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II.

 

Ein Reuterwamms muß deine Schönheit bergen.
Tritt kühner auf, verbirg des Mädchens Schein,
Bei Männern wirst du dann ein kecker Mann auch seyn.

Prior.

 

 

Als die Barke die oben beschriebene Stellung eingenommen, sprang der junge Lieutnant, den man, weil er einen Schooner kommandirte, gewöhnlich Kapitain nannte, auf das Ufer und ihm folgte der junge Kadet, der, wie wir im vorigen Capitel sahen, die Schaluppe verließ, um an der gefährlichen Fahrt Antheil zu nehmen.

»Hier giebts, wenns hoch kommt, eine Art Jacobsleiter zu ersteigen,« bemerkte Barnstable und warf einen Blick in die Höhe auf die zu erklimmende Felsenmasse: »Und wenn wir oben sind, wissen wir noch gar nicht, daß wir gut aufgenommen werden.«

»Wir sind ja unter den Kanonen der Fregatte!« erwiederte der Kadet. »Erinnert euch daran, Sir, drei Ruder und ein Pistolenschuß, den die Schaluppe wiederholt, läßt sie Feuer geben.«

»Ja, auf euren Kopf. Bursche, traue ja nicht so einem fernen Schusse. Er macht viel Qualm und ein bischen Lärm, aber es ist ein entsetzlich ungewisses Wesen, wenn solch alt Eisen umhergeworfen wird. Bei so einer Geschichte, wie diese ist, traue ich Tom Coffin und seiner Harpune, wenn ich sie im Hinterhalte weiß, mehr, als der besten Lage von allen drei Decken eines Schiffes mit neunzig Kanonen. – Frisch! nimm die Knochen zusammen, sieh, ob du auf dem festen Lande fortkommen kannst, Master Coffin.«

Der Bootsmann, der auf solche eben nicht tröstliche Art angeredet wurde, stand langsam von dem Platze auf, wo er als Beischiffsführer der Barke gesessen hatte, und schien in eben dem Maaße höher zu werden, als er seinen mehrfach zusammengebeugten Körper auseinanderstreckte. Wie er da stand, hielt er reichliche sechs Fuß und eben soviel Zoll, und doch war er, selbst wenn er möglichst senkrecht stand, immer mit Kopf und Schultern vorwärts geneigt, – eine Folge seines gewöhnlichen Aufenthaltes in niedrigen Wohnungen. Seinem Aeußern fehlte die runde Linie eines wohlgebildeten Mannes. Aber die ungeheuern Hände ließen soviel Knochen und Sehnen sehen, daß sie wohl einen Vorschmack von seiner Riesenkraft gaben. Ein kleiner brauner Hut mit krummer Spitze, gab seinen rauhen Zügen noch mehr Ausdruck und unterstützte darin den schwarzen Backenbart, den bereits das Alter ein wenig grau zu färben begann. Eine seiner Hände griff mechanisch gleichsam nach dem Schaft einer Harpune, deren Spitze fest auf den Felsen eingesetzt wurde, und so verließ er, dem Befehle seines Führers zufolge, das Plätzchen, das er, ob es schon, in Betreff seines geraden Umfanges, einen ungemein kleinen Raum gewährte, bis jetzt eingenommen hatte.

Als Kapitain Barnstable seine Kräfte so gesteigert sah, gab er erst der Mannschaft in der Barke noch einige vorläufige Weisungen und begann den schwierigen Versuch, auf den Felsen zu klettern. Trotz seiner Kühnheit und Gelenkigkeit würde er dabei gescheitert seyn. Allein von Zeit zu Zeit stand ihm der Beischiffsführer bei, dem seine ungeheure Stärke, seine ungemein langen Glieder Anstrengungen erlaubten, die die meisten vergeblich machen würden. Als nun noch einige Schritte zu erklimmen waren, machten sie auf einem Vorsprunge Halt, theils um Rath zu zu halten. Beides schien für das, was ferner geschehen sollte, gleich sehr nöthig.

