Carl Gustav Carus
Geheimnisvoll am lichten Tag
Carl Gustav Carus

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Von der absichtlichen Erregung ungewöhnlicher Zustände der Nachtseite des Lebens überhaupt und von der mesmerischen Methode insbesondere

Man darf im allgemeinen es aussprechen, daß alles, was, ohne das Leben unmittelbar zu zerstören, die höhere konzentrierende Hirntätigkeit wesentlich herabseht, wodurch das klare Selbstbewußtsein bedingt wird und welche ihren wesentlichen Herd findet in dem, schon in den höhern Tieren, namentlich aber im Menschen, zu so enormer Entwicklung gelangenden Vorhirn oder den Hemisphären des Großen Hirns, zugleich und im Gegensatz allemal das Unbewußte der Seele entschieden vorwaltend erscheinen lassen wird. So kommt es daher schon, daß jeder Druck, jede mächtige Erschütterung der Substanz des Vorhirns dem Menschen das Selbstbewußtsein raubt, ihn betäubt, ja, im höhern Grade, ihn in einen tiefen schweren Schlaf versetzt. Dasselbe bewirken dann auch starke Einatmungen von Naphtha oder Chloroform und Opiumrauch, ebenso der innere Gebrauch vom Opium, Bilsenkraut, Hanfblütenextrakt und dergleichen, und oftmals ist dabei zugleich die Anregung einer bunten sonderbaren Traumwelt im hohen Maße vorhanden. Gibt es nun, wie das Folgende zeigen wird, ebenso eine eigene Art lebendiger Einwirkung des einen auf den andern Menschen, welche in gleichem Maße das Selbstische des Nervenlebens herabzusehen, das Unbewußte hervorzurufen und dadurch den Schlaf zu erregen vermag, so fragt sich vor allen Dingen, wie ist dergleichen zu erklären und auf welchen Gründen kann dann eine solche Einwirkung ruhen? – Daß dieses Geheimnis nur erklärt werden könne, wenn wir von der Natur jenes merkwürdigen Agens ausgehen, welches wir oben mit dem Namen der Innervation bezeichnet haben, versteht sich wohl zunächst von selbst, und mindestens einiges von den Eigenschaften desselben muß daher hier jedenfalls angeführt werden, sowenig es auch möglich sein wird, jetzt tiefer in diesen so weitgreifenden und schwierigen Gegenstand einzugehen. – Mag man aber über die Innervation selbst die eine oder die andere physiologische Ansicht haben, ein Haften derselben an den Urzellen und den Primitivfasern des Nervensystems, sowie die Möglichkeit, sich an diesen Organen in eine Art strömender Bewegung zu setzen, ist allemal unbedingt zuzugeben. Es sei die Linie A B eine Nervenfaser, so kann ein Reiz, der bei A ihr mitgeteilt wird, fast im selben Moment in B, ihrem Hirnende, empfunden werden, und ebenso kann in einer anderen Nervenfaser C D ein Willensreiz, der in ihrem Hirnende C erregt wird, fast in demselben Momente in D, ihrem Muskelende, eine Muskelzuckung veranlassen. Durchschneide oder unterbinde ich sodann diese Fasern bei x oder y, so wird alsbald weder der Hirnreiz noch die Muskelzuckung mehr erfolgen. Ebenso ist es ferner außer allem Zweifel, und zum Teil schon oben angedeutet, daß in den Herden der Innervation (Hirn, Rückenmark, Ganglien) eben dieses Agens, welches vom Leben selbst immer wieder aufgebraucht wird, stets unter Einwirkung der Blutdurchströmung sich neu erzeuge, und wie das Fortsetzen des Lebens und aller Empfindung und Bewegung nur unter dieser Bedingung möglich werde. – Zuletzt sodann kann es ebensowohl als unwiderleglich gelten, daß auch im ganz ruhigen Zustande des Nervensystems eine Art von Kreisströmung dieser Innervation, welche