Vom Staat
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1113 Uebersicht des zweiten Buches.

Nicht an einem Ideal, sondern an einem wirklichen, und zwar großen Staate will Scipio zeigen, wie ein Staat eingerichtet seyn soll. Er geht von dem Satze des Cato aus, der behauptet hatte, der Römische Staat sey darum so vorzüglich, weil er nicht durch Einen und auf einmal, sondern durch Mehrere, und im Laufe von Jahrhunderten, seine Verfassung erhalten habe: (Cap. 1.) Und nun beginnt er mit der Urgeschichte Roms, der Erziehung des Romulus (C. 2.), seinem Plane, eine Stadt zu gründen, und der zweckmäßigen Wahl des Platzes (C. 3.) spricht von den Nachtheilen und Gefahren einer unmittelbar an der Meeresküste liegenden Stadt, und von den Vortheilen einer nicht zu weit von der See entfernten (C. 4.); von dem Plane des Romulus, einen Staat auf die Dauer zu gründen, und der sich in's Unendliche zu vergrößern geeignet sey (C. 5.): von der gesunden Lage Roms (C. 6.); vom Raub der Sabinerinnen, und der Vereinigung dieses Volkes mit den Römern (C. 7.); von der Eintheilung des Volks in Tribus und Curien (C. 8.); von den Auspicien, der Clientel und andern Einrichtungen (C. 9.). Tod des Romulus und seine Vergötterung (C. 10.). Zwischenbemerkung des Lälius, daß Scipio bei seiner Schilderung der besten Staatsverfassung ganz anders verfahre, als Plato; nebst Billigung seines Verfahrens (C. 11.), Das Interregnum (C. 12.). Numa's Wahl. Er will das Volk des Krieges entwöhnen(C. 13.). Seine bürgerlichen und religiösen Einrichtungen (C. 14.). Untersuchung, ob Numa ein Pythagoreer gewesen sey (C. 15.), Rom hat seine besten Einrichtungen nicht vom Auslande (C. 16.), Tullus Hostilius. Einführung der Fecialen (C. 17.), Ancus Marcius. Erweiterung der Stadt (C. 18.). Tarquinius Priscus. 1114 Griechische Cultur. Neue Einrichtungen im Staate. Vermehrung der Patricier und der Ritter (C. 19. 20.). Servius Tullius. Seine Centurieneintheilung (C. 21. 22.). Hinneigung der Königsgewalt zum Despotismus (C. 23.). Tarquinius der Uebermüthige führt durch sein Benehmen eine Staatsumwälzung herbei (C. 24. 25.). Nachtheile einer tyrannischen Verfassung oder der Tyrannenherrschaft (C. 26–29.). Königshaß des Römischen Volkes (C. 30.). Valerius Poplicola. Einführung der Provocation an das Volk (C. 31.). Die Consulargewalt. Die erste Dictatur (C. 32.). Die Plebejer dehnen ihre Rechte aus (C. 33.). Volkstribunen. Würdevolles Benehmen der Patricier (C. 34.), Versuch des Spurius Cassius, sich die Königswürde anzumaßen (C. 35.). Die Decemvirn zur Abfassung von Gesetzen. Ihre Ausartung und ihr Fall (C. 36. 37.). – Tubero wünscht, es möchte Scipio von dem Speciellen (der Römischen Geschichte) mehr in's Allgemeine gehen (C. 38.). Scipio's Antwort darauf (C. 39.). – Anfang der Schilderung eines guten Staatsmannes (C. 40.). Unterbrechung durch eine Lücke, Uebergang zu der Untersuchung, ob in Anlegung und Verwaltung des Staats die Gerechtigkeit das oberste Princip seyn könne (C. 41–43.).

Zweites Buch.

1. Als nun Scipio Alle begierig sah, ihn zu hören, begann er seinen Vortrag mit folgenden Worten. Es ist eine Behauptung des alten Cato – ihr wißt, wie ich ihn vor Allen geliebt, und wie sehr ich ihn bewundert habe, wie ich mich auf den Rath meines Vaters und meines Adoptivvaters, so wie aus eigenem innerm Triebe, von Jugend auf 1115 so ganz an ihn angeschlossen habe, und ihn nie genug hören konnte:Die Beredsamkeit des Cato zieht Vellej. Paterc. II, 17. der des Scipio und Lälius und der übrigen Redner vor Cicero vor. denn der Mann hatte eine außerordentliche Erfahrung in Staatsgeschäften, da er zu Hause und im Felde dem Vaterlande treulich und eine lange Reihe von Jahren gedient hatte, er besaß in seinem Vortrage die schönste Mäßigung und eine mit Würde gepaarte Anmuth, einen eben so großen Eifer sich zu unterrichten, als [Andere] zu belehren,Cato schrieb nämlich über die Redekunst, die Arzneikunst, die Moral, die Erziehung, das Kriegswesen und den Landbau. und führte ein Leben, das mit Dem, was er sprach, in der besten Uebereinstimmung standDamit stimmt überein Seneca im 87sten Briefe. – dieser Mann pflegte zu sagen,Cato war nämlich drei Jahre vor der Zerstörung Karthago's gestorben (Vellej. I, 13.), Karthago aber im J. R. 608, also 17 Jahre vor diesem Gespräche zerstört worden. darin liege der Grund des Vorzuges unserer Verfassung vor der der übrigen Staaten, daß, während in diesen immer nur Einzelne lebten, die, Jeder in seinem Vaterlande, die Verfassung des Staates durch ihre Gesetze und Einrichtungen begründet hätten; zum Beispiel bei den Kretern Minos, bei den Spartanern Lykurgus, bei den Athenern, deren Verfassung mehrmals eine Veränderung erlitten, erst Theseus, dann Drako, dann Solon, dann Klisthenes,Von Klisthenes spricht Plutarch im Leben des Aristides 2. und des Perikles 3. und noch mehrere Andere, bis endlich dem schon ganz kraftlosen und tief gesunkenen Staate der Phalereer Demetrius, ein wissenschaftlich gebildeter Mann, noch einmal aufhalf; 1116 dagegen in unserm Staate nicht das Talent eines Einzelnen, sondern Vieler, die Verfassung begründete; und nicht nur im Lebensraume Eines Menschen, sondern in einer Reihe von Jahrhunderten und Menschenaltern. Denn, sagte er, nie und nirgends gab es wohl einen Mann von so allumfassendem Geiste, dem gar Nichts entgangen wäre; auch ist es unmöglich, daß ein Verein aller Talente in Einem Zeitraume Alles so auf die Dauer berechnen könnte, daß er die Erfahrung und die Probe der Zeit zu ersetzen vermöchte. Darum will ich denn, wie Cato zu thun pflegte, in meinem Vortrage jetzt auf die Uranfänge unseres Volkes zurückgehen, denn ich bediene mich gern eines Ausdruckes des Cato.Dieser hatte nämlich sein Werk über die älteste Geschichte der Staaten Italiens Uranfänge (Origines) genannt. Das Buch aber, das wir noch unter diesem Namen haben, ist unterschoben; wir besitzen nur noch wenige ächte Bruchstücke davon: gesammelt von A. Lion (Catoniana. 8. Gotting. 1826.). Ich werde aber meinen Zweck leichter erreichen, wenn ich euch nachweise, wie unser Staat entstanden, wie er herangewachsen, wie er gereift ist, und dann festgegründet und stark da stand, als wenn ich, wie Socrates bei Plato, irgend ein Ideal aus meinem Kopfe ersinne.