»Das ist ein böser Platz zum Rückzuge, wenn wir auf Feinde stoßen!« sagte Barnstable. »Wo sollen wir denn aber den Lootsen finden, Merry, und wie ihn kennen? Seid ihr denn auch gewiß, daß er uns nicht hintergehen wird?«

»Die Frage, die ihr ihm vorzulegen habt, steht auf dem Papier da,« versetzte der Kadet und reichte Barnstable die Parole hin. »Wir bekamen von der Felsenspitze jenes Hornes von der Bai das Signal, und da er unsere Barke gesehen haben muß, so wird er wohl hierher kommen. Trauen müssen wir ihm, denn er hat das Vertrauen des Kapitains Munson, der nicht aufgehört hat, nach dem Signal zu schauen, so bald wir Land sahen.«

»Ei,« brummte der Lieutnant, »ich kann nun lange nach ihm schauen, jetzt da wir am Lande sind. Ich fahre nicht gern so dicht an der Küste und habe zu einem Verräther kein Vertrauen. Was meinst du, Master Coffin?«

Der rauhe, alte Seemann drehte sich, so angeredet, gegen seinen Befehlshaber.

»Gebt mir nur Fahrwasser und gut Takelwerk,« sagte er mit geziemendem Ernste, »und wir brauchen keinen Lootsen. Ich für meinen Theil bin am Bord einer Schebecke zur Welt gekommen und habe nie einsehen lernen, wozu man mehr Land braucht, als etwa eine kleine Insel ist, um ein Paar Rettige mitzunehmen oder einen Fisch zu trocknen. Ich darf nur Land sehen, so wird mir schon übel, wenn nicht ein frischer Wind von daher weht.«

»Bist ein gescheiter Bursche, Tom!« rief Barnstable, halb ernst, halb lustig. »Aber wir müssen machen. Die Sonne will schon da hinter den Wolken am Horizonte versinken, und Gott bewahre uns davor, auf einem solchen Platze in der Nacht vor Anker liegen zu müssen.«

Er legte die Hand auf den Vorsprung und schwang sich höher. Zwei- oder dreimal den verzweifelten Satz wiederhohlend, stand er endlich auf der Klippe. Der Bootsmann schob bedachtsam den Kadeten seinem Lieutnant nach, und vorsichtiger, ohne so große Anstrengung, war er bald selbst an der Seite des Letztern.

Als sie auf der Fläche standen, die oberhalb der Klippen lag, und nun so mit neugierig forschendem Blick die Umgebung überschauten, sahen unsere Abenteurer ein angebautes Land, das in gewöhnlicher Weise durch Mauern und Hecken getrennt war. Indessen stand im Umkreise von einer Meile nur eine einzelne Wohnung und auch diese war halb verfallen. Die meisten Gebäude lagen den Seenebeln und Dünsten so weit entfernt, als möglich.

»Hier ist nichts zu fürchten, aber auch nicht zu finden, was wir suchen;« bemerkte Barnstable, als er das Ganze in Augenschein genommen hatte. »Ich fürchte, wir sind umsonst ausgestiegen, Merry. – Was sagst du, langer Tom? Siehst du, was wir nöthig haben?«

»Einen Lootsen nicht,« war des Bootsmannes Antwort, »aber das wär' ein schlechter Wind, der keinem zusagte; da ist ein Maul voll frisches Fleisch hinter der Hecke dort, das wohl eine doppelte Portion für alle Leute auf dem Ariel hergäbe.«

Der Kadet lachte, als er Barnstable den Gegenstand von der Sorgsamkeit des Beischiffsführers zeigte. Es war ein fetter Ochse, der ruhig hinter einer Hecke, ohnfern von ihnen, wiederkäute.

