Luis Vaz de Camões
Lusiade
Luis Vaz de Camões

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Vierter Gesang.

                   

1.

Nach wilden Wettern, die das Meer bezogen,
    Und Finsternissen und nach Sturm und Winden,
Erscheint des Morgens Klarheit auf den Wogen
    Und Hoffnung, bald des Hafens Heil zu finden;
Die Nacht ist vor der Sonne Glanz entflogen,
    Wie aus der Seele Furcht und Zagen schwinden;
So war die Wandlung auch in unsern Reichen,
Als sterbend drauf Fernando mußt' erbleichen.

2.

Denn, da sie eines Herrschers Kraft begehren,
    Der strafend räche Derer böse Thaten,
Die, sich allein nur Alles zu gewähren,
    Fernandos trägen Sinn so schlimm berathen,
So dürfen sie nicht dessen lang entbehren,
    Da König wird Johann in diesen Staaten,
Der Pedros einz'ger Sohn und Kraftgenosse,
Ob er auch nicht des reinen Ehbetts Sprosse.

3.

Daß solch Geschick der Himmel Hand gewoben,
    Ist auch an klaren Zeichen zu erkennen,
Als in Evor' ein Kind die Stimm' erhoben
    Vor seiner Zeit, den König laut zu nennen.
Wie hätte, war es nicht verliehn von oben,
    Der Säugling seine Hände heben können
Und rufen: Portugal! mit hellem Tone:
Dem Don Johann giebt Portugal die Krone. 96

4.

Nur Zwietracht herrschte damals in den Reichen
    Und Haß und Groll, der jedes Herz durchflossen,
Daß überall des Wüthens grause Zeichen,
    Wohin sich nur des Volkes Strom ergossen.
Es sinken unter wilder Mordlust Streichen
    Des Buhlen und der Königin Genossen,
Denn seit den Wittwenschleier sie genommen,
Ist mehr noch ihre Schand' ans Licht gekommen.

5.

Und da der Graf der Schmach nicht kann entrinnen,
    Muß selbst vor ihr den kalten Stahl er leiden,
Doch, ihm im Tod Begleiter zu gewinnen,
    Beginnt das Morden rings sich zu verbreiten.
Hier stürzt ein Bischoff nieder von den Zinnen
    Des Thurmes wie Astyanax, vor Zeiten;
Dort will das Schwert nicht Kirch' und Altar scheuen,
Der Todten Glieder auf den Weg dort streuen.

6.

Wohl hätte man der Gräuel da vergessen,
    Des wilden Mordens, das einst Rom erfahren,
Als Marius sich gleicher Wuth vermessen,
    Und dann vor Sylla flohn des Gegners Schaaren.
Die Königin, die Schmerz und Liebe pressen,
    Will drum ihr ganzes Herz nun offenbaren,
Und, daß Kastilien Portugal erwerbe,
Weil, sagt sie, es nur ihre Tochter erbe.

7.

Und diese Tochter, Beatrix mit Namen,
    War dem Kastilier zum Gemahl gegeben,
Und galt so für Fernandos Sproß und Samen,
    Als Zweifel nicht der Mutter Ruf umgeben.
Da die Kastilier nun das Wort vernahmen:
    Die Tochter folge nach des Vaters Leben,
Versammeln sich zum Kampf der Krieger Schaaren,
Die fern verstreut in den Provinzen waren. 97

8.

Es kommen, die Kastilien geboren,
    Das man nach einem Brigo einst benennet,
Die, aus dem Lande, das den falschen Mohren
    Einst Rodrigo, Fernando nicht gegönnet,
Und, ob sie auch die Pflugschaar nun erkohren,
    Ist doch zum Kampf auch Jener Muth entbrennet,
Die, wohnhaft in Leons berühmten Landen,
Schon früher oft die Mohren überwanden.

9.

Es nahen, der Vandalen Stamm' entsprossen,
    Die, welche Andalusien gesendet,
Das, von dem Quadalquivir mild durchflossen,
    Dem alten Muth sich niemals abgewendet;
So wie des edlen Eilands Kampfgenossen,
    Das Wohnung einst den Tyriern gespendet,
Und, daß sie wahrhaft Denkmal möge zieren,
Wehn Herkuls Säulen stolz in den Panieren.

10.

Toledo bietet seine Kriegerschaaren,
    Um dessen alte Mauern rings ergossen,
Des hellen Tago Strom ist zu gewahren,
    Nachdem Cuencas Bergen er entflossen.
Auch Euch, Gallicier! schreckten keine Fahren,
    Zu kämpfen und zu widerstehn, entschlossen
Den Gegnern, welche mit Euch oft schon stritten,
Ob roh und wild auch immer Eure Sitten.

11.

So hat die schwarze Furie der Schlachten
    Viscajas wilde Völker auch entzündet,
Die Sitte nicht und Wissenschaft nicht achten,
    Doch furchtbar sich den Feinden stets verkündet;
Nach Waffen will Asturien nur trachten,
    Wo köstlich Eisen im Gebirg sich findet,
Und Guipuscoa seine Helden senden,
Beistand im Krieg dem Könige zu spenden. 98

12.

Johann, in dessen Brust die Kraft sich mehret,
    Wie einst in Simsons, des Hebräers, Haaren,
Beginnt, weil nicht der Feinde Macht ihn störet,
    Zu rüsten sich und seine kleinen Schaaren
Und, ob er gleich des Rathes nicht entbehret,
    Will er doch auch der Freunde Rath erfahren,
Um seines Volkes Meinung zu ergründen,
Da Mehrere Verschiednes auch befinden.

