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Einleitung

Im 16. Jahrhundert v. Chr. gelang es oberägyptischen Fürsten die Hyksos zu vertreiben, ein asiatisches Volk, das Ägypten länger als ein Jahrhundert in Besitz hatte. Als Könige einer neuen, der 17. Dynastie gaben sie Ägypten seine Unabhängigkeit zurück. Mit der Vertreibung der Hyksos und der Wiederherstellung des Staates begann die dritte Blütezeit des Pharaonenreiches, das »Neue Reich«, und an Stelle von Memphis wurde jetzt Theben die Hauptstadt. Mit König Thutmosis I. kam die 18. Dynastie auf den Thron. Am Ende dieser Dynastie, die das Niltal von 1580 bis 1350 v. Chr. beherrschte, stehen die Königsgestalten des religiösen Reformators Echnaton (Amenophis IV.) und des Tut-ench-Amun.

Im Jahre 1375 v. Chr. kam Amenophis IV., der mit Nofretete vermählt war, zur Herrschaft. Gleich nach seinem Regierungsantritt begann er die ägyptische Religion zu reformieren, und statt des Nationalgottes des Neuen Reiches, Amun, wurde Aton zum Hauptgott erklärt. König Amenophis nannte sich nunmehr Echnaton, verließ die alte Hauptstadt Theben und gründete in dem jetzigen El-Amarna-Gebiet eine neue Residenz, in die mit der neuen Religion auch eine neue Kunst ihren Einzug hielt. Echnatons älteste Tochter war mit Sakerç vermählt, und seine dritte Tochter, Anches-en-paton, hatte einen anderen seiner Günstlinge, Tut-ench-Aton, zum Gemahl. Nach dem Tode Echnatons übernahm Sakerç die Regierung, aber im Verlaufe der nun einsetzenden Gegenreformation wurde er gestürzt, und Tut-ench-Aton bestieg den Thron.

Tut-ench-Aton blieb zunächst in El-Amarna und suchte die Aton-Lehre aufrechtzuerhalten. Als jedoch die Gegenreformation immer größeren Umfang annahm, bekannte er sich mit seiner Gemahlin zur Religion des Amun. Das Königspaar änderte seine Namen in Tut-ench-Amun und Anches-en-Amun und verlegte das Hoflager von El-Amarna nach Theben zurück.

Von Tut-ench-Amun wissen wir nur wenig, viel weniger als von manch anderem Pharao, dessen Name weniger berühmt geworden ist, denn die Zahl historischer Denkmäler und Urkunden, die über ihn berichten, ist verschwindend klein. Aus seinem Grab ist wenig Neues hinzugekommen. Was er war und was er tat, bleibt uns unbekannt. Wann seine Verheiratung stattgefunden hat, ist nicht sicher. Anches-en-Amun war höchstens zehn Jahre alt, Tut-ench-Amun wahrscheinlich kaum dem Knabenalter entwachsen. Schon mit 17 oder 18 Jahren wurde Anches-en-Amun Witwe. Viel länger als sechs Jahre kann die Regierung von Tut-ench-Amun nicht gedauert haben. Nach seinem Tode folgte ihm Eje auf den Thron. Die Feier bei der Bestattung Tut-ench-Amuns hat König Eje geleitet. Zwischen Tut-ench-Amuns Tod und seiner Beisetzung mögen etwa zwei Monate vergangen gewesen sein.

Für die alten Ägypter war es von größter Wichtigkeit, daß ihre Leiche unentweiht an dem für sie bestimmten Platz ruhen blieb. Die früheren Könige hatten dies zu erreichen geglaubt, indem sie wahre Berge von Steinen in Gestalt von Pyramiden über ihrem Grab errichteten. Jedoch genau das Gegenteil des Beabsichtigten war die Folge. Gerade die Pracht des Grabdenkmals brachte Verderben: Die Mumien wurden in ihrer Ruhe gestört, die Schätze gestohlen. Bei Beginn der 18. Dynastie gab es in ganz Ägypten kaum ein Königsgrab, das nicht beraubt worden war – für einen Herrscher, der seine letzte Ruhestätte aussuchen sollte, ein grausiger Gedanke. Es schien nur eine Lösung möglich: Geheimhaltung.

Amenhotep I. tat den ersten Schritt in dieser Richtung. Er errichtete sein Grab in einiger Entfernung von seinem Totentempel, unter einem Felsen verborgen, auf einem der Hügel von Dra-abu'l-naga, nicht weit von Theben. Sein Nachfolger Thutmosis I. ging bedeutend weiter. Durch seinen obersten Baumeister ließ er in aller Heimlichkeit, ganz versteckt in einer Ecke am äußersten Ende eines einsamen Tales, halb verborgen unter einem vorspringenden Felsen, ein Felsengrab aushauen. Es ist das erste Grab, das je in dem später so berühmt gewordenen »Tal der Könige« gebaut worden ist. Als das Grab 1899 entdeckt wurde, war allerdings wenig mehr als der leere Steinsarg darin enthalten. Die Nachfolger von Thutmosis I. sowie die Könige der 19. und 20. Dynastie wurden alle im »Tal der Könige« bestattet. (Abb. 1 u. 2.) In diesem Talende, jedem Laut des Lebens fern, wo das »Horn«, die höchste Spitze der thebanischen Hügel, gleich einer natürlichen Pyramide Wache hält, ruhten dreißig Könige, unter ihnen die größten, die Ägypten jemals kannte.

