedrohte Reich. Ich weiß, zehnmal würd' er dafür sterben. Das Reich ist des Einsamen Liebe.« – »Sonderbarer Geschmack!« höhnte Werner. »Kann ihn nicht teilen. Aber er freilich ist dieses Reiches ein Fürst, ihm strömen dieses Reiches Ehren. Was ist es mir, was gibt es mir, dem Bastard? Nicht einmal mein Recht, mein Recht auf Ehre verschafft es mir. Ich pfeif' auf . . .« – »Schweig, Werner!« hemmte ihn Ernst heftig. »Wenn das mein Vater hörte!« – »Ja, der!« bekräftigte der Bischof. »Der und Herr Konrad, sie sind, seit der Kaiser dahinsiecht, des Reiches Stützen. Und hätten wir nicht in deinem Vater, Ernst, den gebornen deutschen König als des kranken Herrn Heinrichs Nachfolger, – wahrlich diesen Konrad müßten wir wählen.« – »Nimmermehr!« rief Werner.

Auch Ernst sah verdrossen auf den Bischof. Der ließ lange den prüfenden Blick auf beiden ruhen. »Hütet euch, ihr Voreiligen, maßlos anspruchsvollen, herrschbegierigen Knaben! Ich lese deine Gedanken aus deinen Augen, du feuergeistiger Ernst, und dieser schwarze junge Dämon schürt sie: – er ist dein guter Engel nicht.« – »Treu wie Gold ist mir Werner!« rief der Herzogsohn. – »Ich zweifle nicht. Aber es ist keine Himmelsflamme, die in ihm lodert. Beide denkt ihr schon weit hinaus über Herrn Heinrichs letzte Tage: ja ihr denkt schon hinaus über Herzog Ernst –«

Der junge Ernst errötete und wandte das Antlitz zur Seite.

»Du denkst dich,« fuhr der Bischof fort, »schon als Königssohn, ja an des Vaters Grab . . .« – »Nein, nein!« rief Ernst, aber seine Stimme schwankte. – »Du träumst dich schon als deutschen König, als König von Burgund – kraft des Erbes deiner Mutter – ja als römisch-deutschen Kaiser, der die Krone nahm zu Rom.« – »Und recht hat er in alle dem! Und nicht Träume sollen's bleiben, wahr soll alles werden! Bei meinem Schwert!« Und klirrend schlug Werner an die Scheide.

»Nicht doch!« bat Ernst. »So . . . so ist das nicht, teurer Bischof. Gott ist mein Zeuge – an meines Vaters Tod, den ich mehr liebe als – als – auch als die schöne Mutter! – hab' ich noch nie mit Erwartung, geschweige mit einem Wunsch gedacht. Das ist es nicht, nicht Herrschgier. Aber was anderes: ich kann es kaum in Worte fassen: die feurige Gier nach Abenteuer, Kampf und Sieg. Ja, Burgund, das leugne ich nicht, ersehn' ich, bald, rasch: ist es doch – du sagst es – meiner Mutter Erbe. Was ist mir König Rudolf von Burgund, meiner Mutter Oheim, was sein Neffe, Graf Odo von Champagne? Fremd sind mir beide, hab' sie nie gesehen! Ja, ich ersehne den Tag, da ich besteigen darf, ein König, den goldenen Thron des reichen Burgund.« – »Und wenn wir vorher Herrn Odo herunterstoßen müssen, desto besser,« lachte Werner.

»Ja: vieler Völker Länder und Städte durchziehen – in Güte oder in Kampf – wie Lyon und Paris, so Rom, ja das vom Schimmer der Sage umstrahlte Byzanz, Ruhm gewinnen, fabelhafter Schätze Glanz: ja, das ersehnt glühend – ich berg' es nicht – mein heißes Herz.« – »Und wenn wir in diesen schönen Landen nicht nur wie abenteuernde Ritter fahren, nein, als Könige herrschen, ebenfalls desto besser!« rief Werner. – »Sprich, trefflicher Bischof – auch du warst jung – kannst du die Jugend dessen tadeln?«

Bevor Burchard antworten konnte, erscholl lautes Geläute der Rüden am Saume des Waldes vor ihnen und der Ton des Hifthorns. Eilend sprengten alle nach vorn.

 

IV.

Ein paar hundert Schritt vor ihnen zweigte von der breiten Landstraße zur Linken in den dichten Wald von Tannen und Buchen hinein ein schmaler Reitpfad ab – nur für je ein Pferd gangbar: denn zu beiden Seiten des erhöhten Weges ragte undurchdringlich Schilf- und Binsen- Wuchs aus tiefem, schwarzgrünen Moor, das Roß und Reiter würde verschlungen haben. So konnten denn die Jäger nur allmählich hintereinander in das dichte Gestrüpp und Unterholz des Waldes dringen. Ein blutiger Anblick erwartete sie. Drei, vier der starken Eberhunde, die das Wild aus einer Suhle aufgescheucht, in jene Waldblöße getrieben, hier gepackt und gedeckt hatten, waren von dem Ebertier abgeschüttelt worden: es hatte sich mit den Gewehren losgeschlagen: sie lagen mit aufgerissenen Gedärmen, tot oder sterbend, umher, der Keiler war dann wieder in dem Tannicht verschwunden, bevor die Jäger ihn erreicht hatten; sie verteilten sich nun und suchten in verschiedenen Richtungen die Spur.

