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Die Erzählung des Rechtsgelehrten.

Prolog.

Der Wirth sah, daß die Sonn' in ihrem Gleise
Dem vierten Theil vom mittlern Tageskreise
Um mehr enteilt als eine halbe Stunde.
Er wußt', obwohl gelehrt nicht in der Kunde,
Doch, daß der acht und zwanzigste heut sei
Des Ostermonds, der uns verheißt den Mai.
Auch sah den Schatten er bei jedem Baum
Der Länge nach ganz von demselben Raum
Wie den senkrechten Körper, der ihn warf;
Und aus dem Schatten schloß er dann ganz scharf, [4430]
Daß Phöbus, der so hell heut schien und klar,
Zu fünf und vierzig Grad geklommen war.
So folgert' er, es sei an diesem Tage,
Bei dieser Breite, zehn Uhr ohne Frage.

Und alsobald hat er sein Roß geschwenkt.
»Herrschaften«, sprach er, »insgesammt, bedenkt:
Der vierte Theil des Tags ist schon entflohn;
Drum bitt' ich euch bei Gott und bei St. John,
Verliert nicht Zeit und eilt euch, was ihr könnt,
Da Tag und Nacht die Zeit von dannen rennt, [4440]
Theils, wenn wir schlafen, heimlich sich entzieht,
Theils, wenn wir wach, durch Säumniß uns entflieht,
So wie der Strom thalabwärts sich ergießt,
Doch nie zurück zu dem Gebirge fließt.
Auch Seneca und andre Weise weihn
Der Zeit mehr Klagen als dem Gold im Schrein.
Ein Geldverlust ist unersetzlich nicht,
Doch Zeitverlust beschimpft uns, wie er spricht.
So wenig kehrt – das ist unzweifelhaft –
Die Zeit zurück, wie Malchens Jungfernschaft, [4450]
Wenn sie verloren ging durch Lüsternheit.
Laßt uns nicht modern in Unthätigkeit.

Bei euerm Heil, erzählt ihr, Herr Jurist,
Jetzt die Geschichte, wie's besprochen ist.
Ihr unterwarft euch selbst aus freien Stücken,
Hiebei ganz in mein Urtheil euch zu schicken.
Zahlt eure Schuld, brecht die Verheißung nicht;
Dann habt ihr nur gethan, was eure Pflicht.«

» De par dieu, jeo assente! Mein Versprechen,
Herr Wirth, kam nie mir in den Sinn zu brechen. [4460]
Ein Wort ist eine Schuld, und mit Vergnügen
Werd' ich es halten – das laß dir genügen.
Denn das Gesetz, nach dem man Andre richtet,
Ist selber auch zu halten man verpflichtet.
So steht's in unserm Text. Doch muß ich's klagen,
Ich kann jetzt keine rechte Märe sagen,
Die nicht schon Chaucer – wenn er auch nur schwach
Auf Vers- und Reimkunst sich verstehen mag –
Aus alter Zeit, so gut er es verstand,
Auf Englisch hat erzählt, wie weltbekannt. [4470]
Und wenn vielleicht in einem Buch sie fehlt,
Hat er in einem andern sie erzählt.
Denn auf und ab hat er uns ja berichtet
Von Liebenden, mehr als Ovid gedichtet
Im alten Buch, das man Episteln nennt.
Wozu erzählt' ich, was schon Jeder kennt?
Ceyx und Alcyon hat er geschrieben
Als Jüngling; Nichts ist unerwähnt geblieben
Seitdem von Liebenden und edeln Frauen.
Ihr mögt in jenes große Buch nur schauen, [4480]
Das man Cupido's Heil'gen-Chronik nennt.
Da seht ihr, wie die tiefe Wunde brennt
Lucretia's, Thisbe's auch von Babylon;
Seht Phyllis' Baum und den Demophoon;
Wie Dido um Aeneas sich erschlagen,
Hermione's und Dejanira's Klagen,
Seht Ariadne und Hypsipyle,
Das dürre Eiland mitten in der See,
Leander, wie für Hero er ertrank,
Die Thränen Helena's, Briseïs – krank [4490]
Vor Liebesweh, Laodamia's Leid;
Fürstin Medea, deine Grausamkeit,
Die du, durch Jason's Treubruch tief gekränkt,
Die eignen Kleinen schmählich hast erhenkt.
Doch preist er euch, Penelope, Alceste
Und Hypermnestra, als der Frauen beste.

Von Canace's verruchtem Abenteuer,
Die ihren Bruder mit sündhaftem Feuer
Geliebt, kann er natürlich nicht berichten
(Ich sage pfui! zu solchen Schandgeschichten) [4500]
Noch auch vom Tyrer Apollonius,
Wie der verruchte Fürst Antiochus
An seiner eignen Tochter Keuschheit sich
Verging; es ist zu lesen schauerlich,
Wie er sie auf das Pflaster niederschlug.
Mit voller Absicht und mit Recht und Fug
Wollt' er solch unnatürlich scheußlich Treiben
In keiner seiner Reden je beschreiben.
Auch ich erzähle keine, wenn ich kann.
Doch was fang' heut mit meiner Red' ich an? [4510]
Nimmer vergleich' ich mich an Kunst und Geist
Den Musen, die man Pieriden heißt.
( Metamorphoseos weiß, was ich will sagen)
Doch keine Bohne werd' ich danach fragen,
Folg' ich mit Hackemack ihm auf den Fersen
Und sag' in Prosa, was er schrieb in Versen.«
So sprach er, und mit ernstem Angesichte
Begann er drauf die folgende Geschichte.

Die Erzählung des Rechtsgelehrten.

O Loos der Armuth, voll von grimmen Schmerzen,
Mit Durst und Frost und Hunger so durchwunden, [4520]
Daß dir der Hülferuf vor Scham im Herzen
Verstummt! Und doch bist du so arg zerschunden,
Daß ohne Hülfe die verborgnen Wunden
Die Noth aufreißt und dich durch Nahrungssorgen
Zum Stehlen zwingt, zum Betteln oder Borgen.

Christus wirst bitter du zu tadeln wagen,
Daß schlecht er theilt den Reichthum dieser Welt;
Des Nachbars Glück wirst sündvoll du verklagen:
»Ich habe nichts, da Alles er behält.
Doch traun, die Zeit kommt, da man Rechnung hält, [4530]
Und wo sein Schweif soll brennen in der Glut,
Da nie er hilft, wo Noth die Hülfe thut.«

Vernimm von mir, was ist der Spruch des Weisen:
»Sterben ist besser als in Armuth leben.«
Verachtung wird dein Nachbar dir erweisen,
Und bist du arm, dir nimmer Ehre geben.
So laß vom Weisen dir die Lehre geben:
Voll Elend sind des armen Mannes Tage;
Drum nehmt euch stets in Acht vor dieser Plage.

Wenn arm du bist, wird dich dein Bruder hassen. [4540]
Ach, alle deine Freunde fliehn vor dir.
O reiche Kaufherrn, nie vom Glück verlassen,
Wie edel und wie klug zeigt ihr euch hier.
Mit Eins und Eins nicht etwa füllet ihr,
Ihr füllt mit Fünf und Sechs nur eure Ranzen,
So mögt ihr denn zu Christmeß lustig tanzen.

Ihr ziehet auf Gewinn durch Meer und Land.
Euch, weisen Vätern jeder Neuigkeit,
Ist aller Reiche Zustand wohl bekannt;
Ihr wißt Bericht von Frieden und von Streit. [4550]
Ich wäre selbst jetzt in Verlegenheit,
Wenn vorlängst nicht ein Kaufmann die Geschichte
Mir mitgetheilt, die ich euch hier berichte.

In Syrien wohnt' einst eine Kompanei
Von reichen Kaufherrn, ehrsam und bedächtig,
Die weithin sandten ihre Spezerei,
Goldstoff und Seide, schön gefärbt und prächtig.
Ihr Handel war so ausgedehnt und mächtig,
Die Waare gut und neu, daß Jeder gern
Kauf und Verkauf trieb mit den werthen Herrn. [4560]

Nun kam es, daß nach Rom sich zu verfügen
Ein Theil der Handelsherrn für passend fand,
Sei's in Geschäften oder zum Vergnügen,
Und keinen andern Boten hingesandt,
Nein, sich persönlich selbst nach Rom gewandt.
Sie suchten ein Quartier dort auf, das ihnen
Für ihren Zweck am passendsten erschienen.