2. Als Alle damit ihre Zufriedenheit bezeugten, fuhr er fort: haben wir wohl einen berühmtern und allbekanntern Anfang der Geschichte der Gründung eines Staates, als die Unternehmung der Erbauung dieser Stadt, die von Romulus ausging? Dieser, ein Sohn des Mars – wir wollen einmal uns nach der Sage bequemen, die nicht nur schon durch hohes Alter ehrwürdig, sondern auch von unsern Vorfahren 1117 weislich fortgepflanzt worden ist, vermöge welcher man um das Gemeinwohl höchst verdienten Männern nicht nur göttlichen Geist, sondern auch göttliche Abkunft zuschrieb. – Romulus also, mit seinem Bruder Remus,Von Diesem ist in diesem Werke nicht weiter die Rede; vielleicht, daß Romulus nicht als Brudermörder geschildert werden müsse: wiewohl von des Remus Tode verschiedene Sagen waren. Nach einer bei Aurel. Victor überlebte er sogar den Romulus. soll auf Befehl des Amulius, des Königes von Alba [Longa], weil Dieser seinen Thron durch ihn gefährdet glaubte, an der Tiber ausgesetzt worden seyn. Als ihm nun dort ein wildes Thier seine Brüste gereicht und ihn ernährt, darauf Hirten ihn gefunden, und bei ihrer ländlichen Lebensweise und Beschäftigung groß gezogen hatten, soll er, nachdem er herangewachsen war, sich vor Allen in seiner Umgebung durch Körperstärke und kühnen Trotz so ausgezeichnet haben, daß alle damaligen Bewohner der Gegend, wo jetzt unsere Stadt liegt, ihm ohne Widerstand und gerne gehorchten. Und nachdem er sich an die Spitze dieses Haufens gestellt, habe er, berichtet die Sage, (um aus der mythischen Erzählung auf wirkliche Thatsachen einzulenken,) Alba Longa, eine damals bedeutende und mächtige Stadt, überwältigt, und den König Amulius erschlagen.

3. Auf diese glänzende Waffenthat, soll er den Gedanken gefaßt haben, unter Berathung durch Auspicien eine Stadt zu erbauen und einen Staat zu begründen. Für seine Stadt wählte er aber (ein Punkt, der für Den, welcher einen Staat auf die Dauer zu gründen gedenkt, der sorgfältigsten Erwägung bedarf) einen Platz, welcher der künftigen Stadt 1118 unglaubliche Vortheile gewährte.S. darüber Creuzers Römische Antiquitäten S. 14. Denn erstlich verlegte er sie nicht an das Meer hin, wiewohl es ihm mit seinem Heere und seiner Truppenzahl ein Leichtes gewesen wäre, in das Gebiet der Rutuler oder der Aboriginer vorzurücken, oder an der Tibermündung seine Stadt anzulegen, wo viele Jahre nachher der König Ancus eine Pflanzstadt anlegte:Livius I, 33. erzählt, dieser König habe, nachdem er den Vejentern den Mäsischen Wald genommen, Ostia an der Tibermündung gegründet. denn als ein Mann von weitsehendem Blicke erkannte und fühlte er sehr richtig, daß für Städte, die man mit Absicht auf lange Dauer und Begründung ausgebreiteter Herrschaft erbauen wolle, die Lage an der See nicht die vortheilhafteste sey:Dieß ist die Ansicht des Plato im vierten Buche der Gesetze. Er will eine Stadt achtzig Stadien von der Küste entfernt wissen. Rom ist hundert und zwanzig Stadien davon. und Dieß schon aus dem Grunde, weil Städte an der See nicht nur überhaupt vielen Gefahren ausgesetzt sind, sondern auch unvoraussehbaren. Denn das Festland kündigt nicht nur das erwartete, sondern auch ein plötzliches Anrücken von Feinden durch viele Merkzeichen, und gleichsam durch ein Getöse und ein vernehmbares Geräusch, zum voraus an. Denn so schnell kann kein Feind zu Lande herbeieilen, daß man nicht wissen könnte, nicht nur, daß er erscheine, sondern auch, Wer er sey, und woher er komme. Kommt aber der Feind von der See her und zu Schiffe, so kann er eher da seyn, als nur Jemand zu ahnen vermag, daß er kommen werde. Und ist er da, so sieht man ihm erst noch nicht an, Wer er ist, woher er kommt oder was er will: überhaupt gibt es ja nicht einmal ein 1119 äußeres Kennzeichen, woraus man erkennen und schließen könnte, ob, Wer kommt, Freund oder Feind sey.