»Hie Sauspur! Hieher,« scholl da die Stimme des Herzogs von rechts her. Nun waren auch sein Sohn und die andern zur Stelle. Der Herzog wies mit der Saufeder über einen tiefen Waldgraben hin: »Dort, rechts, in dem Moorbruch!« Und er gab dem mächtigen Friesenhengst die Sporen; gehorsam setzte der an und nahm glücklich den Graben, aber jenseits scheute er vor dem heranfahrenden Untier, sprang seitwärts und brach zusammen, den Reiter auf dessen linker Seite unter sich begrabend. Und schon rannte der Eber auf den wehrlos Liegenden: – ein schriller Schrei – dann Stille.

»Mein Vater!« – »Herr Herzog!«

Schon waren beide abgesprungen, schon standen sie vor dem Eber. Der Herzogsohn warf sich auf ihn und stieß ihm den Speer in das Blatt, aber der Schaft zerbrach in den starken Borsten, das Tier rannte, die Waffe im Leibe, den Helfer an und warf ihn mit einem Schlag in den Unterschenkel rücklings um. Jedoch Werner sprang vor den Wunden und bohrte dem schäumenden Tier den breiten Saufang dicht hinter dem Schädel ins Genick: lautlos verendete der Borster. Unter dem Jagdgefolge befand sich der Bader des Dorfes; er untersuchte die Wunden des Sohnes und des Vaters; jene fand er unerheblich, aber über diese sprach er kein Wort: er gebot nur, aus den Tannenzweigen eine Bahre zusammenzufügen, auf der der bewußtlose Herzog aus dem Wald auf das freie Feld hinausgetragen wurde; der Sohn selbst trug mit an dem Kopfende. Als die nächste offene Stelle vor dem Gehölz erreicht war, und die Sonne die Augen des Wunden traf, schlug er sie auf und gebot: »Laßt mich hier sterben. Denn es ist so. Wo – wo bleibt Gisela? Sie verläßt mich im Tode!«

Erst jetzt erreichte die Herzogin mit Aribo diese Stelle. Laut aufschreiend glitt die Frau aus dem Sattel und warf sich auf die Kniee neben dem Wunden. Der tastete nach ihrer Hand. »Ja, Frau, jetzt geht's zum Scheiden. Das Gefolge laßt zurücktreten: ich hab' euch andern noch was zu sagen. – Euch, ihr frommen Bischöfe, empfehle ich, eurem Schutz, eurer Fürsorge meine Witwe, meinen Sohn, auch diesen Werner – den Vaterlosen. Du, Ernst, bist ein guter Bub', hast ein edles Herz, aber dein Blut! Dein heißes, ungestümes, wildes Blut und der jähe Zorn bei jeder – ach! oft nur eingebildeten – Kränkung. Höre des Vaters letztes Wort: bändige diese Hitze des Herzens. Gehorche deiner Mutter, mahnt sie dich dieser meiner Worte, folge nicht dem Werner da: – wohl ist er dir treu, ich weiß, bis in den Tod! Allein er ist wie jenes dein heißes Blut, das Mensch geworden wäre. Du aber, geliebte Frau, vernimm meine letzte Bitte: sie verlangt viel, aber es muß sein. Ich fürchte, ich war doch wohl schon zu alt, zu ernstbedächtig für deine blühende, lebenstrotzende, lebendürstende Jugend, als vor so viel Jahren . . . ach, ich habe nicht mehr viel Zeit, viel Worte! Ich muß zu Ende eilen – ohne Schonung. – Ich kenne dich besser als du dich selbst. Es wird dir öd werden in dem Witwenstuhl – gar bald.« – »Niemals!« – »Aber ich beschwöre dich, versprich mir – siehe, der strudelköpfige Bub' bedarf der Leitung – dir wird er folgen, leichter als diesen Bischöfen. Lebe für ihn, lebe dieser Mutterpflicht, diesem heiligen Amt allein: nur du kannst ihn . . . Ach ich . . . ich kann nicht ruhig sterben, bin ich dein nicht sicher. Ich, ich gebiete dir. Weh, das kann ich nicht. Aber ich bitte dich: schwöre mir, nur Ernst zu leben, nicht wieder dich zu vermählen . . .« »Ernst, mein Ernst! Wie kannst du . . .?« – »Sie tut es nicht,« flüsterte Werner Aribo zu. »Ihr werdet sehen, sie schwört nicht.« – »Und wenn sie schwört,« erwiderte dieser ebenso leise, »wird sie's halten? Ein solcher Eid . . .« – »Aber Vater,« bat Ernst, »wie kannst du glauben? Nach dir, dir, du . . .« – Aber der Sterbende drängte: »Schwöre, schwöre mir's . . . vor diesen Zeugen.« Und er richtete sich mit letzter Kraft halb auf, erhaschte wieder ihre Rechte und hob sie empor: da reckte sie drei Finger in die Höhe und schluchzte: »Ich schwöre.« – »Dank! So mag ich in Frieden sterben – sterben wie ein rechter Herzog soll . . . in dem Schutz meines Volkes. Gott, dir empfehle ich meine Seele!« Und er atmete tief auf und starb.