Die Kaufherrn weilten nun an selb'gem Ort
Geraume Zeit nach ihrem Wohlgefallen,
Und hörten von der Kaisertochter dort, [4570]
Konstanze, Lob aus jedem Munde schallen,
Das diesen Herrn aus Syrien mit allen
Umständen solcher Art ward vorgetragen,
Tag ein Tag aus, wie ich euch werde sagen.

Denn eine Stimme war's bei Jedermann:
»Der röm'sche Kaiser, welchen Gott behüte,
Hat eine Tochter: Seit die Welt begann,
Kam nie ein Weib aus anderem Geblüte
Ihr gleich an Schönheit oder Herzensgüte.
Ich bitte Gott: »Mach sie an Ehren reich«, [4580]
Und wünscht' Europa ihr zum Königreich.

In ihr ist Schönheit ohne Stolz, ist Jugend
Von Thorheit und von Kinderei befreit,
Ihr Leitstern ist bei jedem Werk die Tugend,
Die Herrschsucht beugt sich der Bescheidenheit,
Sie ist der Spiegel jeder Höflichkeit,
Zum Sitz der Andacht ist ihr Herz geweiht,
Die Hand zu milden Spenden stets bereit.«

Und dies war Alles wahr, bei Gottes Treue.
Doch kehr' ich jetzt zurück, wo ich begann. [4590]
Die Kaufherrn luden ihre Schiff' auf's neue,
Sie sahn sich diese holde Jungfrau an,
Und heim nach Syrien kehrten sie alsdann,
Und trieben ihr Geschäft, wie sonst sie thaten,
Im Wohlstand fort; mehr kann ich nicht verrathen.

Nun standen diese Kaufherrn zu der Zeit
Beim Sultan Syriens in hohen Gnaden;
Er pflegte freundlich und mit Höflichkeit,
Wenn sie zurückgekehrt von fernen Pfaden,
Zu einem Festgelag sie einzuladen; [4600]
Und eifrigst forscht' er, was in fremden Landen
Sie Wunderbares hörten oder fanden.

Da unter andern Wundern ihrer Reise
Haben Konstantia's sie auch gedacht
Mit hohem Ruhm und in so ernster Weise,
Daß sie des Sultans Neigung heiß entfacht,
So daß er ihrer Schönheit stets gedacht,
All seine Lust und all sein eifrig Streben
Nur ihr geweiht hat für sein ganzes Leben.

Nun war auf jenes großen Buches Blättern, [4610]
Das man den Himmel nennt, ihm schon geschrieben
Bei der Geburt mit hellen Sternenlettern,
Er fände seinen Tod dereinst durch Lieben.
Denn in den Sternen steht es klar geschrieben,
Wie Glas, bei Gott, wer es nur lesen kann,
Welch einen Tod ein Jeder stirbt und wann.

Denn manchen Winter, ehe sie geboren,
War in den Sternen schon verzeichnet es,
Daß Hektar und Achill zum Tod erkoren,
Pompejus, Julius und Herkules, [4620]
Desgleichen Simson, Turnus, Sokrates;
Auch Thebens Krieg; doch ist der Mensch so blind,
Daß ihm die Schriften unverständlich sind.

Der Fürst entbot nun den Geheimen Rath,
Dem (daß mit dem Bericht ich mich beeile)
Er seine Absicht gleich zu wissen that,
Und sagte, daß wenn nicht in kurzer Weile
Konstanze würd' als Gattin ihm zu Theile,
So stürb' er; darum bat er sie zu eilen
Und von der Todeskrankheit ihn zu heilen. [4630]

Sie haben Dies und Jenes vorgebracht,
Mit Gründen Alles hin und her erwogen,
Manch feinen Einwurf auch darauf gemacht,
Wie durch Magie schon Mancher sei betrogen,
Bis endlich doch sie diesen Schluß gezogen,
Sie könnten keinen andern Ausweg sehn.
Man müsse schon zur Heirath sich verstehn.

Dann sah'n sie darin eine Schwierigkeit:
Es sei im Glauben, wie es läg' am Tage,
So unvereinbar die Verschiedenheit [4640]
Zwischen den Beiden, daß wohl ohne Frage
Kein Christenfürst Ja zu der Heirat sage,
Sollte sein Kind nach dem Gesetze leben,
Das Mahom der Prophet uns hat gegeben.

Er sprach: »Und eh' Konstanzen ich verliere,
Will ich zum Christenthum gewiß mich wenden,
Ich wähle Keine, werd' ich nicht der Ihre,
Ihr möget eure Gründe nicht verschwenden.
Rettet mein Leben, laßt's dabei bewenden.
Wird sie, an der mein Leben hängt, nicht mein, [4650]
Trag' ich fürwahr nicht lange mehr die Pein.«

So ward denn durch Verhandlung und Gesandte
(Daß ich euch nicht durch Weiterung beschwere)
Und weil der Papst sich selbst dafür verwandte
Zusammt der Kirche und dem Ritterheere,
Zum Untergang von Mahoms falscher Lehre
Zu Nutz und Frommen Christi theuerm Reich,
Beschlossen, was ihr hier vernehmt sogleich.

Der Sultan sollte sich und die Barone
Und Kriegsvasall'n zum Christenthum bekehren, [4660]
Dann wolle man Konstanzens Hand zum Lohne
Und eine Summe Goldes ihm verehren,
Auch sichre Bürgschaft ihm dafür gewähren.
Beschworen ward der Pakt von beiden Seiten.
Nun möge dich, Konstanze, Gott geleiten.

Nun denken Manche wohl unzweifelhaft,
Ich soll vom ganzen Brautgeleit erzählen,
Und wen der Kaiser und die Ritterschaft
Beschlossen für Konstanzen auszuwählen.
Doch wißt, das läßt sich nicht so leicht befehlen. [4670]
Man kann nicht ein so stattliches Geleit
Würdig beschreiben in so kurzer Zeit.

Berühmte Ritter machten zu dem Zug,
Bischöfe, Herrn und Damen sich bereit.
Von anderm Volke folgte noch genug;
Und durch die Stadt befahl man weit und breit,
Daß Jedermann mit Gottergebenheit
Zu Christus flehe, daß er Gnad' erweise
Dem jungen Paar, und fördre seine Reise.

Herbeigekommen ist der Trennung Zeit; [4680]
Der Tag des Weh's ist nun herbeigekommen.
Zur Abfahrt hielten Alle sich bereit;
Es mochte Keinem längres Zaudern frommen.
Konstanze, die der Schmerz ganz überkommen,
Erhebt sich bleich und schickt sich an zur Fahrt,
Da doch kein andres Ende sie gewahrt.

Und ach, ist es ein Wunder, daß sie weint?
Zu fremden Völkern wird sie fortgesandt
Von Freunden, die's so treu mit ihr gemeint,
Um sich zu fügen in der Ehe Band [4690]
Mit Einem, den sie nie zuvor gekannt.
Die besten Eheherrn sind stets gewesen,
Die nach Bekanntschaft sich die Frau'n erlesen.

»Zu dir, mein Vater, flehet jetzt betrübt
Dein armes Kind, das du so mild erzogen;
Und die nächst Christus ich zumeist geliebt,
Du, liebe Mutter, bleibet mir gewogen
Mit eurer Huld, wenn ich dahin gezogen«,
So sprach sie, »denn ich soll nach Syrien gehn,
Und werd' euch nie mit Augen wiedersehn. [4700]

Ich werde, da es euer Wille ist,
Ach, fernhin zu Barbaren mich begeben.
Doch der für uns gestorben, Jesus Christ,
Wird zum Gehorsam huldvoll Kraft mir geben,
Verlör' ich Aermste selbst dabei mein Leben.
Das Weib ist da zu Knechtschaft und zu Pein
Und soll stets unterthan dem Manne sein.«

Traun, nicht als Pyrrhus stürmte Troja's Wall,
Als Ilions oder Thebens Veste sank,
Nicht als die Römer drängte Hannibal, [4710]
Der dreimal Roma's Volk den Sieg entrang,
Erscholl solch Weinen, solcher Trauerklang,
Wie jetzt beim Abschied in der Jungfrau Kammern.
Fort muß sie – mag sie singen oder jammern.