13.

Nicht fehlen Solche, die sich laut erklären,
    Wie diesen Krieg ihr ganzes Wollen scheue,
Nicht Solche, die den alten Sinn verkehren
    Und schnöd entsagen der gewohnten Treue.
Wie könnten sie, wie sonst Gehorsam nähren,
    Da ihrer Furcht so großes Unheil dräue!
Sie wollen Land und König keck verläugnen
Und würden ihren Gott wie Petrus läugnen.

14.

Doch nimmer ward von solcher Schmach geschändet
    Nunalvarez, der hohe Held der Helden,
Denn, da er seine Brüder sah verblendet,
    Wollt' er des Sinnes Wandlung heftig schelten
Und sprach, zur Schaar der Wankenden gewendet,
    Ob zierlich sich auch nicht die Worte stellten,
Die Hand am Schwert mit zorniger Geberde,
Als ob bedräuend Welt und Meer und Erde:

15.

Wie? aus dem Volk der edlen Portugiesen
    Sollt' Einer jetzt dem Kampfe sich versagen!
Dem Vaterland, das sich so groß erwiesen,
    Und solchen Kriegesruhm davon getragen?
Der alten Lieb' und Treu sein Herz verschließen
    Und muthlos fliehn und Widerstand nicht wagen?
Ein Portugies' sein Heil so schlecht verstehen!
Des eignen Reiches Knechtschaft wollen sehen! 99

16.

Wie? seyd Ihr nicht den Mächtigen entsprossen,
    Die Heinrichs große Fahnen einst verbunden,
Und die, von Muth und Heldenkraft durchflossen,
    Dies Kriegervolk einst herrlich überwunden,
Als so viel Völker, so viel Kampfgenossen
    Der Rettung Heil nur in der Flucht befunden,
Und wir so viel der Kriegesbeut' empfingen
Und sieben große Grafen glorreich fingen;

17.

Und wessen Macht hat Jene einst geschlagen,
    Die nun Euch Joch und Knechtschaft kühn bereiten,
In Dionys und seines Sohnes Tagen,
    Als Eurer Ahnen Kraft und muthvoll Streiten;
Und müßtet ihr Fernandos Schuld noch tragen,
    Und seiner Trägheit Druck in Euch erleiden;
So mag der neue König Muth Euch geben,
Da Könige das Volk zu sich erheben!

18.

Euch ward ein König, daß, wenn dem Ihr gleichet,
    Dem Ihr die Krone habet jetzt verliehen,
Zur Erde stürzen muß, was Ihr erreichet,
    Wie vielmehr die, die oft schon mußten fliehen!
Doch, wenn dies Alles Euch noch nicht erweichet
    Und es so weit mit Eurer Furcht gediehen;
So laßt die Angst nur Eure Hände binden,
Ich will allein mich auf dem Schlachtfeld finden!

19.

Ich will allein mit meinen Lehnsvasallen
    Und meinem Schwert den Feind entgegen gehn,
Und dieses Land soll nicht in Knechtschaft fallen,
    Das nie des Joches harten Zwang gesehen.
Ob Lieb' und Treu gewichen auch aus Allen
    Und jedes Faust dem König will entstehen,
Will ich der Feinde Schaar doch überwinden
Und die auch, die dem König abhold, finden. 100

20.

Wie einst der Waffenjugend kleine Schaaren,
    Die Cannä Schlachtfeld mordend nicht verschlungen,
Und in CanusiumNach Livius rettete Cornelius Scipio durch diese Entschlossenheit sein Vaterland. entschlossen waren,
    Dem Sieg zu weichen, den der Feind errungen,
Cornelius, des Jünglings Macht erfahren,
    Als sie zum Schwur sein kühnes Schwert gezwungen,
Nicht eher von dem Vaterland' zu lassen,
Als bis ihr Leben fliehend sollt' erblassen.

21.

So spornt und treibt auch Nuno die Genossen
    Und, da sie seiner Worte Dräuen hören,
Entweicht die kalte Furcht, die sie durchflossen,
    Und die ihr Herz vermochte zu bethören.
Sie wenden flugs sich zu Neptunus Rossen
    Und tummeln sich mit Lanzen und mit Speeren,
Indeß ihr Mund den Ausruf stets erneuet:
Heil! Heil! dem König, welcher uns befreiet.

22.

Des niedern Volkes treue Stände loben
    Den Krieg, zu dem das Vaterland sich kehret,
Die Waffen reinigend, die Rost umwoben,
    Weil dieses Land des Kampfes lang entbehret;
Des Helmes Wucht, das Bruchstück zu erproben,
    Hat Jeder sich, wie es geziemt, bewehret
Und tausendfarbig schimmern die Gewänder
Und der Devisen Zeichen, Liebespfänder.

23.

Von solcher schönen Kriegesmacht begleitet,
    Verläßt Johann Albrantes Burg und Wälle,
An denen hin des Tago Wasser gleitet,
    Das reich entströmet seinem kühlen Quelle.
Der Vortrab wird von Jenes Rath geleitet,
    Der wohl vermocht, an König Xerxes Stelle
Zu führen nach Europa über Meere
Des Orients zahllose Kriegesheere. 101

24.

Don Nuno mein' ich, wahrhaft zu benennen
    Die schwere Geisel trotzender Hispanen,
Wie früher sich der Hunne ließ erkennen,
    Furchtbar der Franken, der Italer Fahnen.
Ein andrer Ritter, Jenem gleich zu nennen,
    Führt rechts den Flügel seiner Lusitanen
Men Rodriguez, aus Vasconcels Geschlechte
Und kundig wohl der Führung im Gefechte.