 

V.

Am folgenden Tag ward die Leiche nach der nahen Cella Gottesruh verbracht, die der fromme Herzog erbaut und zu seiner Grabstätte – wie zu der seiner Gemahlin – bestimmt hatte. Diese fühlte sich zu schwach, auch nur die kurze Strecke zurückzulegen: sie blieb – unter vielen Tränen – in der Villa zurück, während die beiden Bischöfe, welche die Einsegnung übernommen hatten, mit den beiden Jünglingen und den Dienstmannen aufbrachen zu dem traurigen schweigenden Zuge.

Nicht gar weit war der – langsamen Schrittes der Pferde – gelangt, doch hörte man schon deutlich das Sterbeglöcklein der Kapelle klagen, als vom Westen her auf einem Seitenpfade zwei Reiter heransprengten so rasch die Gäule rennen konnten: bald waren sie heran. Der Vorderste – ein Geistlicher – rief laut: »Herr Erzbischof, haltet an.« – Bischof Burchard sprach verweisend: »Archidiakon! Wie könnt Ihr so lärmen und den Trauerzug stören? Seht Ihr nicht, wir bergen eine Leiche.«

Aber Aribo forschte eifrig: »Was ist's, Gozelo? Ist's wichtig?« – »So wichtig, Herr, wie nichts auf Erden! Lasset die Toten ihre Toten begraben! Wendet das Rößlein und folgt mir rasch!« – »Was ist? Rede!« – »Kaiser Heinrich ist gestorben in seiner Pfalz zu Grona und die Fürsten strömen zusammen an den Rhein zur Königswahl. Eilt, Herr Erzbischof.«

Da gab Aribo seinem Pferd die Sporen, daß es stieg, und riß es seitwärts nach links aus der Reihe des Zuges dicht neben Gozelo und dessen dienenden Begleiter. »Wohin, Herr Bruder?« fragte Burchard staunend. – »Ihr könnt fragen? Zur Königswahl!« – »Und Eures Freundes Leiche?« – »Bestattet sie allein. Ihr braucht mich nicht dazu. Und er auch nicht.« – Werner ballte in stummem Zorn die Faust. – »Ist das Eure Freundschaft für den Vater?« mahnte Ernst. – »Was Freundschaft! Es gilt die heilige Kirche, ihr Recht, ihre Macht, ihren Vorteil. Soll ein Ungehorsamer ihr Schirmherr werden?« Schon sprengte er hinweg mit Gozelo: schon umhüllte sie die Staubwolke der Landstraße. Traurig, kopfschüttelnd, verfolgte der Bischof den Weg nach der Kapelle.

 

VI.

Nicht eher als bis die Gäule den raschen Trab versagten, zog der Erzbischof den Zügel, ließ den Rappen Schritt gehen und winkte die beiden an seine Rechte und Linke heran. »Wie, wo, wann erfuhrst du's?« fragte er, noch außer Atem, den Archidiakon.– »Noch nicht weit war ich gekommen auf der Rheinstraße von der Villa hinweg, als ich diesen Boten traf mit der Trauernachricht!« – »Bote? Wer hat dich geschickt?« – »Die Kaiserin-Witwe, Kunigundis, die hohe Frau. Sobald ihr Herr die Augen geschlossen hatte, hieß sie mich satteln und vor allen Fürsten des Reichs Euch herbeiholen: der heiligen Kirche und ihren eignen besten Berater, sagte sie.« – »Sie selbst wird bald eine Heilige sein,« nickte Aribo. – »Sie wußte, wo Ihr weiltet, und befahl, Euch zurückzurufen nach Mainz, so rasch als möglich.« – »Die Gute, Vielkluge! Sag', weißt du vielleicht, wo Konrad weilt, der Herzog von Franken?« – »Ich verließ ihn bei der hohen Witwe.« – Erfreut nickte der Erzbischof. »Und der andre, der jüngere Konrad, der von Worms?« – »Das weiß ich nicht. – Man flüstert in der Pfalz, dieser, der Jüngere, trachte auch nach der Krone.« – »Auch? Was soll das heißen?« – »Ei nun, Herr Erzbischof, manches Wort, das die Herrschaften sprechen, sickert doch bis auf uns in die Halle der Dienstmannen herab. In den langen Wochen, da es mit dem Herrn Kaiser zu Ende ging, haben die Großen und wir Kleinen doch oft geflüstert, wer ihm wohl folgen werde.« – »Nun, und was habt ihr dabei herausgeklügelt, groß und klein?« – »Vor allem hieß es: ganz ohne Zweifel der prächtige Herr Herzog, den sie soeben zu Grabe führen, wie ich bestürzt vernahm von den Trägern. Welch' Unheil für das Reich!« – »Ja, ja! – Aber nach ihm, wer wurde nach ihm genannt?« – »Die beiden, nach denen Ihr fragtet: die beiden Konrade. Aber freilich hieß es, beide haben wie viele Freunde, viele Widersacher: einstimmig werde wohl keiner gewählt werden und das Schwert zwischen ihnen entscheiden müssen.« – »Da sei Gott vor! Gott und ich: das heißt, die heilige Kirche! Kommt, laßt die Rößlein wieder traben,« – »Sie können's kaum schon wieder, Herr!« warnte Gozelo. – »Mein Brauner da ist der beste Läufer der Frau Kaiserin. Sie lieh mir ihn. Reit' ich ihn zu Schanden . . .« – »So ersetze ich's. Vorwärts! Trab!«

 

VII.

