Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siebentes Kapitel.

Zwei Monate waren vergangen, seitdem ich in jener stillen Nacht unter der Führung Mr. Thorolds ins Lager von Yellagode gekommen war, und wie viel Leiden, Abschiedstränen und Todesqualen hatte ich während dieser Zeit mit angesehen! Daß ich dabei einen umfassenden Einblick ins Leben und Empfinden der Eingeborenen gewinnen konnte, läßt sich denken, und tiefe, aufrichtige Hochachtung, ja Bewunderung erfüllte mich angesichts der Geduld und mutigen Ergebung, die die meisten meiner Patientinnen an den Tag legten. Wohl mochte diese Ergebung eine Folge ihrer fatalistischen Lebensanschauung sein, jedenfalls war aber ihre Dankbarkeit für jeden, auch den kleinsten Dienst, wahrhaft rührend.

Mr. Thorold hatte ich schon längere Zeit nicht mehr gesprochen. War ich ihm auch schon vor jenem erregten Gespräche mit Mrs. Manuel aus dem Wege gegangen, so versteckte ich mich seither vollends vor ihm. Niemals wagte ich es, meinen abendlichen Spaziergang auf die unser Lager umgebende Ebene anzutreten, ehe ich ihn nicht auf seinem feurigen Araber in entgegengesetzter Richtung hatte davongaloppieren sehen.

Und doch ist er der Held meines Liebestraumes gewesen! Oder war es am Ende jener zweite unfreiwillige Helfershelfer Watty Thorolds, der meine schlummernden Gefühle durch die seinen Briefen entströmenden Zauberworte geweckt hatte? Jedenfalls war ich von allen törichten Liebesträumen für jetzt und immer geheilt. Grau und gestaltlos lag die Zukunft vor mir. Nun hieß es mutig den Kampf ums Leben aufnehmen.

Sobald ich zur Krankenpflegerin angenommen worden war, hatte ich an Mrs. Berners nach Punah geschrieben und ihr meine Lage auseinandergesetzt. Ich war darauf gefaßt gewesen, daß sie ihr Anerbieten sofort zurücknehmen würde, und hatte mir vorgenommen, mich acht oder vierzehn Tage irgendwo in Quarantäne zu begeben und sie dann zu bitten, mir beim Suchen einer andern Stellung behilflich zu sein. Somit war ich nicht wenig überrascht, folgenden freundlichen Brief zu erhalten.

»Liebe Miß Ferrars!

Mit großem Bedauern habe ich die Nachricht von Ihrem Mißgeschick und der Verzögerung Ihrer Reise vernommen. Es war wirklich ein schlimmer Zufall, der Sie mitten in die pestkranke Gegend führte, aber nun Sie einmal da sind und so tapfer im Spital arbeiten, kann ich nicht anders, als Ihren Mut bewundern und Sie darum beneiden. Diese Handlungsweise sieht einer Freundin meiner lieben Mrs. Evans, die im gegebenen Falle genau ebenso gehandelt hätte, recht ähnlich. Jedenfalls aber hoffe ich, daß Sie zu mir kommen werden, sobald Sie Ihrer Pflichten ledig sind. Ich habe zwei kleine Mädchen, die ich gern in Ihre Obhut geben möchte. Daß Sie all Ihre Sachen vorher desinfizieren und die im Lager gebrauchten verbrennen lassen sollten, bedarf wohl keiner Erwähnung, und wenn Sie sich dann noch etwa acht Tage unterwegs in einem der von der Regierung gestellten Quarantänebungalows aufhalten, so wird wohl keine Ansteckungsgefahr mehr bestehen. Immerhin aber bitte ich, Ihren Arzt darüber zu befragen, da man in solchen Fällen ja nicht vorsichtig genug sein kann. Bitte schreiben Sie bald wieder und lassen Sie mich wissen, wann ich Sie erwarten darf.

