Conrad Ferdinand Meyer
Huttens letzte Tage
Conrad Ferdinand Meyer

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Die Einsamkeit

XXIII Die Flut

In meine Kammer blickt das blaue Licht
Der nahen Flut. Ich widerstehe nicht.

Die Mittagssonne rüstet mir das Bad,
Ich schleiche mich verstohlen ans Gestad.

Ich hab' es eilig. Wär' mein Pfleger hier,
Mich hieß' er Waghals und verwehrt' es mir.

Zum Strande nieder führt mich diese Schlucht
Und krause Wellchen plätschern in der Bucht.

Hinaus! Hinaus! Du abgrundkühle Flut,
Wie tust du meinem heißen Herzen gut.

Mit blauen Bannern ziehst du weit heran
Und immer neue Heere seh' ich nahn.

Die Reihen schlagen mit gelindem Prall
Mir an die Brust und brechen sich am Wall.

Noch lob' ich meiner Arme Schwung und Zug –
Nur etwas sachter – eben Kraft genug.

Die Kunst des Knaben hab' ich nicht verlernt,
Doch sind die Ufer weiter hier entfernt.

Ich schlug als Kind in übermüt'ger Lust
Den sanften Main und trat ihn auf die Brust.

Da hab' ich unter mir zu sehn geglaubt
Ein schilfbekränztes, göttlich mildes Haupt.

Es war mir immer nur zu nah das Land,
Mich warf der Flußgott scherzend auf den Sand.

Was einst des Knaben Spiel und Freude war,
Wird nun dem Mann zur Arbeit und Gefahr.

Er weiß es, wenn er ringt und wenn er strebt,
Daß er auf einer Todestiefe schwebt!
 
 

XXIV Was die Glocken sagen

Heut geht am See ein endlos Glockenspiel,
Mir scheint, die taufen und begraben viel.

Wann Menschenblut in neuen Adern kreist,
Erneuert sich der träge Menschengeist.

Das Glöcklein sagt, das dort so kläglich schallt:
Ein Päpstler steigt ins Grab vergilbt und alt.

Das Glöcklein sagt, das hier so lustig schellt:
Es kam ein kleiner Protestant zur Welt.
 
 

XXV Astrologie

Ihr lieben Sterne tröstet allezeit,
Wer dächte, daß ihr arge Zwingherrn seid!

Ihr seid's! Als sich die Erde mir erhellt,
Ward mir ein widrig Horoskop gestellt.

Weil, als ich kam, der Widder just geglüht,
Bin ich von unverträglichem Gemüt.

Ein flackernd Himmelsirrlicht trägt die Schuld
An meiner Wanderlust und Ungeduld.

Gewissen, lasse fürder mich in Ruh!
Den Sternen schreib' ich meine Sünden zu.

Doch überleg es Hutten! Dreimal nein!
Ein Sklave willst du nie gewesen sein.

Du bist ein Feind von jeder Tyrannei
Und deine Sünden auch begingst du frei!

XXVI Homo sum

Ich halte Leib und Geist in strenger Zucht
Und werde doch vom Teufel scharf versucht.

Ich möchte meiner Seele Seligkeit
Und bin mit Petri Schlüsselamt im Streit.

Am Tisch der Fugger speist' ich dort und hie
Und schimpfte weidlich Pfeffersäcke sie.

Den Städterhochmut haßt' ich allezeit
Und hätte gern ein städtisch Kind gefreit.

Auf ehrenfeste Sitten geb' ich viel
Und fröne dem verdammten Würfelspiel.

Ich bin des Kaisers treuster Untertan
Und riet dem Sickingen Empörung an.

Das plumpe Recht der Faust ist mir verhaßt
Und selber hab' ich wohl am Weg gepaßt.

Ich bete christlich, daß es Friede sei,
Und mich ergötzen Krieg und Kriegsgeschrei.

Der Heiland weidet alle Völker gleich –
Nur meinen Deutschen gönn' ich Ruhm und Reich!