In dem stolzen Bischofshaus zu Mainz, das unmittelbar an die Rückenmauer des altehrwürdigen Domes stieß, stand in eine Fensternische gelehnt Aribo in tiefem Gespräch mit einem gar stattlichen Manne, der den über mittelgroßen Erzbischof noch erheblich überragte. Nicht Mann, nicht Weib konnte sich dem gewinnenden und gewaltigen Eindruck dieser Heldengestalt, des schönen, männlich ernsten Antlitzes, dieser klugen, kühlen, durchdringenden blauen Augen entziehen. Die krausen Locken des kastanienbraunen Haares waren ziemlich kurz gehalten wie auch der volle Rundbart gleicher Farbe. In der Fülle männlicher Kraft und Schönheit stand er da, vom goldenen Licht der Abendsonne umleuchtet, das sich auf der reich geschmückten Plattenbrünne spiegelte. Er hatte die letzten Worte des Erzbischofs mit tiefem Nachdenken in sich aufgenommen: nun hob er – nach längerem Schweigen – an: »Ich kann Euch kaum noch widersprechen, ehrwürdiger Herr Bischof. Ihr wißt: – Ihr kennt mich lang'! – das Wohl des Reichs, des viel zerklüfteten ist einzig meine Liebe. Und nichts als dies: nicht meines Geschlechtes Glanz oder Reichtum, nicht meine eigne Herrschaft, meines Namens Ruhm: bei Gott, der in dieser Stunde auf uns beide und in unsere geheimsten Gedanken schaut.« – »Ich weiß es, Herzog Konrad.« – »Das ärgste Unheil, welches das Reich treffen könnte, wäre ein abermaliger Kampf um die Krone. Ihr habt mich nun wirklich überzeugt durch Eure klugen Worte, daß nur ein einziger unter den Fürsten des Reichs, wenn er mir den Thron bestreiten wollte, Aussicht hätte, Anhänger genug um sich zu scharen.« – »So ist es! Weder der greise Heinrich von Bayern, noch Dietrich von Oberlothringen, noch Gozzo von Niederlothringen, noch Adalbero von Kärnten, noch der schwertwunde Bernhard von Sachsen . . .«

Da unterbrach der Herzog: »Wäre der wackere Schwabe doch nicht zur ungelegensten Zeit gestorben! Wahrlich, Gut und Blut hätt' ich für ihn eingesetzt. Aber es wäre gar nicht nötig gewesen: Alle hätten ihn als den Würdigsten erkannt und berufen. Was ist's mit dem Knaben, seinem Sohn? Ich kenn' ihn nicht. Sollte er sich Hoffnung machen?« – »Ihr spottet,« lachte Aribo. »Der Knabe – mit Recht sagt Ihr so und sprecht ihm damit jede Hoffnung ab. Alle jene Herzoge, die Euch willig nachstehen, würden den Knaben nicht als ihren Lehnsherrn anerkennen. Er soll heil froh sein, verleiht Ihr ihm auf seine Mutung das Herzogtum seines Vaters.« – »Das würde ich sicher tun. Er soll ein gar begabter, feuriger Junge sein.« – Der Bischof zuckte die Achseln: »Ja, ja! Nur allzu feurig.« – »So bleibt denn,« fuhr der Herzog fort, »nur ein gefährlicher – das heißt dem Reich durch den Kronkrieg gefährlicher – Wettbewerber übrig: Konrad von Worms.« – »Ja, der würde freilich Anhang finden. Die beiden Lothringer und der Sachse würden lieber ihn als Euch wählen.« – »Ich weiß! Wegen altvererbten Haders unsrer Häuser.« – »Für sich haben sie keine Aussicht, aber den Wormser würden sie gern stützen. Deshalb, Herzog« – hier zupfte er ihn leis am Mantel – »muß dafür gesorgt werden, daß der Wormser gar nicht gegen Euch auftritt.« – »Ja, wer soll das bewirken?«

»Ihr selbst. Und ein wenig dabei helfen werd' ich.«

Gespannt, ja mißtrauisch sah ihm Konrad in die kleinen, zwinkernden Augen. »Was will er dafür haben,« dachte er, »Der tut nichts umsonst. Und auch nichts für das Reich. Sein Reich heißt Rom – und Mainz.«

Des andern langes Schweigen beunruhigte den Priester. »Ich hab' einen guten Plan,« fuhr er fort, »einen ganz sicheren. Vorausgesetzt, daß nicht einer ihn vereitelt – ein arger Ränkeschmied.«

Hoch auf horchte Konrad, sich gespannt aufrichtend: »Das ist?« – »Piligrim, mein übler Nachbar zu Köln.« – »Aha,« dachte der Herzog. »Sie streiten ein Jahrzehnt lang grimmig um Allerlei. Aber der Kölner ist grundehrlich. – Und nicht noch andere Eurer Amtsbrüder,« fragte er nun, »z. B. Burchard von Worms?« – »Jawohl! Wie gut kennt Ihr Eure geheimen Widersacher!« – »Und dann Gerbodo von Hildesheim, nicht?« – »Euch erleuchtet der Herr! Ja freilich.«

