Otto von Corvin
Die Geißler
Otto von Corvin

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Allerlei Prügelkuren

Nachdem wir des Wunderbaren aus alten und neuen Zeiten nun schon so viel vernommen, dürfen wir kaum noch besonders erstaunen, die Schläge, wodurch die Frommen ihre Seele vom Bösen befreiten, auch als eine Art Universal-Heilmittel gegen die Uebel des Leibes empfohlen zu hören. In der festen Erwartung, daß ich es nicht mit blindgläubig nachahmenden, sondern mit denkenden Lesern zu thun habe, will ich eine Anzahl merkwürdiger Berichte aus dem siebzehnten Jahrhundert, gesichtet, geordnet und in unsere heutige Sprache übertragen, hier wiedererzählen.

Zahnweh.

Der Diener eines Obersten wurde lange von heftigen Zahnschmerzen gequält. Da gab ihm sein Herr, als er einmal viel getrunken hatte und auf den Diener ärgerlich war, eine kräftige Maulschelle auf die schmerzende Backe. Darauf erfolgte ein heftiges Zahnbluten, der Schmerz vergrößerte sich anfangs, ließ aber bald nach und verzog sich völlig.

Einem Jäger, der keinen Tag nüchtern war, stieß einmal seine Frau aus Versehen das Branntweinglas um. Das erbitterte ihn so, daß er aufsprang und ihr, trotzdem sie an starken Zahnschmerzen litt, eine derbe Ohrfeige hieb. Auch hier kam Anfangs viel Blut; aber die Schmerzen vergingen dann.

Einem Pfarrer, der verdrießliche Zahnschmerzen hatte, wurde gerathen, sich tüchtig in Schweiß zu bringen. Er hoffte das mit Arzneien bewirken zu können, aber vergebens. Badestuben waren auch nicht in der Nähe. Da verfiel er darauf, einige grobe Holzkloben zu spalten. Dabei sprang ihm ein scharfer Spahn mit Ungestüm gegen die Backe, in der er den meisten Schmerz hatte, so daß ihm Hören und Sehen verging. Ja, es war ihm ein Zahn herausgebrochen und er konnte ihn leicht herausziehen. Aber von der Zeit an waren seine Zahnschmerzen verschwunden.

Scharbock oder Skorbut.

Der soeben erwähnte Pfarrer behielt, gleichsam aus Dankbarkeit für die Heilung von Zahnschmerzen, das Holzspalten bei und bediente sich dieser Uebung auch mit Erfolg gegen den Scharbock.

Ein Bauer, der auch vom Scharbock geplagt war, gebrauchte dagegen eine seltsamere Kur. Nachdem er reichlich Wermuth gegessen und Branntwein getrunken hatte, legte er sich nackt in der heißen Stube auf den Bauch und ließ seinen halb erwachsenen Sohn in Strümpfen ihm auf den Rücken springen und darauf herumtanzen. Nachdem das eine Weile geschehen war, drehte er sich um, und nun wurde der Tanz auf seinem Bauche fortgesetzt, was er aber nicht ebenso lange ausgehalten haben soll, wie den Tanz auf dem Rücken. Dennoch wiederholte er beides ein paar Mal, nahm dann noch recht viel Branntwein zu sich, ließ sich warm zudecken und schwitzte wie ein Gaul. Diese Kur gegen Scharbock hatte er in Lappland gelernt von Einem, der sie oft an sich ausführte und ein alter Mann dabei wurde.

Seitenstechen.

Ein Bauer sollte für seinen adligen Herrn Briefe wegtragen Er entschuldigte sich mit Seitenstechen. Der Herr nahm es aber für Faulheit, prügelte ihn mit der Riemenpeitsche bis aufs Blut, und binnen wenigen Stunden verloren sich die Schmerzen. Der Edelmann aber, als er hörte, daß er dem Bauer unrecht gethan, schenkte ihm den ganzen Jahreszins. worüber der Bauer die erhaltenen Schläge desto eher vergaß.

Brustgeschwüre.

Ptolemäus Phalerus hatte ein Brustgeschwür. Als er jedoch eine Wunde an der Brust erhielt, wurde er von jenem Uebel befreit.

Jaso Phereus hatte lange Zeit eine Eiterbeule (Apostem) in der Brust, was auf keine Weise sich heilen lassen wollte. Da bekam er einmal einen derben Hieb; hiervon ging sein Geschwür auf, und er blieb am Leben.

Kropf.

Es wird erzählt, wie in verschiedenen Fällen, wo Menschen an Kröpfen litten, heftige Stöße gegen den Kropf erfolgten, er davon aufgegangen und außer Eiter auch viele Würmer oder Läuse herausgekrochen sein sollen, und so wäre der Kropf denn vergangen.

Eine Frau hatte einen garstigen Kropf. Den vertrieb ihr eine Zigeunerin auf folgende Weise. Sie machte aus Eschenholz kleine Stäbchen, schabte die Rinde ganz ab und klopfte mit diesen Stäbchen den Kropf Morgens um fünf, Mittags um zwölf und Abends um sieben Uhr. Dazu bestrich sie sowohl den Kropf als auch die Stäbchen über und über mit einem geheimnißvollen Oel. Hernach band sie ein Tuch um den Kropf. Jeden Abend warf sie die gebrauchten Stückchen in's Feuer. Dabei mußte die kranke Frau während dieser ganzen Kur aus der Hirnschale einer mannbaren Jungfrau trinken. Der Kropf aber verzog sich wirklich. Als man die Zigeunerin fragte, warum sie das Beklopfen gerade zu jenen Stunden vorgenommen, antwortete sie: des Morgens um fünf zur Erinnerung an die fünf Wunden Christi, des Mittags um zwölf zum Andenken an die zwölf Apostel, und des Abends um sieben aus Achtung für die sieben Sakramente.

Beulen, Blattern und Geschwüre.

Ein Bauer in Pferdsdorf bei Eisenach hatte eine roth unterlaufene und ihn recht verunstaltende Beule am Halse. Aber er war ein eifriger Ackersmann, und so ging er wieder einmal aufs Feld, um zu sehen, ob sein Sohn auch den Pflug recht führe. Die vor den Pflug gespannte Stute hatte ein Füllen, das lief neben ihr her. Da kommt ein Edelmann über das Feld geritten und mit ihm sein Hund gelaufen. Dieser jagt hinter dem Füllen her und hetzt es bald hier- und bald dorthin. Um den Hund zu verscheuchen, wirft der Bauernsohn den mit Eisen beschlagenen Stock, womit er immer die Pflugschar abschlägt, nach dem Hunde. Aber er trifft unglücklicher Weise seinen Vater, und zwar gerade an die Beule, so daß es tief hinein ging und er zu Boden fiel. Nur langsam erhob er sich wieder und wurde heimgebracht. Seine Halsplage jedoch wurde er nun allmälig los, nur daß er den Kopf zeitlebens etwas schief hielt. Aber er lebte danach noch lange und verrichtete seine Arbeit mit Vergnügen.

Elidaeus von Padua, wenn er bei den Kindern das Eintreten von Blattern befürchtete, hieb sie mit Nesseln, damit die Blattern desto eher und glimpflicher überstanden würden.

Ein Tagelöhner-Kind von drittehalb Jahren klagte mehrere Tage lang der Mutter mit Winseln und Weinen sein inneres Leid. Die Mutter wußte nicht, was das zu bedeuten hatte. Nun trieb sie grade ihr Schweinchen aus und hatte dazu ein Bündel frisch gepflückter Nesseln in der Hand. Wie nun das Kindchen in höchster Ungeduld sich auf keine gütliche Art beschwichtigen lassen wollte, da hob ihm die Mutter das Hemdchen auf und gab ihm mit den Nesseln einige Klapse. Noch am selben Tage brachen bei dem Kinde die Blattern an vielen Stellen aus, aber das Kind kam glücklich davon.