25.

Des andern Flügels Heil ist übergeben
    Velasquez von Almada treuen Händen,
Der nachmals wird die Grafenwürd' erstreben
    Und jetzt den Flügel leiten soll und wenden;
Im Nachtrab muß das Reichspanier sich heben,
    Deß goldne Thürm' und Schilde schier verblenden.
Der König selbst ist überall zu finden,
Bereit, dem Mars den Vorrang zu entwinden.

26.

Und bange Mütter, Schwestern, Bräute, Frauen,
    Die angstvoll Wallfahrt und Gelübde weihen,
Sind auf der Mauern Zinnen zu erschauen,
    Den Theuern Hülfe durch Gebet zu leihen.
Jetzt überströmt die Heeres-Macht die Auen,
    Wo ihr entgegen stehn der Feinde Reihen,
Die sie mit lärmendem Geschrei empfangen,
Ob Zweifel auch wohl jedes Herz umfangen.

27.

Und Pfeifen klingen, Trommeln, wild geschlagen,
    Trommeten, laut die Schlacht verkündend, schallen,
Die bunten Fahnen, hoch empor getragen,
    Beginnen, drohend in der Luft zu wallen;
Es war die ZeitDie Schlacht soll am 14ten August 1385 Statt gefunden haben., wo in den trocknen Tagen
    Der Ceres Früchte reif dem Schnitter fallen,
Der Erndte Mond, wo Bacchus füllt die Tonne
Und in Asträa tritt der Lauf der Sonne. 102

28.

Der Feind erhebt der Kriegstrommete Zeichen,
    Daß wild und furchtbar her die Töne dringen,
Und Guadianas Fluthen rückwärts weichen
    Und ArtabrusDas Vorgebirge Finisterra. Gebirge hohl erklingen.
Der Duro staunt, die Fluren rings erbleichen,
    Der Tago kann nicht seine Furcht bezwingen
Und stürzt ins Meer und, ob der Wuth der Töne,
Drückt jede Mutter an ihr Herz die Söhne.

29.

Wie bleich und farblos, o! wie Vieler Wangen!
    Da sich das Blut zum Herzen zagend windet;
Denn oft ist größer noch der Seele Bangen
    Vor der Gefahr, als die Gefahr sich findet,
So dünkt es uns, wenn unsre Wuth Verlangen
    Nach Schlacht und Kampf und hohem Sieg entzündet,
Fern ist uns dann, wie viel es sey, das Leben,
Der Glieder theure Gabe hinzugeben!

30.

Des Krieges schwankend Loos beginnt zu walten,
    Es nahn die Vordern sich von beyden Seiten,
Hier, um der Heimath Feinde abzuhalten,
    Dort, um darin sich Herrschaft zu bereiten,
Schon will Pereyras Muth sich ganz entfalten,
    Sein Heldenarm vor Allen herrlich streiten
Und wüthen, tödten, stürzen hin zur Erden,
Die sie, die fremde, suchten und begehrten!

31.

Die Luft erklingt von zischenden Geschossen,
    Von Speeren, Pfeilen, welche furchtbar tönen;
Von wildem Hufschlag, von entbrannten Rossen
    Erbebt die Erde und die Thale dröhnen.
Die Lanzen werden in die Luft ergossen,
    Daß, hart getroffen, Helm und Panzer stöhnen;
Doch wächst um Nunos Häuflein stets die Menge,
Ob er auch noch so viel zum Orkus dränge. 103

32.

Und sieh! da ziehn die Brüder ihm entgegen,
    O Greuel! doch er will darob nicht beben,
Da kleinre Schuld, Hand an den Bruder legen,
    Als Vaterland' und König widerstreben,
Und der Verräther Mehrere bewegen
    Im Vortrab sich herbey, das Schwert zu heben,
O! Abscheu! gegen Brüder und Verwandte,
Wie einst, als Cäsars Bürgerkrieg entbrannte.

33.

O ihr! Sertor's, Coriolanus Manen!
    Und Catilina! Alle, Ihr! vor Zeiten,
Die Ihr in Euer Vaterland die Fahnen,
    Undankbar führtet, feindlich dort zu streiten!
Euch sag' ich es, daß wohl auch Lusitanen
    Zu ähnlichem Verrath sich ließen leiten.
Ich künd' es Euch, wenn an des Styx Gestaden
Euch Plutons Strafen quälend noch beladen.

34.

Schier muß der Unsern Vordertreffen weichen,
    Da übermächtig sind der Feinde Schaaren,
Doch steht hier Nuno, wie in Ceutas Reichen
    Des tapfern Leuen Stärke zu gewahren,
Wenn, um ihn fliegend, hin die Lanzen streichen,
    Und sich Berittne nah' ihm offenbaren,
Auf Tetuans Gefilden rings zu jagen,
Wie dann er kürnt, doch Furcht nicht kennt, noch Zagen,

35.

Er starrt sie an mit grimmen stieren Blicken,
    Verachtend, Heil sich fliehend zu erwerben
Und stürzt entflammt, ob tausend Lanzen zücken,
    Auf Jene, die nur suchen sein Verderben;
So auch der Held, der weit der Felder Rücken,
    Das Gras beginnt mit fremden Blut zu färben,
Doch fallen viel der Seinen, denn umgeben
Von Uebermacht, erschlafft der Helden Streben. 104

36.