Mit freundlichem Gruß
Ihre Annie Berners.«

Da die Pest täglich abnahm und eine Baracke um die andre niedergerissen und verbrannt wurde, mußte auch ich bald entlassen werden. Mrs. Manuel und ihre Gehilfinnen konnten jetzt recht gut ohne mich fertig werden, und so beschloß ich, meine Vorbereitungen zu treffen und meine Abreise anzukündigen. Zu diesem Zweck war es unvermeidlich, Mr. Thorold aufzusuchen und ihn zu bitten, er möge mir ein Ochsenfuhrwerk verschaffen.

Eines Nachmittags, als ich auf meinem gewohnten Spaziergang begriffen war und all diese Dinge bei mir erwog, sah ich plötzlich, als hätten meine Gedanken ihn herbeigerufen, Mr. Thorold im Galopp auf mich zu reiten. Er hatte mich aus weiter Ferne entdeckt, und nun gab es kein Entrinnen mehr. Da ich ihn aber ohnedies sprechen mußte, so hielt ich ruhig stand.

»Guten Abend, Miß Ferrars!« rief er mir entgegen. »Immer hoffte ich, Sie einmal anzutreffen, aber Sie sind ja stets so geschäftig und weichen mir mit einer Geschicklichkeit aus, die es unmöglich macht, Ihrer habhaft zu werden.«

Er stieg ab und hielt mir die Hand hin, indem er mich prüfend ansah.

»Ich möchte gern mit Ihnen reden,« begann ich verlegen.

»Das freut mich unendlich. So oft ich mit Ihnen reden wollte, hieß es: Miß Ferrars ist in Anspruch genommen. Wissen Sie auch, daß ich Sie seit Ihrer Ankunft kaum ein halbes dutzendmal zu Gesicht bekommen habe?«

»Nein,« antwortete ich kühl. »Ich habe ... wir alle haben ja so schwer zu arbeiten gehabt.«

»Jedenfalls haben Sie Großartiges geleistet, Miß Ferrars. Sie sind die geborene Krankenpflegerin. Doktor Fraser ist voll begeisterten Lobes über Sie, und Erasmus' Gunst haben Sie sich im höchsten Maße erworben, was viel heißen will.«

»Allerdings,« konnte ich nicht umhin einzustimmen, »aber nur, weil ich ihn an seine erste Frau erinnere.«

»Na, das nenne ich ein Kompliment!« rief er und brach in helles Lachen aus. »Die Arbeit ist übrigens, wie ich vorausgesagt hatte, nicht spurlos an Ihnen vorübergegangen,« fügte er mit plötzlichem Ernst hinzu.

Dies war freilich wahr. Ich fühlte es an meinen schmerzenden Gliedern und sah es tagtäglich an meinem mageren Gesicht und den tiefliegenden Augen.

»Diese Arbeit machte mir Freude,« antwortete ich kurz.

»Das Schlimmste ist ja nun überwunden, ja, ich glaube sogar, daß wir bald das ganze Lager abbrechen können. Die Pest verschwindet gewöhnlich ebenso rasch, als sie kommt, und in kurzem blüht uns allen eine wohlverdiente Ferienzeit. Von übernächster Woche an werden Sie frei sein.«

»Das war es, worüber ich mit Ihnen reden wollte. Ich will nämlich nach Punah gehen und meine Stelle antreten.«

»So ist sie also für Sie offen gelassen worden?« rief er sichtlich überrascht.

»Ja, Mrs. Berners hatte die Freundlichkeit.«

»Mrs. Gordon Berners? Ihr Mann steht bei den Pionieren?«

»Das weiß ich nicht einmal.«

»Sie ist eine gute kleine Frau; sicherlich ist es dieselbe. So werden Sie also nach Punah gehen?«

»Ja, wenn möglich schon nächsten Montag.«

»Gut, ich werde alles für Ihre Reise vorbereiten. Die Tonga habe ich zurückerobert, worauf ich sehr stolz bin; der unglückliche Kutscher aber ist tot.«

»O der arme Mann! Das tut mir leid!«

»Ich wollte, ich könnte Ihnen beweisen, Miß Ferrars, wie dankbar ich Ihnen bin ... wie dankbar wir alle für Ihre Hilfe sind! Wenn Sie es gestatten, werde ich Ihren Namen bei der Regierung in Erwähnung bringen, und ...«