Ein Anderer wußte allerhand äußere Schmerzen und Geschwülste nicht besser zu vertreiben, als indem er tüchtig darauf schlug. Das half mehr als alle Pflaster. – Galen empfiehlt als Mittel gegen Geschwüre kleine und glattgestrichene Ruthen, damit soll man so lange auf die betreffende Stelle losklopfen, bis eine kleine Anschwellung entsteht.

Podagra.

PaulliniKristian Frantz Paullini, Flagellum salutis ... Frankfurt am Main, in Verlegung Friedr. Knochens. 1698, Diesem merkwürdigen Werke entnehme ich die meisten der hier angeführten Beispiele. erzählt von seinem Vater, wie er auf Rath eines Landpfarrers am ersten Ostertag, am Johanmis- und am Egidientag früh vor Sonnenaufgang in aller Stille kleine Haselruthen schneiden ließ. Das mußte auf einen Schnitt geschehen, und zwar mit einem neuen Messer, auf dem drei Kreuze standen und mit dem noch nichts Anderes geschnitten war. Diese Ruthen wurden so hingelegt, daß die Sonne darauf schien. Wenn nun den Mann das Podagra am ärgsten heimsuchte, dann ließ er sich von einem Knaben mit jenen Ruthen schlagen, und zwar womöglich bis auf's Blut. Paullini hat häufig seinem Vater diesen seltsamen Liebesdienst erweisen müssen und nur dann Schelte bekommen, wenn er zaghaft schlug. Davon bildete sein Vater sich ein, manchmal Erleichterung der Schmerzen zu haben. Dauernd hat es jedoch nicht geholfen, denn er hat sich mit jener Plage bis zur Grube geschleppt.

Ein Geistlicher hatte gegen seine häufigen und mitunter lange anhaltenden Gichtschmerzen im Fuß alles Mögliche versucht, aber umsonst. Da verfiel er darauf, sich, wenn es am meisten schmerzte, mit frischen Birkenreisern heftig, ja bis auf's Blut schlagen zu lassen. Danach steckte er die Füße in frischen oder doch aufgewärmten Kuhmist. Wenn er sie eine Weile drin stehen hatte, so fühlte er die Schmerzen nachlassen oder sich ganz verziehen.

Fieber.

In Kurland kurirten die Bauern das Fieber auf dreierlei Art: erstens durch Erschrecken, zweitens durch Baden und drittens durch Schläge. In den Badestuben schwitzten sie so sehr, wie nur möglich, und liefen dann dampfend hinaus. Im Sommer liefen sie nach dem nächsten fließenden Wasser, wo sie sich bis an den Hals hineinsetzten; im Winter in den Schnee. Darin wälzten sie sich nackt herum, sprangen dann wieder in die Badestube, und das drei Mal hinter einander. Hiernach verging meistens das Fieber. Das dritte Mittel, die Schläge, wendeten namentlich Herren bei ihren Knechten an. Sie prügelten sie bis auf's Blut. So verging aber, wie man uns versichert, ihre Krankheit, und sie brauchten weder Arzt noch Barbier noch Apotheker. – Auch von einer Nonne wird umständlich beschrieben, wie ein anhaltendes Fieber ihr durch Schläge geheilt worden sei.

Ein elfjähriger Knabe litt mehrere Wochen hindurch am Tertian-Fieber. Da es sich meist gegen Abend einstellte, glaubten die Eltern, das Kind ruhig zur Schule gehn lassen zu können. Auch waren sie froh, daß sie den Tag über vor ihm Ruhe hatten. Allein der Junge zog sich auch die Unzufriedenheit seines Lehrers zu, dermaßen, daß dieser einmal, von der Krankheit nichts wissend, ihn über die Bank legte und nur desto ärger auf ihn losschlug, je mehr er zappelte. Als der Kleine heimkam, klagte er dem Vater sein Unglück. Der eilte entrüstet zum Advokaten und wollte dem Schulfuchser was einbrocken. Da indessen das Fieber nach diesem Vorfall ausblieb und sich's von Tag zu Tage mit dem Jungen besserte, änderte der Vater seine Denkweise, zog seine Klage nicht nur zurück, sondern sagte dem Lehrer noch Dank und bekräftigte diesen durch Uebersendung einer Butterpretzel.

In Hildesheim war eine Magd mit diesem Fieber behaftet und davon dermaßen entkräftet, daß sie zu keiner Arbeit mehr taugte. Die Frau gab ihr ein vom Arzte verschriebenes Pulver; aber sie wollte es nicht einnehmen. »Nimm's,« sprach die Frau, »oder packe dich aus meinem Hause! Denn dein Eigensinn ist ganz allein Schuld, daß deine Krankheit sich so hinzieht.« Endlich nahm es die Magd; aber kaum hatte sie's untergeschluckt, da gab sie es schon wieder von sich. Sie hatte hierbei der Herrin das Kleid arg besudelt, und dafür erhielt sie ein paar ausgesucht saftige Maulschellen. Aber die halfen: von Stund an blieb sie vom Fieber befreit.

Ein starrköpfiger Viehhirt hatte sein Tertian-Fieber durch Genuß einer großen Schüssel voll Gurken, wonach er Ziegenmilch trank, derart verwandelt, daß es nun zweimal täglich wiederkehrte. Es raubte ihm allen Appetit, und so ruhte er nicht, bis er es vollends vertrieben hatte. Da ihm nun jedesmal, wenn das Fieber kam, zuerst der Rücken weh that, so glaubte er, das Uebel stecke im Rücken, da sollte es nun hinausgetrieben werden, und dazu schienen ihm Schläge das geeignetste Mittel. So umspannte er denn einen Baum und gebot seinem Jungen, der mit ihm hütete, ihm den blanken Rücken mit Ruthen zu peitschen. Mitten in seinem Schmerze rief er: »Schla, schla up den Düwel!« Nachdem sie das Beide müde geworden waren, zog der Alte sein Hemd wieder an, legte sich unter einen Eichenbaum und schlief. Er fühlte wohl einige Schauder, aber es ließ sich ertragen. Es erfolgte nicht Hitze, wie sonst, sondern nur Schweiß, das Wasser lief ihm herunter, wie wenn er aus dem Bade stiege. Und nachdem er die Ruthe nochmals gebraucht hatte, blieb das Fieber ganz weg. Er bekam einen Durchfall und war in Kurzem gesund. Wenn man ihn fragte, wie er sich geheilt habe, so schloß er seine Erzählung mit der allerdings bibelwidrigen Moral: »Düweln mut man mit Düweln vertrieben.«

Der Sohn eines Kaufmanns in Hildesheim war schon fünf Monate lang vom Quartan-Fieber heimgesucht worden. Nichts wollte helfen. Da rieth ihm ein guter Freund, er solle, wenn der Anfall im Anzuge sei, sich mit dem Rücken gegen den Kamin stellen und so abgewandten Gesichts mit weißer Kreide seinen Namen anschreiben, und zwar den Zunamen zuerst. Darauf solle er eine gute Viertelstunde lang die Treppen im Hause auf- und abgehen und sich bewegen, aber ja kein Wort dabei sprechen, man frage ihn auch, was man wolle. Er dachte: schaden kann es auf keinen Fall, und ging sogleich an die Ausführung. Wie er nun so Trepp' auf, Trepp' ab rannte, da schien das den Leuten im Hause sonderbar, die Tochter des Besitzers kam heraus und fragte, was denn das zu bedeuten habe und ob er denn recht bei Troste wäre. Er kehrte sich nicht an sie und setzte seine Kur weiter fort. Nach kurzer Zeit kam der Hausherr selbst, stellte ihn zornig zur Rede, und als der Junge den Mann garnicht ansah, noch weniger antwortete, gab ihm der ein paar derbe Ohrfeigen. Er aber schluckte sie geduldig 'runter und stieg weiter. Als dann aber die Viertelstunde um war, kam er und erzählte Alles. Und seine Standhaftigkeit fand ihren Lohn, denn sein Fieber blieb aus und kam auch nicht wieder. Man mag selbst urtheilen, ob die Ursache in dem Laufen oder in den Ohrfeigen lag.

