Ignaz Franz Castelli
Wiener Lebensbilder
Ignaz Franz Castelli

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XII.
Die Aschermittwoche oder Faschingswehen.

Mag es Manchem sonderbar vorkommen, ich kann und will es nicht verhehlen, daß mir die Aschermittwoche einer der liebsten Tage des ganzen Jahres ist. Diese freundliche Stille nach Saus und Braus, diese merkbare Ruhe in den Straßen, dieses Zurückkehren zur Ordnung und Häuslichkeit, ja selbst dieser allgemeine Anstrich von Befriedigung sind mir angenehm. Es liegt etwas auf den Gesichtern, welches zu sagen scheint: »Ich habe viel Plaisir ausgestanden. Dem Himmel sey Dank, daß es damit alle ist!« Die Frommen wallen den Kirchen zu, und lassen sich äschern, die Verschwender stehen auf der Asche ihrer Habe, sie zählen, und siehe da,

es fehlt manch' theures Haupt,

viele durchwachte Nächte haben ihr Gesicht mit Aschfarbe überzogen, und der Aschenkrug scheint schon sein Recht auf sie geltend machen zu wollen. Viele Aschenbrödeln kehren zu ihrem Herde zurück, und verzichten nun wieder ein ganzes Jahr auf das Vergnügen, in der Redoute 156 unter der Maske große Frauen zu spielen, und junge, galante Herren zu angeln; kurz, die Thüre ist hinter dem Fasching zugeschlagen, und eine Zeit zu ernsteren Betrachtungen tritt ein.

Es ist noch nicht gar lange Zeit, daß es Gewohnheit war, in der letzten Faschingsnacht Punct zwölf Uhr den Fasching auf eine scherzhafte Weise zu Grabe zu tragen, und ich weiß wahrlich nicht, warum dieser Gebrauch abgekommen ist. Er gab zu viel Unterhaltung Anlaß. Jetzt begräbt man den guten Fasching nicht mehr, aber er hinterläßt dennoch viele Leidtragende. Manche Wunden hat er geschlagen in Herzen und Beutel, manche Vereinigungen hat er geschlossen, manche Trennungen veranlaßt. Vorzüglich werden seine Fußstapfen in der Aschermittwoche sichtbar, und ich will dir beschreiben, lieber Leser, wie ich an diesem Tage meine Umgebungen, Freunde und Bekannte fand. Vielleicht ist auch bey dir so manches Ähnliche eingetroffen. Verzeih' mir die etwas längliche Einleitung, es ist ja ohnedieß jetzt die Zeit der Predigten.

Als ich des Morgens erwachte, und meinem Bedienten klingelte, mußte ich dieß dreymahl wiederhohlen, bis er endlich kam. Er ist sonst ein flinker Bursche, und ich verwies ihm diese Zögerung, allein er bat um Vergebung und entschuldigte sich, daß er die letzte 157 Faschingsnacht auch etwas über die Schnur gehauen, und jetzt erst die Milch zum Kaffeh gehohlt habe. Ich fragte ihn, wo er sich denn unterhalten habe? Er antwortete mir, »daß in dem nahen Wirthshause die Auffasserfrauen einen großen Ball gegeben hätten. wobey er zugegen gewesen wäre.« – Ich bin ein geborner Wiener, habe aber dieses Prädicat im Leben nicht gehört. »Wer sind denn diese Damen?« fragte ich. Er erklärte mir, daß sich die Obsthändlerinnen also nennen, weil sie das Obst in Haufen zu gewissen Preisen auffassen. Er erzählte mir weiter, daß es da sehr hoch hergegangen, daß nichts als Guldenwein getrunken und sogar Freindorfer vorhanden gewesen sey; zugleich bat er mich, ich möchte ihm auf seinen künftigen Monathgehalt einige Gulden vorstrecken, er habe sich in dieser Nacht ganz ausgegeben (ein gewöhnlicher Local-Ausdruck). Siehe da Faschingswehe Nr. 1.