einigermaßen dem Blutkreislaufe verglichen werden kann, stattfinde, und es wird dies teils dadurch bewiesen, daß sämtliche Nerven des Rückenmarks mit doppelten Wurzeln entspringen, deren hintere nur der Einströmung, deren vordere immer nur der Ausströmung bestimmt ist,Den Beweis hierfür liefert das von Marshall Hall zuerst angestellte Experiment der gesonderten Durchschneidung dieser Wurzeln, wobei sich fand, daß Durchschneidung der vorderen Wurzeln die Wirkung des Nerven auf Bewegung lähmte, während Durchschneidung der hintern Wurzel die Wirkung des Nerven für Empfindung aufhob. teils dadurch, daß Matteucci eine solche Nervenströmung durch den ganzen Körper am Galvanometer nachwies und sie somit unmittelbar entdeckte. Es versteht sich hierbei von selbst, daß eben deshalb die aus- und einströmenden Nervenfasern (AB und CD) nie völlig voneinander isoliert gedacht werden können, sondern daß ihre Enden stets irgendwie eine Überströmung (o und p) zulassen müssen, eine Überströmung, welche entweder nur durch die dazwischenliegende, leitungsfähige Körpersubstanz bedingt sein wird, oder mittels eigener wirklicher Verbindungsschlingen (deren Vorhandensein an vielen Stellen durchaus nicht geleugnet werden kann) stattfindet; wie denn nur hier die Ursache und die Erklärung davon gesucht werden kann, daß die eigentliche und einzige Urform, mit welcher das Nervensystem in der Tierreihe anfängt, angemessen einer solchen Kreisströmung, allemal als ein geschlossener Kreis wirklich sich darstellt. Hat man nun bloß diese hier erwähnten Tatsachen sich hinreichend eingeprägt, so wird sicher schon von da aus vollständig zu beweisen sein, daß diese Innervation und ihre Strömungen, als in welchen sonach die wesentliche und höchste Lebenstätigkeit des Organismus gegeben ist, auch durch mannigfaltige Einwirkungen von außen in sehr verschiedener Weise modifiziert werden können, und daß dergleichen Modifikationen dann jedenfalls und allemal von wichtigstem Einfluß für die gesamten Lebensvorgänge sein werden. Mittelbar, vom Blutleben aus, werden dann auch diese Modifikationen täglich durch Speisen und Getränke, durch Bewegung, Wärme usw. angeregt und beobachtet; wie Medikamente darauf wirken, ist schon gesagt; aber begreiflich ist es auch, daß am unmittelbarsten auf Nervenleben doch stets nur ein anderes Nervenleben zu wirken imstande sein wird. – Wirkung von Eisen auf Eisen in der Mitteilung des Magnetismus gewährt auf jeden Fall dazu das beste Vorbild. Man nehme zwei Stäbe magnetischen Eisens, der eine sei nur sehr schwach, der andere stark magnetisch, lege nun den ersteren in die Richtung des magnetischen Meridians und streiche ihn eine Zeitlang mit dem letzteren, und sichtlich wird die magnetische Kraft des ersteren sich erhöhen, und zwar ohne daß die des anderen abnimmt. – In ähnlicher Weise ungefähr wird nun auch der eine lebendige Körper auf den andern wirken, ein kräftigeres, innervationsreicheres Nervenleben wird notwendig die Strömung des schwächeren erregen, sie gleichsam nach sich ziehen, und gewiß darf es nun ausgesprochen werden: »hier oder nirgends liegt der eigentliche Schlüssel zu allen sogenannten Wundern des Mesmerismus«, d. h. des kunstgemäßen Streichens des einen Menschen durch den andern; eine Operation, welche man ebenfalls, und zwar recht gut mit dem Namen des animalischen oder Lebensmagnetismus belegt hat. Daß es übrigens gerade die Hände sein