Ein deutscher Fürst hatte nach Damper's Bericht einen albernen, närrischen Menschen zur Kurzweil bei sich. Der wäre für sein Leben gerne geritten, aber man mochte ihm kein Pferd anvertrauen. So mußte er denn ohne Pferd reiten: er war Pferd und Reiter zugleich; er hatte immer eine Gerte bei sich, schlug sich damit auf Rücken und Beine und rief dabei ganz wie ein Stallmeister. Dabei trabte er, daß es eine Lust war, und bildete sich ein, er ritte. Diesen kühnen Reiter überfiel nun ein Quartan-Fieber. Aber kühn, wie er war, machte er sich nicht viel daraus. Nun hatte der Fürst grad' an dem Tage, wo der Narr wieder das Fieber bekam, einen vornehmen Grafen bei sich zu Gaste. Da mußte Jener seine Künste zum Zeitvertreibe auch sehen lassen. Deswegen bekam er manchen Schluck Wein mehr als sonst. Danach wurd' es ihm warm ihm Oberstübchen, und nach beendeter Mahlzeit nahm er seine Ruthe, hieb sich tapfer und trabte und galoppirte zwei Stunden lang herum, hopp hopp! Berg auf, Berg ab. Dieser Ritt machte ihm solches Vergnügen, daß ihm der Schweiß die Wangen herabtropfte und er nicht eher abließ, bis er völlig erschöpft war. Da legte er sich in's Heu, verschlief mit der Müdigkeit auch sein Fieber und erlitt keinen weiteren Anfall.

Ein Däne, wenn er Fieber bekam, hüllte sich in seinen Mantel, zog sich die Mütze über die Ohren und ließ sich vom Gipfel eines hohen Berges bis hinunter kullern; davon verging das Fieber. Will nicht einer von unsern vielen Naturärzten eine Heilanstalt anlegen, wohin die Leute reisen können, um da für theures Geld solch eine Kuller-Kur durchzumachen?

Ein Prokurator hatte durch seine Federkünste einem Edelmann übel mitgespielt. Der schwor ihm Rache. Nun bekam der Prokurator ein Quartanfieber; doch konnte er außer der Zeit, wo ihn sein Uebel heimsuchte, gehen, fahren und reiten. Eines Abends, als er bezecht heimfuhr, wurde er unterwegs von einem Besitzer, einem Dritten, gebeten, auf ein Wort zu ihm hineinzukommen. Es solle gar nicht lange dauern. Der Prokurator ging auch darauf ein. Anfangs brachte der Besitzer sein Anliegen vor; bald aber erschien jener beleidigte Edelmann, der zufällig hier zu Besuch war und der den Schreiber hatte vorüberfahren sehen. »Du Hund!« rief er, »treff ich Dich hier? Nun sollst du mir büßen! Zwar bist du in meiner Gewalt, und ich könnte dich sieden und braten; aber ich will es gnädig mit dir machen und dir die Wahl zwischen drei Arten der Strafe lassen. Entweder du sollst einige Mal im Graben auf- und niedergezogen werden, denn das ist für tolle Hunde sehr heilsam. Oder du sollst dich mit dem blanken Hintern in einen großen Ameisenhaufen setzen und so lange darin sitzen bleiben, bis du die sieben Bußpsalmen gelernt hast. Oder ich will dich auf dem Hofe anbinden und in Gegenwart Aller mit Ruthen durchbläuen und etwas von deinem unnützen Blut abzapfen, auf daß du hinfort bescheidener schreiben lernst.« Der Federheld bat himmelhoch, Ihro Hochedel Gestreng möchten doch für diesmal noch seiner schonen, denn morgen hätte er sein Fieber zu gewärtigen. Und wenn er ja der Gnade nicht würdig schiene, möchte sein Herr doch um seiner Frau und Kinder willen den Grimm diesmal fahren lassen. »Nein,« sagte der Edelmann, »Du sollst und mußt dran!« Endlich entschied er sich für die Ruthe, damit es am schnellsten vorüber sei. Als er nun wacker durchgedroschen war, steckte ihm ein Diener noch ein Büschel Buxbaum an den Hut und hieß ihn nach Hause fahren. Damit hatte der Edelmann seine Genugthuung, der Prokurator seine Züchtigung und – außerdem noch das Glück, daß sein Fieber hinausgeprügelt worden war.

Man erklärte das Vergehen des Fiebers nach den Schlagen dadurch, daß hiervon die zähe Feuchtigkeit, wovon jene Plage entstehe, dünn, flüssiger und in Folge dessen durch die Bewegung und die Erweiterung der Schweißporen hinausgetrieben werde. Mögen aber auch Schläge bei Diesem und Jenem sich als fieberstillendes Mittel gezeigt haben, so paßt doch nicht jeder Leisten für alle Füße. Daß das Fieber nicht immer durch Mißhandlung zu vertreiben ist, zeigt u. A. der Fall mit dem Knaben, der sich über ein halbes Jahr damit geplagt hatte. Es zog ihn in die Gesellschaft seiner Kameraden zurück. Da bekam er von einem stärkern Jungen Ohrfeigen und Stöße. Die Eltern schleppten ihn nach Hause, und am folgenden Morgen war er todt. Naturgemäßer erscheint folgendes Mittel, welches ein Mann mit Erfolg anwandte, wenngleich auch hierzu eine starke Natur gehört. Er ging früh Morgens in den Keller, setzte sich in den kalten Sand, trank nach und nach viel kaltes Bier (Wasser thät' es wohl auch) und lief sich danach in Schweiß.

Fallsucht.

Ein westfälischer Bauernjunge, den man seiner Großsprecherei wegen nicht anders als Matz Grotschnut nannte, wurde zu Zeiten von der Fallsucht ergriffen. Nun hatte er sich's angewöhnt, dem Edelmann, dem er diente, Vogelbeeren zu stehlen. Die ließ er erst teig werden und danach verspeiste er sie. Eines schönen Tages als er gerade im besten Pflücken war, bemerkte ihn der Jäger und schlich sich heran. Der Junge auf dem Baum, wie er den Jäger gewahr wird, will sich schnell aus dem Staube machen. Aber der Ast bricht, und mit ihm purzelt auch der Beerendieb auf den Boden. Gleich bekam er seinen Anfall; seine Daumen preßten sich fest in die Hände, und Schaum trat ihm vor den Mund. Der Jäger indeß kehrte sich hieran nicht, sondern gab ihm derbe Ohrfeigen, wälzte ihn auf das Gesicht und bläute ihm den Rücken durch bis zur Erschlaffung. Wegen dieser Härte tadelten ihn Alle, sogar der Edelmann; denn es heißt: wenn du zu strafen hast, so kühle dein Müthchen nicht! Der Junge mußte zwar wegen seiner blauen und rothen Beulen eine Weile zum Wundarzt gehen; allein von der Fallsucht hatte er weiter keine Anfechtung zu erfahren, nachdem er noch wenige Jahre zuvor, besonders wenn er heftig erschrak, sehr darunter zu leiden hatte.

In Padua wurden noch im siebzehnten Jahrhundert Leute, die man für besessen hielt und die nur die Fallsucht hatten, tüchtig gestäupt, wodurch Wärme im Leibe erweckt wurde. Einer von diesen »Besessenen« war auf keine Weise zu zwingen, nicht einmal mit Ketten; aber er selber schlug sich mit Steinen.

