Karel Capek
Das Jahr des Gärtners
Karel Capek

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Vom Leben des Gärtners

Man sagt: Die Zeit bringt Rosen; das ist zwar richtig – immerhin muß man auf die Rosen bis Juni oder Juli warten; und was das Heranwachsen betrifft, genügen drei Jahre, damit die Rose eine ganz anständige Krone bilde. Aber viel eher sollte man sagen: die Zeit bringt Eichen, oder die Zeit bringt Birken. Ich pflanzte einige Birken an und sagte zu mir: hier wird einmal ein Birkenhain sein, und dort in der Ecke wird eine mächtige hundertjährige Eiche stehen. Ich pflanzte auch ein Eichenbäumchen an, doch sind bereits zwei Jahre vergangen, und noch immer ist keine mächtige, hundertjährige Eiche daraus geworden, und auch die Birken sind noch kein hundertjähriger Hain, in dem die Nymphen tanzen. Natürlich warte ich noch einige Jahre; wir Gärtner bringen eine unendliche Geduld auf. Ich habe im Grase eine Libanonzeder stehen, fast so groß wie ich selbst; laut den Fachquellen erreicht die Zeder eine Höhe von mehr als 100 Meter und eine Stärke von 16 Meter. Nun, ich möchte schon darauf warten, bis sie die vorgeschriebene Höhe und Stärke erreicht; es würde sich eigentlich gehören, daß ich das bei voller Gesundheit erlebte und sozusagen die Früchte meiner Arbeit erntete. Inzwischen ist die Zeder um gute 26 Zentimeter gewachsen; nun gut, ich warte noch.

Nehmen wir zum Beispiel das Gras. Zwar sprießt es, wenn man es gut aussät und es die Spatzen nicht wegpicken, in vierzehn Tagen hervor, und nach sechs Wochen kann man es schon wieder stutzen; aber ein englischer Rasen ist das noch lange nicht. Ich kenne ein ausgezeichnetes Rezept für den englischen Rasen, das – ähnlich wie das Rezept für die Worcestersoße – »von einem englischen Landlord« stammt. Diesem Lord sagte einmal ein amerikanischer Milliardär: »Ich bezahle Ihnen, Herr, was Sie wollen, wenn Sie mir verraten, auf welche Weise man einen so vollkommenen, grünen, dichtnarbigen, makellosen, samtweichen, gleichmäßigen, frischen, unverwüstlichen, kurz so einen englischen Rasen erzielt, wie der Ihre ist.« – »Das ist ganz einfach«, erwiderte der englische Landlord. »Man muß die Erde gut und tief vorbereiten. Es muß ein nahrhafter und durchlässiger Boden sein, weder sauer noch fett, weder schwer noch unfruchtbar; dann ebnet man ihn, damit er wie ein Tisch ist, sät den Grassamen aus und walzt den Boden sorgfältig nieder. Dann bespritzt man ihn täglich, und wenn das Gras herauskommt, stutzt man es Woche für Woche, kehrt das abgestutzte Gras mit Besen ab und walzt den Rasen nieder; er muß täglich begossen, befeuchtet, bespritzt oder besprengt werden. Wenn Sie das dreihundert Jahre lang tun, haben Sie einen ebenso guten Rasen wie ich.«

Dazu kommt, daß jeder von uns Gärtnern alle Rosenarten praktisch ausprobieren wollte und auch wirklich sollte, und zwar in Hinsicht auf Knospen und Blüten, Stengel und Blätter, Kronen und andere Eigenschaften; item alle Arten Tulpen und Lilien, Schwertlilien, Rittersporn, Nelken, Glockenblumen, Scheingeißbart, Veilchen, Flammenblumen, Chrysanthemen, Georginen, Schwertel, Pfingstrosen, Astern, Primeln, Anemonen, Adlerkraut, Steinbrech, Enzian, Sonnenblumen, Mohnblumen, Goldrute, Trollblume und Ehrenpreis, von denen jede wenigstens ein Dutzend der besten und unentbehrlichsten Abarten, Varietäten und Bastarde hat. Dazu muß man noch einige hundert Familien und Arten zählen, die nur drei bis ein Dutzend Varietäten haben; ferner muß man den Gebirgs-, Wasser-, Heide-, zwiebelartigen, farnkrautartigen und schattenliebenden, den holzigen und immergrünen Pflanzen eine besondere Aufmerksamkeit schenken. Zähle ich all das zusammen, errechne ich, bei sehr vorsichtiger Schätzung und sozusagen unter Brüdern, elfhundert Jahre. Elfhundert Jahre braucht der Gärtner, um alles, was ihm zukommt, auszuprobieren, zu bewältigen und praktisch zu verwerten. Billiger kann ich es nicht geben, höchstens daß ich noch fünf Prozent nachlasse, weil ihr es seid und vielleicht nicht alles züchten müßt, obwohl es sich verlohnte; dennoch werdet ihr euch beeilen müssen und keinen Tag verlieren dürfen, wollt ihr in dieser Zeit alles schaffen, was nötig ist. Der Mensch soll vollenden, was er begonnen hat; das seid ihr eurem Garten schuldig. Ein Rezept gebe ich euch nicht dafür; ihr müßt es selber probieren und aushalten.

Wir Gärtner leben in die Zukunft hinein; wenn unsere Rosen blühen, denken wir daran, daß sie im nächsten Jahr noch schöner blühen werden. Und in zehn Jahren wird aus diesem Fichtenbäumchen ein Baum – wenn nur diese zehn Jahre schon hinter mir wären! Ich möchte schon sehen, wie die Birken in fünfzig Jahren sein werden. Das Echte, das Beste ist vor uns. Jedes weitere Jahr gibt an Wuchs und Schönheit zu. Gott sei Dank, daß wir wieder um ein Jahr weiter sein werden.


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