Es schlug acht. Die Stunde, wo gewöhnlich mein Barbier zu kommen pflegt. Auch dieser erschien erst um halb neun, und halb schlaftrunken erzählte er mir viel Schönes von dem dießnächtlichen Ball beym Mondschein, und riß mir dabey mit einem schlecht abgezogenen Messer den Bart dermaßen aus dem Gesichte, daß ich einiges Blut mit kleinen Stückchen Feuerschwamm zu stillen hatte. – (Faschingswehe Nr. 2.)

158 Ich besitze einen Canarienvogel, gar ein liebes, zahmes Thierchen, das mir die in Milch getauchte Semmelkrumen beym Frühstück aus der Hand pickt, und dabey mit den kleinen Flügelchen schlägt. Der liebe Vogel hat noch eine Eigenheit. Auf meinen Bücherstellen stehen Büsten von Aristoteles, Cicero, Julius Cäsar und Schiller. Seltsam genug! nur wenn das kleine Thierchen auf dem Kopfe Schillers sitzt, so singt es schmetternd und gellend, sitzt es aber auf den übrigen Köpfen, so zwitschert es entweder nur, oder schweigt ganz und gar. Es war mir dießmahl etwas Außergewöhnliches, den Vogel lautlos auch auf des Sängers Büste sitzen zu sehen. Ich rief ihn wie gewöhnlich mit der Zunge schnalzend, aber er kam nicht. Ich ging zu seinem Käfig um ihn dahin zu locken, und sieh da, der Arme hatte weder Futter noch Wasser, auch darauf hatte mein Bedienter, der die Fütterung über sich hat, gestern in der Freude seines Herzens über den Auffasser-Frauenball vergessen, und auch der arme Vogel mußte vom Fasching dulden. (Faschingswehe Nro. 3.) Es versteht sich, daß ich meinen kleinen, befiederten Sänger alsogleich erquickte.

Daß mein Kaffeh heute etwas schlechter gekocht war, die Milch von Rauch roch, das Kipfel zu braun war, meine lange Morgenpfeife noch die Asche vom vorigen 159 Tage in sich trug, das Alles will ich hier nicht berühren. Es sind zu unbedeutende Wehen, um numerirt zu werden.

Jetzt läutete die Hausglocke, und mein Bedienter meldete mir einen Mann, der mich zu sprechen wünsche. Ein kleiner Kerl, der meine Liebhaberey für Dosen kennt, und mir schon öfters welche zum Ankauf gebracht hatte, trat ein; dießmahl both er mir drey an, eine silberne, eine von Elfenbein mit einem Mosaik-Medaillon, und eine von Schildkröte mit einem schön gemahlten und äußerst lieblichen, weiblichen Porträt. – »Dießmahl bin ich sehr wohlfeil,« sprach er schmunzelnd, »denn der Fasching hat die Säckel geleert und man muß sie wieder füllen. Die silberne Dose gehört einem Beamten, der sie weggeben muß, weil er seiner geliebten, lebenslustigen Ehefrau zur gestrigen letzten Redoute noch ein neues Kleid anschaffen mußte; heute seufzt er darüber, und schnupft seinen Schwarzgebeitzten aus einer schwarz lackierten Dose von Papiermaché, indem ihn sein liebes, besorgtes Weibchen versichert, diese Dose sey viel hübscher und nicht so schwer. – Diese Dose von Elfenbein ist das Erbstück eines jungen Herrn von dessen Vater. Die Thaler, die er mit derselben erbte, sind schon verthan, jetzt kommt das letzte Stück an die Reihe, welches ihn noch an seinen guten, alten Vater erinnern kann. Er behauptet aber, er habe desselben garnicht nöthig, denn 160 er denke ohnedieß immer seines Erzeugers. Gewiß haben dem jungen Menschen einzig und allein die glacirten Handschuhe, die er diesen Fasching hindurch gebraucht hat, so viel gekostet, als er jetzt die Dose feilbiethet. Die dritte nun mit dem lieblichen Mägdleinbild ist das Eigenthum eines ziemlich bejahrten Mannes, dessen erste Frau so ausgesehen haben soll. Er hat die Dose seit ihrem Tode bis zu diesem Carneval ununterbrochen bey sich getragen, aber nun hat das ältliche Herz sich noch einmahl gerührt, es wurde von einem jungen, koketten Fräulein touchirt, welches unser Mann auf einem Balle kennen lernte. Die Schöne forderte von ihm, daß er sich das häßliche Tabakschnupfen abgewöhnen, und vor Allem, daß er die Dose mit dem Porträte alsogleich weggeben sollte. Der gute Mann (recht passend mit dem französischen bon homme übersetzt) ist folgsam, und händigte mir die Dose mit einem Seufzer ein. – Ich kaufte die drey Tabatieren alsogleich, sie sollen mir Warnungstafeln seyn (Voilà Faschingswehen Nro. 4, 5 et 6).