»Wir haben manchen hungrigen Patron am Bord, der Toms Motion gern unterstützen würde,« bemerkte Merry lachend, »wenn nur Zeit und Umstände uns erlaubten, das Thier zu tödten.«

»Dazu gehört ein Augenblick,« versetzte Tom, ohne eine Muskel seines Gesichts zu verziehen, indem er mit dem Harpunenschafte derb auf die Erde stieß, und dann eine Bewegung machte, als werfe er die Waffe. »Laßt den Kapitain Barnstable ein Wort sagen, und ich treibe ihm das Eisen, mir nichts dir nichts, durch den Leib. Das ist schon in manchen Wallfisch gegangen, der nicht so eine Fettjacke anhatte, wie dieser Bursche.«

»Still! Hier bist du nicht auf der Wallfischjagd, wo Alles, was aufstößt, gute Prise ist;« rief Barnstable, sah aber nach einem andern Orte hin, als fürchte er sich selbst vor der Versuchung. – »Seid ruhig! Ich sehe jemanden hinter der Hecke kommen. Macht euch fertig, Merry; das Erste, was wir hören, ist vielleicht ein Schuß.«

»Von dem Kreuzer nicht!« bemerkte der Andere. »Der ist ja noch jünger als ich, und würde nicht gegen eine so furchtbare Macht anrücken, wie wir aufstellen.«

»Habt recht, Kadet!« stimmte Barnstable bei, und zog die Hand zurück, die er ans Pistol gelegt hatte. »Er nähert sich bedächtig, als fürchte er sich. Groß ist er nicht. Sein Rock ist braun. Eine Jacke ist das kaum zu nennen. Sollte das unser Patron seyn? Bleibt beide hier. Ich will ihn anreden.«

Barnstable ging rasch nach der Hecke hin, die den Fremden zum Theil verbarg. Der Letztere blieb plötzlich stehen, und schien in Zweifel, ob er weiter gehen sollte oder nicht. Bevor er sich zu dem einen entschlossen hatte, stand der Seemann nur wenig Fuß vor ihm.

»Mit Vergunst,« sagte der Letztere, »was für Wasser haben wir in dieser Bai?«

Eine ungewöhnliche Bewegung ergriff den Fremden bei dieser Frage. Er drehte sich unwillkührlich seitwärts, als wolle er sein Gesicht verbergen, bevor er mit kaum hörbarer Stimme antwortete:

»Ich sollte meinen, das wäre Wasser aus dem deutschen Meere.«

»Wirklich? Du mußt nicht wenig Zeit gebraucht haben, um in der Geographie soweit zu kommen!« versetzte der Lieutnant. »Nun, vielleicht bist du auch so klug und sagst mir, Patron, wie lange wir dich festhalten, wenn wir dich als Gefangenen mitnehmen, um über deinen Witz zu lachen.«

Der so angeredete Jüngling gab auf diese beunruhigende Bemerkung keine Antwort. Er drehte sich nur immer um und verhüllte das Gesicht mit beiden Händen. Der Seemann glaubte, bei seinem Zuhörer einen heilsamen Eindruck rege gemacht zu haben, und wollte mit neuen Fragen beginnen. Die wunderliche Unruhe bei dem jungen Manne bestimmte ihn aber doch, noch einige Augenblicke länger zu schweigen, als er zu seinem großen Erstaunen entdeckte, daß das, was er für Unruhe genommen hatte, nur Folge des Bestrebens war, ein recht lautes Lachen zu unterdrücken.

»Nun, bei allen Wallfischen im Meere!« rief Barnstable, »jetzt ist nicht die Zeit zum Lachen. Es ist schlimm, in so einer Bucht, wie diese, ankern zu müssen, wenn der Sturm vor sichtlichen Augen im Anzuge ist, ohne landen zu dürfen, um dann von einem Naseweis ausgelacht zu werden, der nicht Kraft genug hat, einen Bart zu tragen, wenn er einen hätte. Eigentlich sollte ich das offene Meer suchen, um Leib und Seele zu retten. Indessen ich werde wohl mehr von Euch und euern Späßen erfahren, wenn ich euch selbst ins Gebet nehme und an Bord bringe, daß ihr mich munter erhaltet, solange ich hier kreuze.«

Mit diesen Worten näherte sich ter Commendant des Schooners dem Fremden nicht ohne den Schein, ein wenig derb Hand an ihn zu legen. Der Letztere sprang vor seinem ausgestreckten Arme zurück.

»Barnstable!« rief er, mit einem Tone, in welchem der wirkliche Schreck die Freude zu verdrängen schien, »guter Barnstable, willst du mir was zu Leide thun?«

Der Seemann fuhr einige Schritte bei diesem unerwarteten Zurufe zurück. Er rieb sich die Augen und zog die Mütze herab.