Konrad verbarg nicht ohne Mühe seine Erregung. »Die besten Männer, meine treuesten Freunde,« dachte er. Nun sprach er bedächtig, »man muß sich vorsehen gegen schlaue, falsche Priester.« – »Da habt Ihr leider recht. Nicht alle sind wahrhaftig und . . .« – »Verlässig,« schloß jener, gelassen den Bart streichend. »Aber Euer Plan?« – »Geduld! Davon erst wann der Wahltag heran, wann der Wormser eingetroffen und ein wenig von mir bearbeitet ist.«

»Jawohl,« dachte Konrad. »Er will zwei Eisen im Feuer haben: bietet ihm der andre mehr, dann . . .« »Wie Ihr wollt,« sprach er nun ruhig. – »Ich lobe Eure Fügsamkeit, Euer Vertrauen: bewahrt mir beide als König, mein Sohn. Hört noch eins. Von großem Wert wäre es, für Euch zu gewinnen, die fromme, fast schon heilige Witwe Herrn Heinrichs: Kunigundis, die hohe Frau.« – Der Herzog nickte: »Man weiß, Ihr seid ihr nahe befreundet.« – »Ich will mit ihr sprechen – zu Euren Gunsten, aber erst, nachdem der Wormser eingetroffen.« – »Ich verstehe,« meinte Konrad. »Es ist eine Versteigerung der deutschen Krone,« grollte er in stummer Empörung: »dem Meistbietenden schlägt er sie zu.« – »Nämlich die Kaiserin mag leicht ihren Bruder, den Bayer, bewegen für Euch zu stimmen.« – »Oder für den andern, je nachdem,« sprach der Herzog mit einer Ruhe, die Aribo erstaunte. – »Ja . . . ja freilich. Aber außerdem hat Frau Kunigundis – ich weiß es!« – »Von ihr selbst,« nickte jener. – »Den Besitz der Reichsabzeichen: Krone, Scepter, Schwert, Reichsapfel. Ist sie nun gleich nicht wahlberechtigt, kann sie doch jene Kleinodien dem Gewählten vorenthalten oder übergeben, wem sie will. Und Ihr wißt, bei den letzten Königswahlen ward hierauf schwer Gewicht gelegt.« – »Ich weiß. Und ich weiß leider auch, daß die Gottselige mir nicht gerade gewogen ist.« – »Ah! Meint Ihr?« – »Nein, ich meine nicht: ich weiß. Und Ihr – Ihr wißt es auch. Ich weiß auch warum. Ich bin ihr nicht fromm, nicht kirchenfromm genug. Ich habe wiederholt widersprochen in Herrn Heinrichs Rat, wollte sie allzuviel Reichsgut ihren Stiftungen zu Bamberg zuwenden. Sie grollt mir.« – »Nun, sie ist mein Beichtkind. Ich werde ihr diese Sünde verbieten. Und dafür könnt Ihr auch etwas tun. Die heilige Kirche . . .« – »Ich weiß. Sie hungert und friert immer.« – »Seid Ihr erst König . . .« – »Dann werd' ich nicht knausern. Ich werde der Kirche, meiner Mutter, alles zuwenden, was der Staat, mein Vater, entbehren kann: das dürft Ihr auch der Kaiserin versprechen. Lebt jetzt aber wohl. Eure Worte haben mich mehr erregt – mehr und auch anders! – als Ihr ahnt. Ich muß allein sein. Und ins Freie! Luft!«

Aribo sah ihm mit Siegesblick nach: »Herrschgieriger Tor! Er ist der klügste Laie, den ich kenne. Und doch ging er auf die Leimrute der Ehrsucht.«

 

VIII.

Am folgenden Tag traf neben zahlreichen andern fürstlichen Wählern auch Konrad von Worms in Mainz ein. Sein erster Gang galt dem Erzbischof, dem Wahlmacher, dem Kronenschmied, wie er gar bald in diesen Kreisen genannt wurde. Zu gleicher Stunde wie am Vortag der andre Konrad stand er an derselben Fensternische und bekam auch so ziemlich die gleichen Worte, nur den Umständen angepaßt, zu hören. Aber der lebhafte, ja hitzige Rotkopf nahm sie ganz anders auf als der zehn Jahre ältere, in ruhiger Überlegenheit gefestigte: kurzgewachsen mußte er zu dem Priester emporblicken: unstät blitzten die kleinen Augen: jeder Widerspruch, ja schon jedes Bedenken reizte ihn zu heftigem Ausbruch.