Ein französischer Edelmann hatte geraume Zeit an der Fallsucht gelitten, und kein Arzt seiner Heimath hatte ihm zu helfen gewußt. Da entschloß er sich, nach Italien zu reisen, um sich da von guten Leuten Rath ertheilen zu lassen. Doch sollte ihm schon unterwegs Rath werden, wenngleich auf eine höchst unverhoffte Art. Er wurde von spanischen Soldaten überfallen und so arg verwundet, daß er für todt liegen blieb. Man brachte ihn in's nächste Dorf, er kam wieder zu sich, ein Barbier übernahm seine Heilung, und – von der Zeit an hatte er keinen Anfall mehr.

Ein anderes Mittel gebrauchte ein Bettler, nachdem er vergebens alle bekannten Mittel versucht hatte. Nach vorheriger Abführung verzehrte er Rabenbraten, und davon soll er gesund geworden sein.

Tobsucht und Mondsucht.

Gegen die Tobsucht empfiehlt schon Coelius Aurelianus (und zwar nach dem Titus, einem Schüler des Asklepiades) Schläge. Hierdurch müsse man den Tollen im Zügel halten, damit er gleichsam wieder Buße thue. Zwar spöttelt er etwas hierüber, doch hat sich die von Titus empfohlene Kur nachmals bewährt. So erzählt Thomas Bartholin von einem ihm bekannten Menschen, der mitunter in heftige Raserei verfiel. Wenn ihm dann rechtzeitig ein Andrer wacker das Leder gerbte, war er so fromm wie ein Lamm.

Auch die Nachtwandler soll man tapfer geißeln, so werde ihnen die Lust zu ihren Ausflügen vergehen. Und nach Heinrich Meibom dem Jüngern sollen in solchen Fällen die Schläge auch gute Wirkung gethan haben. Paullini erzählt von einem ihm bekannten Studenten, der wohl erzogen war, aber die unglückliche Gewohnheit des Nachtwandelns hatte und bei dem scharfes Zureden, Drohungen und, wenn es nicht anders ging, Züchtigungen, neben gehöriger Arznei, oft gut gethan hätten.

Taubstummheit.

Dem älteren Lazarus Rivierus, königlichem Rathe und Professor zu Montpellier, erzählte ein damals berühmter Arzt von einem Bettler, dessen Sohn taubstumm war und hierzu noch ein ständiges Fieber bekam. Nachdem Beide an einem gastfreien Orte gewesen, ging der Vater fort und ließ den Sohn zurück. Dieser verlor das Fieber und hütete die Schafe. Einige Jahre darauf kam er beim Brettspiel mit einem Kameraden in Streit und wurde von dem so arg mit einem dicken Stocke geschlagen, daß das ganze os occiptale (am Hintertopf) in viele Stücke zersprang. Von diesem schlimmen Schaden jedoch wurde er geheilt, und mehr noch: indem er begann zu genesen, kam ihm auch das Gehör wieder, ja er fing an, einige Worte zu stammeln, und nach und nach lernte er völlig wieder hören und sprechen und wurde fünfundvierzig Jahre alt.

Lahmheit.

Einer, der an der Hüfte verwundet worden war, wurde zwar von der Wunde geheilt, blieb aber noch lahm. Einst kam er mit einem Andern in Streit und wurde an der gleichen Stelle abermals verwundet, und hinfort konnte er ohne Behinderung gehen und laufen, wohin er wollte.

Ein Barbier, der einen Verwundeten mit kuriren geholfen hatte, erzählte, sie hätten ihm Bäder gegeben, die schlimme Stelle dabei gebäht, mit Brennnesseln gerieben und mit dünnen, schlanken Birkenreisern geklopft. Hiervon habe die Lahmheit sich gebessert.

Ein gewisser Johann Berba war lange Zeit lahm gewesen und hatte das Zimmer hüten müssen. Da brach in seinem Hause eine Feuersbrunst aus. Als schon sein Bett von der Flamme erfaßt war, wachte er auf, sprang in der Angst aus dem Fester, und von dem Tage an war er völlig gesund. Marcellus Donatus erwähnt nach dem Benivenius eines Baumeisters, der war lange auf einem Bein lahm, bis ihm das Glück widerfuhr, von einem hohen Thurme zu fallen. Nun konnte er wieder grade gehen (vielleicht sogar in den Himmel).

Lahme, taube Glieder, nach der Vorschrift des Galenus mit Maß, aber hinlänglich gehauen, um dadurch Wärme und mit ihr Empfindlichkeit zu erzeugen, wird als bewährtes Mittel gerühmt. Uebrigens soll Seewasser, wenn es warm und scharf (salzig?) ist, die nämlichen Dienste leisten. – Auch pflegte der gemeine Mann taube und lahme Glieder mit frischen Brennnesseln zu reiben und zu peitschen, damit wieder Blut und die natürliche Wärme hinein komme. Und Brennnesseln sind so scharf, daß kleine Gänschen sterben sollen, wenn sie sich daran stechen.

Wem gegen die Lahmheit das Mittel der Schläge nicht anstehen will, der kann auch, nach der Lehre des Aegineta, ein frisch abgezogenes und noch warmes Schafsfell nehmen, erst kräftig darauf klopfen und es dann um das kranke Glied legen.

Verrenkung des Kinnbackens.

Wenn durch zu starkes Gähnen oder LachenEs kann auch durch Erschrecken während des Gähnens geschehen, oder wenn ein Kind den Mund aufreißt und einen Gegenstand zwischen die Zähne klemmt. der Kinnbacken verrenkt wird, so muß man dem Betreffenden eine tüchtige Maulschelle geben; damit wird ihm in diesem Falle am besten gedient sein.

In Görg Andersen's und Volquard Iverson's »Orientalischen Reisen« ist von einem königlichen Statthalter von Amadabath erzählt, der bei seiner Ankunft in Agra gleich den holländischen Visitator sammt dem Handelsdirektor zu sich zu Gaste lud. Als sie mitten beim Schmause waren, stopfte sich der Cham, der von seiner Reise vermuthlich einen guten Appetit mitgebracht hatte, den Mund zu sehr voll Reis, so daß er weit aufgerissen stehen blieb und nicht wieder zugehen wollte. Als der Visitator den Reisschlucker da in stummer Verzweiflung sitzen sah, mit dem Munde würgen und die Augen verdrehen, schickte er geschwinde nach seinem Barbier, daß er dem Statthalter helfen komme. Der erschien denn auch und versprach seine ganze ärztliche Kunst anzuwenden, aber er müsse auch sicher sein können, daß es gut aufgenommen werde. Das wurde ihm denn bereitwillig zugesichert. Nun trat er auf den Statthalter zu, hieb ihm eine gute deutsche Ohrfeige, daß es knallte, und siehe, der Mund war sogleich wieder geschlossen. Aber die Diener des Statthalters sahen die Sache mit anderen Augen an, sie überfielen den Arzt mit Säbeln, schlugen wüthend auf ihn los und brachten ihm verschiedene Wunden am Kopfe bei. Ja sie hätten ihn vollends niedergemacht, wäre nicht glücklicher Weise der Cham noch dazugekommen. Er stellte ihnen vor, wie gut es der Barbier mit ihm gemeint habe, und daß er ihm das Leben gerettet habe. Und um das desto glaubhafter zu machen, reichte er dem Manne die Hand, bedankte sich, daß er ihm so geschwinde geholfen, und ließ ihm tausend Rupien (das sind achtzehnhundert Mark) auszahlen. Den Dienern jedoch, sowohl denen, die den Arzt beschädigt, wie auch denen, die es nur zugelassen hatten, ließ er die Füße emporziehen und unbarmherzig auf die Fußsohlen schlagen.

Ein Knabe in Bevern gähnte dermaßen stark, daß ihm davon der Mund offen stehen blieb. Da gerade Meister Kleinschmidt, Bader aus Hoxer (dem heutigen Höxter?) im Dorfe war, wurde dieser zu Hilfe gerufen. Der lachte, zog den Handschuh ab und verwischte dem Buben eine redliche Maulschelle. Damit war Alles wieder in's Gleiche gebracht, und Meister Bader hatte seine Zeche bequem verdient. Schluchzen, Erstickungsnoth.