müssen, deren kunstgemäßes Hinwegbewegen über eine zu magnetisierende Person die stärkere Einwirkung hervorruft, hat auch einen sehr bestimmten physiologischen Grund, welcher gegeben ist in der Anwesenheit von mehreren Hunderten äußerst zarter Nervengebilde in denselben, und namentlich an der Hohlhand sowie an den inneren Seiten der Finger, welche sämtlich durch ihren Bau sehr geeignet sind,Es sind die sogenannten Bacinischen Körperchen, deren jedes das Ende einer Primitivnervenfaser in vielfache zarte, nur mikroskopisch erkennbare Hüllen eingeschlossen enthält. als Kondensatoren der Innervation zu dienen; denn es begreift sich wohl, daß gerade um so reicher an Innervation ein Körperteil ist, er auch um so kräftiger auf ein anderes Nervensystem wirken werde. – Eins der Hauptmomente jedoch, welches nun zu alledem Genannten noch hinzutreten muß, wenn dieser Magnetismus eine Wahrheit werden soll, ist eine gewisse Homogenität in den Naturen, welche aufeinander wirken sollen. Man hat mitunter den Mesmerismus auch als » Neurogamie« (Nervenvermählung) bezeichnet, und der Ausdruck ist gar nicht so unrecht, indem er namentlich geeignet ist, die gewisse Übereinstimmung anzudeuten, in welcher zwei Nervensysteme sich befinden müssen, wenn die mesmerische Wirkung des einen auf das andere sich entwickeln soll. – Bedenkt man nämlich die unendlich möglichen und wirklichen Verschiedenheiten, welche unter Millionen Menschen bestehen, so muß es auch, ohne der platonischen Mythe von den nur zwei als Hälften eines ehemaligen Ganzen füreinander bestimmten Seelen zu erwähnen, deutlich werden, daß ein indifferentes und oftmals abstoßendes Verhältnis unter den verschiedensten Individuen ohne Zweifel bei weitem häufiger vorkommen müsse als ein einigermaßen homogenes oder wohl gar ein wechselseitig anziehendes. Gerade indes bei so feinen Einwirkungen wie den magnetischen kann es nun nicht anders sein, als daß sie in Wahrheit nur da sich entwickeln, wo eine wirkliche Homogenität vorhanden ist, und im Gegensatz beobachtet man weit eher hochsensitive Personen (z. B. solche Naturen, wie die der obgedachten Kranken, welche die häufigen somnambulen Zustände am Tage hatten), denen schon das bloße Nebeneinandersein mit fremden Personen höchst unangenehm und krankmachend ist, und welche nur deshalb den Besuch von Konzerten und Theatern ganz aufgeben müssen. – Was ich übrigens oben von der zum Mesmerismus nötigen Homogenität sagte, ist keineswegs so zu verstehen, als ob ein vollkommenes Gleichsein der Naturen hier stattfinden sollte; im Gegenteil ist ein gewisses Kontrastieren, ein gewisser Gegensatz dafür unbedingt notwendig, wenn eine kräftige Einwirkung erfolgen soll. Selten wird daher ein Mann auf den andern eine sehr bedeutende mesmerische Wirkung ausüben, es müßte denn die eine Persönlichkeit sehr kräftig und die andere sehr zart, die eine krank, die andere sehr gesund sein, ebenso sind Frauen auf Frauen zu wirken weniger geeignet. Was die Einwirkung von Erwachsenen auf Kinder betrifft, so ist sie schon mächtiger, wenn nicht wieder die Verschiedenheit etwa zu groß wird, allwo sie denn auch sich vermindert. Am entschiedensten aber im allgemeinen wird immer die Einwirkung von Männern auf Frauen bleiben, doch treten auch hier sehr viel besondere Möglichkeiten hervor, die bald erschwerend, bald erleichternd einwirken, auch die Einwirkung von Frauen auf Männer gar nicht ausschließen.