siehe Bildunterschrift

1. Weg nach den Königsgräbern.

siehe Bildunterschrift

2. Das Tal der Könige. Im Hintergrund »Das Horn«.

Das Verfahren, die Gräber durch Geheimhaltung ihrer Lage zu schützen, wurde jedoch nicht lange beibehalten. Man glaubte, einen sichereren Schutz zu haben, wenn man alle Königsgräber innerhalb eines sehr beschränkten Umkreises anlegte und für Bewachung des königlichen Friedhofes sorgte. Doch hierin täuschte man sich gewaltig. Wir wissen, daß einige Gräber schon wenige Jahre nach der Bestattung geplündert wurden. Unter den machtvollen Königen der 18. und 19. Dynastie scheint das Tal leidlich sicher gewesen zu sein. Zur Zeit der 20. Dynastie wurde das anders: Ein wahres Schwelgen in Grabräuberei muß eingesetzt haben. Die Zustände im Tal verschlechterten sich zusehends, und schließlich wurden unter der folgenden Dynastie alle Bewachungsversuche aufgegeben. In dem verzweifelten Bestreben, die Königsmumien zu schützen, wurden diese von Grab zu Grab geschleppt. Ramses III. zum Beispiel wurde unter dieser Dynastie wenigstens dreimal wiederbestattet. Nicht weniger als dreizehn Königsmumien fanden zu verschiedenen Zeiten den Weg nach dem Grab Amenhoteps II., und erst hier durften sie ruhen bleiben. Die anderen Könige wurden bei Gelegenheit aus ihren verschiedenen Verstecken zusammengeholt, aus dem Tal der Könige überhaupt fortgebracht und in ein wohlverborgenes Grab gelegt, das in den Felsen von Der-el-bahri, südlich vom »Tal der Könige«, gehauen war. Da die Kenntnis der genauen Lage des Grabes verlorenging, ruhten hier die Mumien fast 3000 Jahre in Frieden.

Theben und das Tal der Könige

Mit dem Verschwinden der Mumien endet die uns aus altägyptischen Quellen überlieferte Geschichte des Tals. Seitdem Thutmosis I. dort sein bescheidenes kleines Grab anlegte, waren fünfhundert Jahre vergangen, und gewiß gibt es in der ganzen Weltgeschichte keinen gleich kleinen Fleck Erde, der eine gleich märchenhafte Geschichte von fünfhundert Jahren besitzt. In den folgenden Jahrhunderten müssen wir uns das Tal verlassen denken, seine höhlenartigen Galerien ausgeraubt und leer, der Eingang zu manchen Gräbern offen, ein Heim für Füchse, Wüsteneulen und Scharen von Fledermäusen. Aber es blieb das heilige Tal der Könige, und große Scharen von Schwärmern und Neugierigen müssen es noch besucht haben. Im 2. bis 7. Jahrhundert n. Chr. benutzten sogar christliche Einsiedler die offenen Gräber als Zellen und wandelten ein Grab in eine Kirche um. Es ist dies der letzte Blick auf das Tal in alten Zeiten, ehe der Nebel des Mittelalters sich niedersenkt.

Anfang des 19. Jahrhunderts wurden das erstemal Ausgrabungen größeren Maßstabes im Tale vorgenommen. 1844 führte die von Lepsius geleitete Expedition eine vollständige Vermessung des Tales durch. Danach trat eine Pause ein. Man war der Ansicht, daß die Expedition alle Möglichkeiten erschöpft habe, und so wurde bis zum Ende des 19. Jahrhunderts nichts weiter von Bedeutung im Tal unternommen.

Aber außerhalb des Tales trat eins der wichtigsten Ereignisse in seiner ganzen Geschichte ein. Im Sommer 1875 wurde von einer Familie, die seit Generationen Grabräuberei betrieb, das Königsmumienversteck im Felsen von Der-el-bahri entdeckt. Da die Beute zu groß war, um auf einmal fortgeschafft zu werden, schwur sich die ganze Familie gegenseitig Verschwiegenheit. Das Geheimnis wurde sechs Jahre lang bewahrt, und im Besitz eines Bankguthabens von vierzig oder mehr toten Pharaonen wurde die Familie reich. Durch die Gegenstände, die auf dem Markt erschienen, kam man bald zu der Überzeugung, daß irgendwo ein großer Fund gemacht worden sei. Aber erst 1881 gelang es, den Grabräubern auf die Spur zu kommen. Ein Mitglied der Familie legte ein volles Geständnis ab, und am 5. Juli 1881 enthüllte sich dem telegraphisch aus Kairo herbeigerufenen Museumsbeamten das Geheimnis. Es muß ein wunderbares Erlebnis gewesen sein. Zusammengedrängt in einem flachen, schlechtgehauenen Grab lagen die mächtigsten Herrscher des alten Orients, Könige, deren Namen der ganzen Welt vertraut waren. Dort, wohin die Priester sie vor 3000 Jahren in jener dunklen Nacht heimlich und in Eile geschafft hatten, waren sie verblieben, und auf ihren Särgen und Mumien waren in sauberen Aufschriften die Berichte über ihre Fahrten von einem Versteck zum anderen angebracht. In 48 Stunden war das Grab ausgeräumt.

1898 wurde das Grab Amenhoteps II. entdeckt, in dem unter der 21. Dynastie dreizehn Königsmumien Schutz gefunden hatten. Die Mumie Amenhoteps selbst ruhte in ihrem ursprünglichen Sarg, wo sie seit über 3000 Jahren gelegen hatte.

1902 erhielt der Amerikaner Theodor Davis die Erlaubnis für Ausgrabungen im Tale. In zwölf Wintern fand er mehrere Königsgräber. 1914 ging diese Erlaubnis auf Lord Carnarvon über, der Howard Carter die Leitung der Ausgrabungen übertrug. Im Jahre 1917 konnte endlich die Grabungsarbeit in Angriff genommen werden – und damit beginnt in Wirklichkeit die Geschichte vom Grab des Tut-ench-Amun.


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