»Nein,« rief er, jenem in die Rede fallend, »nichts, gar nichts will ich von einer Gegenleistung an Eure schon überreiche Mainzer Kathedrale hören. Seit hundert Jahren haben all' meine Vorfahren das Erzbistum beschenkt. Soll von Gegenleistung die Rede sein, so ist's nun an Euch und den Heiligen, sie zu gewähren. Und wofür soll ich Entgelt leisten? Ich hab' ein Recht auf die Krone. Wer hat ein besseres? Der Franke? Bah, ich bringe mehr Wähler und – muß es sein – mehr Helme auf meine Seite. Und das entscheidet, nicht Eure Stimme, hochwürdiger Herr.«

»Junger Tor,« dachte der Bischof unter einem grimmen Lächeln die Gedanken verbergend, »hattest du je Hoffnung auf die Krone, mit diesen Worten hast du sie begraben.« Aber er sprach: »Nun ja, als tapferer Degen seid Ihr allbekannt. Allein Ihr zählt vielleicht manchen zu Euren Freunden, der Euch bei der Wahl wie bei dem Waffengang im Stiche läßt. Auch der andre Konrad ist . . .« – »Ein Held, niemand bestreitet das.« – »Und es wäre doch fürs Reich ein arges Unheil . . .« – »Wohl, wohl! So wendet Eure Beredsamkeit, die berühmte, dazu an, den andern zum Verzicht zu bewegen.« – »Dazu reicht sie denn doch nicht aus. Voller Verzicht? Ist zuviel verlangt. Und Ihr kennt doch seinen steten, starken Willen. Hat er einmal ein Ziel – und ein so hohes! – sich vorgesteckt, gibt er es freiwillig nicht auf.« – »Ja, ja, so ist er,« rief der Kleine und machte einen unruhigen Gang durch das Gemach. – »Nur ein Mittel gibt es, ihn davon abzubringen.« – »Das wäre?« – »Nicht wahrlich die Furcht.« – »Weiß ich! Weiß ich ja. Was aber?« – »Die Liebe zum Reich. Sie ist die stärkste Macht in seiner Seele: – viel stärker, fürcht' ich, als die Liebe zur heiligen Kirche. Stellt man ihm nun eindringlich dar, – und das übernehme ich für Euch! – daß Euer Kronstreit das Reich schwer schädigen würde, – was die Wahrheit ist, so ist er – vielleicht – zu einer Art von Vergleich, von friedlicher Entscheidung zu bringen.« – »Vergleich? Nein. Ich geb' nicht nach!« – »Sollt Ihr auch nicht. Hört doch nur: ich rate euch beiden, euch dahin zu verständigen: König soll werden, wer die zuerst abgegebene Stimme erhält: dem soll sofort der andre die zweite Stimme geben und ihm huldigen.« – »Ei, Tod und Teufel! Und erhält er die erste, dann . . .?«

Da trat Aribo ganz dicht an ihn heran: »Er erhält sie nicht. Ihr erhaltet sie.« – »Stimmt Ihr zuerst diesmal?« – »Nein! Wir drei Oberhirten von Mainz, Köln und Trier wechseln ab. Diesmal trifft es Trier.« – »Poppo von Trier!« frohlockte der Hitzige. »Hei, mein bester Freund! Des bin ich sicher. Ja, ja, den Vergleich nehm' ich an.«

Mit bitterem Hohn, dem er sich mit Lust hingab, lächelte der Priester auf ihn herab: »Seht Ihr nun, wie gut ich's mit Euch meine? Wohlan, ich übernehme auch die Vermittlung: darf ich in Eurem Namen diesen Vergleich vorschlagen?« – »Gewiß! Gern! Wenn er nur darauf eingeht!« – »Das laßt meine Sorge sein. Ich bring' Euch Bescheid, sobald ich ihn gesprochen. Die Stunde drängt: – laßt mich zu ihm eilen.«


Alsbald stand der Erzbischof vor dem älteren Konrad in dem »Frankenhof«, einem seit geraumer Zeit der Sippe des Frankenherzogs gehörigen Eckhaus des Fischmarkts, in vertrauter Zwiesprache. Ruhig, ohne ein Wort des Einwurfs hörte der Herzog ihn zu Ende: dann erhob er sich langsam von dem breiten Faltestühl und machte einen zögernden Gang durch den Saal. Jetzt blieb er mit gekreuzten Armen vor jenem stehen und hob an: »Gut versteht Ihr es, – im Beichtstuhl habt Ihr's gelernt! – der Seele empfindlichste Stelle zu treffen. Ihr, wißt seit lange: meine, des unbeweibten Mannes, Liebe ist dies Reich der Deutschen. Und erschütternd habt Ihr sie ausgemalt, die schrecklichen Folgen, die dieser Kampf herbeiführen kann, ja sicher wird. Ungarn, Polen, Böhmen im Osten, der Däne kommt vom Norden und als König von England im Nordwesten, der Westfranke und der Burgunde von West und Süd: – sie werden über uns herfallen, hat der Bürgerkrieg beide Parteien erschöpft. Gibt es daher ein Mittel, das – ohne Unehre – den Kampf vermeiden läßt, ist mir's Pflicht, solchen Ausweg zu beschreiten. Aber sagt wer wird der erste Wähler sein? Doch nicht etwa einer meiner offenen Widersacher? Doch nicht etwa . . .? Aber nein, schweigt! Ich will's nicht vorher wissen. Nur den einen schließ' ich aus: – nicht Poppo von Trier, mein alter Feind, des Wormsers nächster Vertrauter.«

Nun erhob sich langsam auch Aribo von seinem Stuhl und sprach: »Ich lob' Euch darum, daß Ihr nicht weiter fragt: das ist wacker. Und zur Belohnung versprech' ich Euch: nein, Poppo von Trier wird nicht der erste Wähler sein. Ich wünsche Euch Glück im voraus zu der deutschen Krone. Auf Wiedersehen morgen bei der Wahl.«

 

IX.