Was die Modalität der Behandlung selbst betrifft, so ist sie namentlich von Ennemoser»Anleitung zur mesmerischen Praxis« (Stuttgart 1852). sehr zweckmäßig aufgeführt, und da wir hier in dieser Beziehung nicht zu sehr ins einzelne zu gehen gedenken, so muß ich Lesern, welche sich darüber sehr genau unterrichten wollen, die Lektüre seines Buches vorzüglich empfehlen; hier will ich also bloß erwähnen, daß dieselbe sich allerdings auch je nach den Umständen mannigfaltig abändert, im allgemeinen aber am besten in folgendem Maße vollführt wird: – Entweder in den mittlern Vormittagsstunden oder gegen Abend in einem ruhigen, nur mäßig warmen und mäßig erleuchteten, mit reiner Luft erfüllten Zimmer legt sich die zu magnetisierende Person leicht bekleidet und bedeckt auf ein einfaches Lager, vor welchem der Magnetiseur sich stellt und die Operation beginnt, indem er beide ausgebreitete, mit den Daumenspitzen sich berührende Hände zuerst gegen den Oberteil des Kopfes der zu Magnetisierenden führt, so daß nur die Fingerspitzen das Haupt leicht berühren. Ebenso führt er dann jederseits des Halses die nun sich trennenden Hände herab und über die Arme hernieder, bis über die Hände des Kranken hinweg, deren Finger wohl auch noch leise umfaßt werden, worauf der Magnetiseur seine Hände ganz ablöst und in einem abgewendeten Bogen allmählich sie abermals zu einer zweiten Tour zum Haupte des Kranken führt. Von hier geht er jetzt wieder über den Hals herab, aber diesmal an den Seiten der Brust herunter, um in der Herzgrube wieder beide Hände mit den Daumen zu vereinigen und so einige Zeit zu verweilen, worauf abermals an den Seiten des Körpers herunter, dann an den Hüften weiter herab und so bis zum Fuß und den Fußspitzen gegangen wird, welche letzteren dann abermals leise erfaßt werden können, worauf die Tour wieder durch den abgewendeten Bogen der Hände beendigt wird, um, dafern es nötig, nun noch ein oder mehrere Male wiederholt zu werden. – Sind örtliche Zufälle vorhanden, so können diese das längere Auflegen, selbst gelinde Drücken der Hände fordern, selbst ein Anhauchen des kranken Teils kann zuweilen nützlich sein, aber dies alles muß nach Umständen bestimmt werden und verlangt somit die besondere Anordnung des nach genauer Diagnose der Krankheit verfahrenden Arztes. – Im allgemeinen läßt man eine solche einmalige Behandlung nur 5-10 Minuten, höchstens eine Viertelstunde fortsetzen und wiederholt sie dann entweder täglich oder bei chronischen Leiden nur ein- bis zweimal die Woche.