4. Auch reißt in Seestädten leicht Verderbniß, wenigstens unerfreuliche Veränderung der Sitten ein: die Einwohner eignen sich neue Redeweisen und fremde Gebräuche an, wodurch die ihrigen anders gestaltet werden; auch werden nicht nur ausländische Waaren, sondern auch ausländische Gewohnheiten eingeführt, so daß keine der vaterländischen Einrichtungen davon unangesteckt bleibt. Die Leute in solchen Städten haben keine Anhänglichkeit an ihre Heimath, sondern es flattern ihre Hoffnungen und Gedanken immer in's Weite und Entlegene hinaus, ja selbst, wenn sie mit ihrem Körper an Ort und Stelle bleiben, schwärmen und schweifen sie doch mit ihrem Sinne in der Ferne herum. Und wahrlich, kein Umstand hat bei KorinthAndeutung bei Thucydides I, 13. und Karthago, als beide Staaten schon wankten, den gänzlichen Umsturz mehr beschleunigt, als dieser unstete Sinn und diese Unheimathlichkeit der Bürger,Darum hatte Lykurgus den Spartanern das Seeleben verboten. S. Plutarch Inst. Lacon. T. VI. S. 890. Isokrates (or. soc. 33.) sagt: der Umstand, daß die Spartaner eine Seemacht geworden, habe sie verdorben, und am Ende auch um ihre Obermacht zu Lande gebracht. weil sie aus Lust am Handel und an der Schifffahrt die Uebung des Ackerbaues und der Waffen aufgegeben hatten. Auch werden solchen Städten von der See her viele verderbliche Reizmittel zur Ueppigkeit beigeschafft, die entweder als erbeutetes Gut oder als 1120 Einfuhrgegenstände hereinkommen; ja schon die reizende Lage (an der See) verursacht eine Menge Lockungen zu Genüssen, die zum Nichtsthun oder zum Aufwand verführen. Und was ich vorhin von Korinth gesagt habe, Dieß läßt sich [möchte ich fast behaupten] mit voller Wahrheit eigentlich auf ganz Griechenland anwenden. Denn nicht nur der Peloponnes ist eigentlich fast nichts als KüsteDarüber spricht Cicero an den Atticus. und außer den PhliasiernDie Einwohner der Stadt Phlius in Achaja. ist kein Staat, dessen Gebiet nicht die See berührte; sondern außer dem Peloponnes sind bloß die Aenianer, Dorier und Doloper von der Küste entfernt.Nämlich durch die sie umgebenden Länder Molossis, Thessalien, Phthiotis, Aetolien, Akarnanien, die Dryoper und die Ozolischen Lokrer vom Meere abgeschnitten. Und nun gar vollends die Griechischen Inseln! Ringsumflutet schwimmen sie beinahe im eigentlichsten Sinne nebst allen Einrichtungen und Sitten ihrer Städte (unstet umher). So ist es, wie gesagt, im alten Griechenland. Ist aber von den Griechen je eine Colonie in Asien, Thracien, Italien, Sicilien, Afrika [das einzige Magnesia ausgenommenMagnesia lag am Mäander. S. Livius XXXVII, 45. und XXXVI, 43, Corn. Nep. im Themistokl. X.] gegründet worden, die nicht von der See bespült würde? So scheinen gleichsam die Griechischen Ansiedelungen wie ein Saum an den Barbarenländern angewebt. Von den Barbaren selbst waren wirklich in früherer Zeit blos die Etrusker und Pöner [Karthager] Seestaaten; die Letztern, um Handel, Jene, um Seeräuberei 1121 zu treiben.Bekanntlich pflegten die Römer über die von ihnen nach langen Kriegen überwundenen Nationen hart und unbillig zu urtheilen. Dieß geschieht hier in Beziehung auf die Etrusker. Ihre Geschichte ist gut zusammengestellt im dritten Bande der Zusätze zur Allg. Welthistorie S. 43 bis 180. In jenen Umständen finde ich nun die offenbare Ursache der Unfälle und des Unbestandes (der Staatsformen) in Griechenland, nämlich in den Mängeln der Seestädte, die ich kurz vorhin im Umrisse geschildert habe. Bei allen diesen Uebelständen findet indessen der große Vortheil statt, daß nicht nur die Produkte aller Völker zu der Stadt, wo man wohnt, zu Schiffe hergeschafft, sondern auch die eigenen Landesprodukte, wohin man nur will, ausgeführt und versendet werden können.

5. Wie konnte demnach Romulus mit höherer Einsicht seiner Stadt einerseits die Vortheile der Seestädte verschaffen, andererseits ihren Fehlern ausweichen, als dadurch, daß er sie an das Ufer eines nie versiegenden gleichförmig fortfließenden Stromes anlegte, der in breiter Mündung in's Meer ausströmt, wodurch die Stadt von der See her die Zufuhr erhalten konnte, die sie bedurfte, dann auch ausführen, woran sie Ueberfluß hatte; und daß sie auf demselben Strome die zum Unterhalt und zur Lebensverschönerung vorzüglich nöthigen Gegenstände nicht nur von der Seeseite her an sich ziehen, sondern auch aus dem Binnenlande die eingeführten sich herbringen lassen konnte: so daß ich glaube, er habe schon damals geahnet, daß diese Stadt einst einen Sitz und Mittelpunkt für ein Weltreich abgeben werde: denn zu einer 1122 solchen Höhe der Macht hätte es nicht wohl eine auf irgendeinem andern Punkte Italiens angelegte Stadt bringen können.Ganz auf ähnliche Weise spricht Livius V, 54. von derselben Sache, weswegen A. M. (wohl mit Unrecht) ihn eines Plagiats bezüchtigt.

6. Was aber die Stadt selbst für bedeutende in ihrer Lage liegende Schutzmittel hat, Dieß nicht zu bemerken, anzuerkennen und davon überzeugt zu seyn, würde einen hohen Grad von Unaufmerksamkeit verrathen. Schon die Richtung und der Zug der Ringmauer ist durch die weise Anordnung des Romulus und der übrigen KönigeEr meint die Erweiterungen durch den Numa, Tullus Hostilius, Ancus Marcius und Servius Tullius. Ueber das Folgende spricht einstimmig Dionys. v. Halik. IX, 67 f. Plinius N. G. III, 5. Vergl. über die älteste Form der Stadt Tacitus Annalen XII, 24. von der Art, daß sie von allen Seiten über steil abgeschnittene Berge hinläuft, und der einzige (freie) Zugang, der zwischen dem Esquilinischen und Quirinalischen Hügel wäre, durch einen ungeheuren aufgeworfenen Erdwall und einen breiten und tiefen Graben versperrt ist, und daß die Burg durch ringsum steile und, so zu sagen, senkrecht abgeschnittene Felsen so geschüzt und gesichert da steht, daß sie selbst in jener furchtbaren Unglückszeit des Gallischen Einfalls unerobert, ja unangetastet geblieben ist. Und dann wählte er zugleich einen Platz, der nicht nur Quellen im Ueberfluß hatA. M. führt zu dieser Stelle dreizehn berühmte Brunnen und Quellen auf, von denen bei den alten Schriftstellern Meldung geschieht. Im Allgemeinen sprechen darüber Frontin (de Aquaed. I) Varro (de L. L. V, 3.) und Rutilius (Itiner. I, 114). sondern auch in einer 1123 (sonst) ungesunden Gegend dennoch der Gesundheit zuträglich ist: denn er besteht aus Hügeln, welche einerseits der freien Luft Durchzug gestatten, andererseits den Thälern Schatten gewähren.Vergl. Cicero's Aeußerungen hierüber in der Rede in Rull. I, 35. und Tacitus Ann. XV, 44.