Wie rollst du doch, grausames Firmament,
Von Anfang täglich um in deinem Kreise,
Treibst Alles fort vom Ost zum Occident
Und schleuderst es aus angebornem Gleise.
Dein Umschwung zeigt bei dieser bösen Reise
Gleich anfangs die Gestirn' in solchen Lagen, [4720]
Daß Mars die Ehe grausam hat geschlagen.

Wie sich der Aufgang unglückselig windet,
Aus dessen Winkel hülflos nun entsetzt
Der Herr im dunkelsten Gemach verschwindet.
O Mars, du scheinest als Atyzar jetzt.
Wie fehl du schwacher Mond die Schritte setzst!
Du zeigst dich da, wo man dich nicht empfängt,
Und wärst so gern da, wo man dich verdrängt.

Wie thöricht, Kaiser Roms, bist du gewesen!
War kein Sternkund'ger in der Deinen Zahl? [4730]
Konntest du keine beßre Zeit erlesen?
Giebt es bei solcher Reise keine Wahl
Für Leute von so hohem Stand zumal –
Auch wenn das Horoskop schon war bekannt?
Ach! Wir sind gar zu träg und ungewandt.

Der schönen Jungfrau gab man feierlich,
Der Trauernden, zum Schiffe das Geleit:
»Erbarme eurer Jesus Christus sich«,
Sprach sie. Nun lebe wohl, du schöne Maid.
Sie müht sich, in den Blicken Heiterkeit [4740]
Zu zeigen. Nun, so segle sie vom Lande!
Zurück kehr' ich zu meinem Gegenstande.

Des Sultans Mutter, Urquell aller Sünden,
Erspähte ihres Sohnes Plan verstohlen:
Die alten Opfer denk' er aufzukünden;
Und zu sich hat sie ihren Rath befohlen.
Der kam, um ihre Meinung einzuholen.
Und als zusammen Alle nun gekommen,
Hat sie vor ihnen so das Wort genommen:

»Ihr Herrn«, sprach sie, »es weiß hier Jedermann, [4750]
Mein Sohn ist fest entschlossen, aufzugeben
Das heilige Gesetz des Alkoran,
Das Gottes Bote Mahomed gegeben.
Doch schwör' ich hier zum großen Gott: Mein Leben
Soll eher mit dem Leibe mir entfliehn,
Als ich mich Mahoms Glauben will entziehn.

Was wird uns diese neue Lehre bringen
Als unsern Leibern Sklaverei und Plagen?
Dazu wird uns die Hölle dann verschlingen,
Weil unsers Glaubens wir uns frech entschlagen. [4760]
Doch, wollt ihr mir den Beistand nicht versagen,
Und meinen Worten nicht entgegen sein,
So rett' ich euch auf ewig von der Pein.«

Sie sagten zu, und es schwor Jedermann,
In Tod und Leben wollt' er halten Stand
Mit ihr, und jeder will, so viel er kann,
Von Freunden mit sich ziehn in den Verband.
Sie selbst nahm drauf den Anschlag in die Hand.
Den will ich hier sofort euch offenbaren.
Denn sie sprach so zu Allen, die da waren: [4770]

»Wir schwören scheinbar erst zu Christi Lehren.
Kalt Wasser macht uns traun nur wenig Pein.
Ich will ein Fest dann und Banket bescheren,
Der Sultan soll damit zufrieden sein.
Denn ist sein Weib getauft auch noch so rein,
Sie soll so leicht nicht ab die Röthe baden,
Und hätte Ströme Wassers sie geladen.«

O Mannweib du, du Wurzel aller Sünden,
Semiramis die zweite, Sultanin,
Der Schlange gleich in tiefen Höllenschlünden. [4780]
In Weibsgestalt birgst du den Schlangensinn.
Durch deine Bosheit nährst du Heuchlerin
In dir ein wahres Lasternest, das Tod
Und Schmach der Tugend und der Unschuld droht.

Neidischer Satan, seit denselben Stunden,
Daß du aus unserm Erbtheil wardst verbannt,
Hast du den Weg zu Weibern stets gefunden;
Es bracht' uns Eva in den Knechtschaftsstand.
Vernichten wolltest du dies Eheband.
Zu deinem Werkzeug (wehe, weh der Lügen!) [4790]
Machst du die Weiber, wenn du willst betrügen.

Die Sultanin, die ich so schwer verklage,
Hebt heimlich jetzo die Versammlung auf,
(Was nützt es, wenn ich es noch breiter sage?)
Nimmt eines Tags zum Sultan ihren Lauf
Und sagt, sie gebe ihren Glauben auf,
Daß sie von Priesterhand die Tauf' empfange;
Es reue sie ihr Heidenthum schon lange.

Und bat ihn, durch die Gunst sie zu erfreun,
Den Christen ein Gelage zu beschicken; [4800]
Sie wolle keinen Aufwand dabei scheun.
Der Sultan kniete nieder voll Entzücken,
Den Dank für diese Bitt' ihr auszudrücken,
Vor Freude gingen ihm die Worte aus.
Sie küßt den Sohn und geht darauf nach Haus.

Es kamen nun die Christen in das Land
Der Syrer in dem festlichsten Geleit.
Da hat der Sultan Boten flugs entsandt
Zur Mutter und im Reiche weit und breit:
Sein Weib sei da; daß man mit Festlichkeit [4810]
Und Pomp zu Roß die Königin empfange,
Wie seines Reiches Würde dies verlange.

Reich war das Rüstzeug, groß war das Gedränge,
Als Syrer hier mit Römern sich geschaart,
Die Sultanin in stattlichem Gepränge
Empfing sie in so freundlich holder Art,
Wie eine Mutter ihre Tochter zart.
So sah man feierlich an ihrer Seiten
Zur nächsten Stadt langsamen Schritts sie reiten.

Traun, Julius' Triumph, den der Bericht [4820]
Lucans verherrlicht in so stolzer Märe,
War wunderbarer, königlicher nicht
Als der Verein von diesem prächt'gen Heere,
Wenn nicht der Skorpion, der Dämon wäre,
Die Sultanin, die unter glattem Heucheln
Den Stachel barg, jählings damit zu meucheln.

Und bald ist auch der Sultan selbst gekommen;
So königlich: ein Wunder ist's zu sagen.
Er heißt mit Heil und Jubel sie willkommen.
So mögen sie denn Freud' und Lust bejagen. [4830]
Ich will das Ende nur der Sache sagen:
Man hat, nachdem man sich genug vergnügt,
Die Lust gestillt und sich zu Bett verfügt.

Der Tag kam, den die Sultanin, die alte,
Verordnet für des Festes Ausrichtung;
Und zu dem Fest die Schaar der Christen wallte
Stattlich geschmückt; es kamen alt und jung.
Da sah man Pracht und königlichen Prunk.
Gott weiß, was da für Köstlichkeiten strahlten,
Die, eh' das Mahl vorbei, sie theuer zahlten. [4840]

O Unheil, das sich plötzlich zugesellt
Der Erdenlust! Es mischt sich Bitterkeit
Zum Ausgang stets der Freuden dieser Welt.
Schmerz ist das Ende jeder Fröhlichkeit.
Drum rath' ich dir zu deiner Sicherheit:
Zur frohen Zeit bedenke, Schmerzen schleichen
Stets hinter dir, die sicher dich erreichen.

Um es zu sagen euch mit einem Wort:
Der Sultan und die ganze Priesterschaar
Ward hingemetzelt an des Tisches Bord; [4850]
Konstanze nur entkam aus der Gefahr.
Die alte böse Sultanin, sie war
Dieser verruchten That Urheberin,
Damit das Reich ihr fiele zum Gewinn.

Und alle Syrer, die die Tauf' empfangen,
Und die gewußt um ihres Sultans Rath,
Zerhieb man, ehe sie vom Tisch aufsprangen.
Konstanzen selbst trug gleich man nach der That
In einen Kahn – so wollt' es Gottes Rath –
Und hieß sie steuerlos mit guten Winden [4860]
Den Weg von Syrien nach Italien finden.