Ich ging nach der Stadt, weil ich in einem öffentlichen Amte Geschäfte zu verrichten hatte. In der Spiegelgasse trat eben ein Freund aus dem Thore des Versatzamtes, der so schnell lief, daß er mich bald über den Haufen gerannt hätte. Es war sehr kalt, und mein 161 Freund dennoch ziemlich leicht gekleidet, nur in einen Gehrock gehüllt. Ich kannte ihn als ein verzärteltes Muttersöhnchen, und war gewohnt, ihn sonst in Pelz und Mantel zu sehen. »Was zum Henker!« redete ich ihn an, »du bist ja heute fast sommerlich gekleidet; warum trägst du denn keinen Mantel?« – Mit den Zähnen vor Kälte schnappernd, antwortete er mir: »Mich friert nicht, und ich wohne jetzt in der Stadt, wozu also einen Mantel?« Bey diesen Worten wendete er sich, um von mir zu gehen, und ich sah aus seiner linken Rocktasche ein kleines, blaues, steifes Täfelchen, gezackt ausgeschnitten, hervor gucken; wer kennt diese Täfelchen nicht? dazu das Haus, aus welchem mein Freund trat, die Aschermittwoche, der fehlende Mantel – ich glaube mit gutem Gewissen hier Faschingswehe Nr. 7 ansetzen zu dürfen.

Nun begab ich mich in jenes Amts-Büreau, wo ich Geschäfte zu besorgen hatte. Ich wurde daselbst immer sehr schnell expedirt, fand auf der Stelle den, welchen ich suchte, und das, was ich nöthig hatte, und muß daher den dort angestellten Herren das Zeugniß eines ununterbrochenen Fleißes und einer augenblicklichen Dienstleistung geben, aber heute sah es doch ein Bischen licht aus. Im ersten Zimmer waren alle Tische leer, und nur ein einziger Mann saß an einem Fenster rechts, und 162 bürstete seinen neben ihm hängenden Frack aus; im zweyten Zimmer (eigentlich mehr ein Cabinet) war ebenfalls nur die Fensternische rechts so glücklich, ihren Besitzer zu beherbergen. Der kleine, dünne Mann trug Bücher hin und her, die fast größer waren als er. Sage mir einer mehr, daß das Buchhalten keine schwere Arbeit sey. Im dritten kleinen Zimmer saß ebenfalls nur Einer, der immer so halblaut vor sich hinpfiff; ist das nicht etwa Gewohnheit bey ihm, so gingen ihm vermuthlich noch die Tanz-Melodien der vergangenen Nacht im Kopfe herum. Im vierten Zimmer endlich, wo ich zu thun hatte, standen eilf Tische, wovon acht verwais't waren. Ich trat zu einem alten Herrn, auf den der Fasching keinen Eindruck gehabt zu haben schien, und trug ihm meine Angelegenheit vor. Er bat mich, indem er mir Tabak präsentirte, recht höflich, am folgenden Tage wieder zu kommen, da heute jener Herr, der das, was ich verlangte, auszuarbeiten habe, nicht zugegen sey. Mit einigen Blicken, die ich dabey im Zimmer herumsandte, sah ich einen jungen Herrn bey einem Tische sitzen, dem der Kopf vor Schlaf zu schwer wurde, ein anderer hatte mit seiner Sackuhr zu thun, die er repetiren ließ, und ein Dritter saß und schaute vor sich hin. Ich ließ mich gerne auf den folgenden Tag bescheiden und ließ mir das kleine Faschingsweh Nr. 8 des Wiederkommens gefallen.