»Ich bitte dringend, so etwas zu unterlassen,« unterbrach ich ihn hastig. »Es wäre mir geradezu unangenehm.«

»Ganz, wie Sie wünschen,« versetzte er gelassen. »Da Sie sich also keine Ehrenbezeigung erweisen lassen wollen, so entschließen Sie sich dafür vielleicht, selbst eine auszuteilen?«

Da ich nicht antwortete, fuhr er fort: »Doktor Fraser hat nämlich häufig den Wunsch geäußert, Sie und Mrs. Manuel zu uns zum Essen einzuladen. Ich habe ihm aber immer abgeraten.«

»Das war ja recht liebenswürdig,« entgegnete ich spöttisch. »Warum hemmten Sie ihn denn in seinem gastfreundlichen Drange?«

»Weil ...« Er zögerte und sah auf seine eleganten Reitstiefel herab. Dann fuhr er, mir plötzlich voll ins Gesicht sehend, fort: »Weil ich das Gefühl hatte, daß Ihnen eine Zusammenkunft mit mir nicht angenehm wäre. Ich weiß, daß meine Person Sie an ein peinliches Erlebnis erinnert, überdies sehe ich zum Unglück meinem Vetter Watty ähnlich, der sich als erbärmlicher Schuft erwiesen hat. Ich verdanke ihm zwar schon manche Widerwärtigkeit, so toll aber hat er es doch noch nicht getrieben. Deshalb begreife ich sehr gut, daß allein schon mein Anblick Ihnen verhaßt sein muß. Wäre Watty nicht gewesen, so hätten wir beide wohl gute Freunde werden können. Natürlich weiß ich sehr gut ...«

»Ich bitte, lassen Sie die Vergangenheit ruhen,« bat ich mit glühenden Wangen. »Wenn Sie mir einen Gefallen tun wollen, so spielen Sie nie wieder auf diese entsetzliche Zeit an. Was war es, um das Sie mich bitten wollten?«

»Daß Sie Sonntag zu uns zum Abendessen kommen, Sie und Mrs. Manuel. Die Aufhebung des Lagers soll durch ein kleines Fest gefeiert werden.«

»Sehr freundlich, allein es wird wohl nicht gut möglich sein. Erstens einmal können Mrs. Manuel und Doktor Fraser sich nicht recht vertragen, und dann habe ich auch kein Kleid, und dann ...«

»Gut, gut, Miß Ferrars,« fiel er mir rasch ins Wort: » eine Entschuldigung genügt.«

Ich glaubte einen Augenblick, er sei beleidigt, allein ich täuschte mich, denn ein Lächeln huschte über sein hübsches Gesicht, und er sagte: »Da Sie meine erste bescheidene Bitte abschlugen, wollen Sie mir dafür eine andre gewähren? Wollen Sie mir von Punah aus schreiben?«

»Und das nennen Sie eine bescheidene Bitte?«

»Nun, jedenfalls eine demütige Bitte. Ich möchte so gern hören, wie es Ihnen ergeht. O schlagen Sie mir diese Gunst nicht ab. Mein Vetter trägt die Schuld, daß Sie in Indien ohne Heimat sind, und es würde mein Gewissen bedrücken, wenn ich Sie aus meinem Gesichtskreis entschwinden ließe.«

»Wie könnten meine belanglosen Angelegenheiten wohl Ihr Gewissen belästigen?« antwortete ich kühl. »Überhaupt kann hierbei doch das Gewissen nicht in Betracht kommen.«

»Meinen Sie? Nun, das Gewissen einer Frau mag anders beschaffen sein, als das des Mannes. Wir beide verstehen überhaupt nie ganz unsre gegenseitigen Gesichtspunkte, und das ist wohl auch mit der Grund, warum wir uns immer wieder Interesse einflößen.«

»Es ist doch wohl besser, Sie sprechen in der Einzahl, denn was mich anbelangt, so gibt es keinen Mann auf der Welt, der mir Interesse einflößen könnte.«

