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Die Erzählung des Pfarrers.

Prolog.

Als die Erzählung der Faktor beendet,
War schon so weit vom Meridian gewendet
Die Sonne, daß für ihren Höhestand
Ich nur noch neun und zwanzig Grade fand.
So war es denn vier Uhr wohl ungefähr.
Elf Fuß auch – etwas wen'ger oder mehr –
Mocht' um dieselbe Zeit mein Schatten sein,
Theilt man die Körperlänge nämlich ein
Grad' in sechs Fuß von gleicher Dimension. [17,320]
Somit begann des Mondes Ascension
Im Sternbild Wage sich gemach zu heben,
Als wir des Dorfes End' erreichten eben.
Da sprach der Wirth, wie er denn alle Zeit
Die lustige Gesellschaft ins Geleit
Genommen: »Hört, ihr Herrn, mich allzumal.
Es fehlt an der Geschichten vollen Zahl
Nur eine noch; erfüllt ist mein Geheiß:
Erzählt hat Jeder dann, so viel ich weiß.
So ist denn hier mein Auftrag bald zu Ende. [17,330]
Ich bitte Gott, daß er dem Segen spende,
Der die Erzählung uns recht munter hält.

Herr Priester, bist du zum Vikar bestellt?
Bist du ein Pfarrer? Nun gieb uns Bericht.
Doch was du seist, verdirb das Spiel uns nicht.
Denn außer dir erzählte jeder Gast.
Schnall deinen Ränzel auf; zeig, was du hast.
Denn in der That, mich dünkt nach deinen Blicken,
Du könntest einen großen Stoff entstricken.
Gieb eine Fabel uns, Potz Bein und Blut.« [17,340]

Darauf versetzt der Pfarrer kurz und gut:
»Von mir wird keine Fabel dir beschert.
Denn Paulus an Timotheus belehrt
Und tadelt die, so von der Wahrheit weichen
Mit Fabeln und elendem Zeug dergleichen.
Wie sollt' ich Spreu wohl sä'n aus meiner Hand,
Bin Waizen auszustreuen ich im Stand?
Drum sag' ich euch nur dies: Wenn ihr Begehren
Tragt nach Moral und tugendhaften Lehren
Und wenn dazu ihr euer Ohr wollt leihn, [17,350]
So will ich euch gar gern gefällig sein,
So weit zu Christi Ehren ich nur kann.
Doch ich bin aus dem Süden, denkt daran.
Ich kann in »Rum, Ram, Ruff« mein Wort nicht kleiden
Und mag den Reim, weiß Gott, kaum besser leiden.
Drum will ich mich der Tändelein entschlagen
Und euch ein kleines Stück in Prosa sagen,
Das Fest so abzuschließen und zu enden.
Mag Jesu Gnade den Verstand mir senden,
Damit ich euch die rechten Wege weise [17,360]
Der ewiglich glorreichen Pilgerreise
Zu jenem himmlischen Jerusalem.
Ich will sogleich, wofern es euch bequem,
Damit beginnen. Bitte, weist mich an,
Wie's euch beliebt, da ich nichts Beßres kann.
Doch unterwerf' ich die Betrachtung gern
Den Korrekturen der gelehrten Herrn.
Ich folge nämlich keineswegs durchaus
Dem Text; ich nehme nur das Thema draus.
Weshalb ich offen denn zuvor erkläre, [17,370]
Daß ich Zurechtweisungen Raum gewähre.«

Drauf waren gleich wir einig Mann für Mann.
Denn wie uns schien, kam es jetzt darauf an,
Mit einem tugendhaften Spruch zu enden,
Und Raum zur Red' ihm und Gehör zu spenden.
Wir hießen unsern Wirth darum ihm sagen,
Wir bäten ihn, die Rede vorzutragen.

Drauf sprach der Wirth im Auftrag von uns Allen:
»Herr Priester, nun ergeh's euch nach Gefallen.
Sagt, was ihr wollt; wir hören gern euch an.« [17,380]
Nach welchen Worten er also begann:
»Gebt uns denn eure Meditation;
Doch eilt; die Sonne will hinunter schon.
Laßt eure Rede kurz, doch fruchtbar sein,
Und gebe Gott in Gnaden euch Gedeihn.«

Die Erzählung des Pfarrers.

Siehe die Anmerkungen.

*


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