Ein Jüngling in Ferrara litt an häufigem unwillkürlichen Schluchzen. Da erhielt er einmal eine derbe Ohrfeige, und nun war er von dem Leiden geheilt.

Einem dreijährigen Knaben sollte gegen dieses Leiden ein Pflaster aufgelegt werden, da er sich gegen das Einnehmen von Medizin hartnäckig sträubte. Als er jedoch auch zu dem Pflaster nicht stillhalten wollte, zählte ihm die ungeduldige Mutter ein Paar tüchtige Klapse auf. Alsobald verschwand auch das unmäßige Schluchzen und kam nicht wieder. Paullini mißt diese Wirkung dem Schrecken bei und erzählt noch mehr Fälle von der Art.

Ein Bürgermeister, der besser in der Weinkanne als in den Akten Bescheid wußte, hatte mit seinen Kollegen auf dem Rathhause zu viel von dem bacchischen Getränk eingegossen und hiervon das Schluchzen bekommen. Als er nun das Heimische suchte, versah er sich auf der Treppe, trat fehl, purzelte aus ziemlicher Höbe hinunter, bekam ein tiefes Loch in den Kopf und den Buckel blau und roth. Doch war ihm nicht bloß der Rausch, sondern auch das Schluchzen vergangen.

Eine Schäferin hatte die gleiche Beschwerde. Ihr Mann gab ihr eine zerstoßene Muskatennuß mit Kreide vermengt in warmem Weine zu trinken und klopfte sie eine Weile auf den Rücken. Darauf deckte er sie warm zu und ließ sie ruhig liegen. So gab sich das Uebel.

Wenn dem Kinde ein Bissen in die unrechte Kehle kam, so warf die Mutter es geschwind auf den Rücken, und damit war ihm geholfen.

Albukases erzählt von Zweien, die dem Ersticken nahe kamen, und als sie an der Gurgel eine Wunde erhielten, wieder genasen.

Stottern.

Der Sohn eines wohlhabenden Schneidermeisters in Westfalen hatte vom Dienstmädchen das Stottern angenommen. Es war nicht zu errathen, was er sagen wollte. Je mehr er heranwuchs, desto schlimmer wurde das Uebel. Man hoffte, in der Schule würde sich's geben durch das bessere Beispiel so vieler Kinder. Aber da diese vielmehr ihn mit seinem Stottern hänselten, so schämte er sich, und es war endlich kaum noch ein Wort aus ihm herauszubekommen. Um ungefoppt zu bleiben, mußte er Schule und Gesellschaft meiden. Nicht lange danach überfiel ihn auch noch ein Fieber. In diesem Zustande richtete er allerlei Dummheiten im Hause an. So begoß er einmal versehentlich ein Beinkleid, welches sein Vater für einen Edelmann geschneidert hatte, mit Tinte. Als die Mutter es gewahr wurde, nahm sie in ihrer Aufgebrachtheit die Schneiderelle und bläute den Jungen damit durch; ja sie soll außerdem auch noch vom Faustrechte Gebrauch gemacht haben. Der Knabe fürchtete, vom Vater noch mehr Schläge zu ernten, und versteckte sich. Und weil der Edelmann die mit Tinte verunzierten Hosen nicht annehmen wollte und der Schneider sonst viel von diesem Herrn verdiente, so ward er noch aufgebrachter und schlug seinen Jungen, daß es einen Stein hätte erbarmen können. Ja er empfahl dem ohnehin strengen Schulmeister, der den Stotterer unterrichtete, er solle, wenn der Junge diese übele Angewohnheit nicht lasse, ihn schlagen, daß der Staub umherfliege. Das geschah. Nun war es dem Knaben darum zu thun, die Gunst seiner Eltern wieder zu erlangen und die Pein der allseitigen Verspottung los zu werden. Und, wie sauer es ihm auch wurde, er überwand sein Uebel und lernte immer fließender sprechen.

Trägheit und Müdigkeit.

Zur Vertreibung einer krankhaften Trägheit des ganzen Leibes soll man ihn häufig mit frischen Nesseln hauen. Einem dickleibigen Kaufmann auf Island, der hieran litt, wurde von einem Barbier gerathen, sich in einen Sack zwischen lauter Wolle zu stecken (System Professor Jäger), nur daß er eben noch Luft schöpfen könne. Darin sollte er sich eine Weile herumwälzen, danach sich behutsam abklopfen und sich von einem guten Freunde mit bloßen Füßen treten (»bedemmeln«) lassen. Hierauf nahm er einen Schwitztrank ein und schwitzte in der warmen Stube, so sehr er nur konnte. Das brachte ihm die natürliche Frische wieder.

Waghalsigkeit bringt oft mehr zu Wege, als der beste Verstand. Ein Edelmann hatte einen närrischen Menschen, der fing ihm die Hühner weg. Wenn er eines gefangen hatte, verzehrte er es, legte sich in's Heu und schlief mehrere Stunden, wo er arbeiten sollte. Das wollte sein Herr ihm austreiben. Nun war gerade ein Tischler auf dem Schloß, der gab dem Junker den Rath: er solle den Narren zwischen Hobelspäne in einen Sack stecken, ihn dann mit der Klopfpeitsche tüchtig bearbeiten und ihn endlich den Berg, der vor dem Dorfe lag, hinunter wälzen und das etliche Mal wiederholen. Davon würde ihm nicht nur die Hühnerjagd, sondern auch die seitherige Faulheit vergehen. Gesagt, gethan, und siehe, der Mensch wurde in Kurzem anders, ließ die Hühner in Frieden und stellte sein Faulenzen auch ein.

Einem großen, dicken und possirlichen Gelehrten Namens Cyriac Schönthau wurde gegen Müdigkeit, Trägheit, Kopfweh und Schwindel vom Arzte ein Aderlassen gerathen. Aber hiergegen hatte er eine ihm von der Mutter eingeflößte unüberwindliche Abneigung. Als der Arzt nun dabei blieb und der Kranke auch von Andern immer den gleichen Bescheid erhielt, machte er sich, weil ihm sein Leben doch so lieb war, darüber her, sich selber das Blut abzuzapfen. Aber nicht durch medizinischen Aderlaß, sondern durch Selbstpeitschung, wie er sie bei Kapuzinern und anderen strengen Ordensleuten gesehen hatte. Thaten sie es um ihres Seelenheils willen, warum sollte er es nicht thun um der lieben Gesundheit wegen? So ließ er denn seinen Ochsenziemer dermaßen auf seinem Buckel herumtanzen, daß ihm das Blut nicht nur den Buckel herabfloß, sondern auch eine ganze Weile zur Nase herausströmte. Und dieser Erfindung pflegte er sich danach mit beredten Worten zu rühmen. Auch eine Kur für die Dickbäuche!

Harnbeschwerden und Leibesverstopfung.

Der Predigermönch Thomas Campanella erzählt von einem italienischen Fürsten, der seine Nothdurft nicht anders verrichten konnte oder nicht anders habe zu Stuhle gehn können, als nachdem er sich dazu von seinem Diener habe prügeln lassen. Er hielt sich eigens zu diesem Zwecke einen Leibdiener.

Ein dreijähriges Mädchen konnte nur mit Mühe harnen. Da es sein Leiden nicht anders als durch Winseln und Weinen an den Tag gab und sein Stiefvater meinte, dies rühre nur von Trotz oder Verzärtelung her, gab er dem Kinde häufig die Ruthe. Danach weinte es zwar desto mehr, aber sein Bedürfniß konnte es nun desto leichter verrichten.

Ein Kaufmann konnte sein Wasser nur tropfenweise und mit Beschwerden von sich lassen, wenn ihm zuvor nicht seine Frau wacker den Hintern versohlt hatte. Auch kehrte das Uebel, nachdem er sich verheirathet hatte, weit seltener wieder, als es vordem geschehen war. Uebrigens bemerkte er, daß ihm, wenn er Wein getrunken hatte, das Harnen schwerer fiel, als nach dem Biere, woher er denn, gleich Hunden und Schlangen, allem Wein den Rücken kehrte.