163 Jetzt macht' ich meine gewöhnliche Tour in der Stadt herum. Ich ging zuerst in eine Musikalien-Handlung, wo der Herr derselben eben Geld in kleine Packete zusammen machte. Auf meine Frage, wozu das gehöre, antwortete er mir mit einem Seufzer: »Das sind Faschingswehen. Ich bereite da den Herrn Tanzmusik-Componisten ihre Honorare für gelieferte Walzer, Ecossaises, Tempetes u. s. w. Heute kommen sie gewiß Alle um ihr Geld. Einige musikalische Herren, welche im Gewölbe beysammen standen, sprachen von der Menge von Concerten, womit man jetzt in der Fastenzeit wieder überschüttet werden wird. Der Eine erzählte, daß ihm gestern im Apollosaale sein Hut ausgetauscht worden sey; der Zweyte, daß er einem Balle beygewohnt habe, wobey seine Ohren gemartert worden seyen, da der Primgeiger aus G. gespielt, die übrigen aber aus Gis accompagnirt hätten; der Dritte hatte sein Violoncell zu einem Balle ausleihen müssen, und war ihm dasselbe ganz geschunden und bekleckst zurück gebracht, und so hatte denn jeder andere kleine, musikalische Faschingswehen mitzutheilen, welche ich nicht weiter numeriren will.

Von da ging ich in eine Buchhandlung:, ich hatte mir ein Buch bestellt, welches ich heute zu erhalten hoffte; allein der Commis, dem ich die Bestellung auftrug, war 164 nicht zugegen, er war in der Nacht beym Tanze ausgeglitscht, gefallen, und hatte sich den Fuß verrenkt.

Meinen Schneider, zu dem ich mich nachher begab, um zu sehen, ob denn mein neuer, schon vor vier Wochen bestellter Capot noch nicht fertig sey, fand ich in der größten Verzweiflung, da ihm die letzten drey Faschingstage keiner seiner Gesellen arbeiten wollte, und auch heute rasteten die Bursche noch von ihrem Nichtsthun aus. »Ach Gott!« sagte er, »wenn nur keine Mehlgrube auf der Welt wäre!« »Nun,« antwortete ich, »so wäre ein andere Grube, wo aufgespielt wird, und ein Schneider ist ja auch ein Mensch.« – »Ja leider,« antwortete er, »und was für Menschen sind das? nicht zu bändigende!«