Dem König kann nicht Nuno Fahr entgehen,
    Weil er, ein weiser Feldherr und erfahren,
Selbst überall, was nöthig, wollt' ersehen,
    Durch Wort und That ermuthigend die Schaaren.
Und, wie die Löwin nach des Lagers Wehen,
    Die leer die Höle, wo die Jungen waren,
Erblicket, da ein Hirt die Brut entwendet,
Indeß sie sich zu Beut' und Raub gewendet,

37.

Ergrimmend schäumt, und brüllt, von Schmerz gequälet,
    Daß die Gebirge rings erdonnernd weichen,
So auch Johann, der sich ein Häuflein wählet
    Und eilt, den ersten Flügel zu erreichen:
O tapfre Schaar! zu Muth und Kraft gestählet,
    O! Ritter! Keinen irgend zu vergleichen,
Vertheidigt Euer Land, denn Heil und Segen,
Und Freiheit ist an Eurem Schwert gelegen.

38.

Seht Euern König, Euern Kampfgenossen!
    Der Lanz' und Pfeil und Fahr nicht abgewiesen
Und fechten will, vorn an Euch angeschlossen,
    Drum fechtet auch, als wahre Portugiesen!
So sprach der Held und hatte kaum geschlossen,
    Als seinen Speer die Hände fliegen ließen,
So kraftvoll, daß die letzten Seufzer fliehen,
Wo irgend dies Geschoß nur hingediehen.

39.

Da will die Seinen neue Gluth entzünden,
    Und edle Schaam in allen Herzen walten,
Wetteifernd Mavors Joch zu überwinden
    Und Preis und Ruhm vor Allen zu erhalten.
Der Schwerter Glanz muß solcher Gluth verblinden,
    Das Panzerhemd, des Bruststücks Stahl sich spalten;
Es werden Hieb' empfangen und gegeben,
Als schmerz' es nicht, zu lassen Leib und Leben. 105

40.

Wie Viele, die vom Stahl getroffen worden,
    Führt zu des Styxes Fluth die Todes-Stunde!
Es fällt der Meister von Sanct Jagos Orden,
    So glorreich er auch stritt nach Aller Kunde.
Erbleichen muß, nach vielem Kampf und Morden,
    Das Haupt von Calatravas Ritterbunde.
Die Pereyras, welche abgefallen
Und nun auch ab, von Gott und Schicksal fallen.

41.

Viel der Geringern, ohne Namen, ziehen,
    So wie viel Edle, zu den tiefen Gründen,
Wo nach den Schatten, die der Erd' entfliehen,
    Stets giert der Hund mit den dreifachen Schlünden.
Und, daß des Feindes Stolz, so hoch gediehen
    Mehr Schmach noch und Erniedrung möge finden,
Stürzt das Panier des Reiches der Hispanen
Besiegt zu Füßen hin den Lusitanen.

42.

Da ist die Schlacht noch wilder zu gewahren
    An Wehklag, Blut und Tod und Schwerterstreichen,
Daß auf dem Felde der erschlagnen Schaaren
    Den Blumen rings die Farben all' entweichen;
Der will den Tod, der Flucht und Heil erfahren,
    Es kann der Speer kaum Feinde noch erreichen,
Kastiliens König sieht sein Heer vernichtet,
Und will nicht mehr, worauf er sonst gedichtet.

43.

Er läßt das Feld dem, welcher Sieg errungen,
    Zufrieden noch, zu lassen nicht das Leben;
Ihm folgen die, die nicht der Tod bezwungen,
    Und Flügel hat die Furcht der Flucht gegeben.
Von stillem Schmerz ist tief die Brust durchdrungen,
    Daß Schand und Schmach geworden ihrem Streben,
Und sie an Gut und Leuten viel verloren
Und Andre schaun, zu Sieg und Beut' erkoren. 106

44.

Dem, der zuerst des Krieges Flamm' entzündet
    Auf Erden, werden Flüche hier gespendet,
Dort jener Brust Verwünschungen verkündet,
    Die, Länder dürstend und von Gier verblendet,
Nach einem Reich, das nicht für sie gegründet,
    Zur Hölle Viel des armen Volks gesendet
Und mit den Söhnen, Gatten alle Freuden,
Geraubt so vielen Müttern, Frauen, Bräuten.

45.

Johann, der Sieger, weilt, wie Sitt' und Weise,
    Drei Tag' im Lager, hoch zu Ruhm gediehen,
Dann weiht er Gaben und der Wallfahrt Reise
    Zum Danke dem, der Heil und Sieg verliehen;
Doch Nuno, strebend nicht nach andrem Preise,
    Denn glorreich stets das Siegerschwert zu ziehen
Und Ruhm bey jedem Volke zu erringen,
Thät in das Land jenseits des Tago dringen.

46.

Und, da ihn freundlich seine Sterne leiten,
    Entsprechen That und Wirklichkeit dem Wollen,
Und der Vandalen Land, das uns zur Seiten,
    Muß Sieg und Beute bald ihm reichlich zollen.
Es stürzen flugs und sonder Kampf und Streiten
    Die Banner, die viel Ritter dort entrollen,
Sevillas Banner zu des Helden Füßen,
Da sie den Lusitanen weichen müssen.

47.

So ward durch diesen Sieg und andre Schlachten
    Noch lange Zeit Kastilien gequälet,
Bis nach der Völker lautem Wunsch und Trachten
    Des Friedens Heil die Sieger auserwählet,
Als es der Allmacht Schlüsse mit sich brachten,
    Daß beide Herrscher würden anvermählet
Zwo Brittinnen, von Fürstenstamm und Adel
Berühmt und hold und schön und ohne Tadel. 107

48.