Ein preußischer Jäger hatte einen alten Leithund; der konnte ohne die höchsten Beschwerden nicht harnen, wenn ihm nicht Jemand vorher die Stelle erst eine Weile mit der Hand leise geklopft hatte; alsdann ging es ganz leicht.

Auch gegen die Unfähigkeit, den Harn zurückzuhalten, sind Prügel empfohlen worden, haben sich aber nicht bewährt. Dagegen gab ein Schulze seinen beiden Jungen, die das Bett näßten, etwas von einem verbrannten Raben mit Schlehenblüthenwasser, wovon sie gesund wurden.

Ein Bauer in Streckda, der nur der kleine Görge genannt wurde, hatte fünf Tage lang die hartnäckigste Verstopfung. Und dabei aß er flott, besonders blähende Speisen: Erbsen, Bohnen, Rüben u. dergl., auch verrichtete er unverdrossen seine Arbeit. Nachdem er ein Fuder Holz heimgefahren hatte, klagte er gegen Paullini's Vater über sein Leiden. Der gab ihm etwas, rieth ihm aber auch noch den Arzt zu befragen. Erst spät kam er von seiner Arbeit und jagte nun mit dem leeren Wagen zum Thore hinaus. Unterwegs – es war dunkel geworden – wurde er von drei Reitern überfallen. Die wollten ihm die Pferde ausspannen, oder er sollte sich loskaufen und jedem von ihnen eine gute Reiterzehrung geben. Der kleine Görg gab hin, was er in der Stadt für das Holz eingenommen hatte. Aber sie waren damit nicht zufrieden, sondern meinten, er könne wohl mehr geben, und begannen von Neuem die Pferde auszuspannen. Er rief nun um Hilfe. Sie aber ergriffen ihn und schlugen ihn windelweich. Inzwischen näherten sich Leute, und die Reiter jagten von dannen. Von der großen Angst, die der kleine Görg durchgemacht hatte, war ihm »die Büchse losgebrochen«, und er hatte von dem Abenteuer den Vortheil, daß er weder zum Arzte zu fahren noch in der Apotheke etwas zu kaufen brauchte. So ist doch kein Unglück, was nicht irgend was Gutes auch mit sich führte.

Geburtsbeschwerden.

Die Frau eines Hauptmanns, wiewohl ziemlich stark am Leibe, konnte ihre Todtgeburt nicht loswerden. Endlich wurde auf Rath eines spanischen Arztes ihr ein Teller über den Nabel gelegt und aus aller Kraft mit der Faust draufgeschlagen, daß die Kindbetterin vor Schmerzen laut schrie. Aber die Leibesfrucht ging unter starkem Blutflusse ab.

Auch soll mit Erfolg geräucherter Taubenmist zu Austreibung todter und Nachgeburten eingenommen worden sein, allenfalls noch vermischt mit Bibergeil, Myrrhen, Kuhgalle, und Opoponax. Und zwar soll derjenige der wilden Taube sich noch besser als der der zahmen hierzu eignen.

Bei den alten Römern schlugen die Theilnehmer am Lupercusfeste die Weiber in die flache Hand und meinten, davon würden sie leichter gebären und bis dahin Unfruchtbare würden hierdurch der Empfängniß fähig.Vgl. oben Seite 27. Sollte bei denjenigen unserer heutigen Schullehrer, die dasselbe Mittel bei ihren Schülern anwenden, jener Grund unbewußt mitspielen, indem dadurch vielleicht dem Geiste des Schülers die Empfängniß der Lehre und seinem Munde die Geburt der Worte erleichtert werden soll? – Uebrigens hielten die klügeren Römer nichts von jenem Mittel, sondern verlachten es, wie denn Juvenal singt:

– – Steriles moriuntur, et illis
Turgida non prodest condita pyxido Lyde:
Nec prodest agili palmas praebere Luperco.

(Das heißt ungefähr: Die Unfruchtbaren sterben, und den Andern helfen die Schwielen nichts, die der Lupercus ihnen mit kräftigen Schlägen beibringt, ebensowenig, wenn er in die Handflächen schlägt.)

Geschlechtstrieb.

Mit einer Mischung von Brunnenkressensaft und Stabwurz das »gewöhnliche Revier« eingeschmiert, darauf die ganze Gegend mit einem Büschel Brennnesseln langsam aber nachdrücklich geklopft, soll gute Hilfe geleistet haben. Auch Menghus Faventin sagt, wenn Einem das Glied etwa zu kurz und folglich Unfruchtbarkeit zu befürchten sei, der solle zur Nesselruthe greifen.

Johann Picus Graf von Mirandula und Coelius Rodigin erzählen von Einem, der zwar einen sehr starken Appetit gehabt habe, zum zyprischen Streite jedoch träge und untüchtig gewesen sei, er mußte denn zuvor derb durchgeprügelt worden sein. Je stärker nun sein Wunsch, desto schmerzhaftere Schläge verlangte er; denn er hat ihn nicht anders erfüllt, als wenn er bis auf's Blut gepeitscht worden war. Zu diesem Zweck ließ er sich eine eigene Peitsche machen, und nachdem er sie den Tag vorher in Essig gebeizt hatte, gab er sie seiner »Gespielin« und bat sie auf den Knieen, ja nicht fehl zu schlagen, sondern je tüchtiger desto lieber. Weil er aber sonst ein ganz ehrenwerther Mensch war, erkannte und haßte er seine Schwachheit selber.

Brunfels erzählt von einem guten Schlucker in München, der seine »Pflichtschuldigkeiten« nie ohne vorhergehende derbe Schläge abstatten konnte. – Auch kannte Thomas Bartholin einen Venezianer, der zum Beischlaf durch Schläge erhitzt werden mußte.

Ein Käsekrämer in Lübeck kam wegen Ehebruchs vor Gericht. Das Weib jedoch, mit dem er sich abgegeben, bat um Gnade für ihn, indem sie schilderte, wie blutsauer ihm alle Gänge geworden seien. Denn er habe gar nichts vermocht, wenn sie nicht ihn zuvor jämmerlich durchgeprügelt hätte. Er wollte Anfangs aus Scham und um den Hohn zu vermeiden, nicht gestehen; aber auf dringliches Befragen konnte er es nicht ableugnen.

Auch in den Niederlanden soll ein angesehener Mann diese Unfähigkeit an sich gehabt und nur nach dem Empfange von Schlägen zum Liebeshandel getaugt haben. Sobald es aber die Obrigkeit erfuhr, wurde er nicht nur von seinem Amt entfernt, sondern auch noch bestraft.

Von einem glaubwürdigen Physicus erfuhr Paullini folgende Geschichte, die ihm ein liederliches Weib von ihrer Freundin erzählt hatte. Ein Mann beschied sie nebst einer von gleicher Gattung in den Wald. Nachdem sie gefolgt waren, schnitt er ihnen Ruthen ab, gab ihnen den bloßen Hintern zum besten und ließ sie tapfer drauf loshauen. Das thaten sie denn auch. Und was darauf gefolgt sei, läßt sich leicht errathen.

Wir aber müssen uns fragen, ob die Natur das wollen kann, was nicht ohne so gewaltsame und doch wohl naturwidrige Mittel vor sich gehen will.

Nicht nur die Männer wurden durch Schläge zur Geilheit erhitzt, sondern auch die Weiber. Glaubte man doch auch, daß sie desto eher empfingen, wie dies denn schon von den Römerinnen (beim Lupercalienfeste) mehrfach erwähnt wurde, wo sie sich peitschen und geißeln ließen. Zwar erwähnt Juvenal nur die » palmas«, die flachen Hände; aber das Blut in der Hand, von den Schlägen erhitzt, läuft wieder zum Herzen und von da durch die Pulsader zur Gebärmutter, die sogleich erhitzt, erregt, zur Empfängniß vorbereitet wird.