Ein Schatz, den sie mit sich hieher gebracht,
Ward ihr gelassen, auch mit Trank und Speise
Und Kleidern war hinlänglich sie bedacht.
So trat sie durch die Salzsee an die Reise.
Konstantia, du junge, sanfte, weise,
O Kaisertochter, meinem Herzen theuer,
Er, der des Schicksals Herr ist, sei dein Steuer!

Sie segnet sich und fleht in der Gefahr
Zu Christi Kreuz und spricht: »Du heil'ger Stamm [4870]
Des Kreuzes, reiner, seliger Altar,
Den mit unschuld'gem Blut benetzt das Lamm,
Das rein die Welt wusch von der Sünden Schlamm,
Errette, wenn die Fluten mich verschlingen,
Mich von dem bösen Feind und seinen Schlingen.

Siegreiches Holz, du einzig werth erfunden,
Als Schutz des Glaubens unfern Herrn zu tragen,
Den Himmelskönig mit den frischen Wunden,
Das weiße Lamm, das frech der Speer geschlagen,
Du hast die Kraft, den Teufel zu verjagen [4880]
Von ihm, den deine Glieder treu berühren;
Hilf mir, laß mich ein heil'ges Leben führen.

Und Tag und Jahre schwamm sie in die Runde
Und kam, wie ihr das Schicksal es beschert,
Vom Griechen-Meer zum Marokkaner Sunde;
Sie hat manch bittres Mahl indeß verzehrt;
Gar oft hat nach dem Tode sie begehrt,
Bis sie die wilden Wogen hingetrieben
Zu jenem Ort, wo endlich sie geblieben.

Du fragst: Wie kam's, daß sie nicht ward erschlagen? [4890]
Daß bei dem Fest dem Blutbad sie entrann?
Auf diese Frage will ich Antwort sagen:
Wer nahm sich Daniels in der Grube an,
Wo sonst doch Herr und Knecht, – wo Jedermann
Des Löwen Fraß ward, eh' er nur sich regte? –
Niemand als Gott, den er im Herzen hegte.

Gott gab in ihr von seinen Wundern Kunde
Und von den mächt'gen Werken seiner Hand.
Christ, der ein Balsam ist für jede Wunde,
Thut oftmals, wie den Weisen wohl bekannt, [4900]
Ein Ding zu einem Zweck, das dem Verstand
Des Menschen dunkel ist; da wir zu blind,
Um Gottes Fürsicht zu ermessen, sind.

Und da sie bei dem Fest nicht ward erschlagen,
Wer half ihr vom Ertrinken in der See?
Wer schützte Jonas in des Fisches Magen,
Bis er ward ausgespie'n bei Ninive?
Kein Andrer war's, als der vor Tod und Weh
Einst Abrams Volk beschützt hat in den Wogen,
Daß trocknen Fußes sie das Meer durchzogen. [4910]

Und wer gebot doch den vier Sturmesgeistern,
Nord, Süd und West und Ost, die Land und Meer
Als ihr Gebiet verwüstend stets bemeistern,
Land, See und Bäume nicht zu zausen mehr?
Der dies geboten, sicher das war Er,
Der vor den Stürmen auch auf ihrer Fahrt
Dies Weib im Wachen und im Schlaf bewahrt.

Und wie ward sie versehn mit Trank und Speise?
Wie konnte sich drei Jahr der Vorrath halten?
Wer gab Marien auf der Wüstenreise [4920]
Und in der Höhle Nahrung? – Christi Walten!
Der wußte für Fünftausend Haus zu halten
Mit zweien Fischen und mit fünf Laib Brod.
Gott speiste sie in ihrer höchsten Noth.

So trieb sie fort in unsern Ocean,
Durch unsre weite See, bis an den Strand
Bei einem Schloß, das ich nicht nennen kann,
Die Flut sie warf, – fern in Northumberland.
Es saß ihr Schiff so fest gleich in dem Sand,
Kein Meeresschwall konnt' es von dannen treiben. [4930]
Sie sollte hier nach Christi Willen bleiben.

Der Schloßvoigt ist hinunter gleich gegangen
Zum Wrack und hat das ganze Schiff durchspürt
Und sieht das matte Weib von Sorg' umfangen.
Gewahrt den Schatz auch, den sie mit sich führt.
O wie sie ihn durch ihre Bitten rührt,
Doch ihren Leib dem Tod zu übergeben;
Sie zu befrein von ihrem Jammerleben.

Sie sprach nur ein verdorbenes Latein,
Doch so, daß man hinlänglich sie verstand. [4940]
Der Schloßvoigt stellt sofort sein Suchen ein
Und bringt das jammerhafte Weib ans Land,
Die gleich ein Dankgebet zu Gott gesandt
Auf ihren Knie'n; doch, wer sie war, das wollte
Sie nicht gestehn, ob sie drum sterben sollte.

Sie sei so umgeirrt rings auf der See,
Daß die Erinnrung ihrem Geist entflossen.
Den Schloßvoigt und sein Weib schmerzt so ihr Weh,
Daß helle Mitleidsthränen sie vergossen.
Sie war so fleißig und so unverdrossen [4950]
Zu dienen Jeglichem und zu gefallen:
Ihr bloßer Anblick schuf ihr Gunst bei Allen.

Das Land war noch dem Heidenthum ergeben
Und auch der Voigt und Hermgild, sein Gemahl;
Doch Hermgild liebt Konstanzen wie ihr Leben;
So hat denn mit Gebeten ohne Zahl
Konstanze unter bittrer Thränenqual
Gefleht zu Jesus, bis die Dame werth,
Frau Hermegild, die Voigtin, sich bekehrt.

Die Christen durften sich im Land nicht regen; [4960]
Sie waren aus den Grenzen rings verbannt
Durch Heiden, die im Norden allerwegen
Das Reich eroberten zu Meer und Land.
So hatten sie sich denn gen Wales gewandt.
Der alten Briten Christenheit fand dort
Im Inselreich den einz'gen Zufluchtsort.

Doch waren sie nicht also ausgerottet,
Daß hie und da ein Christ im Stillen nicht
Dem Herrn getreu das Heidenvolk verspottet.
So wohnten ihrer drei am Schlosse dicht; [4970]
Dem Einen war geraubt sein Augenlicht.
Doch durch des Geistes Augen kann's geschehen,
Daß auch die blinden Menschenkinder sehen.

Im Sommer war's und hell der Sonne Schein;
Der Schloßvoigt und sein Weib schlug aus dem Grunde
Zum Meer den Richtweg mit Konstanzen ein;
Es war nur eine kleine Viertelstunde.
Sie trieben hin und her sich in die Runde,
Als jener alte Blinde ihrem Pfad,
Gebückt, die Augen festgeschlossen, naht. [4980]

»In Christi Namen«, schrie der blinde Britte,
»Frau Hermgild, helft mir von der Blindheit Roth!«
Die Dame schrak empor bei dieser Bitte;
Sie fürchtete, es schlüg' ihr Mann sie todt,
Gehorchte sie des Christengotts Gebot,
Bis ihr Konstanze Muth gab, Christi Willen
Als Kind der heil'gen Kirche zu erfüllen.

Der Schloßvoigt ward bei diesem Anblick blaß
Und sprach: »Was soll mir all dies Thun bedeuten?«
Konstanze sprach: »Herr, Christi Macht ist das; [4990]
Er rettet uns, will Satan uns erbeuten.«
Und sie begann ihm das Gesetz zu deuten,
Daß sie den Schloßvoigt, eh die Nacht gekommen,
Schon in die Schaar der Christen aufgenommen.

Der Schloßvoigt war nicht Herr von dieser Veste,
In deren Nähe man Konstanzen fand;
Doch schützt' er manchen Winter sie aufs beste
Für Alla, König von Northumberland,
Der weise war und von gar kräft'ger Hand,
Gegen die Schotten, wie die Sagen lehren. [5000]
Doch muß zurück zu meinem Stoff ich kehren.