Doch kann des Feindes, dem er Schmach bereite,
    Des Krieges nicht der Heldensinn entbehren,
Und, da kein Land umher mit ihm im Streite,
    Will er zum Ocean die Waffen kehren,
Vom Vaterland dringt er in ferne Weite,
    Der erste König, Afrika zu lehren
Mit Schwert und Sieg, wie hoch vor Mahoms Sätzen,
Die heilge Lehre Christi sey zu schätzen.

49.

Da schwimmen tausend Vögel auf den Wellen,
    Wo Thetis Wuth und wildes Toben stürmet,
Mit offnen Flügeln, die vom Winde schwellen,
    Hin, wo Alcid der Wandrung Ziel gethürmet.
Abilas Berg und Ceutas Felsenschwellen,
    Ob sie der schnöde Mahomet auch schirmet,
Erobert er und wahrt Hispaniens Lande
Fortan auf immer vor Verrath und Schande.

50.

Nur wird dem Helden nicht so langes Leben
    Vom Tod vergönnt, als gut schien seinen Reichen,
Drum muß er auf zum Chor der Engel schweben,
    Der Himmel höhre Kronen zu erreichen,
Doch er, der ihn entrieß, will fürder geben
    Zu unserm Schutze, Herrscher, die ihm gleichen,
Und Lande weit verbinden unsern Landen,
Ein hoher Stamm von mächtigen Infanten!

51.

So glücklich aber waren nicht die Zeiten,
    Als König Eduard den Thron bestiegen,
Da Wechsel uns die Jahre stets bereiten,
    Nach Gutem Schlimmes, Kummer nach Vergnügen.
Wo möchte Reiche stetes Heil geleiten!
    Wo feste Dauer sich zum Glücke fügen!
Und doch will nach der Satzung strengstem Walten
Es nicht mit diesem Land' und König schalten! 108

52.

Er sah den Bruder, den Fernand gefangen,
    Den Heilgen, der, geweiht nur hohen Dingen,
Das Volk zu freyn von der Belagrung Bangen,
    Kühn in der Mohren Heer gewagt, zu dringen.
Weil nur dem Vaterland gilt sein Verlangen,
    Will er als Sklav des Lebens Lauf vollbringen
Und nicht sich lösen gegen Ceutas Feste.
Mehr gilt ihm Staatswohl als das eigne Beste.

53.

Daß Codrus nicht die Feinde siegen sehe,
    Läßt er vom Tod das Leben überwinden,
Sein Vaterland zu frei'n von Schmach und Wehe,
    Sich stete Knechtschaft Regulus umwinden;
Doch, daß selbst Furcht bevor nie Spanien stehe,
    Will Jener sich mit ewgen Fesseln binden,
Drum haben Codrus, Curcius, hoch besungen,
Die Decier nicht gethan, was ihm gelungen.

54.

Alfons, hierauf der Erb' in diesen Reichen,
    (Ein großer Nam' in Kämpfen unsrer Lande)
Bog unter seines Schwertes wilden Streichen
    Der Heiden Gränze weit in Schmach und Schande;
Der Ritter hätte Keinem dürfen weichen,
    Wenn er nicht nach Iberien sich wandte,
Denn Afrika wird nie es möglich glauben,
Den Siegeskranz dem Furchtbaren zu rauben.

55.

Er nur vermag der Aepfel Gold zu pflücken,
    Wo früher nur es Herkules gelungen,
Die Ketten, die die Mohren noch umstricken,
    Hat er um ihren Nacken hingeschlungen;
Und Palm' und Lorbeer muß die Stirn' ihm schmücken,
    Als kühn der Heiden Macht herbeigedrungen,
Daß Alcaceres Feste sie beschirme
Und Tangers Schaaren, und Arcillas Thürme. 109

56.

Denn, wie der Portugiesen Muth und Wagen
    Zu Boden wirft, die ihre Schwerter finden,
Wird jede Stadt mit wildem Sturm geschlagen,
    Daß ihre Demantmauern schnell verschwinden,
Und Siege werden dort davon getragen,
    Die würdig könnte Schrift und Lied verkünden,
Weil unsre Ritter dort mit Wunderthaten
Der Portugiesen Ruhm glorreich berathen.

57.

Doch, als im Herzen sich der Ehrgeiz mehret,
    Im schönen bittern Herrscherruhm zu glänzen,
Wird gegen Ferdinand das Schwert gekehret,
    Ob der Kastilier Reiche weiten Gränzen.
Es ziehn herbey, zu blutgem Kampf bewehret,
    Von, wo das Land die Pyrenäen kränzen,
Bis Kadix hin, die bunten stolzen Schaaren,
Die König Ferdinand all zinsbar waren.

58.

Da will Johann, der Jüngling, gern entbehren
    Der Rast im Lande, muthig auszuziehen,
Dem stolzen Vater Beistand zu gewähren,
    Wie solchem auch zu hohem Heil gediehen;
Aus harter Schlacht kann er zur Heimath kehren,
    Mit heitrer Stirn, die Wolken nicht umziehen.
Ob auch der Vater ward zurückgeschlagen,
Daß, wer gesiegt, noch jetzo nicht zu sagen.

59.

Denn dieser Prinz, der kühn und groß erfunden,
    Als je ein edler Ritter zu ersehen,
Blieb, als der Feind sein Schwert furchtbar empfunden,
    Noch einen ganzen Tag im Schlachtfeld stehen,
So ward Oktavian einst überwunden,
    Und mußt' Antonius Waffen siegen sehen,
Als bey Philippi Kampfvereint die Beiden
Der blutgen Rache Cäsars Mörder weihten. 110

60.

