C. F. Meyer
Die Hochzeit des Mönchs
C. F. Meyer

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Astorre schlug die lautern Augen auf und erwiderte ohne Bedenken: 'Armut und Gehorsam, nichts sonst. Ich habe keinen Sinn für Besitz und gehorche leicht.' Er hielt inne und errötete.

Der Tyrann fand ein Wohlgefallen an dieser männlichen Keuschheit. 'Hat dir dieser hier deinen Stand aufgenötigt oder dich dazu beschwatzt?' lenkte er ab.

'Nein', erklärte der Mönch. Seit lange her, wie der Stammbaum erzählt, wird in unserm Hause von dreien oder vieren der letzte geistlich, sei es, damit wir Vicedomini einen Fürbitter besitzen, oder um das Erbe und die Macht des Hauses zu wahren – gleichviel, der Brauch ist alt und ehrwürdig. Ich kannte mein Los, welches mir nicht zuwider war, von jung an. Mir wurde kein Zwang auferlegt.'

'Und das dritte?' holte Ezzelin nach – er meinte das dritte Gelübde. Astorre verstand ihn.

Mit einem neuen, aber dieses Mal schwachen Erröten erwiderte er: 'Es ist mir nicht leicht geworden, doch ich vermochte es wie andere Mönche, wenn sie gut beraten sind, und das war ich. Von dem heiligen Antonius', fügte er ehrfürchtig hinzu.

»Dieser verdienstliche Heilige, wie ihr wißt, Herrschaften, hat einige Jahre bei den Franziskanern in Padua gelebt«, erläuterte Dante.

»Wie sollten wir nicht?« scherzte einer unter den Zuhörern. »Haben wir doch die Reliquie verehrt, die in dem dortigen Klosterteich herumschwimmt: ich meine den Hecht, welcher weiland der Predigt des Heiligen beiwohnte, sich bekehrte, der Fleischspeise entsagte, im Guten standhielt und jetzt noch in hohem Alter als strenger Vegetarier ... « Er verschluckte das Ende des Schwankes, denn Dante hatte gegen ihn die Stirn gerunzelt.

'Und was riet er dir?' fragte Ezzelin. 'Meinen Stand einfach zu fassen, schlecht und recht', berichtete der Mönch, als einen pünktlichen Dienst, etwa wie einen Kriegsdienst, welcher ja auch gehorsame Muskeln verlangt, und Entbehrungen, die ein wackerer Krieger nicht einmal als solche fühlen darf: die Erde im Schweiß meines Angesichts zu graben, mäßig zu essen, mäßig zu fasten, weder Mädchen noch jungen Frauen Beichte zu sitzen, im Angesicht Gottes zu wandeln und seine Mutter nicht brünstiger anzubeten, als das Breviarium vorschreibt.'

Der Tyrann lächelte. Dann streckte er die Rechte gegen den Mönch aus, ermahnend oder segnend, und sprach: 'Glücklicher! Du hast einen Stern! Dein Heute entsteht leicht aus deinem Gestern und wird unversehens zu deinem Morgen! Du bist etwas und nichts Geringes; denn du übst das Amt der Barmherzigkeit, das ich gelten lasse, wiewohl ich ein anderes bekleide. Würdest du in die Welt treten, die ihre eigenen Gesetze befolgt, welche zu lernen es für dich zu spät ist, so würde dein klarer Stern zum lächerlichen Irrwisch und zerplatzte zischend nach ein paar albernen Sprüngen unter dem Hohn der Himmlischen!

Noch eines, und dies rede ich als der, welcher ich bin: der Herr von Padua. Dein Wandel war meinem Volk eine Erbauung, ein Beispiel der Entsagung. Der Ärmste getröstete sich deiner, den er seine karge Kost und sein hartes Tagewerk teilen sah. Wirfst du die Kutte weg, freiest du, ein Vornehmer, eine Vornehme, schöpfst du mit vollen Händen aus dem Reichtum deines Hauses, so begehst du Raub an dem Volk, welches dich als einen seinesgleichen in Besitz genommen hat, du machst mir Unzufriedene und Ungenügsame, und entstände daraus Zorn, Ungehorsam, Empörung, mich sollte es nicht wundern. Die Dinge verketten sich!