Satan, der immer sucht uns zu berücken,
Sah, wie Konstanze so untadelhaft,
Und dacht' an ihr zu üben seine Tücken.
Es ward von heißer, sünd'ger Leidenschaft
Ein junger Rittersmann so fortgerafft;
Er meinte, daß er schier vergehen müßte,
Könnt' er bei ihr nicht büßen sein Gelüste.

Er wirbt um sie; doch Alles ist vergebens;
Sie sündigt nicht, stünd' eine Welt zum Preise. [5010]
Da sinnt er nach, wie er sie ihres Lebens
Berauben möge auf schmachvolle Weise.
Er wartet, bis der Schloßvoigt auf der Reise,
Und schleicht, als Hermegilde schlief, bei Nacht
Auf ihre Kammer, insgeheim und sacht.

Von langem Beten müd' und matt gewacht,
Entschlief Konstanze und Hermgilde mit.
Der Ritter naht, verführt von Satans Macht,
Dem Bette sich mit leisem, leisem Schritt,
Zertrennt Hermgildens Hals mit einem Schnitt; [5020]
Das Messer legt Konstanzen er zur Seite
Und geht. Gott geb' ihm Unheil zum Geleite.

Der Schloßvoigt kam nicht lange drauf nach Haus
Mit Alla, der der König war im Land.
Er sah sein todtes Weib in Schmach und Graus
Und weinte laut und rang vor Schmerz die Hand;
Worauf im Bett den blut'gen Dolch er fand
Dicht bei Konstanzen. Was soll die beginnen?
Was sagen? Ach, sie ist vor Schmerz von Sinnen.

Dem König ward das Mißgeschick bekannt, [5030]
Und wann und wie Konstanze hergekommen,
Und daß man sie in einem Schiffe fand,
So wie ihr es vorhin von mir vernommen.
Von Mitleid ist des Königs Herz entglommen,
Als er erfuhr, daß ein so sanftes Wesen
Zu Mißgeschick und Elend auserlesen.

So wie ein Lamm, das sich der Schlachtbank naht,
Steht vor dem König sie, die Unschuldsvolle,
Der Ritter, der begangen den Verrath,
Schwört, daß er ihre Schuld beweisen wolle. [5040]
Doch regt sich mit Gemurr und lautem Grolle
Das Volk umher; nicht Einer hegt Verdacht,
Daß wirklich sie die Frevelthat vollbracht.

Denn immer sah man sie so tugendhaft,
Wie sie zu Hermgild inn'ge Liebe trug;
Das zeugt die ganze Hausgenossenschaft,
Nur Er nicht, der Hermgilden selbst erschlug.
Drum hat der edle König, der Betrug
In diesem Zeugen ahnt, sich vorgenommen,
Der Wahrheit tiefer auf den Grund zu kommen. [5050]

Ach, Niemand kämpft, Konstanze, für dein Leben!
Du selber kannst nicht streiten – Weh der Schmach!
Doch der für uns am Kreuz sich hingegeben,
Der Satan band (noch liegt er, wo er lag),
Sei Er dein starker Streiter diesen Tag!
Wenn Christus heut an dir kein Wunder kündigt,
Stirbst schuldlos du, als hättest du gesündigt.

Und auf die Kniee sinkt sie hin und sagt:
O, ew'ger Gott, du rettetest Susanna
Von falscher Schuld! du gnadenreiche Magd, [5060]
Maria, Tochter du der heil'gen Anna,
Vor deren Kind die Engel Hosianna
Gesungen, sei mir Helfer in der Noth,
Wenn ich nicht schuldig; sonst trifft mich der Tod.

Saht jemals ihr ein bleiches Angesicht
Im Volksgedränge, wenn ein Mann hinaus
Geführt wird, gnadenlos, zum Hochgericht?
So zeichnet sein Gesicht der kalte Graus,
Man kennt ihn aus der ganzen Meng' heraus.
So stand jetzt in der Schaar Konstanze da, [5070]
Wie sie mit bleichem Antlitz um sich sah.

O Königinnen, die ihr lebt im Glück,
Fürstinnen und ihr Damen insgemein,
Habt Mitleid doch mit ihrem Mißgeschick.
Seht, eine Kaiserstochter steht allein,
Hat Niemand, dem sie klage ihre Pein.
O königliches Blut, so schwer bedroht,
Fern sind die Freund' in deiner großen Noth.

Solch Mitgefühl kam König Alla an,
Da stets ein edles Herz zu Mitleid neigt, [5080]
Daß ihm das Wasser aus den Augen rann.
»Dem Ritter werde gleich ein Buch gereicht«,
Sprach er, »und wenn durch seinen Schwur er zeigt,
Daß sie das Weib erschlug, alsdann ernennen
Wir einen Richter, drüber zu erkennen.«

Ein britisch Buch ward alsobald gebracht
– Die Bibel war's – er schwor darauf sogleich,
Das Weib sei schuldig. Sieh, da trifft mit Macht
Von einer Hand im Nacken ihn ein Streich,
Daß wie ein Stein er hinstürzt, todtenbleich. [5090]
Starr sah die Augen aus dem Kopf man stehn;
Das hat ein Jeder, der da war, gesehn.

Und eine Stimme rings vernommen ward:
»Du hast der heil'gen Kirche Kind verletzt
Durch Lästerung in hoher Gegenwart,
Also hast du gethan; doch schweig' ich jetzt.«
Ob dieses Wunders war das Volk entsetzt
Und Alles stand mit starrem Angesicht
Aus Furcht vor Rache, nur Konstanze nicht.

Groß war die Furcht und groß der Reue Schmerz [5100]
Bei Allen, die Konstanzen in Verdacht
Gehabt, das unschuldsvolle Kinderherz.
So ward es denn durch dieses Wunders Macht
Und durch Konstanzen selbst dahin gebracht,
Daß Alla sich und viele der Gefährten
Des Königs (Dank sei Christi Huld!) bekehrten.

Der falsche Ritter ward zum Tod geführt
Auf Alla's Spruch für seine Schlechtigkeit.
Sein Schicksal hat Konstanzen doch gerührt;
Und Jesu Gnade schuf in kurzer Zeit, [5110]
Daß Alla dieses heil'ge Weib gefreit
Mit allem Pomp. Wie strahlt' im Schönheitsglanze
Durch Christi Huld jetzt Königin Konstanze.

Doch wahr zu sein, es kränkt' ein Frauenbild
Die Heirat sehr – ein Weib voll Tyrannei,
Des Königs eigne Mutter – Donegild.
Sie wähnt', es bräch' ihr schnödes Herz entzwei.
Sie stimmte nicht der Wahl des Sohnes bei,
Sie meint', er müsse dieser That sich schämen,
Solch seltsam Wesen sich zur Frau zu nehmen. [5120]

Von Spreu und Stroh hab' ich nicht Lust noch Zeit
So viel euch zu erzählen als vom Korn.
Nichts sag' ich von der Pracht der Festlichkeit
Und was von Schüsseln hinten stand, was vorn;
Wer die Trompete blies und wer das Horn.
Denn jeglicher Geschichte Schluß und Ziel
Ist Essen, Trinken, Tanz, Gesang und Spiel.

Sie gehn zu Bett, wie sie einander schuldig.
Denn sind höchst heil'ge Wesen auch die Fraun,
So müssen eine Nacht sie doch geduldig [5130]
Sich fügen und sich vor der Lust nicht graun,
Um die der Mann sich durch den Ring läßt traun,
Und, da's nicht anders geht, auf kurze Zeit
Bei Seite legen ihre Heiligkeit.

Ein Knäblein hatte sie von ihm empfangen;
Er gab dem Schloßvoigt auf, sein Weib zu pflegen,
Und einem Bischof; da er fortgegangen
Ins Schottenland dem Feindesheer entgegen.
Und Frau Konstanze trug des Leibes Segen
In frommer Demuth, bis sie in dem stillen [5140]
Gemach ergeben harrt' auf Christi Willen.

Und als die Zeit erfüllt war, kam zur Welt
Der Knabe, der Mauritius ward genannt.
Der Voigt hat einen Boten gleich bestellt
Und Alla einen Brief durch ihn gesandt,
Darin zunächst die frohe Zeitung stand
Nebst Anderm mehr, was eilig war zu sagen.
Der nahm den Brief, um seines Wegs zu jagen.