»Das will ich gern glauben,« antwortete er rasch. »Die Enttäuschung, die Sie erlebt haben, war zu grausam. Diese Ihre Ansicht kann aber einen Mann nicht hindern, Interesse an Ihnen zu nehmen.«

Wir waren jetzt in der Nähe des Lagers angelangt, und während er mir dieses Kompliment machte, blieb er plötzlich stehen und sah mich fest an, worauf er in leiserem Tone fortfuhr: »Ich möchte wohl wissen, ob Sie je vergessen können, daß ich sein Vetter bin, und mir das Unrecht, das er Ihnen angetan hat, nicht nachtragen?«

»Und ich möchte wissen, ob Sie es über sich gewinnen könnten, mir eine wirkliche Gefälligkeit zu erweisen?« entgegnete ich, hingerissen von der Eingebung des Augenblicks, denn die Erinnerung an jene Unterhaltung auf der Veranda hatte mich plötzlich wieder vollständig überwältigt.

»Tausend für eine!«

»Es handelt sich nur um eine einzige, und zwar eine sehr kleine.«

»Was mag es sein? Jedenfalls dürfen Sie sie im voraus als gewährt betrachten. Mir tut nur das eine leid, daß sie nur klein sein soll.«

»Sie besteht darin« – ich blieb vor der Tür der Frauenabteilung stehen –, »daß Sie vom nächsten Montag an aufhören, sich meines Daseins zu erinnern.«

»Was?« rief er laut und erschrocken.

»Ja, vergessen Sie mein Gesicht und meinen Namen. Es ist eine kleine, leicht zu erfüllende Bitte, die mir im voraus gewährt worden ist.«

»Das Verlangen ist weder klein, noch leicht zu erfüllen,« antwortete er nach einer Pause. »Eines aber habe ich jetzt einsehen gelernt, Miß Ferrars« – in seinen durchdringend auf mich gerichteten Augen blitzte es eigentümlich auf –, »daß Sie hart und unversöhnlich sind und ich Ihnen als Sündenbock dienen muß.«

Diesmal war er nun entschieden beleidigt, mich aber hatte dieser unvermutete Angriff vollständig der Sprache beraubt; nicht nur heftig, sondern schroff war er mir begegnet. Aber auch ich konnte unhöflich sein; so machte ich keinen Versuch, seine Meinung zu bekämpfen, sondern wandte ihm den Rücken und verschwand in der Frauenabteilung.

*

Am Montag war alles gepackt. Ich hatte mich von jedermann verabschiedet, auch Mrs. Manuel versprochen, ihr zu schreiben. Mit einem neuen Kleide angetan – die Sachen, die ich während der Pflege getragen hatte, waren verbrannt worden –, stand ich zur Abreise bereit. Vor der Tür wartete meine alte, mit neuen Ochsen bespannte Tonga, auf der meine sämtlichen Koffer bereits Platz gefunden hatten.

Nicht wenig überrascht war ich aber, als ich die Entdeckung machte, daß mir anscheinend ein feierlicher Abschied bereitet werden sollte. Eine Menge Menschen hatte sich vor dem kleinen Krankenhause versammelt. Sämtliche Pflegerinnen mit Doktor Fraser und Mrs. Manuel an der Spitze umringten die vollständig wiederhergestellte Ajah und mich, als wir aus der Türe traten. Doktor Fraser hielt eine kurze Ansprache und drückte meine Finger dabei so fürchterlich, daß ich hätte aufschreien mögen. Mrs. Manuel schloß mich wiederholt in ihre Arme, Erasmus hing mir einen Kranz häßlicher gelber Ringelblumen um den Hals und beschenkte mich mit einer goldgelben Zitrone, dem Höchsten, was er zu vergeben hatte. Die Pflegerinnen verehrten mir einen ungeheuren Rosenstrauß und die Patientinnen eine riesige Jasmingirlande. So überladen wurde ich mit Blumen, daß ich niemand mehr eine Hand reichen konnte, und als ich dann endlich halb begraben unter meinen Kränzen und Girlanden glücklich neben der Ajah in unsrer Tonga gelandet war, wußte ich nicht recht, ob ich in einem Hochzeits- oder einem Leichenwagen saß.