Als nun Alphons durch finstrer Gräber Zone
    Zur heitern Himmelsheimath war gegangen,
Kann, als Johann der Zweite, zu der Krone
    Im Reiche nun der edle Prinz gelangen,
Und dieser wagt, daß ewger Ruhm ihm lohne,
    Mehr, als sich Sterbliche je unterfangen,
Und will Aurorens ferne Gränz' erkunden,
Wie ich, sie aufzusuchen, mich verbunden.

61.

Die Helden, die er ausgesendet, zogen,
    Durch Spanien, Frankreich und Italiens Lande,
In jenem Port sich zu vertraun den Wogen,
    Wo Parthenopes Asche ruht am Strande,
Neapel, dem das Schicksal zugewogen,
    Daß Herrscher manches fremde Volk ihm sandte,
Bis Spaniens Scepter sich nach langen Jahren
Dort sollte groß und glorreich offenbaren.

62.

Auf der Siciler Meerestiefen schweben
    Sie hin nach Rhodus fernen Insel-Reichen
Und hin, wo die Gestade sich erheben,
    Wo einst Pompejus mußt' im Tod erbleichen,
Bis Memphis sie und jenes Land erstreben,
    Wo mächtig oft des Niles Fluthen steigen
Und Aethiopia, mehr noch abgelegen,
Das treu verharrt in Christi Lehr' und Segen.

63.

Sie schiffen auch durch jene rothen Wellen,
    Die sonder Schiffe Israel durchzogen,
Dahinten lassend die Gebirgesschwellen
    Des NebajothNebajoth, nach Moses Buch I. Kap. 25. Vers 13., Ismaels Sohn. Unter Nebajoths Gebirge versteht der Dichter die Gegend vom Euphrates bis zum rothen Meere., in blauen Meereswogen,
Und Sabas Fluren, die von Düften schwellen,
    Weil ihm Adonis Mutter so gewogenAdonis Mutter war Myrrha, die Tochter des Cinyras; sie ward in einen Baum verwandelt, der von ihr den Nahmen erhielt und in dem glücklichen Arabien häufig zu finden ist.
Um dann Arabiens beglückte Küste
Zu schauen und das Steinige und Wüste. 111

64.

Sie dringen in der Perser Meeres Engen,
    Wo Babels Fall uns Sagen noch verkünden,
Und Phrat und Tigris ihre Fluth vermengen,
    Die ihren Ruhm auf ihre Quellen gründen.
Dann suchen sie auf fernen Meereslängen
    Des Indus reine Wässer aufzufinden,
Von dem wir mehr Bericht dereinst noch geben
Und den Trajan nicht wagte zu erstreben.

65.

Sie sehen unbekannte Nationen
    Der Indier, Gedrosen, Karamanen,
Vielfache Künst' und Sitten andrer Zonen,
    Einheimisch jenen fremden Oceanen;
Doch will dem Streben nicht das Schicksal lohnen
    Und Rückkehr nicht der schweren Reisebahnen;
Sie müssen dort auf rauhem Weg verderben
Und fern vom lieben Vaterlande sterben.

66.

Es hatte klar der Himmel hohes Walten
    Emanuel und seines Ruhmes Thaten
Des schweren Zieles Palme vorbehalten
    Und ihn darum mit seltner Kraft berathen.
Emanuel, der nach Johanns Erkalten
    Gleich groß und würdig herrscht in unsern Staaten
Und der, sobald er sein die Kron erachtet,
Stracks nach des weiten Meers Erobrung trachtet.

67.

Und wie er nie vergißt das edle Streben,
    Den hohen Pflichten kräftig nachzuringen,
Die ihm von seinen Ahnen aufgegeben,
    Mit seiner Herrschaft weiter stets zu dringen
Und keinen Augenblick in seinem Leben
    Zu trachten unterläßt nach solchen Dingen,
Und einst, als lang der Sonne Licht erblichen
Und schier die funkelnden Gestirne wichen; 112

68.

Im goldnen Bett der süßen Ruhe pfleget,
    Wo uns Gedank' und Wille näher stehen
Und nur die Pflicht in seinem Sinn beweget,
    Der Väter Weise würdig nachzugehen,
Beginnt, ob auch sein Geist sich thätig reget,
    In seine Augen sanfter Schlaf zu wehen,
Daß vor dem Schlummernden sich die Gestalten
Des Morpheus wunderbar und bunt entfalten.

69.

Es dünket ihm, als ob empor er recke,
    Zu ragen an der Himmel erste Sphären,
Wo neue Welten seinem weiten Blicke
    Seltsamer wilder Völker viel gewähren;
Ob ferne, wo Aurora schön sich schmücke,
    Zu welcher spähend sich die Augen kehren,
In alter, thürmender Gebirge Engen
Zwey große tiefe Ströme stark entsprängen.

70.

Von wilden Vögeln, ungeheuern Thieren
    Scheint ihm bewohnt der Berge ödes Grauen
Der Bäume Wildniß, die die Gegend zieren,
    Vermag kein Reisender sich zu vertrauen;
Kein Menschenlaut kann dorthin sich verlieren
    Und an den Felsengründen ist zu schauen,
Daß nie, seit Adam bis zu unsern Tagen,
Je eines Menschen Fuß ward hin verschlagen.

71.

Den Quellen, welche das Gebirg bethauen,
    Entsteigen zween, dem Träumenden zu nahn,
Mit starkem Schritt, wie Greise anzuschauen,
    Zwar ländlich, doch mit Würde angethan,
Und Tropfen sinken nieder aus dem grauen
    Gehaar und schwellen um die Körper an,
Die schwärzlich braun die fremde Herkunft zeigen
Und wo die Bärte starr hernieder steigen. 113

72.