Ort und Zeit dieser Wahl zu bestimmen, war Sache des Reichserzkanzlers für Germanien, d. h. Aribos, des Erzbischofs von Mainz. Er hatte dazu nicht die eigne Stadt ausersehn; sie würde die Menge des überallher zusammenströmenden Volkes nicht gefaßt haben; deren Kopfzahl war ganz unberechenbar: denn noch hatte jeder vollfreie unbescholtene waffenreife Mann das Recht, zu wählen, wenn auch tatsächlich schon seit geraumer Zeit die Masse der kleinen Freien fern blieb in der Erkenntnis, daß auf ihre Stimmen nichts mehr ankam, vielmehr eine Art Vorwahl, eine Verständigung unter den mächtigsten oder ehrgeizigsten geistlichen und weltlichen Großen den künftigen König bezeichnete. Den Kleinen blieb nur noch übrig, den so von den Vornehmen in einer Basilika, einer Pfalz Festgestellten, ward er nun von den auf die Vortreppe Heraustretenden vorgeschlagen, durch lärmenden, ungeregelten Zuruf mit Waffengetöse zu begrüßen und anzunehmen.

Immerhin kamen damals noch viele Freie aus der Nachbarschaft des Wahlorts, auch wohl ferner Wohnende, die einen Wunsch, eine Klage, eine Beschwerde dem Neugewählten vorzutragen hatten. So wogte denn auch diesmal eine große Menge Volkes auf den weiten flachen Ebenen, die sich um das Dorf Kamba dehnte, das auf dem rechten Rheinufer im Rheingau gegenüber Oppenheim lag: es ist längst eingegangen. Die Felder auf beiden Ufern des Stromes boten den Fürsten, deren zahlreichen Gefolgen und den kleinen Freien bequeme Lagerung unter Zelten oder Laubhütten. So lagerten die Angehörigen der einzelnen Stämme, wie der Strom ihre Heimatlande schied: die Sachsen, die Ostfranken, Bayern und Schwaben auf dem rechten, die linksrheinischen Franken, dann die Ober- und Nieder-Lothringer auf dem linken Ufer. Die Bischöfe und Reichsäbte dagegen waren mit ihrer geistlichen Begleitung wie die Kaiserin-Witwe in den zahlreichen, dem Erzbischof und der Stadt gehörigen Gebäuden untergebracht.

Bei klimmender Sonne schon begann das Zusammenströmen der Wähler in dem Dörflein, dessen kleine Kirche freilich nicht einmal alle Bedeutenderen der Erschienenen aufzunehmen vermochte; manche sogar von diesen drängten sich vor der offenen Pforte auf den Stufen der Vortreppe und unten auf dem ›Dorf-Ring‹, wo sich dann der große Haufe anschloß. Durch die nach Osten gerichteten glaslosen Bogenfenster und die offene Türe flutete das goldne Morgenlicht des schönen Sommertages, die reichen Rüstungen, die Prunkgewande der weltlichen und der geistlichen Fürsten hell beleuchtend. In dem mittleren Hintergrund – der Apsis der kleinen Basilika – war ein Holzgerüst aufgeschlagen, das, durch ein paar Stufen erhöht, halb Kanzel, halb Thron, dicht mit scharlachenen Decken behangen, den Leiter der Wahlhandlung, Aribo, aufnahm. Erheblich tiefer – auf dem Estrich – auf den Bänken zur Rechten und Linken saßen die vornehmsten geistlichen und weltlichen Fürsten: zur Rechten der ältere, zur Linken der jüngere Konrad: – der erwiderte kaum den freundlichen, obzwar bemessenen Gruß des andern – der alte Herzog Heinrich von Bayern, Friedrich von Oberlothringen und die Erzbischöfe und Bischöfe von Köln, Metz, Straßburg, Wirzburg, Bamberg, Hildesheim, Konstanz, Salzburg, Regensburg, Freising, auch einige der Reichsäbte. Die geringeren Priester und Laien füllten stehend den ganzen Raum des Kirchleins.