7. Das Alles war das Werk einer ganz kurzen Zeit. Erst gründete er die Stadt und gab ihr nach seinem Namen den Namen Rom;Nach einer andern Sage bei Servius (zu Virg. Ecl. I, 20.) stand Rom vor Romulus, und er hatte umgekehrt seinen Namen von Rom. dann befolgte er zu fester Begründung seines neuen Staats eine ungewöhnliche und an das Plumpe gränzende Maßregel, die indessen einen Mann von Kraft verräth, der zur Befestigung der Macht seines Reiches und seines Volkes einen sichern Blick in die ferne Zukunft that, indem er Sabinische Jungfrauen von Stande, die, um Spielen beizuwohnen, nach Rom gekommen waren, (da nämlich Romulus eben diese jährlichen Spiele im Circus damals das erstemal an den ConsualienEin Fest des Neptunus, dessen altlatinischer Name Consus gewesen seyn soll. S. Creuzers Symb. und Myth. II, S. 608 f. im Auszuge des Uebers. S. 427. f. angestellt hatte,) bei dieser Gelegenheit rauben ließ, und sie den Angesehensten seiner Bürger (der neu gegründeten Stadt) zu Frauen gab.Dieß war im vierten Jahre nach Roms Erbauung (Hal. III, 41.), nicht im vierten Monate, wie Plutarch im Leben des Romulus (14.) sagt. Als aus dieser Veranlassung die Sabiner gegen die Römer zu Felde gezogen waren, und sie in einem lange unentschiedenen 1124 und gefährlichen Kampfe sich herumschlugen, ging er mit dem Sabinerkönige T. Tatius ein Bündniß ein, wobei eben die Frauen, die geraubt worden waren, die Vermittlerinnen machten.Nach der bei Dionys. v. Halik. (Ant. Rom. II, S. 110. Sylb.) erhaltenen Sage, nicht nach der gewöhnlichen bei Livius (I, 13.) und Florus I, 1. Diesem Bündnisse zu Folge nahm er die Sabiner zu Bürgern seines Staates auf, machte die Verehrung der Götter beiden Völkern gemeinschaftlich, und theilte seinen Thron mit ihrem Könige.

8. Nachdem aber Tatius um's Leben gekommen war, und er den Thron wieder allein besaß – wiewohl er nebst dem Tatius zum Beirath für beide Könige eine Anzahl Vornehme ausgewählt hatte, die wegen der Anhänglichkeit (des Volkes an sie) Väter hießen;Das ist auch die Ansicht des Plutarch im Leben des Romulus (13.), Etwas verschieden von der des Livius (I, 8,). und er das Volk nach seinem und des Tatius Namen, und dem des Lucumo, der, ein Verbündeter des Romulus, in der Sabinerschlacht gefallen war, in drei TribusDaher Rhamnes, Tities und Luceres genannt. Vgl. Aurel. Victor im Romulus. und dreißig Curien eingetheilt hatte, welche Curien er mit dem Namen der Frauen benannte, die, als Sabinische Jungfrauen geraubt, späterhin die Vermittlerinnen des Friedens und des Bündnisses geworden waren,Diese und noch eine andere Sage findet sich bei Dionys. v. Halik. a. a. O. S. 111. – wiewohl [sage ich,] Dieß so zu den Lebzeiten des Tatius angeordnet worden, so fuhr Romulus dennoch 1125 auch als Jener erschlagen war,Von den Einwohnern von Lavinium in einem Volksauflaufe. Liv. I, 14. fort, bei seiner Regierung die Väter zu Rathe zu ziehen und ihrem Rathe Gehör zu geben.

9. Durch dieses Verfahren sprach er erstlich die Einsicht und Ueberzeugung aus, die nur ein wenig früher Lykurgus zu Sparta gehabt hatte,Vierzig Jahre früher. Plut. im Lyk., Dion. v. Halik. II, 12. 14. scheint den Cicero vor Augen gehabt zu haben. daß nämlich die Staaten dann besser monarchisch und durch königliche Herrschaft verwaltet und regiert werden, wenn jene Herrschergewalt das Ansehen einer Anzahl der tüchtigsten Staatsbürger beiziehe. Durch diesen Rath oder gleichsam SenatNach Servius (ad Aen. I. S. 426.) soll nämlich der Name Senatus erst zur Zeit des (alten) Brutus aufgekommen seyn. gestützt, und so zu sagen verschanzt, führte er nicht nur mit seinen Nachbarn viele Kriege mit dem glücklichsten Erfolge, sondern bereicherte seine Bürger fortwährend. ohne auch nur einen Theil der Beute sich selbst anzueignen. Im Laufe der ganzen Zeit richtete sich Romulus bei seinen Unternehmungen gewöhnlich durchaus nach den Auspicien; ein Verfahren, das wir auch gegenwärtig noch zu großem Vortheile unseres Staats beibehalten.Scipio, Lälius und Scävola, ja der Verfasser des Werkes selbst, Cicero, waren nämlich Auguren, also für die Erhaltung des Ansehens dieses Collegiums interessirt. Er gründete nämlich nicht nur zur ersten Anlage seines Staates die Stadt selbst den Auspicien zu Folge, sondern wählte sich auch, für alle Unternehmungen im Namen des Staats, aus jeder Tribus einen Augur zur Mithülfe bei den Auspicien; 1126 vertheilte die Plebejer als Clienten unter die Vornehmen:Wichtige und ausführliche Erörterungen über diesen Gegenstand finden sich im ersten Bande von Niebuhrs Römischer Geschichte. Vgl. Creuzers Röm. Antiquitäten S. 91, Wachsmuth Aelteste Gesch. des Röm. Staates S. 184–191. ein Anordnung, deren Nutzen ich später zeigen werde; und anstatt durch Ausübung von Gewalt und durch Hinrichtungen zu strafen, setzte er Strafen an Schafen und Rindern fest, weil damals das Vermögen in Vieh (pecus) und im Besitz von Grundstücken (loca) bestand, woher die Reichen Viehbesitzer (pecuniosi) und Begüterte (locupletes) genannt wurden.Erläuternd spricht hierüber Plinius N. G. XVIII, 3.