Das heißt: ich bin kein ausgeklügelt Buch,
Ich bin ein Mensch mit seinem Widerspruch.
 
 

XXVII Ariost

Die Feder leg' ich weg. Heut ist ein Tag,
Da keine Zeile mir geraten mag!

Wie wend' ich ab der langen Weile Fluch?
Ein Buch, Herr Pfarrer! Ein ergötzlich Buch!

– "Zu Dienst, Herr Ritter! Wenn Ihr Welsch versteht?"
Ich konnt' es einst und meine noch, es geht.

Woher das Buch? – "Ein welscher Architekt
Las drinnen hier und hat's nicht eingesteckt."

Roland in Furie. Verse, welscher Gauch?
Nun, Verse machen kann der Hutten auch.

Nur keinen Schwulst, mein Dichter, keinen Frost!
Dein Name lautet? Ludwig Ariost.

Mir unbekannt. Dein Erstling, junges Blut?
Respekt! Ich bin ein Alter! Zieh den Hut!

Du hoffst, daß ich dich lese? Wahn! mein Kind.
Ich sause durch die Blätter, wie der Wind.

Verwunschene Prinzessen – Drachenbrut –
Das tolle Zeug ist für die Kinder gut.

Was soll uns noch die bunte Wunderzeit?
Wir fußen jetzt in harter Wirklichkeit.

Ein frisches Bild! Nun ja – ein feiner Spruch!
Ei Zauber! Üppig Grün entsprießt dem Buch!

Da setzen zwei Verliebte sich hinein,
Das Blatt gewendet und sie sind allein.

Es kracht! Ein Ritterpaar, das Lanzen bricht!
Die Splitter fliegen auf zum Sonnenlicht

Und fallen nieder, schwärzlich angebrannt,
Auf die Behelmten, die sich umgerannt.

Hanswurst, gemach! Das lohn' der Teufel dir!
Verspottest du das löbliche Turnier?

Wes Geistes Kind? Laß sehen! Blättre, Hand!
Ein Feldgeschütz erobert Held Roland

Und flucht der Kugel und dem Pulverknall,
Als wären sie des Rittertums Verfall –

Der Sickingen erfuhr's, den, ach, ein scharf
Gezielter Schuß zum Sterben niederwarf!

Gewiß, viel änderte der Pulverblitz!
Und hier – das ist ein kapitaler Witz –

Hier läuft ein Kerl und schwingt die Halebard,
Der's nicht bemerkt, daß er getötet ward!

Bei meinem Bart! Das Bild der alten Zeit,
Die noch die Waffe führt und schilt und schreit,

Den jungen Tag bekämpft mit Trutz und List
Und nicht bemerkt, daß sie verstorben ist!

Ich wittre, Welscher, deinen Schlich und Brauch,
Des Witzes scharfen Bolzen schoß ich auch:

Aus wunderbaren Mären seh' ich braun
Und lachend eines Schalkes Augen schaun.

Vor einer Fabelwelt verbeugst du dich
Und grüßest hübsch – und machst sie lächerlich.

Was ich befehdet mit des Herzens Kraft,
Zerstörst du mit des Scherzes Meisterschaft.

Ich reich' dir über das Gebirg die Hand,
Mein Meister Ludowig im welschen Land!

In deines Maskenscherzes Fröhlichkeit
Bist du, wie ich, ein echtes Kind der Zeit.

XXVIII Bin ich ein Dichter?

Das Lied des Welschen wandelt voller Glanz,
Es schwebt wie Musenschritt und Grazientanz.

Der Reim des Welschen hat ein hell Geläut –
Ob ich ein Dichter bin? Das plagt mich heut.

Du zweifelst, Hutten? Hat dich eines Tags
In Augsburg nicht gekrönt der Kaiser Max?

Das gilt!... Auch neben diesem welschen Lied?
Wär' ich am Ende bloß ein Verseschmied?

Ich bin ein Verseschmied! So nenn' ich mich!
Am Feuer meines Zornes schmiedet' ich

Rüstung und Waffen zu des Tags Bedarf
Und wahrlich, meine Schwerter schneiden scharf!
 