Solche Erwägungen zeigen uns denn auch die »fromme« Leidenschaft der Geißler in um so deutlicherem Lichte.

Paullini erklärt die Einwirkung der Schläge auf die Geschlechtsbegierde folgendermaßen. Durch das Schlagen der Lenden werden die Nieren erhitzt und also der Samenstoff entweder erregt oder vermehrt, wie Bartholin und Meibom versichern. Das Gebot: »gürte deine Lenden wie ein Mann« bedeutet: dämpfe deine Lüste und leiste kräftigen Widerstand! Die das Osterlamm essen wollten, mußten »um ihre Lenden gegürtet« sein. David singt in seinen Bußpsalmen: »Meine Lenden verdorren ganz.« Johannes der Täufer hatte einen ledernen Gürtel um seine Lenden. Die Redensart, die Lenden umgürten, bedeutet im Hebräischen so viel wie Keuschheit bewahren. Darum sagt Salomo von einem tugendsamen Weibe: sie gürtet ihre Lenden fest; denn je mehr sie der Keuschheit nachstrebt, desto mehr leistet sie im Hause. Wo es heißt, daß Gott Herzen und Nieren prüft, da deuten die Nieren auf die Begierde.

Wie auf der einen Seite durch Schläge die Lenden erhitzt werden, so legt man andererseits, um Samenflüsse zu verhindern, kühlende Gegenstände auf. Werden die Lenden erhitzt, so »brodeln die Nieren auf«, das Blut strömt reichlicher hinzu, der Appetit, der Wille selbst wird verstärkt. Da in den Lenden große Gefäße liegen, so muß das Blut, wenn es darin erhitzt wird und aufwallt, durch die arteria spermatica mit um so größerer Macht und Wärme fließen und hierdurch den ohnehin leicht beweglichen Samenstoff vollends brodeln und abführbar machen. Werden die Nieren übermäßig erhitzt, so wird dem durch die venas imulgentes zurückfließenden Blute mehr Wärme mitgetheilt. Das gesammte Blut muß dadurch anhaltend wärmer werden, so daß es auch durch die arteria spermatica erhitzter hinabsteigt. Daher sind Leute mit leicht erhitzbaren Nieren zur Geilheit geneigter.

Flagellum kommt von flagro, flagrare, denn der Leib, wenn er gepeitscht wird, erhitzt sich merklich. (Daher der Ausdruck: ihm eins aufbrennen.) So erklärt sich's, daß Die, welche viel reiten, leicht Liebesappetit bekommen, wegen der Hitze in den Lendengefäßen. Hippokrates zwar widerspricht dem und meint, häufiges Reiten beeinträchtige vielmehr das Venuswerk; aber er spricht von den Scythen, die immerwährend reiten und es bis zur Erschlaffung treiben.

Die Nessel wird, wie schon erwähnt, zum Schlagen bei verschiedenen Unfähigkeiten und so auch zur Beförderung des Beischlafes benutzt. Ein glaubwürdiger Barbiergeselle in Holstein erzählte dem Paullini, daß wenn er von ungefähr über Brennnesseln seinen Harn ließ, er sogleich einen unwiderstehlichen Drang zum Beischlaf bekomme. Da er jedoch einen Abscheu vor der verbotenen Lust hegte, bat er den Meister um Rath. Der sagte ihm, er solle von denselben Nesseln etwas nehmen, den Saft ausdrücken und drei bis vier Löffel davon trinken. Er that's, und der Kitzel verzog sich.

Scaliger schreibt, auf dem Atlas-Gebirge wachse eine Wurzel; wer ein wenig davon ißt, fühle alsbald große Begierde. Die Bewohner jener Gegend versichern nach ihm, wenn Einer nur über die Wurzel harnt, gleich sei er voll Brunst und Feuer. Und wenn die Mädchen, die das Vieh dort hüten, entweder drauf sitzen oder ihre Nothdurft darauf lassen, platze ihnen ihr Häutlein, ganz so, wie wenn sie sich mit einem Manne verbunden hätten.

Magerkeit.

Nach Hieronymus Mercurialis ließen einige Aerzte hagere Menschen mit Ruthen schlagen, damit sie dicker und fetter würden. Er beruft sich auf Galenus und die Roßteuscher. Durch dieses Verfahren schwelle das Fleisch auf und erhöhe sich dergestalt, daß der Nahrungsstoff desto stärker angezogen und desto gründlicher angesetzt würde.

Einem etwa fünfzehnjährigen Mädchen begann das linke Bein auffallend zu schwinden. Der in ihrer Nähe wohnende Abdecker gab ihr, nach einer Abführung, noch etwas ein, klopfte alle Morgen und Abend das Bein mit frischen Brennnesseln, bis es hübsch roth war; dann schmierte er es mit Menschenfett [!] ein. Und das that nach Aussage der Eltern nicht übel. Wir dürfen und sollen ja, nach dem Grundsatze gewisser Leute, Alles zu unserm Vortheile ausnutzen, was die Natur uns bietet – warum dann nicht auch das Fett unseres Nebenmenschen?

Einem Knaben war vom Hunger das Gesäß eingefallen. Um dem abzuhelfen, gab man ihm – nicht reichlicher zu essen, sondern – Prügel. Er bekam einen Tag um den andern seine Tracht Schläge auf die mageren Hinterbacken. Und siehe da, sie begannen wieder anzuschwellen und eine ansehnliche Verfassung zu erhalten, in der sie natürlich nur durch beständig erneute Prügel – wie sich vermuthen läßt – konnten erhalten werden.

Teufelbesessenheit, unglückliche Liebe, Einbildungen.

Sogar den Teufel hat man mit bloßen Maulschellen vertrieben. Als einmal während der Messe in Dittmarschen in Gegenwart des Bischofs Evermol von Ratzeburg ein Dittmarscher einem Vornehmen zu Leibe ging, um ihn zu ermorden, bemühte sich der Bischof, ihn auf bessere Gedanken zu bringen. Der Mann aber schwur, das Leid, was ihm angethan worden, wolle er nie und nimmer verzeihen. Patsch! gab ihm der Bischof eine Ohrfeige. Da reckte er sofort seine Arme aus und that, was der Bischof verlangte.

Der fromme Gregorius erzählt von einer Nonne, die einen Bauern vermittelst einer guten Ohrfeige vom Satan befreit habe. Und der heilige Benedikt kurirte einen Mönch, der dem Teufel anhing, mit einer derben Ruthe. Nicht aber Teufel, meint Paullini, könnten gezüchtigt werden, sondern es werde dadurch nur die Kraft Gottes bethätigt.

Auch gegen unglückliche Liebe will man Schläge schon mit Erfolg angewandt haben. Ein vierundzwanzigjähriger Jüngling in Amsterdam, der einzige Sohn eines reichen Edelmanns, hatte sich in die Tochter des Stadtdieners dermaßen verliebt, daß er weder essen, noch trinken, noch schlafen, noch was Ordentliches thun mochte. Er magerte ab und schwand sichtlich dahin. Der Vater, dem die eigentliche Ursache noch unbekannt war, übergab ihn dem Arzte. Doch alle Mühe, die dieser anwandte, erwies sich vergeblich. Da ließ ihn der Vater in's Zuchthaus bringen, um dort wieder ein besseres Leben anzufangen. Und hierin hatte er sich nicht verrechnet. Der Jüngling legte dort alle Grillen und sträflichen Liebesgedanken bestens ab und wurde nach vierzehn Tagen mit gesundem Hirn wieder herausgeholt. Andere, bei denen man dieses Mittel anzuwenden versäumte, sind aus Liebe gestorben, und beim Oeffnen der Leiche fand man die Eingeweide zusammengezogen, das Herz verbrannt, die Lunge verdorrt, die Leber geräuchert und die Hirnschale vertrocknet.