Alle hatten sich von mir verabschiedet, nur Mr. Thorold nicht, unter dessen Führung ich schüchtern und zu Fuß nach Yellagode gekommen war. Nun fuhr ich in einem blumengeschmückten Triumphwagen fort, und er brachte mir weder eine Gabe, noch sagte er mir Lebewohl. Ich schloß daraus, daß ich ihn aufs tiefste beleidigt hatte, und in die Freude über den herzlichen Abschied mischten sich Gewissensbisse. Nichts im Leben ist eben vollkommen, keine Freude ganz ohne bitteren Beigeschmack; irgendwo muß uns der Schuh immer ein klein wenig drücken.

In diesem besondern Falle aber wurde der Druck bald gemildert, denn nachdem wir etwa drei Meilen weit gefahren waren, entdeckte ich plötzlich zu meiner großen Überraschung Mr. Thorold zu Pferd im Schatten eines Thekabaumes.

»Guten Morgen,« sagte er näherreitend. »Ich komme, Ihnen zu sagen, daß Sie den Postwagen bereit finden werden.« Er hielt einen Augenblick inne, dann fügte er hinzu: »Ich wünsche Ihnen Glück und sage Ihnen Lebewohl, doch nicht auf Wiedersehen, da wir uns ja nie wieder begegnen sollen.«

»Ich war neulich wohl sehr unhöflich gegen Sie,« stammelte ich, ihm die Hand entgegenhaltend. »Es tut mir leid.«

»Wenn es Ihnen wirklich leid tut, so beweisen Sie es durch die Tat,« sagte er, meine Hand ergreifend. »Welches Zeichen Ihrer Reue haben Sie mir anzubieten?«

»Das hier.« Rasch machte ich einen Jasminzweig los und warf ihn ihm zu.

Mr. Thorold drückte ihn halb zum Scherze, halb ernsthaft an die Lippen und befestigte ihn dann sorgfältig an seinem Rock.

»Wie reich geschmückt Sie sind! Man könnte glauben, Sie führen zu einer Blumenschlacht.«

»Allerdings, und nicht auf eine Eisenbahnstation. Übrigens ist keine Zeit mehr zu verlieren.«

»Nun denn also, auf Wiedersehen!« Er nahm den Hut ab und griff nach den Zügeln.

»Ja, auf Wiedersehen! Auf Wiedersehen!« rief ich heiter, und während unser Ochsenpaar schwerfällig weitertrottete, galoppierte Mr. Thorold auf seinem Vollblutaraber in der entgegengesetzten Richtung davon.

So wurde ich langsam dem Orte meiner Tätigkeit entführt, und neugierig fragte ich mich, was für eine Rolle mir wohl jetzt im Leben zufallen werde. Ich hob die Segeltuchklappe im Hintergrund des Wagens auf, um noch einen letzten Blick nach Yellagode zurückzuwerfen, und da sah ich, daß Mr. Thorolds Galopp nur von kurzer Dauer gewesen war. Er hatte sein Pferd zum Stehen gebracht und hob sich jetzt von der breiten, öden Straße wie ein malerisch schönes Reiterstandbild ab. Offenbar sah er uns nach, und ich fühlte, wie das Blut mir in die Wangen stieg, als sich mir die Überzeugung aufdrängte, daß ich es war, der sein Blick galt. Nun, viel zu sehen war jedenfalls nicht. Denn konnte es wohl etwas Häßlicheres und weniger Anziehendes geben als die Rückansicht einer langsam fortschwankenden Ochsentonga?

Als ich dann den Vorhang fallen ließ und mich umwandte, fragte mich die Ajah mit kläglicher Stimme: »Warum hat Miß Sahib Thorold Sahib den Jasmin gegeben?«

»Um ihm zu zeigen, daß wir im Frieden auseinandergehen,« antwortete ich kurz. – Wollte Mary-Ann sich am Ende gar als meine Gardedame aufspielen?

»O weh, o weh!« jammerte sie. »Die englischen Missies keine Ahnung haben, aber Eingeborene es gut wissen: es ist die Totenblume!«


 << zurück weiter >>