 

XXIX Der letzte Humpen

Herr Konrad der Comtur vergaß mich nicht
Und seine Sendung lacht wie Sonnenlicht.

Sie ist, ob auch in schlichtes Stroh gehüllt,
Bis oben an den Rand mit Geist gefüllt.

Statt eines Briefs hat der Bequeme mir
Geschickt das Fläschchen Rüdesheimer hier.

Dank! Einmal solche würz'ge Labe noch!
Ihr Gutes hat die Pfaffengasse doch.

Der Arzt verordnet mir den Wasserstrahl,
Wohlan, ich zeche heut zum letzten Mal!

Nicht brauch' ich dich zu schwenken, du bist  rein,
Du kommst vom Brunnen, hölzern Becherlein!

Herr Rüdesheim, was gibt's am Rhein? Wie geht's
Der Klerisei von Mainz? Sie durstet stets?

Erlaucht, auf Schweizerboden keinen Stolz!
Bequemet Euch in dies Gefäß von Holz!

Lab' ich allein mich aus dem Zauberquell?
Liegt nirgend hier im Gras ein Zechgesell?

Allein zu trinken ist mir schwer verhaßt,
Ein Mönchlein selber wär' mir recht als Gast.

Ein Mönchlein! Wäre nur der Luther hier,
Mit Feuerzungen sprächen beide wir!

Ihn traf der Frundsberg auf der Dornenbahn
Zu Worms mit einem vollen Humpen an

Und sprach ihm zu: "Mach dir die Kehle naß!
Dann rede frisch! in vino veritas."

Im Weine Wahrheit! Doch auch du bist hie,
Anmut'ge Lüge, Traum und Poesie!

Aus meinem Becher steigt ein Reigen klar
Und lächelnd grüßt mich eine Geisterschar.

Voraus die ewig junge Lebenslust,
Sie legt den Lockenkopf mir an die Brust

Und schaut zu mir mit hellen Augen auf:
"Du wirst genesen, Hutten! Zähle drauf!"

Und hier die Blasse mit dem süßen Schein
Der trauten Blicke muß die Liebe sein!

Sie flüstert das beseligende Wort:
"Noch hüte, Hutten, ich dir einen Hort!"

Mit beiden Armen winkt sie Heil mir zu:
"Es ist die Schönste, Hutten! Traue du!"

Und der Poet in meinem Herzen singt,
Von holder Erdefreuden Chor umringt,

In tausend Melodieen ein Getön:
O Erde, du bist lustig, du bist schön!...

Verbleiche, Reigen! Sinnentanz, erlisch!
Herr Reformator Hutten, auf vom Tisch!

Des Weines Hälfte blieb, die heb' ich auf
Dem Freunde, kehrt er müd vom Arzteslauf.

Drei Züge noch, das ist die heil'ge Zahl!
Drei Sprüche noch und sonder lange Wahl!

Den ersten Trunk dem heil'gen röm'schen Reich!
Möcht' es ein weltlich deutsches sein zugleich!

Den zweiten meinem Kaiser! Möcht' er sein,
Der fünfte Karl, so echt, wie dieser Wein!

Den dritten bring' ich jedem auf der Welt,
Der sich und seinen Becher wacker hält!
 

XXX Der Uli

Gelassen schreitet dort im Ackerfeld
Ein rüst'ger Mann, der späte Saat bestellt.

Schön ist ein jedes Werk, das Jahr entlang,
Am liebsten doch ist mir des Säers Gang...

Mein wackrer Albrecht Dürer, mal mir heut
Den lieben Heiland, wie er Körner streut,

Mit einem deutschen Himmel frisch und klar
Und deutscher Landschaft – für den Fronaltar...

Als ich mit Zwingli jüngst am Mahle saß,
Erzählt' er etwas, das ich nicht vergaß.

Er sprach: "Das wilde Tal, das mich gebar,
Bringt weder Wein noch Frucht im wärmsten Jahr.