10. Nachdem nun Romulus sieben und dreißig Jahre regiert, und die beiden trefflichen Stützpfeiler des Staates, die Auspicien und den Senat, eingeführt hatte, ward ihm die Anerkennung zu Theil, daß man, als er nach einer plötzlichen Sonnenverfinsterung nicht mehr gesehen wurde, annahm, er sey in die Reihen der Götter aufgenommen worden: ein Glaube, der für einen Sterblichen so ehrenvoll ist, daß durch ihn nur Menschen von ganz ausgezeichnetem Ruhme wegen ihres hohen Werthes verherrlicht wurden. Daß aber Dieß dem Romulus widerfuhr, gereicht ihm um so mehr zu hohen Bewunderung, weil Andere, die die Sage aus Menschen zu Göttern werden ließ, in Jahrhunderten lebten, in denen die Aufklärung noch nicht so viel Licht verbreitet hatte, wo also eine solche Erdichtung ganz im Geiste der Zeit lag, da Ungebildeten solcher Glaube leicht eingeredet werden konnte. Bekanntlich aber fällt die Lebenszeit des Romulus vor nicht 1127 volle sechshundert Jahre, wo es schon längst eine Literatur und Wissenschaft gab, und jener ganze alte Irrwahn, der in der Menschheit zu den Zeiten der Uncultur geherrscht hatte, verschwunden war. Denn ist (ein Punkt, den die Griechen in ihren Jahrbüchern zum Gegenstande der Untersuchung gemacht haben) Rom im zweiten Jahre der siebenten Olympiade erbaut,S. hierüber Creuzers Röm. Antiquitäten S. 14. Die Angaben sind sehr verschieden; sie weichen um mehr als fünfzig Jahre von einander ab. so fiel des Romulus Lebenszeit in die Zeitperiode, da es in Griechenland bereits eine Menge von Dichtern und Sängern gab, und man Erdichtungen, außer über Gegenstände aus der Vorzeit, nicht mehr viel Glauben schenkte. Denn die erste Olympiade fällt nach der gewöhnlichen Rechnung hundert und acht Jahre nach der Zeit, in welcher Lykurgus seine Gesetze abzufassen begann; welche Zeitrechnungsweise aus Namenverwechslung Einige demselben LykurgusEs wird in der Geschichte auch von einem jüngern Lykurgus gesprochen, der mit Iphitus die Olympischen Spiele (772. v. Chr. G.) einrichtete. zuschreiben; den Homer aber setzen Die, welche die geringste Zahl annehmen, doch etwa dreißig Jahre vor Lykurgs Zeit. Das Resultat dieser Berechnung ist (wenigstens) Dieß, daß Homer viele Jahre vor Romulus gelebt hat, so daß zu einer Zeit, wo die Menschen schon viele Kenntnisse besaßen, und selbst die Zeit (gleichsam) schon gebildet war, eine Erdichtung kaum noch Raum gewinnen konnte. Das Alterthum nämlich ließ sich auch bisweilen recht plump ersonnene Mährchen aufbinden; jenes Zeitalter aber, in dem schon Bildung herrschte, und das besonders alles Unmögliche mit Hohn zurückwies, verschmäht sie. * * *

[Lücke von etwa 230 Buchstaben.]

* * *Wir nehmen die Niebuhr'sche Ergänzung dieser nur einzelne Buchstaben und Sylben zeigenden Stelle an, ungeachtet sie nicht den höchsten Grad von Wahrscheinlichkeit hat, da wir keine sicherere an ihre Stelle zu setzen wissen. [gleiches Namens ein anderer Enkel von ihm, den seine Tochter gebar; weil Jener in demselben Jahre starb; demnach wurde Simonides in der sechs und fünfzigsten Olympiade geboren; woraus um so klarer hervorgeht,] daß der Glaube an die Versetzung des Romulus unter die Götter zu einer Zeit aufgekommen ist, als die Menschheit nicht mehr in ihrer Kindheit lag, sondern schon in der Ausbildung vielseitig vorgeschritten war.In den Büchern von den Gesetzen I, 1. schenkt Cicero dieser Sage von der Vergötterung des Romulus und der Erzählung des Proculus wenig Glauben. Abweichend erzählt die Sache Plutarch im Leben des Romulus 28. Aber es lag wahrhaftig in ihm eine so große Geisteskraft und eine solche Tüchtigkeit, daß man von Romulus dem Julius Proculus, einem schlichten Landmanne, Etwas glaubte, was die Leute schon Jahrhunderte früher von keinem andern Sterblichen geglaubt haben würden. Dieser Proculus soll nämlich, veranlaßt von den Senatoren, um den sie verhaßt machenden Verdacht, als seyen sie am Tode des Romulus Schuld, von ihnen abzuwälzen, öffentlich vor dem Volk aufgetreten seyn und gesagt haben, er habe den Romulus auf dem Hügel erblickt, der jetzt der Quirinalische heißt, und Dieser habe ihm aufgetragen, das Volk 1129 zu bitten, ihm auf diesem Hügel einen Tempel zu erbauen: er sey (jetzt) ein Gott, und heiße Quirinus.

11. Seht ihr also, wie durch Eines Mannes weise Maßregeln ein neues Volk nicht blos entstanden, auch nicht blos noch in der Wiege wimmernd zurückgelassen worden, sondern schon groß gewachsen und fast gereift. Ja, sagte Lälius, wir sehen es; und finden zugleich, daß du bei deinem Vortrage einen ganz neuen Weg eingeschlagen hast, wovon sich in den Schriften der Griechen kein Vorgang findet. Denn jener Hauptschriftsteller,Nämlich Plato in seiner Republik. den in der Darstellung Keiner übertroffen hat, hat sich selbst einen Boden geschaffen [zur Aufführung seines Gebäudes] und zwar er vielleicht einen ganz trefflichen, der aber für die Menschen, wie sie sind, und für ihren Charakter nicht paßte.In diesem Sinne spricht auch Polybius (VI, 47.), welchen Cicero stark benützt hat. Die Andern aber sprachen [in ihren Büchern], ohne mit sich selbst über eine bestimmte Idee einig zu seyn, von den verschiedenen Formen und Gattungen der Staaten hin und her.Scheint auf den Aristoteles zu gehen. Du scheinst mir Beides vereinigen zu wollen; denn in deinem bisherigen Vortrage sprichst du dich so aus, daß du die Resultate deines eigenen Nachdenkens lieber, als wären es fremde Gedanken, darstellen, als, wie Sokrates bei Plato thut, aus dir selbstthätig schaffen zu wollen scheinst; und daß du Dem, was den Romulus der Zufall oder die Noth zu thun veranlaßt hat, nämlich der für die Stadt gewählten Lage, einen berechneten Plan unterlegst, und nicht mit unbestimmt 1130 umherschweifender Rede, sondern einem auf Einen Staat gerichteten Blicke. Darum setze nur immerhin deine Entwicklung fort, in der Weise, wie du sie begonnen hast. Denn schon ist mir, als werdest du bei Schilderung der übrigen Könige nach und nach ein Gemälde einer vollendeten Staatsform liefern.