Mit einem kurzen Gebet, in dem der heilige Geist zur Erleuchtung der Wähler und Reinigung ihrer Herzen angerufen ward, eröffnete Aribo feierlich die Wahl. Nach dem Amen wollte er unmittelbar fortfahren, aber der jüngere Konrad schnellte von seinem Sitz zur Linken empor und flüsterte zu ihm hinauf: »Wo bleibt er? Wo bleibt der Trierer?« Mit kaum merklicher Handbewegung winkte ihm der Erzkanzler, sich zu beruhigen: – aber unbeschwichtet setzte er sich als jener begann: »Rechtzeitig und gehörig geladen sind alle Fürsten und alles Volk der Deutschen an diesen Ort und zu dieser Stunde, sich den König zu wählen, der das Heinrich, dem in Gott ruhenden Kaiser und König, entsunkene Scepter aufnehmen soll, ein Schirmherr zu sein der heiligen Kirche im ganzen Abendland: – das ist seine erste, heiligste höchste Pflicht! – Dann ein Schützer und Vogt aller im Reiche, die eines Schützers darben: vor allem der Priester des Herrn, dann der Pilger zu den heiligen Stätten, der Armen, der Witwen und Waisen: dann erst soll er gedenken seiner weltlichen Pflichten, Recht und Ehre des Reiches zu wahren. Ich habe den Wählern hoch Erfreuliches zu künden: gar oft schon ist auf die Wahl blutiger Bürgerkrieg gefolgt; die überstimmten Wähler, sich den der Zahl nach mehreren an Waffenmacht gleich erachtend, haben wohl den von jenen Erkorenen nicht anerkannt, mit Gewalt dem eignen Liebling die Krone zuwenden wollen. Diesmal kommen, wie männiglich bekannt, nur zwei Bewerber um die Krone in Betracht: die beiden Konrade hier zu meiner Rechten und zu meiner Linken. Wohlan, Gott hat ihre Herzen erleuchtet mit Friedfertigkeit: sie haben sich versprochen, der, welcher die erste Stimme erhält, soll sofort die zweite von dem andern erhalten, soll von diesem als König anerkannt werden. Ist dem so, ihr edlen Fürsten?« – »So ist es,« rief, sich erhebend, der Ältere laut. Zögernd folgte der Jüngere: noch einen suchenden Blick warf er auf die Reihe der Bischöfe: »So ist es!« bejahte er nun besorgt. Lautes Beifallrufen aller Versammelten drang durch die Kirche.

»Wohl denn: so bekräftigt das unter euch allein gegebene Wort nun hier vor allem Volk durch feierlichen Eid.« – »Es ist überflüssig,« sprach der Ältere: »Mein Wort ist wie Eid. Aber ich schwöre.« – Da konnte der Jüngere nicht zurückbleiben – angesichts der Stimmung aller Wähler: – »ich schwöre,« sprach er mißmutig.

»Nach altem Herkommen, neuerlich durch Vertrag unter uns drei Erzbischöfen bekräftigt, wechseln wir drei in der Abgabe der ersten Stimme: Mainz war an der Reihe bei Herrn Ott's des Dritten Wahl, Köln bei der Herrn Heinrichs: so trifft es nun den Sitz Trier.« – »Jawohl,« rief der rote Konrad: »aber wo ist Poppo?« Und nochmals sah er ringsumher. Da zog Aribo ein Pergament aus dem Bruststück der purpurnen Sutane und sprach: »Unser Bruder Poppo ist, wie er betrübt heute meldet, erkrankt und kann nicht reisen. In dieser Urkunde räumt er ausdrücklich – was sich ohnehin von selbst versteht – mir die Vertretung seines Rechts bei dieser Wahl ein: – war Mainz doch nur der Vorletzte, Köln der Letzte, – Ich darf voraussetzen, daß alle Wähler damit einverstanden sind.« – Da riefen alle: »Ja, jawohl!« Laut riefen sie: aber am lautesten der junge Konrad: sein Antlitz strahlte.

Als sich der Widerhall der Kirchenmauern gelegt hatte, steckte Aribo die Urkunde ein und sprach mit fester Stimme: »So wähl' ich Konrad . . .« Er hielt etwas inne: dann erst fuhr er fort: »Konrad den Älteren, den Herzog der Ostfranken.«

Und fast alles erhob sich mit lautem Beifallsrufe: denn die Wahl war nach dem Wunsch der meisten: nur die Lothringer aus beiden Herzogtümern schwiegen: und in ihre Reihen stürmte der Wormser, grell schreiend: »Ah, Verrat, Betrug!« Und zitternd vor Zorn stürzte er aus der Kirche.

Der Gewählte aber wehrte die Glückwünschenden ab und stieg eilig die paar Stufen zu dem Erzbischof hinauf: »Was schreit er da? Was wagt er zu sagen? Habt Ihr ihm versprochen . . .?« – Aber ruhig und kühl schüttelte der Priester das kluge Haupt und flüsterte: »Nicht mit einer Silbe habe ich versprochen, ihn zu wählen. Wie konnt' ich? War ich doch von je für Euch. Betrug? Ei, er wollte Euch betrügen! Er wußte – oder glaubte doch zu wissen – sein Freund Poppo werde zuerst wählen: nur deshalb, des Sieges sicher, schloß er den Vertrag mit Euch.« – »Das ist wider Treue und Ehre!« rief der König ungehalten, »und vollgültig meine Wahl.« Er schritt nun die Stufen hinab und drückte den sich herandrängenden Fürsten die Hände.

Aribo flüsterte aber Gozelo zu, der, den lang nachschleppenden Bischofsmantel aufhebend, ihm die Stufen herabsteigen half: »Das freilich darf der König nie erfahren, daß ich schon vorher Herrn Poppo – er ist ganz gesund! – sein Ausbleiben und diese Vollmacht abgekauft hatte um schweres Geld. Nun, der Herr König wird's dem Erzbistum zurückzahlen müssen. Und mehr dazu.« – »Aber der Wormser? Wird er schweigen?« – »Er wird! Sonst muß er aufdecken, daß er den andern hat betrügen wollen. Und seit wann ich des Trierers schwere ›Krankheit‹ schon wußte, das erfährt von Herrn Poppo niemand: am wenigsten der Wormser, den er schon lange verkauft und verraten hat.«

 


 


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