Um Beider Stirne waren Zweig' und Ranken,
    Sonst nie gesehen, kränzend hingeschlungen,
Und deutlich schien des Einen Schritt zu wanken,
    Als sey er weiter noch herbeigedrungenDer Dichter deutet hier auf die größere Entfernung der Quellen des Ganges und legt diesem Strome deshalb mehr Ermüdung als dem Indus bey.,
So schien auch, brausend in der Berge Schranken,
    Des Stromes Fluth in weiter Fern' entsprungen,
Wie Alpheus Strom, aus Hellas wild entronnen,
In Syracus sucht Arethusas BronnenAlpheus, nach der Fabel im Peloponnes entsprungen, strömt unter dem Meere nach Sicilien, um sich dort mit Arethusa's, seiner Geliebten, Quelle zu vereinigen..

73.

Und Jener, von erhabnerer Gestalt,
    Begann zum König fernher Wort und Laute:
O! du! deß weitem Scepter und Gewalt
    Ein großer Theil der Welt sich anvertraute,
Wir Fernen, deren Ruhm so weit erschallt,
    Und deren Nacken niemals Fesseln schaute,
Wir wahren Dein! Und Zeit ist nun, zu senden,
Nach den Tributen, die wir reich Dir spenden!

74.

Ich bin der große Ganges, dessen Wiege
    Im Paradiese wahrhaft ist zu finden,
Und dort erblickst Du König Indus Züge,
    Der nah entspringt in jenen Felsengründen;
Doch gelten wir Dir annoch harte Kriege!
    Ob Du auch einst wirst herrlich überwinden
Und, wie verhängt ist, nach des Schicksals Wegen,
Das Sklavenjoch auf alle Völker legen!

75.

Mehr sagte nicht des heilgen Stromes Schallen
    Und Beide waren flugs dem Aug' entschwunden.
Emanuel erwacht, von Graun befallen,
    Von Staunen, wie er nimmer noch empfunden,
Und nun begann Apolls Gewand zu wallen,
    Erhellend rings des Schlafes dunkle Stunden.
Der Morgen kam, um Rosen frisch zu pflücken
Und schön und bunt die Himmel auszuschmücken. 114

76.

Da ruft der König seines Raths Genossen,
    Den Weisen Traum und Rede zu enthüllen,
Die aus des heilgen Greises Mund geflossen,
    Daß Staunen und Bewund'rung All' erfüllen.
Und Rüstung zu dem Seezug wird beschlossen,
    Weil All' entbrennen in dem hohen Willen,
Nach fernen Meeren Schiff' und Volk zu senden,
Ob neue Zonen sie und Himmel fänden.

77.

Und mir, der nie, in Werk und That zu sehen,
    Gehofft, was stets mein ganzes Herz begehret,
Und doch, auf solcher hohen Bahn zu gehen,
    Stets ein geheimes Vorgefühl genähret,
Mir ward, dem großen Werke vorzustehen,
    Von dem erhabnen Könige gewähret,
Ob ich auch noch die Ursach nicht ersonnen
Und, welches gute Zeichen ihn gewonnen.

78.

Und, freundlich sprechend, und mit Huld und Bitten,
    Die uns von Herrschern, gleich Befehlen, zwingen,
Begann er: Nur in seltner Fahren Mitten
    Vermögen Menschen Hohes zu vollbringen!
Nur, wenn sie einst auf Tod und Leben stritten,
    Des Ruhmes Kränze herrlich zu erringen,
Denn wer nicht lebt, daß er der Schmach sich spare,
Der zählet nicht, der wägt des Lebens Jahre!

79.

Vor Allem hab' ich Dich aus meinen Reichen
    Zu einem Werk, Dein würdig, ausersehen,
An Glanz und Arbeit Keinem zu vergleichen,
    Doch wirst Du es für mich gar leicht bestehen,
Da konnte länger nicht die Zunge schweigen;
    Ich sprach; o Herr! in Schwert und Tod zu gehen,
In Eis und Flammen-Glut, für meinen König,
Ist mir das Leben, leider! nur zu wenig! 115

80.

Und willst Du Abentheuer meinen Händen
    Vertraun, wie einst Alciden sie gelungen,
Cleonas Leuen und Harpyen senden
    Und Eber und der Hydra tausend Zungen,
Und sollt' ich zu den Schatten selbst mich wenden,
    Zu Plutos finsterm Reich, vom Styx umschlungen,
Und wolltest Du noch größre Fahr begehren,
So wird für Dich mein Muth sich immer mehren!

81.

Dann werden reiche Gaben mir verehret,
    Auch thätig Lob und Beifall zu verkünden,
Da Lob der Tugend Flamme herrlich nähret,
    Zu hohen Thaten mächtig zu entzünden,
Und ein Begleiter wird mir flugs gewähret,
    Mit welchem Lieb' und Freundschaft mich verbünden
Und der gleich mir von Ruhmbegier entbrennet,
Mein Bruder, der sich Paul von Gama nennet.

82.

Noch will Niclas Coelho mich begleiten,
    Der Noth und Drangsal nimmer noch erlegen,
Und Beide sind in Rath und tapfrem Streiten
    Und Kriegserfahrung Vielen überlegen.
Schon sorg' ich, junge Mannschaft zu bereiten,
    Wo Muth und Kampflust lauter noch sich regen
Und hohe Kräfte deutlich sich befinden,
Weil solcher Dinge sie sich unterwinden.

83.

