Karel Capek
Das Jahr des Gärtners
Karel Capek

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Der Gärtner im Februar

Der Gärtner setzt im Februar die Januararbeiten fort, indem er hauptsächlich das Wetter pflegt. Ihr müßt nämlich wissen, daß der Februar eine gefährliche Zeit ist, die den Gärtner mit trockenen Frösten, Sonne, Feuchtigkeit und Wind bedroht; dieser kürzeste Monat, diese Fehlgeburt unter den Monaten, dieser frühgeborene und überhaupt unsolide Schaltmonat übertrifft alle andern durch seine tückischen Launen; nehmt euch in acht. Am Tage lockt er die Knospen der Sträucher heraus, in der Nacht verbrennt er sie; mit der einen Hand streichelt er uns, mit der andern versetzt er uns einen Nasenstüber. Der Teufel weiß, warum in Schaltjahren gerade diesem wankelmütigen, katarrhalischen und heimtückischen Zwerg von einem Monat ein Tag zugegeben wird; in einem Schaltjahr sollte der schöne Monat Mai einen Tag zubekommen, damit es zweiunddreißig wären, und fertig. Wie kommen wir Gärtner dazu?

Eine weitere Saisonarbeit im Februar ist die Jagd nach den ersten Anzeichen des Frühlings. Der Gärtner hält nichts vom ersten Käfer oder Schmetterling, der gewöhnlich in den Zeitungen den Frühling eröffnet; erstens liegt ihm überhaupt nichts an Käfern und zweitens ist so ein erster Schmetterling gewöhnlich der letzte vom Vorjahr, der zu sterben vergessen hat. Die ersten Anzeichen des Frühlings, denen der Gärtner nachforscht, sind untrüglicher. Es sind dies:

1. Krokusse, die im Grase mit vollen, dicklichen Spitzen hervorsprießen; eines Tages platzt die Spitze (dabei war noch niemand) und bildet ein Büschel herrlich grüner Blätter; das ist das erste Zeichen des Frühlings.

2. Die Gärtner-Preislisten, die einem der Briefträger zustellt. Obwohl sie der Gärtner auswendig kennt (so wie die Iliade mit den Worten Μῆνιν ἀεῖδε ϑεά, so beginnen diese Kataloge mit den Worten: Acaena, Acantholimon, Acanthus, Achillea, Aconitum, Adenophora, Adonis und so weiter, was jeder Gärtner nur so hersagen kann), liest er sie dennoch sorgfältig von der Acaena bis zur Wahlenbergia oder Yucca durch und kämpft dabei einen schweren Kampf, was er noch alles bestellen sollte.

3. Schneeglöckchen sind weitere Frühlingsboten; zuerst sind es solche blaßgrün aus der Erde hervorlugende Spitzen; die teilen sich dann in zwei dicke Blätter, und das Ding ist fertig. Manchmal blühen sie schon Anfang Februar, und ich sage euch, keine Siegespalme, kein Baum der Erkenntnis, kein Ruhmeslorbeer ist schöner als dieser weiße, zarte Kelch am blassen Stengel, der im frostigen Wind schaukelt.

4. Nachbarn sind gleichfalls ein untrügliches Anzeichen des Frühlings. Sobald sie mit Spaten und Hacken, Scheren und Bastfäden, Anstreichmischungen für Bäume und allen möglichen Pulvern für den Boden in den Garten hinausstürmen, erkennt der erfahrene Gärtner, daß der Frühling naht; da zieht er alte Hosen über und geht mit Spaten und Hacke den Garten an, damit auch seine Nachbarn erkennen, daß der Frühling nahe, und einander diese freudige Nachricht über den Zaun zurufen. Die Erde erschließt sich, aber noch gibt sie kein grünes Blatt heraus; noch ist sie nichts als eine kahle wartende Erde. Es ist noch Zeit für das Düngen und Umgraben, Auflockern und Mischen. Da erkennt denn der Gärtner, daß der Boden zu schwer, zu bindig, zu sandig, zu sauer oder zu trocken sei; kurz, die Leidenschaft, ihn irgendwie zu verbessern, bricht bei ihm durch. Man kann den Boden – glaubt mir – durch tausenderlei Mittel verbessern; leider aber hat sie der Gärtner gewöhnlich nicht bei der Hand. In der Stadt ist es schwer, gerade Taubenmist zu Hause zu haben, oder Buchenlaub, verwesten Kuhmist, alten Maueranwurf, alten Torf, abgelagerte Rasenerde, verwitterte Maulwurferde, Waldhumus, Flußsand, Moorschlamm, Teichschlamm, Heideerde, Holzkohle, Holzasche, zermahlene Knochen, Hornspäne, alte Jauche, Pferdemist, Kalk, morsches Holz von Baumstümpfen und andere nährende, auflockernde und segensreiche Stoffe, ungerechnet einige Dutzend stickstoff-, magnesium-, phosphorhaltiger und verschiedener anderer Düngemittel.

Es gibt wohl Augenblicke, wo sich der Gärtner wünscht, alle diese edlen Erdarten, Zusatzstoffe und Düngemittel zu verwenden, zu mengen und zu mischen; leider wäre dann im Garten kein Platz mehr für die Blumen. So verbessert er halt den Boden, so gut er kann, sammelt Eierschalen zu Hause, verbrennt die Knochen vom Mittagessen, hebt seine abgeschnittenen Nägel auf, kehrt Ruß aus dem Kamin, kratzt den Sand aus dem Abwascheimer, spießt mit dem Stock einen herrlichen Pferdekrapfen auf der Straße auf und gräbt alles sorgfältig in seine Erde ein; denn das sind lauter auflockernde, warme und düngende Substanzen. Alles was es gibt, ist entweder für den Boden zu gebrauchen oder nicht. Nur feige Scham hindert den Gärtner daran, auf der Straße das aufzuklauben, was die Pferde verloren haben; aber sooft er auf dem Pflaster ein hübsches Häuflein Mist erblickt, seufzt er wenigstens tief auf, was für eine Gottesgabe doch der Mist ist!

Wenn man sich so einen Misthaufen am Bauernhof vorstellt . . .

Ich weiß, es gibt verschiedene Pulver in Blechbüchsen; man kann alles kaufen, an was man sich nur erinnert, alle Arten von Salzen, Extrakten, Schlacken und Pulvern, man kann den Boden mit Bakterien impfen, man kann ihn, gleich dem Herrn Assistenten an der Universität oder in der Apotheke im weißen Mantel, bearbeiten. Das alles kannst du tun, städtischer Gärtner, aber – wenn du dir so einen braunen und fetten Misthaufen am Bauernhof vorstellst . . .

Doch, damit ihr's wißt, die Schneeglöckchen blühen schon; auch die Zaubernuß mit ihren gelben Sternchen, und die Nieswurz trägt dicke Knospen. Und wenn ihr besser hinseht (ihr müßt den Atem dabei anhalten), findet ihr fast überall Knospen und Triebe; durch tausenderlei dünne Pulse dringt das Leben aus der Erde. Wir Gärtner ergeben uns nicht mehr; schon eilen wir dem neuen Blühen entgegen.


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