So kam's, daß ich gelebt der Jahre zehn,
Bevor ich Egge, Pflug und Saat gesehn.

Da nahm der Vater mich zu Tale mit,
Die Säer drunten zählten Schritt um Schritt

Und streuten edeln Wurfs, geheimen Winks
Die wundersamen Körner rechts und links.

Ich schaute die Gebärden allesamt,
Streng und gemessen, wie beim heil'gen Amt,

Und endlich frug ich mit erstauntem Wort:
'Vater! Was tun die Männer Frommes dort?'

Er lachte: 'Solches sahst du nie zu Haus!
Sie streun das Brot des lieben Gottes aus.

Was ist dir, Uli? Weinst du? Schäme dich!'
'Ei, Vater, es ist gar so feierlich.'"
 

XXXI Die deutsche Bibel

Ein frommer Tag, da ich, gestreckt ins Gras,
Die "Schrift, verdeutscht durch Martin Luther" las.

Gern hör' ich deiner Sprache, Luther, zu,
Wer braucht das Wort gewaltiger als du?

Auf einer grün umwachsnen Burg versteckt,
Hast du die Bibel und das Deutsch entdeckt.

Ich las und alte Mär aus Morgenland
In Fleisch und Blut verwandelt vor mir stand.

Den Heiland hör' ich, der mich traulich lehrt,
Aus einem Fischerboot mir zugekehrt.

Und plaudert' hier am Brunn im Schattenraum
Mit einem Weiblein er, mich wundert's kaum.

Vielleicht dortüben wandelt am Gestad
Durchs hohe Korn er auf verdecktem Pfad...

Der Rittersmann, der Knecht im Bauerkleid
Vernimmt von ihm den Weg zur Seligkeit –

Auch seine Henker tragen deutsche Tracht,
Zu Köln wird er im Dornenkranz verlacht

Und spottend geht an seinem Kreuz vorbei
Ein Chorherr aus der Mainzerklerisei....

Leer steht das Holz. Ein Zettel flattert dran
Mit got'scher Schrift. Es hebt die Predigt an.

Die Feuerzungen wehn. Fest Pfingsten flammt.
Martinus tritt in das Apostelamt.

Der Sturm erbraust und jede Sprache tönt –
Wie tief das Erz der deutschen Zunge dröhnt!
 
 

XXXII Luther

Je schwerer sich ein Erdensohn befreit,
Je mächt'ger rührt er unsre Menschlichkeit.

Der selber ich der Zelle früh entsprang,
Mir graut, wie lang der Luther drinnen rang!

Er trug in seiner Brust den Kampf verhüllt,
Der jetzt der Erde halben Kreis erfüllt.

Er brach in Todesnot den Klosterbann –
Das Große tut, nur wer nicht anders kann!

Er fühlt der Zeiten ungeheuren Bruch
Und fest umklammert er sein Bibelbuch.

In seiner Seele kämpft, was wird und war,
Ein keuchend hart verschlungen Ringerpaar.

Sein Geist ist zweier Zeiten Schlachtgebiet –
Mich wundert's nicht, daß er Dämonen sieht!

XXXIII Die Vorrede

Heut übermochte mich – seit langer Zeit
Zum ersten Mal – ein Sturm von Lustigkeit.

Ich lag im Gras. Da blitzt' mir durch den Sinn,
Wie mit dem Papst ich umgesprungen bin.

Unbändig lacht' ich in der grünen Saat
Und freute mich der frechen Jugendtat.

In einer Widmung und Praefatio
Schrieb ich an unsern heil'gen Vater so:

"Die dir im Amt vorangegangen sind,
Die taugten nichts. Das weiß ein jedes Kind.

Sie fälschten, stahlen, raubten allezeit,
Ein beßrer Mensch ist deine Heiligkeit.

Sie waren Schelme. Meinst du nicht? Verglich'
Ich dich mit ihnen, es betrübte dich!

Du billigst meine Rede, weiß ich schon,
Doch gib es, bitt' ich, schriftlich deinem Sohn!