12. Wie nun, fuhr Scipio fort, jener Senat des Romulus, der aus Optimaten bestand, die der König selbst so hoch geachtet hatte, daß er sie Väter (patres) und ihre Söhne Patricier (patricios)Livius (X, 3.) erklärt das Wort, eben nicht nach den besten etymologischen Grundsätzen, durch: qui patrem ciere possunt. genannt wissen wollte, nach dem Hintritt des Romulus ohne König die Zügel der Regierung fassen und leiten wollte, lehnte sich das Volk dagegen auf, und ließ fortwährend aus Sehnsucht nach dem Romulus nicht ab, einen König zu fordern:Das erzählt Livius I, 17. bei welcher Gelegenheit jene Staatshäupter ein ganz neues und bei andern Völkern unerhörtes Auskunftsmittel, nämlich die Ernennung von Zwischenkönigen,Darüber verbreitet sich Creuzer in den Röm. Antiquitäten S. 177. f. ausdachten, so daß, bis Einer zum bestimmten König erklärt wäre, weder der Staat ohne König, noch lange unter Einem [Zwischen-] König war, und dadurch zu verhüten wußten, daß Einer, an die Obergewalt zu sehr gewöhnt, zu ungeneigt würde, die Regentenstelle niederzulegen, oder mächtig genug, sie mit Gewalt zu behaupten. Und wirklich erkannte das um jene Zeit noch ganz neue Volk, [eine Wahrheit,] die dem Spartanischen Gesetzgeber Lykurgus entging, der die Ansicht hatte, man müsse einen König nicht wählen 1131 (wenn es anders dem Lykurgus frei stand, hierüber zu entscheiden), sondern annehmen, wie er auch seyn möge, wenn er nur aus des Herkules Stamme entsprossen sey: unsere einfachen Landleute, sage ich, erkannten wirklich schon damals, daß königliche Thatkraft und Weisheit, nicht königliche Abstammung, die Hauptsache sey, auf die man sehen müsse.In diesem Sinne spricht der Volkstribun Canuleius bei Livius IV, 5.

13. Da nun nach der allgemeinen Stimme Numa Pompilius diese Eigenschaften besaß, so nahm das Volk auf den Vorschlag der Väter,Das erklärt Livius I, 17. ohne Berücksichtigung seiner Mitbürger, einen König aus einem fremden Volke, einen Sabiner, und berief ihn von Cures her auf den Römischen Thron.Numa war Schwiegersohn des Tatius, der des Romulus Mitregent gewesen war. Sobald er hierher kam, ließ er, obgleich das Volk in einer nach Curien abstimmenden Wahlversammlung ihn zum Könige ernannt hatte, doch noch erst wegen seines Oberbefehls auch in einer Curienversammlung ein förmliches Gesetz aussprechen: und wie er sah, daß die Römer durch das von Romulus eingeführte Staatsleben eine gar große Vorliebe für den Krieg gewonnen hatten, so glaubte er sie von dieser Neigung ein wenig entwöhnen zu müssen.

14. Er fing damit an, daß er die von Romulus eroberten Ländereien unter seine Mitbürger Mann für Mann austheilte,Nach Dionys. v. Halik. II, 62. sind die armen und die neuen Bürger zu verstehen, die von Romulus Nichts bekommen hatten. und sie die Möglichkeit lehrte, ohne Plünderung 1132 und Beute durch Anbau des Bodens sich reichlichen Unterhalt zu verschaffen, wodurch er ihnen Lust an Waffenruhe und am Frieden beibrachte, die vorzüglich dazu geeignet sind, Gerechtigkeit und Achtung der Verträge zu begründen, und unter deren Obhut der Ackerbau und das Einernten seines Ertrages vorzüglich gesichert ist. Auch brachte Pompilius die größern Auspicien auf,In Beziehung auf die Blitze. Darüber sprechen Plutarch, im Numa 15. und Livius I, 20. verstärkte die frühere Zahl der Auguren um zwei, und setzte über die Verwaltung des Götterdienstes aus der Mitte der Vornehmen fünf Hauptpriester;Pontifices. Nach Livius X, 6, stellte er vier auf, deren Zahl unter den Consuln Valerius und Apulejus (454 n. R. E.) durch vier Plebejische verdoppelt wurde. Sulla brachte sie auf fünfzehn. Livius Epit. 89. dabei wußte er durch den Vorschlag jener Gesetze, die wir noch in den [alten] Denkmälern haben, die von Gewohnheit und Lust an Kriegen entflammten Gemüther durch Einführung religiöser Formen zu mildern; und indem er die Flamines [Einzelpriester gewisser GötterDen Flamen Dialis, Martialis und Quirinalis dem Juppiter, Mars und Romulus.] die SalierZwölf Patricische Marspriester. S. über sie Meyers Röm. Alterth. S. 221. f. Ueber die Vestalische Jungfrauen S. ebd. S. 223. ff. und über die alle neun Tage gehaltenen Stadtmärkte (daher Nundinae aus Novendinae) S. 260. 266. das. und die Vestalischen Jungfrauen stiftete, gab er somit allen Theilen der Religion eine unverbrüchlich heilige Begründung. Bei allem Dem sollte nach seinem Plane die Religionsübung eine mühsame Genauigkeit, die Anstalten dafür aber nur einen 1133 ganz kleinen Aufwand erfordern: denn zu lernen und zu beobachten gab es dabei sehr Vieles, aber das Alles ohne Kosten. Und so gelang es ihm, dem Volke bei Ausübung seines Götterdienstes viel zu thun zu geben, und dennoch alle verschwenderische Pracht zu beseitigen; und in demselben Geiste führte er auch Marktverkehr, Spiele und mancherlei Veranlassungen und Feierlichkeiten ein, die die Menschen mit einander in Berührung bringen. Durch alle diese Veranstaltungen machte er die durch Kriegeslust schon ganz verwilderten und roh gewordenen Menschen wieder menschlich und mild. Und nachdem er so neun und dreißig Jahre lang in vollkommenem Frieden und in Eintracht regiert hatte, (ich halte mich nämlich am liebsten an meinen Polybius, dem es an gründlicher Untersuchung der Zeitangaben Keiner zuvorgethan hat,) schied er aus dem Leben, nachdem er zwei die Dauer und Festigkeit des Staates trefflich begründende Dinge, Religion und Menschlichkeit, [dem neuen Volke] eingeflößt hatte.