Die Empfindungen, welche Magnetisierte haben, sind nicht immer dieselben. Das Häufigste und Allgemeinste, was gefühlt zu werden pflegt, ist eine Art von Strömung oder Rieseln durch den ganzen Körper, ähnlich dem, was Kranke, welche heftigen Krämpfen und besonders epileptischen Anfällen unterworfen sind, gewöhnlich als eine von unten aufsteigende Strömung, gleich einem Luftzuge (die sog. aura epileptica) beschreiben. Diese Empfindung beruht jedenfalls auf einer Umstimmung der Innervationsströmung selbst und wird also notwendig auch zum ersten Zeichen, daß wirklich eine Einwirkung stattfinde. Steigert sich dann diese Wirkung, so pflegt ein Gefühl von Müdigkeit im Magnetisierten sich zu zeigen, und es ist dies notwendig ein Beweis, daß nun die Innervationsspannung im Hirn sich ändert, daß die großen Hemisphären allmählich ihre mächtige Stellung vorübergehend herabstimmen, das Selbstbewußtsein sich schwächt und das Unbewußte überwiegend wird. Endlich erfolgt wirklicher Schlaf, welcher dann sehr verschiedene Zeiten, manchmal stundenlang dauert, und nicht selten mit vermehrter Hauttätigkeit oder wirklichem Schweiß endigt. – Ist die Einwirkung vollständig und günstig gewesen, so erwacht die oder der Kranke mit Wohlgefühl, Beruhigung seiner Leiden und Stärkung, ist die Wirkung ungünstig oder unterbrochen gewesen, so ist auch das Befinden dann weniger gut. – Übrigens müssen oft mehrere, ja viele Sitzungen vergehen, ehe Schlaf eintritt – zuweilen erfolgt er aber auch unmittelbar und wieder andere Male wohl gar nicht, und dessenungeachtet ist vielleicht die Einwirkung günstig; kurz, hier kommen höchst verschiedenartige Abänderungen vor. Begreift man aber, daß überhaupt auf solche Weise künstlich derselbe Schlaf herbeigeführt werden kann, von dessen natürlicher und allgemeiner Entstehung wir früher gehandelt haben, so ist nun auch klar, daß die verschiedenen Formen, welche wir an dem von selbst erfolgenden Schlafe kennenlernten, nun ebenso auch dem künstlichen nicht fremd sein können und in demselben zuweilen gleichermaßen beobachtet werden müssen. So tritt denn auch in dem magnetisch Schlafenden, ja, in ihm jedenfalls leichter, weil an sich schon der Zustand ein außergewöhnlicher ist, das sonst Seltenere hervor, es entsteht bei dem so Eingetauchtsein in den Wesenkreis des Allgemeinen der Natur das Schlafwachen, der geregelte Traum mit Clairvoyance gemischt, das Schlafwandeln,Man hat wohl auch die Benennung des » Hochschlafs« für diese Zustände angewendet, ein Name, den ich lieber vermeide, da er leicht zu Mißverständnissen führt. ja der Instinkt dafür, was dem Organismus zur Zeit besonders heilsam sein könnte, tritt mit einem Male schärfer hervor, und überhaupt öffnet sich ein bestimmterer Rapport mit gewissen Seiten der Außenwelt, auch kommt das Fernsehen, es kommt als eine Art des Somnambulismus das Sprechen – aber gewöhnlich mit anderer Betonung und Sprechweise – vor usw., und zugleich hält die Seele auch hier streng das Gesetz, daß alles, was so während der Herrschaft des Unbewußten in ihr vorgegangen war, beim Erwachen durchaus vergessen erscheint.

Indem hiermit die Zustände eines besonders hervorgehobenen Unbewußten der Seele, welche durch künstliche Mittel, und namentlich infolge des Mesmerismus sich zuweilen entwickeln, als höchst merkwürdig und eigentümlich anerkannt sind, muß indes nun auch hinzugefügt werden, daß man unmöglich größere Reihen von Beobachtungen über Fälle dieser Art durchgehen kann, ohne sich zu überzeugen, daß gerade in diesen Regionen des geistigen Zwielichts doch zugleich breiteste Gelegenheit gegeben sei zu gar mancherlei Irrtümern, Übertreibungen, ja absichtlichen oder unabsichtlichen Täuschungen, so daß hier stets mit größter Umsicht bei der Beurteilung solcher Fälle verfahren werden muß, wenn man sich vollkommen sicherstellen will, ein reines Faktum zu erhalten. Die