Verkünd es aller Christenheit und gib
Ein Breve: " 'Ulrich Hutten ist mir lieb!'"

Ich muß es mir bekennen dann und wann:
Nicht völlig ungerecht bin ich im Bann.
 
 

XXXIV Erasmus

Frau Schwermut setzt sich heute neben mich
Und raunt mir zu: "Die Menschen lassen dich.

Du bist ein halbzertrümmert Kriegsgerät,
An dem man achtungslos vorübergeht.

Die Freunde wenden sich von dir mit Scheu,
Nur deine Feinde bleiben dir getreu.

Du warst zu kühn und, streckst du dich erbleicht,
So wird es dir und wird den andern leicht"...

Der Schiffer kommt. Freund! Was ist dein Gesuch?
– "Hier, Ritter, bring' ich etwas wie ein Buch."

Versiegelt ist's. Von wem? Ich weiß es nicht.
Die Hand, sie zaudert, die das Siegel bricht.

Schickt, Büchlein, dich ein Freund, mich zu erfreun?
Ein Feind, mir alte Wunden zu erneun?

Ich, sonst so kampfgewöhnt und wetterhart,
Auf dieser stillen Insel werd' ich zart

Und dessen Hand so rasch zum Schwerte fuhr,
Friedselig werd' ich hier wie die Natur.

Wie? Hutten zagt? Enthieltst du Gottes Spruch
Und Urtel selbst, ans Licht, verhülltes Buch!

" Erasmus gegen Hutten. Offner Brief."
Recht! Hutten und Erasmus wäre schief.

Latein ist gut! Latein verdient ein Lob!
Glatt, elegant... Potz Blitz, da wird es grob!

"Zerlumpter Ritter!" redest  du mich an,
Betitelst mich "verkommener Kumpan!"

"Zerlumpter Ritter!" Ein erbaulich Bild!
Mißgönnt der Bankert mir das Wappenschild?

Ich Hutten weiß, wieviel die Tinte tut,
Doch mehr vermag ein dreister Reutersmut!

Der Römling, der in unsern Landen haust,
Erbleicht vor der geschienten Edelfaust!

"Potator, aleator"... Geht's auf mich?
Du munkelst, deutelst, heuchelst – schäme dich!

Und hier... und hier – nicht möglich! Büchlein, schweig!
Ein Musenliebling! Und so schlecht und feig!

Erasmus rät den Zürchern – niedrig Tun –
Mir zu verbieten, hier mich auszuruhn.

Mich aufzunehmen in des Gastes Recht,
Gefährlich sei's! Du kennst die Zürcher schlecht!

Das alles, weil ich, der du brav mir schienst,
Dich werben wollte für der Freiheit Dienst.

Mann, wären nicht gezählt die Tage mir,
Zu Basel auf die Bude stieg' ich dir!

Ich zöge dich mit diesen Armen, glaub
Es mir, hervor aus deinem Bücherstaub.

Doch zittre nicht! dir sollte nichts geschehn,
Ich würde nur dir Aug in Auge sehn.

Dein edles Wissen, spräch' ich, liegt dir tot,
Du bietest Gold und wir bedürfen Brot!

Die Menge hungert, ahntest du es nie?
Hervor mit deinen Schätzen! Sätt'ge sie!

Dein Denken, spräch' ich, ist ein eitler Traum,
Wächst drangvoll nicht daraus ein Lebensbaum...

Was willst du? Weihrauch? Ehrerbietung? Gern.
Du bist ein großes Licht, ein heller Stern!

Vor deinem Ruhme beugt der Hutten sich –
Nun aber, großer Mann, ermanne dich!

Die Satyrmaske lege sie beiseit –
Ein offnes Antlitz fordert unsre Zeit.

Freund – alles ist vergeben, rede frei!
Ich schütze dich vor Papst und Klerisei!

Du kennst die Wahrheit, übe nicht Verrat,
Gib Zeugnis! Wage eine Mannestat!

Bekenn, Erasme, ob du ein Papist,
Ein Römer oder evangelisch bist!