15. Bei diesem Ruhepunkte fiel Manilius dem Scipio in die Rede, und sagte zu ihm: Ist aber wohl Etwas an der Sage, Africanus, daß jener König Numa entweder wirklich ein Schüler des Pythagoras, oder doch wenigstens ein Pythagoreer gewesen sey? Denn oft haben wir Das von ältern Personen gehört, und wissen auch, daß es allgemein geglaubt wird, ohne daß sich doch dafür hinlängliche Beweise in den öffentlichen Jahrbüchern vorfändenCicero widerlegt diese Sage auch de Or. II, 37. Tusc. I, 16. IV, 1. Der Irrthum kam entweder daher, weil um die Zeit, da Numa die Regierung antrat, ein Spartaner Namens Pythagoras in den Olympischen Spielen siegte, oder weil Pythagoras der Philosoph auch in Italien lebte; oder weil man zwischen Vorschriften des Pythagoras und des Numa Aehnlichkeiten entdeckte. Natürlich, 1134 erwiederte Scipio, denn das ganze Vorgeben, mein Manilius, beruht auf Erdichtung, und zwar auf einer ungereimten und abgeschmackten. Das ist gerade an einer Lüge das unausstehlichste, wenn wir nicht nur einsehen, daß das Erzählte nicht geschehen ist, sondern daß es unmöglich hat geschehen können.Sogar diese Reflexion hat Cicero aus Polybius genommen. S. VI, 59. 2. Es ergibt nämlich die Berechnung der Zeiten, daß Pythagoras erst im vierten Regierungsjahre des L. Tarquinius (des Uebermüthigen) nach Sybaris, nach Kroton und in jene Gegenden von Italien gekommen ist. Denn gerade in die zwei und sechzigste Olympiade fallen die beiden Thatsachen: der Anfang der Regierung des Tarquinius Superbus und die Ankunft des Pythagoras. Berechnet man nun die Regierungsjahre der Könige; so kommt heraus, daß Pythagoras ungefähr erst hundert und vierzig Jahre nach dem Tode des Numa Italien betreten hat; und hierüber hat unter Denjenigen, welche die Jahrzeitbücher gründlich studirt haben, durchaus nie ein Zweifel obgewaltet. Unsterbliche Götter, fiel Manilius ein, was ist das für ein großer, und dennoch so allgemeiner und eingewurzelter Irrthum! Doch ist es mir ganz recht, daß wir demnach unsere Bildung nicht einer fremden und über die See her zu uns eingeführten Wissenschaft, sondern angestammter und einheimischer Kraft zu verdanken haben.

16 Und Das wird dir erst noch viel klarer vor die Seele 115 treten, erwiederte Scipio, wenn du siehst, wie unser Staat immer fortgeschritten, und nach einem naturgemäßen Gange und Zuge zu der besten Verfassung gelangt ist; ja wenn du gerade darin wieder einen preiswürdigen Zug von der Weisheit unserer Vorfahren erblickst, daß sie zwar Manches auch aus fremdem Boden auf unsern heimischen verpflanzten, daß es aber bei uns viel besser geworden, als es dort war, wo es zuerst aufgekommen und woher es zu uns herüber gebracht worden:Wie es scheint, ein Lieblingsgedanke des Cicero. Er bringt ihn auch in den Tusculanen I, 1. vor. und du wirst dich überzeugen, daß das Römische Volk nicht durch Zufall, sondern durch planmäßige Bildung so stark geworden sey, wobei ihm übrigens das Glück wenigstens nicht abhold gewesen ist.

17. Nach dem Tode des Pompilius, wählte das Volk in einer nach Curien abstimmenden Wahlversammlung, auf den Antrag des Zwischenkönigs, den Tullus Hostilius,Nach Dionys. von Halik. III, 1. (einer von A. M. gebilligten Lesart zu Folge) war Tullus Hostilius Enkel des Romulus, da seine Mutter eine Tochter der Hersilia war, Diese aber Gattin des Romulus gewesen seyn soll. und auch Dieser ließ sich, nach dem Beispiele des Pompilius, von den Curien des Volkes noch besonders den Oberbefehl übertragen. Er war ein Mann von ausgezeichnetem Kriegsruhm, und verrichtete große Heldenthaten. Er war es auch, der von dem Ertrage der Beute das Comitium [den Wahlversammlungsplatz] umzäunte und die Curie [das Senatsversammlungshaus]erbaue; er bestimmte auch die Rechtsgrundsätze für die Kriegsankündigungen, und diese an sich schon höchst 1136 gerechte Einrichtung heiligte er durch die religiöse Anordnung der Fetialen,Eigene Priester zur Kriegsankündigung. S. über sie Creuzers Röm. Antiquitäten. S. 274. Meyers Röm. Alterth. S. 219. Eine eigene gründliche Abhandlung über die Fetialen hat man von J. D. Ritter, welche in Martini's Thesaur. Dissert. II, 2. S. 188 bis 234, steht. so daß jeder Krieg, der nicht erst angekündigt und angesagt worden, für ungerecht und frevelhaft erklärt wurde. Und damit ihr erkennet, wie weislich auch Das schon unsere Könige erwogen haben, daß man auch dem Volke gewisse Rechte einräumen müsse, (denn ich habe über diesen Gegenstand noch Manches zu sagen:) [so überseht nicht], daß sich Tullus nicht einmal herausnahm, sich der äußerlichen Zeichen der königlichen Würde zu bedienen, ohne vom Volke besonders dazu ermächtigt zu seyn. Denn die Befugniß, zwölf Lictoren mit den Fascen [Gewaltstäben] vor sich her treten zu lassen, * * * Man ergänze allenfalls: ließ er sich erst vom Senat und dem Volke ertheilen. Es fehlt hier weiter Nichts, als vielleicht eine nähere Nachricht von dieser Einrichtung wegen der königlichen Insignien; Etwas über den Tod des Tullus, und dann der Anfang der Beifallsbezeugungen eines Zwischenredners (vielleicht des Lälius), die, wo die Handschrift wieder fortfährt, noch fortgesetzt werden.

[Lücke von zwei Seiten.]

[Aus diesem Grunde wurde nach einer solchen Todesart von ihm nicht auch [wie vom Romulus] geglaubt, daß er unter die Götter aufgenommen worden sey, weil die Römer das bei Romulus gern Geglaubte nicht gemein machen wollten, 1137 dadurch, daß man es nur so leicht auch von einem Andern annähme.]Diese vom Augustinus uns erhaltene Stelle (de Civ. Dei III, 15.) fügt sich hier nicht unbequem ein.