»Was hör' ich, was seh' ich?« rief er. »Hier liegt der Ariel und dort ist die Fregatte. Kann dies Katharina Plowden seyn?«

Seine Zweifel, wenn noch einige da waren, schwanden bald, denn der Fremde setzte sich an den Rand eines Grabens in einer Art, wo weibliche Verschämtheit lieblich gegen die männliche Kleidung abstach, und ließ die Freude endlich ohne Zwang in lautes Lachen übergehen.

Von dem Augenblicke an waren, wie es schien, alle Gedanken an seinen Dienst, an den Lootsen, selbst an den Ariel, aus der Brust des Seemanns entfernt. Er sprang zu dem Mädchen hin, und lachte mit ihm um die Wette, ob er schon nicht wußte, warum es lachte.

Als das lustige Mädchen allmählig ein wenig ruhiger geworden war, wandte sie sich an ihren Gefährten, der ganz unschuldig neben ihr saß und sie immerhin lachen ließ.

»Das ist aber nicht blos einfältig; es ist grausam gegen Andere;« sagte sie. »Ich bin euch eine Erklärung von meinem unerwarteten Erscheinen und vielleicht auch von meinem ungewöhnlichen Anzuge schuldig.«

»Ich kann mir alles im Voraus denken;« versetzte Barnstable. »Du hörtest, wir wären an der Küste und eiltest herbei, dein mir in Amerika gegebenes Wort zu lösen. Ich frage weiter gar nicht. Der Kapellan auf der Fregatte –«

»Kann predigen wie gewöhnlich, und mit eben so wenigem Nutzen,« unterbrach ihn die verkleidete Katharine, »allein seinen Ehesegen soll er über mich nicht aussprechen, bis ich den Zweck meines gewagten Unternehmens geärndtet habe. Du bist ja sonst nicht so eigennützig, Barnstable; willst du denn, daß ich das Wohl Anderer aus den Augen setzen soll?«

»Von wem sprichst du denn?«

»Von meiner Base, meiner armen Base. Ich hörte, daß zwei Schiffe, die der Beschreibung von Ariel und der Fregatte entsprechen, längs der Küste segelten, und beschloß gleich, mit dir zusammen zu kommen. Ich folgte euren Bewegungen wohl eine ganze Woche lang, immer so gekleidet, ohne aber eher als jetzt glücklich zu seyn. Heut sah ich euch der Küste näher kommen, als gewöhnlich, und glücklich ist mein Wagstück belohnt worden.«

»Ja, Gott weiß, nahe genug dem Lande sind wir! Weiß denn aber Kapitain Munson, daß du bereit bist, bei ihm an Bord zu gehen?«

»Gewiß nicht. Niemand weiß das, als du. Ich glaubte, wenn du und Griffith unsere Lage kennen lerntest, so würdest du versucht werden, uns aus unserer Noth zu befreien. Da hast du ein Papier. Ich habe eine Schilderung entworfen, die alle eure ritterliche Tapferkeit rege machen wird. Danach könnt ihr eure Manövres einrichten.«

»Unsere Manövres?« unterbrach sie Barnstable. »Ach du mußt selbst der Lootse seyn!«

»Dann wären zwei da!« sagte eine Stimme hinter ihnen.

Das erschrockene Mädchen schrie und sprang auf, indem sie sich doch, wie von Natur getrieben, fest an ihren Geliebten schloß. Barnstable erkannte gleich die Stimme seines Beischiffsführers. Er warf einen zornigen Blick auf das nüchterne Gesicht, das über die Hecke hervorragte, und fragte nach der Ursache dieser Unterbrechung.

»Nun, Sir Merry sah euch an der Küste hinstreichen, und da er fürchtete, ihr könntet auf den Strand laufen, hielt ers fürs Beste, euch ein Rettungsboot zu senden. Ich sagte ihm, ihr würdet wohl blos wegzubekommen suchen, was für Flagge das Schiff führe, worauf ihr Jagd machtet. Allein er war Offizier und ich konnte also blos Ordre pariren.«

»Geht, geht dahin, wo ich sagte, daß ihr bleiben solltet, und Sir Merry soll erwarten, was mir gutdünkt!« erwiederte Barnstable.