Der Bote, seinen Vortheil bei dem Ritte
Zu ziehn, kehrt bei des Königs Mutter ein [5150]
Und grüßt sie schön und spricht mit feiner Sitte:
»Frau Kön'gin, froh und selig könnt ihr sein
Und Gott viel tausend Dankgebete weihn:
Ein Knäblein hat die gnäd'ge Frau bekommen,
Dem ganzen Reich umher zu Freud' und Frommen.

Mit dem verschloßnen Brief hier soll ich jagen
In aller Hast; er giebt davon Bericht.
Habt ihr dem König etwas aufzutragen,
Bei Tag und Nacht steh' ich in eurer Pflicht.«
Und Donegilde sprach: »Für jetzt noch nicht. [5160]
Doch werd' ich, willst du diese Nacht hier ruhn,
Dir morgen mein Geheiß zu wissen thun.«

Der Bote trank sich voll in Bier und Wein,
Und aus der Kapsel stahl sie ihm bei Nacht
Heimlich den Brief – er schnarchte wie ein Schwein.
Ein andrer Brief ward künstlich nachgemacht,
Und – o der Schandthat! – also überbracht
Dem König, als ob ihn des Schloßvoigts Hand
Geschrieben, wie sogleich euch wird bekannt.

Es stand darin, die Kön'gin sei genesen [5170]
Von einer teuflisch – grausen Kreatur,
Daß Niemand in dem Schloß so kühn gewesen.
Dort auszuhalten eine Stunde nur;
Die Mutter sei wahrscheinlich von Natur
Ein Elfenweib, durch Zauber und Magie
Hieher gekommen; jeder hasse sie.

Das Herz ward bei dem Brief dem König schwer,
Doch klagte keinem Menschen er sein Leid.
Mit eigner Hand schrieb er zurück vielmehr:
»Willkommen Christi Schickung jederzeit; [5180]
Jetzt bin in seine Lehr' ich eingeweiht:
Herr, deinem Willen und Geheiß befehle
Ich alle Wünsche meiner eignen Seele.

Bewahrt das Kind, ob häßlich oder schön,
Und auch mein Weib, bis ich zu Hause kehre.
Christ mag mir einen Erben ausersehn,
Der größre Freud' als dieser mir gewähre.«
Und er verschloß mit mancher stillen Zähre
Den Brief, den man dem Boten gleich gebracht.
Der ging und damit war es abgemacht. [5190]

O Bote du, erfüllt von Trunkenheit,
Wacklichen Leibes kommst du angeschnoben;
Du plauderst über jede Heimlichkeit,
Schwatzst wie ein Staar; dein Geist ist schier zerstoben,
Die Haltung des Gesichtes ganz verschroben.
Drängt in den Rathsaal Trunkenheit sich ein,
Wird niemals ein Beschluß verschwiegen sein.

O Donegild, ich kann nicht Worte finden
Für deine Missethat und Tyrannei'n;
Dem Teufel überlass' ich zu verkünden, [5200]
Was du ersannest für Verrätherei'n.
Pfui, Mensch – doch nein, bei Gott, ich lüge, nein!
Pfui, Teufel! – Denn ob du an dieser Stelle
Auch wandelst, ist dein Geist doch in der Hölle.

Der Bot', als er zurück vom König kam,
Ist bei des Königs Mutter abgestiegen,
Die froh ihn auf mit offnen Armen nahm
Und Alles that, ihn höchlich zu vergnügen;
Er trank den Gurt sich stramm mit vollen Zügen,
Er schlief und schnarchte nach der Art und schnob [5210]
Die Nacht hindurch, bis sich die Sonn' erhob.

Die Briefe wurden ihm sogleich gestohlen
Und andre nachgemacht in dieser Weise:
»Dem Schloßvoigt wird vom König streng befohlen
Bei höchster Straf' – es gilt den Hals zum Preise–
Er solle sorgen, daß in keiner Weise
Nach Ablauf von drei Tagen und drei Stunden
Konstanze werd' in seinem Reich gefunden.

Und in dem Schiff, in dem man einst sie fand,
Soll er sie sammt dem Kind und ihren Schätzen [5220]
Sofort abstoßen lassen von dem Strand;
Nie mehr soll auf dies Land den Fuß sie setzen.«
Konstanze, folterten nicht mit Entsetzen
Im Schlafe böse Träume deine Seele,
Als Donegild ersann die Schreckbefehle?

Der Bote, da am Morgen er erwacht,
Begann zum Schloß den nächsten Weg zu jagen
Und hat dem Voigt die Botschaft überbracht.
Als der den Trauerbrief kaum aufgeschlagen,
Begann er laut zu jammern und zu klagen: [5230]
»Herr Christus, wie kann diese Welt bestehn,
Da so viel arge Sünden drin geschehn?

O, mächt'ger Gott, kann es dein Wille sein,
Da du doch ein gerechter Richter bist,
Daß Unschuld untergeht in Todespein,
Und Bosheit siegreich herrscht und Hinterlist?
Gute Konstanze, o wie weh mir ist,
Daß ich gezwungen werde, dich zu quälen,
Will ich nicht selbst schmachvollen Tod erwählen!«

Und Jung und Alt, es weint die ganze Schaar, [5240]
Als sie des Königs bösen Brief vernommen.
Konstanze, todtenbleich im Antlitz, war
Am vierten Tag hinab zum Schiff gekommen.
Sie hatte demuthsvoll ihr Kreuz genommen
Nach Christi Willen, und sie kniet' am Strand
Und sprach: »Willkommen, Herr, was du gesandt!

Er, der mich schützte gegen Lästerei'n,
Als ich am Land in eurer Mitte war,
Er kann mich schützen auch vor Schmach und Pein
Im Meer, ist mir das Mittel auch nicht klar. [5250]
Er ist so stark noch, wie er jemals war,
Auf Ihn vertrau' ich und die Mutter sein,
Dies soll mein Stern, dies soll mein Segel sein.«

Ihr kleines Kind lag weinend ihr im Arm
Und mitleidsvoll sprach sie auf ihren Knie'n:
»Still, Söhnchen, stille! Dir geschieht kein Harm.«
Dann sah man sie ihr Kopftuch über ihn,
Die kleinen Aeuglein zu bedecken, ziehn.
Sie lullt ihn ein, drückt sanft ihn an ihr Herz
Und richtet ihre Blicke himmelwärts: [5260]

»Mutter Maria, Jungfrau auserkoren,
Durch Weiberlockung zwar verfiel dem Thal
Des Todes einst der Mensch und war verloren;
Dafür dein Kind litt an des Kreuzes Pfahl.
Dein sel'ges Auge sah all seine Qual,
So daß dem Leiden, das dir ward beschieden,
Sein Leid vergleichen kann kein Mensch hienieden.

Du sahst vor dir dein liebes Kind erschlagen,
Mein Kindlein lebt ja noch zu dieser Zeit.
Nun, lichte Frau, zu der Bedrängte klagen, [5270]
Du Zufluchtshafen, Ruhm der Weiblichkeit,
Du heller Morgenstern, du schöne Maid,
Erbarm' dich meines Kindes, die in Gnaden
Du Aller dich erbarmst, die nothbeladen.

Ach, armes Kindlein, was ist dein Verbrechen?
Bei Gott, du thatst noch keine Sünde hier.
Was will dein harter Vater an dir rächen?
O, lieber Schloßvoigt, thu' die Gnade mir,
Behalte du mein Knäblein noch bei dir.
Doch wagst du ihn aus Furcht nicht aufzuziehn, [5280]
So küss' in seines Vaters Namen ihn.«

Und mit dem Wort schaut sie zurück zum Land
Und spricht: »Fahr' wohl, hartherz'ger Gatte du.«
Dann steht sie auf und geht hinab zum Strand.
Nach drängt die ganze Schaar dem Schiffe zu,
Und stets bringt sie ihr kleines Kind zur Ruh,
Nimmt Abschied noch, worauf sie fromm geneigt
Sich kreuzt und segnet und das Schiff besteigt.

An Mundvorrath, den man auf's Schiff gebracht
Genug für lange, wollte man nichts sparen; [5290]
Hinreichend, Gott sei Dank, war sie bedacht
Mit andern Dingen auch, die nöthig waren.
Vor Wind und Wetter mag sie Gott bewahren
Und heim sie bringen; mehr kann ich nicht sagen.
So hat die Meeresflut sie fortgetragen.