Ich und Padua können dich nicht entbehren! Mit deiner schönen und ritterlichen Gestalt stichst du der Menge in die Augen und hast auch mehr oder wenigstens einen edlern Mut als deine bäurischen Brüder. Wenn das Volk nach seiner rasenden Art diesen hier' – er deutete auf Isaschar – 'ermorden will, weil er ihm Hilfe bringt, was dem Juden in der letzten Pestzeit – wenig fehlte – geschehen wäre, wer verteidigt ihn, wie du tatest, gegen die wahnsinnige Menge, bis ich da bin und Halt gebiete?

Isaschar, hilf mir den Mönch überzeugen!' wendete sich Ezzelin gegen den Arzt mit einem grausamen Lächeln. Schon deinetwegen darf er sich nicht entkutten!'

'Herr', lispelte dieser, unter deinem Zepter wird sich die unvernünftige Szene, welche du so gerecht wie blutig gestraft hast, kaum wiederholen, und meinethalb, dessen Glaube die Dauer des Stammes als Gottes höchsten Segen preist, darf der Erlauchte' – so und schon nicht mehr den Ehrwürdigen nannte er den Mönch – nicht unvermählt bleiben.'

Ezzelin lächelte über die Feinheit des Juden. 'Und wohin gehen deine Gedanken, Mönch?' fragte er.

'Sie stehen und beharren! Doch ich wollte – Gott verzeihe mir die Sünde –, der Vater erwachte nicht mehr, daß ich nicht hart gegen ihn sein muß! Hätte er nur schon die Zehrung empfangen!' Er küßte heftig die Wange des Ohnmächtigen, welcher darüber zur Besinnung kam.

Der wieder Belebte tat einen schweren Seufzer, hob die müden Augenlider und richtete aus dem grauen Gebüsch seiner hängenden Brauen einen Blick des Flehens auf den Mönch. 'Wie steht's?' fragte er. Was hast du über mich verhängt, Geliebtester? Himmel oder Hölle?'

'Vater', bat Astorre mit bewegter Stimme, deine Zeit ist um! Dein Stündlein ist gekommen! Entschlage dich der weltlichen Dinge und Sorgen! Denke an die Seele! Siehe, deine Priester' – er meinte die der Pfarrkirche – 'sind nebenan versammelt und harren mit den hochheiligen Sterbesakramenten.'

Es war so. Die Tür des Nebengemaches hatte sich sachte geöffnet, aus demselben schimmerte schwaches, in der Tageshelle kaum sichtbares Kerzenlicht, ein Chor präludierte gedämpft, und das leise Schüttern eines Glöckchens wurde hörbar.

Jetzt klammerte sich der Alte, der seine Knie schon in die kalte Flut der Lethe versinken fühlte, an den Mönch, wie weiland Sankt Petrus auf dem See Genezareth an den Heiland. 'Du tust es mir!' lallte er.

'Könnte ich! Dürfte ich!' seufzte der Mönch. 'Bei allen Heiligen, Vater, denke an die Ewigkeit! Laß das Irdische! Deine Stunde ist da!'

Diese verhallte Weigerung entzündete das letzte Leben des Vicedomini zur lodernden Flamme. 'Ungehorsamer! Undankbarer!' zürnte er.

Astorre winkte den Priestern.

'Bei allen Teufeln', raste der Alte, 'laßt mich zufrieden mit eurem Geknete und Gesalbe! Ich habe nichts zu verspielen, ich bin schon ein Verdammter und bliebe es mitten im himmlischen Reigen, wenn mein Sohn mich mutwillig verstößt und meinen Lebenskeim verdirbt!'


 << zurück weiter >>