Der Beischiffsführer grüßte subordinationsmäßig in gewöhnlicher Seemannsart. Bevor er aber die Hecke verließ, streckte er doch einen seiner kräftigen Arme nach dem Meere aus.

»Kapitain Barnstable,« sagte er in einem Tone, dessen Ernst seiner Miene, seiner Bedenklichkeit entsprach, »ich habe euch den ersten Knoten knüpfen und die Raabänder zusammenziehen gelehrt, denn ich glaube nicht, daß ihr so ein Ding verstandet, als ihr an Bord der Spalmacitty kamt. So etwas kann der Mensch bald lernen. Aber das ganze Leben gehört dazu, das Wetter wegzubekommen. Dort streichen Windgallen übers Wasser hin, die sprechen so deutlich zu allen, welche sich auf Gottes Wolken verstehen, als ihr es je mit eurem Sprachrohr könnt, wenn die Segel eingerefft werden sollen. Außerdem – hört ihr nicht die See brausen, als wüßte sie, die Stunde sey da, wo sie aus dem Schlafe erwachen soll?«

»Ja, Tom,« bemerkte der Offizier, und ging nach dem Felsenrande, indem er mit Seemannsauge den Ozean und den Himmel musterte, »die Nacht wird wirklich fürchterlich. Allein der Lootse muß doch – und«

»Ist er das vielleicht?« unterbrach ihn Tom. Er zeigte auf einen Mann, der nicht weit von ihnen stand, und, indem er aufmerksam auf ihr Benehmen Acht gab, wieder seinerseits vom jungen Seekadeten beobachtet wurde. – »Nun, wenn er es ist, so gebe Gott, daß er sein Handwerk versteht, denn der Kiel braucht gute Augen, falls er den Weg aus diesem Grunde finden soll.«

»Das muß der Mann seyn!« rief Barnstable, auf einmal seiner Pflicht wiedereingedenk. Er sprach einige Worte mit seinem weiblichen Gefährten, den er hinter der Hecke ließ und ging vor, den Fremden anzureden. Als er nahe genug war, um verstanden zu werden, fragte er ihn:

»Was für Wasser haben wir in dieser Bai?«

Der Fremde schien diese Frage erwartet zu haben.

»Genug,« antwortete er, ohne Anstand, »um alle in Sicherheit herauszubringen, die mit Vertrauen eingelaufen sind.«

»Ihr seid der Mann, den ich suche,« rief Barnstable. »Und ihr wollt mitgehn?«

»Mitgehn, von Herzen gern!« war des Lootsens Gegenrede. »Und zwar ist Eile nöthig. Ich wollte gleich die schönsten hundert Guineen geben, die je geschlagen wurden, wenn ich die Sonne, welche uns verläßt, zwei Stunden länger haben könnte, und wär' es auch nur eine Stunde von ihrem noch vorhandenen Dämmerlichte.«

»Denkt ihr denn, unsere Lage sey so schlecht?« fragte der Lieutnant. »Folgt, wenn das ist, dem jungen Mann ins Boot. Ich werde gleich bei euch seyn; indeß ihr hinabklimmt, hoffe ich noch einen Mann mehr anzuwerben.«

»Die Zeit ist edler, als die Menge von Händen!« versetzte der Lootse und schaute unter den dicken Brauen ungeduldig hervor. »Wer den Aufschub verursacht, mag auch die Folge davon tragen!«

»Und diese werd' ich bei allen auf mich nehmen, welche ein Recht haben, nach meinem Benehmen zu fragen!« entgegnete Barnstable mit Würde.

Mit jener Warnung und diesem Verweise trennten sie sich. Der junge Offizier eilte ungeduldig nach dem Orte, wo er sein Mädchen gelassen hatte, und machte seinem Verdruß in halblauten Flüchen Luft, während der Lootse mechanisch den ledernen Gürtel seiner Jacke um den Leib zusammenzog, und mit düstern Schweigen dem Bootsmann und Seekadeten ins Boot folgte.