Der König kehrt zurück nach kurzer Frist
Zum Schloß, wo er sich pflegte aufzuhalten
Und fragt sogleich, wo Kind und Gattin ist.
Das Herz begann dem Schloßvoigt zu erkalten;
Er hat ihm nichts von Allem vorenthalten, [5300]
Was ihr gehört, wobei er auf den Brief
Des Königs und sein Siegel sich berief,

Und sprach: »Herr, Alles, was ihr mir befohlen
Bei Todesstrafe, hab' ich auch vollbracht.«
Man ließ darauf sofort den Boten holen,
Und durch die Folter ward herausgebracht,
Wo er sich aufgehalten Nacht für Nacht,
Und weiter zeigten schlaue Nachforschungen,
Von wem das ganze Unheil war entsprungen.

Man hat die Hand, in der der Brief geschrieben, [5310]
Erkannt und all den gift'gen Lug und Trug.
Zwar wie, das ist mir unbekannt geblieben;
Jedoch das Ende war: Alla erschlug
Die Mutter – also sagt es klar das Buch –
Als Hochverrätherin am Lehnsverbande;
So endet Donegild mit Schimpf und Schande.

Es giebt wohl keinen Mund, der schildern mag,
Wie um sein Weib und Kind der König schwere
Bekümmerniß erduldet Nacht und Tag.
Doch daß zurück ich zu Konstanzen kehre: [5320]
Sie schwimmt in Weh und Trübsal auf dem Meere
Fünf Jahr und mehr – wie Christus es gesendet –,
Eh' wieder sich ihr Schiff zum Lande wendet.

Bei einem heidnischen Kastell zuletzt,
(Deß Namen ich in meinem Text nicht finde)
Ward von den Wogen sie aufs Land gesetzt.
Allmächt'ger Gott, der du die Welt von Sünde
Gerettet, rett' auch sie mit ihrem Kinde,
Die unter Heidenhand der bittre Tod
(Wie ich sogleich berichte) noch bedroht. [5330]

Gar Mancher kam von diesem Schloß herab,
Und gafft das Schiff und gafft Konstanzen an,
Doch, kurz zu sein, in einer Nacht begab
Des Herrn Hofmeister (Gottes Fluch dem Mann!),
Ein Schelm, der unsern Glauben abgethan,
Sich in das Schiff allein und sprach, sie sollte
Sein Schätzchen sein, ob sie's auch selbst nicht wollte.

Wie war der Armen Brust von Weh beklommen!
Es schrie ihr Kind; sie selbst schrie jammerhaft.
Doch ist Maria ihr zu Hülfe kommen, [5340]
Daß sie im Ringen so sich aufgerafft:
Sie stürzt' ihn über Bord mit aller Kraft.
Ertrunken war er – von der See bedeckt,
Und Christ erhielt Konstanzen unbefleckt.

O schnöde Wollust, sieh hier, wie du endest!
Du machst nicht nur des Geistes Kräfte schwinden,
Es ist gewiß, daß du den Leib auch schändest.
Das Ende deines Werks und deiner blinden
Gelüst' ist Jammer; Viele werden finden,
Daß wenn die böse That auch nicht gelingt, [5350]
Die bloße Absicht Tod und Schande bringt.

Wer mocht' im schwachen Weib die Kraft erwecken,
Sich gegen diesen Heiden aufzuraffen?
O Goliath, dir unendlich langem Recken,
Wie machte David dir so schlimm zu schaffen?
Wie wagt' er, noch so jung, schier ohne Waffen
Dir in dein fürchterlich Gesicht zu sehn?
Traun, nur durch Gottes Huld konnt' es geschehn.

Wer gab der Judith Unerschrockenheit,
Im Zelt den Holofernes zu erschlagen [5360]
Und Gottes Volk aus Schmach und Niedrigkeit
Zu retten? Ja, ich mag es kühnlich sagen,
Wie Diesen Gott den Geist gab, es zu wagen,
Und wie ihr Unglück er zum Heil gewendet,
So hat er auch Konstanzen Kraft gesendet.

Ihr Schiff geht durch die enge Straße fort
Von Septa und Gibraltar, wie der Drang
Der Flut es treibt, bald West, bald Süd und Nord,
Bald Ost, gar viele trübe Tage lang,
Bis Christi Mutter (sei ihr ewig Dank!) [5370]
Durch ihre unbegrenzte Gütigkeit
Aus aller ihrer Trübsal sie befreit.

Laßt von Konstanzen jetzt zurück mich kommen
Zum röm'schen Kaiser, der zu dieser Frist
Durch Briefe aus dem Syrerland vernommen
Vom Christenmord und von der Hinterlist,
Mit der sein Kind mißhandelt ward. Ihr wißt,
Daß ich der Sultanin Verruchtheit meine,
Die bei dem Fest erwürgte Groß' und Kleine.

Seinen Senator hat der Kaiser gleich [5380]
Mit fürstlichen Befehlen abgesandt
Und andre Herren mehr aus seinem Reich,
Sich schwer zu rächen an dem Syrerland.
Die wüthen manchen Tag mit Mord und Brand
Und Plündrung, bis sie, um es kurz zu sagen,
Endlich nach Rom den Rückweg eingeschlagen.

Und der Senator segelt im Triumph
Nach Rom zurück mit königlichem Glanze,
Da treibt ihm (sagt man) in den Weg der Rumpf
Des Schiffs, drin sitzt das Jammerbild Konstanze. [5390]
Er weiß nicht, wer sie ist und was die ganze
Erscheinung meint, noch will sie Auskunft geben
Von ihrem Stand, und kost' es ihr das Leben.

Er hat sie und ihr Söhnlein mitgenommen
Nach Rom und seinem Weib sie übergeben;
Hier fand sie denn ein dauernd Unterkommen.
So kann die Jungfrau dem gequälten Leben
Konstanzen und manch Andern sonst entheben.
Lang blieb sie hier und übte stets im Stillen
In heil'gen Werken sich um Gottes willen. [5400]

Die Senatorin hat sie nicht erkannt,
Wiewohl sie selbst Konstanzens Muhme war.
Doch schweig' ich von der Sache vor der Hand,
Um jetzt zu Alla, der schon manches Jahr
In Schmerz und Thränen um die Gattin war,
Zurückzukehren. Geh's Konstanzen gut
Inzwischen in der Senatorin Hut.

Alla, der seine Mutter doch erschlagen,
Ward so von Reue eines Tages befallen,
Daß er (soll ich es kurz und bündig sagen) [5410]
Beschloß nach Rom zur Pönitenz zu wallen.
Er stellt dem Papst sich zu Befehl in allen
Und jeden Stücken, daß ihm Christi Huld
Verzeihe seine Missethat und Schuld.

Fouriere gingen seinem Zug voraus;
Durch sie ist in der Stadt der Ruf verbreitet,
Der König Alla zieh' auf Wallfahrt aus;
Und der Senator, wie es Brauch war, reitet,
Von vielen Herren seines Stamms begleitet,
Entgegen ihm, theils um vor ihm zu prangen, [5420]
Theils um den König würdig zu empfangen.

Der edle Rathsherr und Alla gewähren
Sich wechselseitig große Höflichkeit,
Und jeder sucht den andern hoch zu ehren.
Und so geschah es denn nach kurzer Zeit,
Daß der Senator einer Festlichkeit
Bei König Alla beizuwohnen kam
Und auch Konstanzens Söhnlein mit sich nahm.

Man sagt, Konstanze habe drum gebeten,
Daß er das Kind mitnähme zu dem Mahl. [5430]
Zwar kann ich jeden Umstand nicht vertreten,
– Sei wie es sei, da war es nun einmal –
Doch wahr ist's, daß dem Kinde sie befahl,
Während der Mahlzeit vor Alla zu stehen
Und frei dem König ins Gesicht zu sehen.

Der König Alla wundert sehr sich über
Das Kind und redet den Senator an:
»Weß ist das schöne Kind mir gegenüber?«
»Ich weiß es nicht, bei Gott und St. Johann;
'ne Mutter hat er; doch den Vater kann [5440]
Ich euch nicht nennen« – und erzählt zur Stunde
Ihm von des Kindes wunderbarem Funde.