Für den Mittag war ich zu einem Freunde gebethen. Ich kam hin, und er trat mir mit einem wehmüthigen Gesichte entgegen. »Mein Lieber«, sagte er, »heute kann ich das Vergnügen, Dich bey mir zu bewirthen, nicht genießen. Im Gegentheile, ich selbst will mit dir in ein Gasthaus essen gehen. In meinem Hause melden sich heute alle Faschingswehen, die nur möglich sind, auf einmahl. Meine Frau mußte ich gestern auf die Redoute führen; du weißt, ich bin kein Liebhaber davon, aber du lieber Gott, was will man thun. Sie ging in der Maske, ihre Freundinn, die Frau von Pichelberger mit ihr. Die zwey Frauen fanden so viel Unterhaltung, daß an gar kein 165 Nachhausegehen zu denken war. Meine Alte gar, die ist in der Maske so recht in ihrem Esse, und das Züngelchen ist auch auf dem rechten Flecke, kurz, sie machte dir Eroberungen ohne Ende, und hat Dinge gesagt und Dinge aus ihren Freundinnen heraus gebracht, daß einem die Haut schaudert; darum mußt' ich denn bis sechs Uhr Morgens bleiben. Jetzt ist's zwey Uhr, und sie liegt noch immer im Bette und schnarcht. Während dem ist mir meine Köchinn davon gegangen. Sie ersuchte nähmlich gestern, wir möchten ihr erlauben, diese Nacht über ausbleiben zu dürfen, sie gehe mit ihrem Vetter auf den Apollo-Saal. Man verweigerte es ihr, da doch Jemand das Haus bewachen mußte, da ging sie um acht Uhr Abends fort und hinterließ mir diesen Zettel.« Ich las den Zettel und schrieb ihn mir Buchstabe für Buchstabe ab, er lautete:

»Knetiger Herr!

»Ein Dienstboot ist auch ein Mensch, welche ihr Underhaldung haben will. Ich hab von den Fasching noch gar nichts genosen, ich muß heunt auf den Napoleonsaal geh'n – Leben Sie wohl wir segen uns nicht mehr, sie wissen ich kan kochen, aber ich kan auch tanzen und ich will tanzen wann die Zeit dazu da ist. Meine Sachen wir ich abhohlen lasen, die Monatgaschi scheng ich Ihnen.

Wawara Putz.«    

166 »Die Köchinn ist also fort,« sagte mein Freund. »Mein Bedienter ist zwar zu Hause geblieben, hat sich aber eine Flasche Wein heim getragen und so lang getrunken, bis er einschlief und das Licht brennen ließ, welches meine schönen musselinenen Vorhänge ergriff und sie in Asche verwandelte. Es ist noch ein Glück, daß die Flamme nicht weiter griff.«

Ich bedauerte meinen Freund herzlich, und wir gingen mit einander in das Gasthaus, wo wir uns mit aufgewärmtem Fasan in Kraut und einem Krapfenkoch (also ebenfalls Faschingsüberbleibseln) zufrieden stellen mußten.

Unsere Tasse schwarzen Kaffeh zu einer Pfeife Tabak nahmen wir im Kaffehhause ein. Der Marqueur daselbst war eben auch ganz übernächtig; denn es hatte bis am hellen Morgen Gäste gegeben, und der Bursche konnte sich kaum auf den Füßen halten. Einige Domino-Spielparthien machten mit ihren Täfelchen von Bein (daher dieses Spiel auch Beineln genannt wird) einen gewaltigen Lärm. Der Eine schlug, so oft er ein Bein ansetzte, so stark auf den Tisch, daß man meinte, es müsse in Stücken springen; der Andere lächelte und sagte: »Sie lernen das Spiel in ihrem Leben nicht, da muß man von guten Ältern seyn, ich bitte Sie, spielen Sie nicht, was Sie nicht können u. s. w. und verlor doch fast allemahl 167 selbst. Der Dritte mischte Redensarten in einer fremden Sprache ein, die zum Todtlachen waren. So sagte er zum Beyspiel Signoro questero! – und begehrte Aqua fresco! – und wenn er nicht ansetzen konnte, brummte er: Non posso parlare u. s. w. Doch da ich gesonnen bin, dir, mein lieber Leser, ein Kaffehhaus in einem eigenen Lebensbilde darzustellen, so will ich es hier bey diesem kleinen abgesonderten Fresco-Gemählde, welches bey den Faschingswehen nur als eine Parenthesis anzusehen ist, bewenden lassen und in diesen weiter fortfahren.