18. * * * Denn nicht langsam fortrückend, sondern gleichsam im Fluge eilte der Staat, wie du sein Emporkommen schilderst, dem höchsten Grade seiner Vollkommenheit entgegen. Scipio. Nach ihm wurde vom Volke der Tochtersohn des Numa Pompilius zum Könige ernannt, Ancus Marcius; und auch er ließ sich erst vom Volke in einer nach den Curien stimmenden Versammlung den Oberbefehl bestimmt ertheilen. Er überwand die Latiner in einem Kriege, und nahm sie dann zu Bürgern seines Staates auf. Auch zog er den Aventinischen und Cälischen Hügel in den Umkreis der Stadt, theilte die eroberten Ländereien aus, machte die gewonnenen Wälder an der Seeküste zu Gemeingut, gründete an der Mündung der Tiber eine Stadt, und verpflanzte zu ihrer Sicherung [Römische Bürger als] Colonisten dahin.Nämlich Ostia gleichsam der Hafen Roms. Nach einer auf diese Weise drei und zwanzig Jahre fortgesetzten Regierung starb er. Lälius. Auch das war ein preiswürdiger König: aber gerade hier ist ein dunkler Punkt in unserer Geschichte: denn von der Mutter dieses Königes wissen wir Etwas: seinen Vater kennen wir nicht. Scipio. Allerdings. Allein aus jenen Zeiten heben sich überhaupt fast nur die Namen der Könige hell hervor.Nach Plutarch im Leben des Numa (21.) war sein Großvater ein Sabiner, und Freund des Numa, Namens Marcius, welcher zugleich mit dem Hostilius hatte König werden wollen, ein Senator, sein Vater aber hieß gleichfalls Marcius und war Gemahl der Pompilia.

1138 19. Doch gerade in diesem Zeitpunkt scheint der Staat zum erstenmale durch eine Art von eingeimpfter Bildung gleichsam gelehrter worden zu seyn. Es floß nämlich nicht nur ein schwaches Bächlein aus Griechenland zu uns herüber, sondern ein überwallender Strom der dort blühenden Wissenschaften und Künste.Der Strom war nicht sehr heftig. Erst zu Scipio's und Lälius Zeit drang eigentliche Griechische Bildung nach Rom. Der Sage zu Folge lebte nämlich zu Korinth ein gewisser Demaratus, der an Ehre, Ansehen und Vermögen in seinem Vaterlande seines Gleichen nicht hatte. Dieser soll, weil er sich nicht unter die Tyrannengewalt des Cypselus schmiegen wollte, mit einer großen Summe Geldes sich aus seiner Heimath entfernt, und sich nach Tarquinii, einer höchst blühenden Stadt Hetruriens, begeben haben. Und als er vernahm, daß die Gewaltherrschaft des CypselusSie hielt sich, nach Aristoteles (Rep. V, 12.), dreißig Jahre. Vgl. Herodot V, 92. – An der Stelle des alten Tarquinii steht heut zu Tage Corneto. sich immer fester gründe, entschloß sich der freisinnige und muthvolle Mann, sein Vaterland ganz aufzugeben, ließ sich von den Tarquiniern als Bürger aufnehmen, und schlug dort, als in seinem neuen Vaterlande, seinen Wohnsitz auf. Da erzeugte er denn mit einer Frau aus Tarquinii zwei Söhne, und gab ihnen eine ganz Griechische wissenschaftliche Bildung * * *

[Lücke von zwei Seiten.In diese Lücke fällt die uns von Dionysius von Halikarnaß III, 46 – 48. und Livius I, 34. erhaltene Nachricht, daß diese beiden Söhne, Aruns und Lucumo, vornehme Tarquinierinnen geheirathet haben, daß der Vater und der ältere Sohn gestorben, der dadurch sehr reich gewordene Lucumo aber, als er sich dort nicht geehrt genug geglaubt, auf den Zuspruch seiner Gemahlin, Tanaquil, sich nach Rom begeben habe.]

1139 20. * * * er ohne Anstand als Bürger [in Rom] aufgenommen worden war; wurde er wegen seiner Bildung und seiner Kenntnisse bei dem König Ancus so beliebt, daß er als Theilnehmer aller seiner Beschlüsse, und fast für seinen Mitregenten galt. Ueberdieß war er äußerst leutselig, und erwies sich gegen alle Bürger sehr gütig durch Unterstützung, Hülfe, Schutz und Freigebigkeit.Auch Dieß hat Cicero von Polybius VI, 2. Darum wurde er denn auch nach dem Tode des Marcius vom Volke ganz einstimmig zum Könige gewählt, unter dem Namen Lucius Tarquinius; denn diesen Namen hatte er, statt seines Griechischen,Nämlich aus dem Namen Lucumo machte er Lucius, und den Namen der Stadt, wo er her kam, machte er zu seinem Hauptnamen. angenommen, um in allen Stücken die Sitte dieses Volkes sich anzueignen. Nachdem auch er sich den Oberbefehl erst noch durch ein förmliches Gesetz hatte übertragen lassen, verdoppelte er gleich anfangs die frühere Zahl der Väter; nannte dann die alten Väter [die Väter] der ältern Geschlechter (patres majorum gentium), die er immer zuerst abstimmen ließ; die von ihm Angenommenen aber die der jüngern [minorum].So auch Livius I, 35. und Dionysius von Halikarnassus III, 67. Tacitus aber (Ann. XI, 25.) leitet die familias majorum gentium von Romulus, die minorum gentium von Brutus her. Darauf gab er der Reiterei 1140 [dem Ritterstande] die Form der Einrichtung, die heut zu Tage noch besteht: nur konnte er, ungeachtet er es gerne gethan hätte, die Namen Titienses, Ramnenses und Luceres nicht verändern, weil ihm Attius Navius, ein Augur vom höchsten Ansehen, davon abrieth. Auch bei den Korinthiern finde ich, daß sie in frühern Zeiten die Einrichtung hatten, aus Beiträgen kinderloser [Männer] und Wittwen [den Reitern] öffentliche Pferde anzuschaffen und zu unterhalten.Vgl. Livius I, 43., der erzählt, Servius Tullius habe die Wittwen dazu angehalten. Uebrigens heißt vidua auch überhaupt unverheirathete Frauensperson. Er fügte indessen zu den ersten Abtheilungen der Ritter noch eben so viel andere, und brachte sie auf 1200, wodurch sich ihre Zahl verdoppelte, nachdem er das große und auf seine Kraft trotzende Aequervolk, das Roms Existenz bedrohete, überwunden hatte. Auch die Sabiner schlug er von den Mauern der Stadt zurück, zerstreute sie mit seiner Reiterei, und überwand sie vollkommen in einem Kriege.Auch die Tusker überwand er (nach Florus I, 5.) und die Latiner, nach Liv. I, 38. Er soll auch, nach geschichtlichen Angaben, zuerst die großen Festspiele, Römische Spiele genannt, eingeführt,Sie dauerten vom vierten bis zwölften September. S. Meyers Röm. Alterth. S. 256. dem allgütigen, allmächtigen Jupiter während der Schlacht im Sabinerkriege auf dem Capitolium einen Tempel zu errichten gelobt haben,Nach Livius legte er auch den Grund dazu (I, 38.). und nach einer Regierung von acht und dreißig Jahren gestorben seyn.


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