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Zehntes Kapitel: Angriff verschanzter Lager

Es war eine Zeitlang Mode, sehr geringschätzend von Schanzen und ihren Wirkungen zu sprechen. Die kordonartigen Linien der französischen Grenzen, welche oft gesprengt worden waren, das verschanzte Lager von Breslau, in dem der Herzog von Bevern die Schlacht verlor, die Schlacht bei Torgau und mehrere andere Fälle hatten dies Urteil herbeigeführt, und die durch Bewegung und Offensivmittel errungenen Siege Friedrichs des Großen hatten auf alle Verteidigung, alles stehende Gefecht und namentlich alle Schanzen einen Reflex geworfen, der diese Geringschätzung noch vermehrte. Freilich, wenn ein paar tausend Mann mehrere Meilen Land verteidigen sollen, oder wenn Schanzen nichts anderes sind als umgekehrte Laufgräben, so sind sie für nichts zu rechnen, und es entsteht also durch das Vertrauen, welches man auf sie setzt, eine gefährliche Lücke. Aber ist es denn nicht Widerspruch oder vielmehr Unsinn, wenn man dies im Geist eines gemeinen Schwadroneurs, wie Tempelhoff es tut, auf den Begriff der Verschanzung selbst ausdehnt? Wozu wären dann überhaupt Schanzen, wenn sie nicht geeignet wären, die Verteidiger zu stärken? Nein! - nicht nur die Vernunft, sondern auch hundert und tausend Erfahrungen zeigen, daß eine gut eingerichtete, gut besetzte, gut verteidigte Schanze als ein in der Regel unnehmbarer Punkt zu betrachten ist und auch so von den Angreifenden betrachtet wird. Von diesem Element der Wirksamkeit einer einzelnen Schanze ausgegangen, ist es wohl nicht zu bezweifeln, daß der Angriff eines verschanzten Lagers eine sehr schwierige, meistens eine unmögliche Aufgabe für den Angreifenden ist.

Es liegt in der Natur der verschanzten Lager, daß sie schwach besetzt sind; aber mit guten Terrainhindernissen und tüchtigen Schanzen kann man sich auch gegen eine große Überzahl wehren. Friedrich der Große hielt den Angriff auf das Lager von Pirna für untunlich, ob er gleich das Doppelte der Besatzung dagegen anwenden konnte, und wenn später hin und wieder behauptet worden ist, daß es wohl hätte genommen werden können, so gründet sich der einzige Beweis dieser Behauptung auf den sehr schlechten Zustand der sächsischen Truppen, welches denn freilich nichts gegen die Wirksamkeit der Schanzen beweist. Aber es ist die Frage, ob diejenigen, welche hinterher den Angriff nicht allein für möglich, sondern sogar für leicht gehalten haben, in dem Augenblick sich dazu entschlossen hätten.

Wir glauben also, daß der Angriff eines verschanzten Lagers zu den ganz ungewöhnlichen Mitteln der Offensive gehört. Nur wenn die Schanzen in der Eile aufgeworfen, nicht vollendet, noch weniger mit Zugangshindernissen verstärkt sind, oder wenn überhaupt, wie das oft der Fall ist, das ganze Lager nur ein Schema von dem ist, was es sein sollte, eine halbfertige Ruine, dann kann ein Angriff darauf ratsam sein und sogar ein Weg werden, den Gegner mit Leichtigkeit zu besiegen.


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