»Weiß Gott«, so fuhr dann der Senator fort,
»Solch tugendhaftes Weib sah ich im Leben
Noch nie; noch hört' ich, daß an einem Ort
Es Jungfrau'», Wittwen, Frau'n, wie sie, gegeben.
Durch einen Dolchstoß ließe sie ihr Leben
Sich eher nehmen als zum Fall sich bringen.
Mit ihr wird's keinem Manne je gelingen.«

Nun glich Konstanzen also dieses Kind, [5450]
Nichts konnt' auf Erden ähnlicher ihr sein.
Dem König, der sich noch recht wohl besinnt
Auf seines Weibes Züge, fällt gleich ein,
Es müsse sie des Kindes Mutter sein,
Die seine Gattin ist; er seufzte sacht
Und hat vom Tisch sich baldigst aufgemacht.

»Bei Gott«, denkt er, »es sagt mir mein Verstand,
Wenn mein Gehirn nicht ein Phantom verblendet,
Daß längst mein Weib den Tod im Meere fand.«
Doch nochmals hat er so den Schluß gewendet: [5460]
»Hat Christus nicht vielleicht hieher gesendet
Mein Weib zur See, so gut er sie vor Zeiten
Zu mir aus ihrem Lande konnte leiten?«

Und der Senator führt den Nachmittag
Den König in sein Haus mit großem Glanze,
Zu sehen, wie dies Wunder enden mag,
Und eiligst wird herbeigeholt Konstanze.
Glaubt mir, sie hatte wenig Lust zum Tanze.
Als sie erfuhr, weßhalb nach ihr gesandt,
War's ihr so weh, daß sie kaum aufrecht stand. [5470]

Und Alla sah sein Weib, thät sich verneigen
Und weinte so, man sah es nur mit Pein.
Denn gleich der erste Anblick mußt' ihm zeigen,
Es konnte Niemand als Konstanze sein.
Vor Kummer stand sie da stumm wie ein Stein;
Ihr Herz war zugeschnürt von bitterm Leid,
Da sie gedachte seiner Grausamkeit.

Und dreimal ist in Ohnmacht sie gefallen.
Verzeihung flehend weint vor ihr der Arme:
»Daß Gott sammt seinen lichten Heil'gen allen [5480]
Sich meiner Seele so gewiß erbarme,
Als ich so schuldlos bin an deinem Harme
Wie mein Sohn Moriz, der so ähnlich dir;
Sonst hole mich der Böse gleich von hier.«

Lang war ihr Schluchzen, bitter ihre Pein,
Eh' ihre Herzen sich des Wehs begeben.
Tief in die Seele drang ihr Klaglaut ein;
Denn durch die Klagen wuchs ihr Jammer eben.
Ich bitt' euch, mich der Müh' zu überheben,
Nicht spräch' ich gern von ihrem Weh bis morgen. [5490]
Es macht mich müde, red' ich stets von Sorgen.

Doch als die Wahrheit kam ans Licht zum Schluß,
Daß Alla schuldlos war an ihren Leiden,
Da tauschten hundertmal sie Kuß um Kuß,
Und solche Seligkeit war zwischen beiden,
Daß außer jenen ew'gen Himmelsfreuden
Niemand ein Gleiches auf der Welt gesehn,
Noch sehen wird, so lang sie mag bestehn.

Und für die lange Qual, die sie erlitten,
Bat ihren Ehherrn sie in sanfter Weise, [5500]
Er möchte ihren Vater dringend bitten,
Daß Seine Hoheit ihm die Gnad' erweise,
Und eines Tags bei ihm zu Mittag speise.
Auch bat sie ihn, die Lieb' ihr zu erzeigen,
Zu ihrem Vater ganz von ihr zu schweigen.

Nun sagt man wohl, Mauritius sei erkoren,
Vom Kaiser einzuholen den Bescheid.
Doch halt' ich Alla nicht für solchen Thoren,
An diesen Herrn von höchster Würdigkeit,
Der als die Blume gilt der Christenheit, [5510]
Ein Kind zu senden. Besser ziemt' es sich,
Daß selbst er ging; so war's auch sicherlich.

Der Kaiser sagte zu mit Höflichkeit
Zum Mahl, wie Jener vor die Bitte brachte,
Wobei, so denk' ich, er von Zeit zu Zeit
Das Kind scharf ansah und der Tochter dachte.
Alla ging heim, wo er sich fertig machte,
Und wie er irgend konnte, auf das Beste
Alles beschickte zu dem nahen Feste.

Der Morgen kam; Alla macht sich bereit [5520]
Und auch sein Weib, den Kaiser zu empfangen;
Sie reiten fort in Freud' und Heiterkeit,
Und als sie zu Gesicht ihm kaum gelangen,
Springt sie vom Roß, die Knie ihm zu umfangen.
»O Vater«, rief sie, »sicher, ihr besinnt
Euch nicht mehr auf Konstanzen, euer Kind!

Ich bin Konstanze, ich dein Töchterlein,
Die weiland ihr geschickt ins Syrerland.
Um mich zu morden, haben sie allein,
O lieber Vater, mich ins Meer gesandt. [5530]
Nun fleh' ich, daß zur Gnad' ihr jetzt gewandt,
Mich nicht mehr schicket in die Heidenheit
Und Alla dankt für seine Freundlichkeit.«

Die Freud' und Rührung wollte nimmer enden
Zwischen den Drei'n, die so vereint zuletzt.
Doch ich muß meine Märe nun vollenden.
Der Tag enteilt; nicht zögr' ich länger jetzt.
Sie haben fröhlich sich zu Tisch gesetzt:
Dort laß ich Lust und Freude sie bejagen,
Tausendmal mehr, als ich es könnte sagen. [5540]

Mauritius ward zum Kaiser nach der Zeit
Vom Papst gesalbt und lebte seinen Pflichten
Als Christ zum Heil der Kirch' und Christenheit.
Doch übergeh' ich füglich die Geschichten;
Ich will hier von Konstanzen nur berichten.
Mauritius' Leben findet ihr am besten
Beschrieben in den alten Römer-Gesten.

Und als des Königs Alla Zeit gekommen,
Hat er den Weg nach Engelland in Eile
Mit seinem süßen heil'gen Weib genommen; [5550]
Da leben sie in Ruhe denn und Heile.
Doch Solches währt nur eine kurze Weile.
Von ew'ger Dauer ist kein Erdengut;
Es wechselt Tag und Nacht wie Ebb' und Flut.

Wer mag so selig einen Tag verleben,
Daß nichts im Innern aus der Lust ihn weckt,
Daß nie Begierd' und Zorn ihn läßt erbeben,
Nie Stolz, Neid, Kränkung, Leidenschaft ihn schreckt?
Mit diesem Ausspruch hab' ich nur bezweckt,
Zu sagen, daß von Lust- und Freudenglanze [5560]
Nur kurz umstrahlt ward Alla und Konstanze.

Der Tod, dem Jeder seinen Zins muß geben,
Hoch und Gemein, er nahm nach einem Jahr
Den König Alla auch aus diesem Leben;
Darob Konstanze schwer bekümmert war.
Gott nehm' ihn auf in seiner Sel'gen Schaar!
Und Frau Konstanze, schließlich es zu sagen,
Hat ihren Weg nach Rom hin eingeschlagen.

Zu Rom fand von den Freunden, die ihr theuer,
Die heil'ge Frau im Wohlsein Jedermann. [5570]
Sie ist entronnen jedem Abenteuer.
Auch ihren alten Vater traf sie an,
Und auf die Kniee sank sie und begann
Gott unter Thränen und mit freud'gem Beben
Zu Hunderttausendmalen zu erheben.

Sie lebten stets beisammen hier in Frieden,
In Tugend und in frommer Gaben Spende.
So lebten sie, bis sie der Tod geschieden.
Auch ihr lebt wohl; die Mär' ist hier zu Ende,
Und Jesus Christus, der die Macht ist, sende [5580]
Nach Schmerzen Freuden und behüt' in Gnaden
Uns Alle, die wir hier vereint, vor Schaden.

*


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