Barnstable fand das verkleidete weibliche Wesen, das sich selbst als Katharina Plowden verrathen hatte; aber in jedem Zuge ihres sinnigen Antlitzes malte sich die heftigste Unruhe. Er fühlte ganz, wie sehr er in seiner Lage verantwortlich sey, so kalt er auch dem Lootsen geantwortet hatte. So nahm er hastig Katharinens Arm, ohne weiter an ihre Verkleidung zu denken, und führte sie vorwärts.

»Komm, Katharine,« sagte er, »die Zeit drängt.«

»Was treibt euch denn so zur unmittelbaren Abfahrt?« fragte sie, sich sanft von seinem Arme losmachend.

»Hast du nicht die bedenkliche Wetter-Prophezeiung meines Bootsmannes gehört. Ich muß seiner Meinung beistimmen. Eine stürmische Nacht bedroht uns, ob ich schon nicht böse bin, die Bai hier gekommen zu seyn, da ich dich hier getroffen habe.«

»Gott bewahre uns, daß einer von uns Ursache fände, dies zu bereuen!« rief Katharine, indem die blasse Furcht die Purpurröthe verjagte, welche die frischen Wangen des Mädchens schmückte. – »Indessen du hast das Papier. Folge seinen Weisungen und komm zu unserer Rettung. Du wirst uns als willige Gefangene finden, wenn Griffith und du unsere Sieger sind.«

»Was meinst du, Katharine?« fragte ihr Geliebter. »Zum Mindesten sollst du jetzt in Sicherheit kommen. Es wäre Thorheit, das Schicksal noch einmal zu versuchen. Mein Schiff kann und soll dich schützen, bis deine Base gerettet ist, und dann erinnere dich, ich habe ein Recht auf dich, so lange ich lebe.«

»Und was wolltest du denn in der Zwischenzeit mit mir anfangen?« sagte das Mädchen, indem es sich vor seiner Hastigkeit zurückzog.

»Auf dem Ariel sollst du Commendant seyn – beim Himmel! Ich will blos dem Namen nach commandiren.«

»Schönen Dank, schönen Dank, Barnstable; ich habe nur ein wenig Mißtrauen in meine Fähigkeit für solchen Posten!« war Katharinens Antwort, die sie mit Lachen gab, obschon die Farbe, die wieder ihr jugendliches Antlitz überzog, nur dem Strahl der Abendsonne glich. »Versteh mich nicht falsch, Hitzkopf! Wenn ich mehr that, als mein Geschlecht gestatten will, so erinnere dich, es geschah aus einer reinen Absicht. Wagte ich mehr, als ein Weib thun darf, so geschah es –«

»Um dich über die Schwäche deines Geschlechts zu erheben und dir so Gelegenheit zu geben, mir dein edles Vertrauen zu beweisen.«

»Um mich darauf vorzubereiten, und würdig zu seyn, eines Tages dein Weib zu heißen!« rief sie, fortspringend, und so geschwind hinter eine nahe Hecke verschwindend, daß sie seine Versuche, sie zurückzuhalten, vereitelte. Einen Augenblick stand Barnstable vor Staunen ganz bewegungslos. Dann eilte er ihr nach. Allein er sah nur im Zwielicht den Umriß ihrer schlanken Gestalt und aufs Neue verschwand sie in einem etwas fernen dicken Gesträuche.

Noch wollte er ihr nachfolgen, als ein Blitz plötzlich durch die Luft leuchtete und ein Kanonenschuß längs den Klippen donnernd hinrollte, von allen Bergen im Innern wiederhallend.

»Ja doch, alter Schwätzer, ich verstehe!« brummte der junge Seemann für sich, dem Signal voller Verdruß Gehorsam leistend. »Du gehst eben so geschwind daran, aus der Gefahr herauszukommen, wie du hineinzukommen wußtest.«

Drei Musketenschüsse aus der Schaluppe zu seinen Füßen trieben zu größerer Eile. Sorglos sprang er die rauhen, gefährlichen Klippen herab, und behielt immer das wohlbekannte Licht, auf der Fregatte scheinend, im Auge, die damit die beiden Barken zurückrief.

 


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