Ein Augustinermönch verfiel in Raserei, lief immer hin und her und machte den Prälaten Vorstellungen, daß sie so in den Tag hinein lebten. Er schrieb ihnen auch Regeln vor, nach denen sie die Klöster reformiren und sparsamer haushalten sollten. Das war nun freilich nicht eben so unsinnig; man erklärte es aber für Tollheit, der Reformator wurde in's Loch gesteckt und alle Morgen tüchtig gepeitscht. Danach soll er dann seinen gesunden Kopf wieder bekommen und das Treiben der Prälaten ganz in der Ordnung gefunden haben.

Hysterie.

Wir beschließen diese Reihe von »Heilungen durch Schläge«, für deren Nachahmung wir natürlich alle Verantwortung ablehnen müssen, mit einigen ganz kürzlich bei einem Prozeß in Kassel zur Sprache gekommenen Fällen. Der Doktor der Medizin Wiederhold vom Krankenhause zu Wilhelmshöhe war wegen Mißhandlung einer von ihm ärztlich behandelten Generalkonsulin und Kommerzienräthin verklagt. Er erklärte nun, er habe die Züchtigung lediglich angewandt, um die Kranke von ihrer hochgradigen Hysterie zu heilen, wie ihm dies schon in drei früheren Fällen bei Anderen geglückt sei: Ein junges Mädchen von achtzehn bis neunzehn Jahren, deren Nerven durch übermäßige Musikstudien erkrankt waren, sei nach Verabfolgung einiger Klapse mit der Hand sofort ruhig und gesittet geworden, sei vollständig genesen und habe später ihre Dankbarkeit für jene Strenge offen ausgesprochen. Eine andere Kranke litt schwer an Hysterie und Morphiumsucht. Sie hatte u. A. die Liebhaberei, stundenlang ausgestreckt auf Stirn, Knien und Fußspitzen zu liegen. Alle Ermahnungen und Drohungen blieben erfolglos, bis der Doktor ihr schließlich einige Schläge auf den Rücken gab. Dieses Mittel that eine überraschend günstige Wirkung. Die Frau hatte keinen Anfall mehr, wurde zusehends besser und konnte als geheilt entlassen werden. Der dritte Fall betraf einen fünfzehnjährigen Jüngling, der gleichfalls an Hysterie litt. Er war verzottelt und verweichlicht, geberdete sich störrisch und widerspenstig. Er wies jede Nahrung von sich und war infolgedessen schier zum Gerippe abgemagert. Sein Vater hielt ihn für so schwer krank, daß er ihn nur in Begleitung eines Arztes nach dem Krankenhaus brachte, aus Besorgniß, er möchte unterwegs sterben. Anfänglich versuchte der junge Mensch auch dort seine Störrigkeit fortzusetzen und wollte nicht essen. Als er jedoch mit Strenge behandelt und ihm mit Schlägen auch nur gedroht wurde, da ging eine große Aenderung mit ihm vor: er nahm wieder Nahrung zu sich und wurde schließlich geheilt.

Durch die Schläge oder deren Androhung, versicherte Doktor Wiederhold, wurde bei solchen Kranken die äußerst geschwächte Willenskraft wieder gestärkt. Bei 9/10 der Kranken sei eine strenge Behandlung von Nöthen, um Besserung zu erzielen. In den Lehren der Heilkunde, das räumte er ein, sei zwar nichts von Züchtigungen zu finden; auch würde er sich hüten, eine solche Lehre offen zu verkünden, weil dadurch der Willkür und Ungebühr Thür und Thor geöffnet würden. Doch hätten ihm auch andere Krankenhaus-Aerzte bekannt, die Züchtigungen seien zwar das äußerste, aber lange nicht das schlechteste Mittel, vielmehr unter Umständen sogar das einzig wirksame. Bloße Drohungen genügten nicht immer und seien manchmal ganz unangebracht. Die hysterisch Kranken hätten vor Allem das Bestreben, sich interessant zu machen und die Aufmerksamkeit auf sich und ihr vermeintliches Martyrium hinzulenken.

Hierher gehört denn wohl auch eine Mittheilung, welche die »Leipziger populäre Zeitschrift für Homöopathie« im vorigen Jahre (1891) »von unterrichteter und glaubwürdiger Seite« unter Nennung von Ort und Namen erhielt. Danach hatte ein »Geburtsarzt, welcher bei einem Frauenarzt mit hochklingendem Namen als Assistenzarzt wirkte, eine gebärende arme Arbeiter-Frau, die sich in Schmerzen auf ihrem Lager wandte, geohrfeigt und geprügelt, als sie nicht stillhalten wollte.«

So habe auch jene Kommerzienräthin sich widerspenstig betragen, oft stundenlang geschrien und gestöhnt, sodaß die anderen Kranken dadurch sehr belästigt wurden. Da habe sie der Arzt, als alles Zureden nichts half, erst einmal an der Schulter gerüttelt. Als sie dann förmliche Wuthanfälle bekam und schrie, daß man's auf der Straße hören konnte, habe er ihr mit Schlägen gedroht, und weil dies auch noch nichts half, hat er die Drohung wahr gemacht. Zuerst hat er ihr ein paar Ohrfeigen gegeben, denen sie jedoch auswich, und später sich mit einem dünnen Stöckchen, mit dem er kurz vorher seinen vierjährigen Jungen gezüchtigt hatte, auf den Rücken geschlagen. Er hat sie dann flehentlich gebeten, ihn doch nicht wieder in diese Notwendigkeit zu versetzen. Allein erst nach mehrmaliger Anwendung dieses »äußersten Mittels« wurde sie ganz gefügig, und ihr übermäßiges Stöhnen hörte auf. Sie habe es ihm auch nicht nachgetragen, sondern sei noch acht Wochen bei ihm gewesen und habe freundschaftlich mit ihm verkehrt. Er habe lediglich die Frau bessern und heilen wollen. Ob dem wohlmeinenden Prügel-Doktor dies nun in diesem Falle gelungen sei und nicht auch eine gewisse Verschlimmerung des Leidens verursacht worden, muß freilich zum mindesten dahingestellt bleiben; denn die Frau zeigte sich bei ihrer Abholung nicht nur sehr heruntergekommen, sondern weinte und stöhnte auch noch in einem fort und blieb längere Zeit in beständiger Angst, man werde sie wieder schlagen.

Die hinzugezogenen Sachverständigen, hochstehende Aerzte, erklärten die Züchtigungen als Heilmittel natürlich für unzulässig. Solche würden nur noch bei Kindern und Blödsinnigen angewandt.

Bemerkenswerth ist bei dieser Geschichte namentlich noch die Versicherung, womit ein Professor den Ehemann jener Frau darüber zu trösten versuchte, der Arzt werde seine Drohung der Schläge nicht ausführen; denn, sagte der Professor, es ständen ihm ja fünf andere Mittel zur Verfügung, um Schmerzen zu bereiten, der elektrische Pinsel, der galvanische Strom u.s.w. Leider sind sie nicht alle fünf aufgezählt; aber es dürfte ihrer wohl noch weit mehr als fünf geben. Und endlich die Erklärung des angeklagten die Entgegnung des Dr. Wiederhold: Wenn Irrenärzte (drgl. unter den hinzugezogenen Sachverständigen waren) die Schmerzerzeugung zum Zwecke der Heilung verwerfen wollten, wie sie es dann geschehen lassen könnten, daß bei vielen hysterischen Frauen körperliche Verstümmelung (Kastration) zu Heilzwecken vorgenommen werde?

Da sich eine heutige Kommerzienräthin nicht mit Prügeln kuriren lassen will, so erhielt der wohlmeinende Prügeldoktor für seine Reitpeitschen-Massage außer dem hohen Honorar, was man ihm freilich nicht mehr nehmen konnte, noch Gefängniß – womit für den Denker die Sache als wissenschaftliche Frage natürlich nicht entschieden ist.


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