Ich besuchte nachher einen Bekannten beym Theater und zwar – hört und bückt euch! – einen Regisseur. – Er saß mit grämlicher Miene bey seinem Pulte, eine lange Pfeife im Munde, aus dem er den Rauch in dicken Wolken von sich blies. »Ach Freund!« rief er, »der Fasching, der verfluchte Fasching, was hinterläßt er für Wehen! Da schreibt mir eben die erste Schauspielerinn einen Brief, daß sie vor acht Tagen die Bühne nicht betreten könne, weil sie Schnupfen und Catarrh habe; den hat sie sich gestern auf der Redoute gehohlt! – Der Komiker war zu so vielen Bürgerstafeln gebethen, bey denen er Spaß machen mußte, daß er sich eine Indigestion und in Folge derselben ein Fieber zuzog. – Der Held schreibt um einen Vorschuß von 200 fl. – Der Intriguant will 168 der Erste in der Fastenzeit seine freye Einnahme haben. Mit der Oper ist's noch viel ärger. Es hätte heute Probe von der neuen Oper seyn sollen, aber das halbe Orchester erschien nicht; diejenigen, die eben keine Virtuosen sind, haben dort und da bey Tanzmusiken gespielt, und liegen zu Hause und schlafen. Lauter Faschingswehen, da möchte der Henker ein Theater leiten!« Bey diesen Worten traten einige seiner Brüderchen ein, und man setzte sich zum Tarocktapp-Tisch.

Es war Abend geworden; wo sollte ich ihn zubringen? Die Schaubühnen sind geschlossen, in Kaffehhäusern sitzt man in einem Qualm von Tabaksdampf, daß man Kopfweh und kurzen Athem bekommt: stellen wir uns ein halbes Stündchen an der Ecke vor dem Stock am Eisen hin, und horchen wir auf die Vorübergehenden, vielleicht können wir noch einige Faschingswehen erschnappen.

Zwey Jünglinge (Studenten) huschten vorüber, aus dem Munde des Einen hört' ich noch die Worte: »Morgen will der Professor prüfen, und ich habe den ganzen Fasching hindurch kein Buch angesehen!«

Ein Fiacker will vorbey rollen, aber sein Sattelpferd fällt zur Erde, das arme Thier hat gewiß schon drey Tag' und Nächte keinen Stall gesehen.

169 Ein junger Mann führt ein Mädchen am Arme, fast laut schreyend: »Schämen sollen Sie sich, wie Sie gestern auf dem Balle geliebäugelt haben.«

Ein alter Herr zottelt hinter seiner Frau und Tochter, nachbrummend: »Zeit ist's, daß wir einmahl früh zu Bette kommen.«

Zwey Mädchen begegnen einander, schütteln den Kopf, und die Eine sagt. »Alles ist heute schachmatt.«

Zwey dicke Frauen wackeln vorüber, mäckernd sagt die Eine: »Ihre Perlen hat sie heute verkaufen müssen, geschieht ihr aber schon recht, warum muß sie überall dabey seyn.«

Zwey Dienstmädchen erscheinen, die Eine spricht: »Ich habe mich gar nicht unterhalten, es war nichts als eine besoffene Mette und meinen schönen taftenen Überrock haben sie mir auch noch begossen.«

Ein Schusterjunge läuft vorbey und singt:

»Der Fasching ist aus
Jetzt gehn wir nach Haus;
Die Taschen sind leer,
Wir haben nichts mehr.«

Ich machte mich denn auch von meinem Stock im Eisen auf, nahm noch ein Nachtessen in einem Gasthause ein, wo es heute ziemlich leer war, und begab mich um 170 eilf Uhr nach Hause. Da mußt' ich denn am Thore noch das letzte Faschingswehe ausstehen, denn mein Hausmeister ließ mich über eine halbe Stunde klingeln, bis er mir das Thor aufschloß. Der Mann war auch in der vergangenen Nacht auf einen Ball bey einem Bierabtrager gewesen und schlief diese Nacht so fest, daß ich fast den Glockendraht abreißen mußte. 171


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