Veranlassung zu dergleichen Täuschungen gibt aber nie das Unbewußte an sich, sondern immer das noch irgendwie fortwirkende, aber durch mancherlei Gründe, als: Eitelkeit, Sucht Aufsehen zu erregen, verborgene Leidenschaftlichkeit, mitgebrachte Vorurteile und Beschränktheit überhaupt, zuweilen wohl selbst durch Gewinnsucht bestimmte, an sich geringe und getrübte oder sogar durch den Magnetiseur selbst auf Abwege geleitete Selbstbewußtsein. Wenn die Geschichte der Medizin Fälle aufzählt, wo Kranke, nur um Aufsehen zu erregen, sich jahrelang große Nadeln unter die Haut einstachen,Ein Fall, der sich neuerlich wiederholt hat, und von dem wahrscheinlich in der Literatur dieser Fälle wenig bewanderten Ärzte abermals als Folge »einer verschluckten Menge Nähnadeln« angesehen worden ist. oder Steine in die Harnwege einbrachten, um sich an dem Erstaunen der Ärzte zu weiden, wenn diese bei ihren Operationen dann dergleichen fremde Körper zutage brachten, so mag man denken, wie oft die Bewunderung einmaliger unwillkürlicher Aussagen halbmagnetisch Schlafende zu neuen Aussagen brachten, welche nun nicht mehr rein und ursprünglich waren. – Eine fünfundvierzigjährige ärztliche Praxis, während welcher ich selbst nur in einzelnen gewählten Fällen den Mesmerismus, dann aber auch zugleich mit großem Erfolg angewendet habe, und welche mich manche fremde, aufsehenerregende Fälle mit hat beobachten lassen, hat mir gezeigt, welche Vorsicht angewendet werden muß, um auf diesem Felde Wahrheit zu erreichen, und welche Täuschungen hier oftmals mit unterzulaufen pflegen. – Von höchster Wichtigkeit ist es daher, daß im allgemeinen bei all dergleichen Fällen eines beim Magnetisieren hervortretenden höhern mesmerischen Zustandes nicht nur sorgfältig verhütet wird, den Kranken nach dem Erwachen irgend etwas von ihren Aussagen und Traumvorgängen mitzuteilen, sondern daß man durchaus vermeiden müsse, mit dergleichen Personen zu experimentieren, sie auf irgendeine Weise zur Schau zu stellen, kurz, irgendwie diesen geheimnisvollen Zustand zu stören, in Unordnung zu bringen und für äußere Zwecke zu benutzen. – Legt man diesen strengen Maßstab an, so wird die Zahl vieler magnetischer Wundergeschichten stets nur bis auf wenige in jeder Hinsicht untadelige und wahrhafte zusammenschmelzen, und ich kann wohl sagen, daß auch von denen, die in den Bereich meiner Erfahrung gekommen sind, nur wenige die Prüfung ausgehalten haben, zumal da in allen denen, die ich selbst behandelte oder behandeln ließ, ich stets gestrebt habe (und gewiß zum Vorteile dieser Kranken), die Wirkungen des Magnetismus nur auf der Stufe des einfachen Schlafs zu erhalten, jene höhern Stufen von Traumwachen und Clairvoyance aber möglichst zu vermeiden. – Von denen, die diese Prüfung aushielten, war einer der merkwürdigsten der Fall einer ganz einfachen Bauerndirne auf dem Rittergute Sahlis meines verehrten Freundes Dr. Crusius zu Leipzig; ein Fall, dessen Begutachtung mir sowie dem verstorbenen Professor Heinroth zu Leipzig und Oberhofprediger von Ammon zu Dresden vorgelegen hat, und bei welchem sich unter ebenfalls sehr einfacher magnetischer Behandlung eines Landchirurgen und unter Tagebuchführung des Ortsgeistlichen, alles von Vorhersagung der Krankheitskrisen, instinktiven Selbstverordnungen und einzelnen Vorgängen vollkommenen Sehens in die Ferne begab, wie es schon in so manchen der frühesten Fälle von Mesmer und Puységur angeführt worden ist, und wo nach Ablauf der Krankheit die Person ruhig als Bauernmagd weiterdiente, als ob eben gar nichts vorgegangen sei. – Und somit möge man auch diesen Gegenstand, inwieweit nämlich der Magnetismus reiche, um jene ungewöhnlichen Schlafzustände hervorzurufen, einstweilen für abgeschlossen betrachten. Es bleibt uns nun noch als besonders wichtige Frage zu entscheiden:


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