Kein Drittes! Gib in großem Stile dich!
Du kneifst die Lippen – bist du unser? Sprich!...

Dein schlaues Auge blickt mich spöttisch an?...
Vale, Erasme! Tot und abgetan!
 
 

XXXV Das Huttenlied

Der Ufenau vorüber glitt ein Kahn
Ganz nah. Fast stieß er an das Ufer an.

Von fahrnden Schülern war der Nachen voll,
Ein Lied aus zwanzig jungen Kehlen scholl.

Im Buchenlaub verborgen, unsichtbar,
Lag nahe zum Berühren ich der Schar.

Das Ruder schlug den Takt der Melodie,
Entlang das Inselufer sangen sie:

"Behüte Christ das edel fränkisch Blut!
Es schreibet uns viel kostlich Bücher gut!

Aus Treuen tut's der Ritter, ohne Lohn,
Die Treu verspürt die deutsche Nation!

Der Römer schickt dir Mörder vor die Tür,
Ach edler Hut aus Franken, sieh dich für!"¹

Sie brachen Zweiglein ab vom Buchenhag
Und keiner ahnte, wer dahinter lag.

1. Huttenlied.

XXXVI Deutsche Libertät

Ein lustig Trommeln zieht den Strand entlang
Mit gellen Pfeifen und mit Kriegsgesang.

Sie lösen ihre Stücke. Rauch und Dampf.
Er lichtet sich. Standarten, Roßgestampf.

Gewalt'ge Körper! Es ist eine Lust,
Wie sie daher stolzieren selbstbewußt.

's ist Schwyzerboden. Üppig fließt der Sold,
Wild, immer wilder brennt der Durst nach Gold.

Die Älpler haben Lebensüberfluß
Und starkes Blut, daß man sie schröpfen muß.

Wem ziehn sie bei? Die Lilien seh' ich wehn,
Zu König Franz wird dieser Reislauf gehn.

Nicht treibt der Schweizer seinen bösen Lauf
Allein. Der Landsknecht nimmt es mit ihm auf.

Der deusche Ritter auch, er ficht und rauft
Für jeden fremdem König, der ihn kauft.

Fürst, Pfaffe, Bauer, Städte, Ritterschaft,
Ein jedes trotzt auf eigne Lebenskraft!

Zum Henker eine Freiheit, die vergißt,
Was sie der Reichesehre schuldig ist!

Zum Teufel eine deutsche Libertät,
Die prahlerisch in Feindeslager steht!

Geduld! Es kommt der Tag, da wird gespannt
Ein einig Zelt ob allem deutschen Land!

Geduld! Wir stehen einst um ein Panier
Und wer uns scheiden will, den morden wir!

Geduld! Ich kenne meines Volkes Mark!
Was langsam wächst, das wird gedoppelt stark.

Geduld! Was langsam reift, das altert spat!
Wann andre welken, werden wir ein Staat.
 
 

XXXVII Der Schmied

Am Ufer drüben seh' aus einem Schlot
Ich lust'ge Funken wirbeln purpurrot

Und Schmied und Amboß kommt mir in den Sinn,
Davor ich einst erstaunt gestanden bin.

Als ein vom Weg Verirrter macht' ich Halt:
Es war um Mitternacht im schwarzen Wald.

Ein riesenhafter Schmied am Amboß stand
Und hob den Hammer mit berußter Hand.

Zum ersten schlug er nieder, daß es scholl
Ringsum in finsterm Forst geheimnisvoll,

Und rief: "Mach, erster Streich, den Teufel fest,
Daß ihn die Hölle nicht entfahren läßt!"

Den Hammer er zum andern Male hob,
Den Amboß schlug er, daß es Funken stob,

Und schrie: "Triff  du den Reichsfeind, zweiter Schlag,
Daß ihn der Fuß nicht fürder tragen mag!"

Den Hammer hob er noch zum dritten Mal,
Der niederfuhr wie blanker Wetterstrahl,

Und lachte: "Schmiede, dritter, du die Treu
Und unsre alte Kaiserkrone neu!"
 
 


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