Des Eifers Glut in ihnen zu bewahren,
    Will sie auch reich Emanuel beschenken
Und hohe Worte nicht und Aufruf sparen,
    Muth gegen Alles in ihr Herz zu senken.
So sammelte einst Jason seine Schaaren,
    Zum goldnen Vließ die kühne Fahrt zu lenken
Im Schiffe, dem die Himmel es verliehen
Zuerst Euxinus Meere zu durchziehen. 116

84.

Und, wo Ulysses Hafen sich verbreitet
    Und klar des Tago Strom mit Silberwellen
Zu bitterm Meer auf weißem Sande gleitet
    Und Muth und Eifer edle Herzen schwellen,
Ist eine Zahl von Schiffen schon bereitet,
    Kein Bangen mag der Jugend Muth entstellen,
Und Seevolk eilt und Mannschaft aller Seiten,
Mich froh in jede Zone zu begleiten.

85.

Und auf der Küste ziehen die Soldaten,
    Mit mannigfacher Kleidung bunt umgeben
Und Kraft und Stärke stattlich auch berathen,
    Um neue Welten schiffend zu erstreben,
Und Lüfte wehen mild an den Gestaden,
    Der Schiffe leichte Wimpel sanft zu heben,
Die sich, wenn sie das weite Meer befahren,
Gleich Argos Schiff als Sterne schon gewahren.

86.

Nachdem wir uns mit Jeglichem versehen,
    Was wir bedürfen auf der weiten Reise,
Bereiten wir uns zu des Todes Wehen,
    Die näher stehen um der Schiffer Gleise.
Wir flehn zu ihm, um den die Engel stehen,
    Daß seine Allmacht gnädig sich erweise'
Und unserm Wollen schenke Heil und Segen
Und uns beschirm' auf unsern rauhen Wegen.

87.

Wir ziehen aus des heilgen Tempels Thoren,
    Der, einst erbaut ward auf des Ufers Sande
Und dem der Name jener Stadt erkohren,
    Wo einst im Fleisch erschien der Gottgesandte.
Und wahrhaft sey, o König! Dir geschworen,
    Bedenkend, wie ich ließ der Heimath Strande,
Beginnt sich Schmerz und Bangen so zu mehren,
Daß ich mich kaum der Thränen mag erwehren. 117

88.

Der Stadt entströmt in fluthendem Gedränge,
    Bald Freunde noch, Verwandte bald zu sehen,
Bald nur das Schauspiel selbst, der Bürger Menge,
    Ob Sorgen auch in Aller Blicke wehen;
Indessen wir im heiligen Gepränge
    Von tausend Priestern, welche mit uns gehen,
Mit feierlichem Zug und mit Gebeten
Hin zu den Schiffen unsre Bahn betreten.

89.

In unsrer langen Wege hohen Fahren
    Scheint Allen unser Untergang beschlossen.
Mit Thränen klagen uns der Weiber Schaaren,
    Die Männer uns, in Seufzer laut ergossen,
Und Angst ist an den Müttern zu gewahren
    Und hat der Schwestern, Bräute Herz durchflossen,
Wie Liebe nur, Verzweiflung nur entzünden,
Daß wir den Rückweg schwerlich möchten finden.

90.

Hier tönet einer Mutter banges Klagen:
    O lieber Sohn! von dessen treuen Händen
Ich Schutz erwartet meines Alters Tagen,
    Die nun in bittrer Thränenfluth sich enden,
Warum mich lassen in des Kummers Zagen!
    Warum, o theurer Sohn! Dich von mir wenden!
Nach einem Grab auf weitem Meer zu streben,
Und Dich der Fluth zur Nahrung hinzugeben.

91.

Dort stöhnt die Braut, mit losem Haar zu schauen:
    O Süßer! ohne den ich nicht kann leben!
Warum Dein Leben wildem Meer vertrauen,
    Das nicht mehr Dein ist, das Du mir gegeben?
Soll unsern Bund des dunkeln Weges Grauen,
    Vergessenheit die süße Lieb' umweben
Und unser Glück und unsre kurze Freude
Wie leichte Segel seyn der Winde Beute? 118

92.

Mit solcher Klag' und andrer noch entfalten
    Sich Lieb' und Mitleid, edlen Herzen eigen,
In zarter Jugend und in grauen Alten,
    Wo minder Kraft des Lebens Jahre zeigen.
Die nahen Berge ringsumher erschallten,
    Als wollte Mitleid sie auch noch erweichen,
Die Thränen, die des Meeres Ufer baden,
Sind zahllos gleich dem Sand an den Gestaden.

93.

Wir aber, ohne irgend aufzublicken
    Zu Weibern, Müttern in des Schmerzes Wehen,
Daß nicht auch uns der Jammer mög' umstricken
    Und des Entschlusses festen Sinn verdrehen,
Beschließen flugs, zur Fahrt uns anzuschicken
    Und nicht sie noch mit Abschied zu begehen.
Denn dieser Brauch, so theuer sonst dem Herzen,
Vermehrt, man trenne sich, man bleibe, nur die Schmerzen.

94.

Allein ein Greis, den hoher Anstand schmückte,
    Und der sich im Gewühl am Ufer zeigte
Und auf uns her mit trübem Auge blickte,
    Indeß sein Haupt er zürnend dreimal neigte,
Erhob das Wort, das Kummer fast erstickte,
    Daß uns der Ton im Meere noch erreichte
Und sprach, was ihn Erfahrung nur gelehret
Und stets im Weltlauf richtig sich bewähret.

95.

O Herrscher Größe Durst, der nur begehret
    Nach jenem Wahne, den als Ruhm wir kennen!
O falsche Lust! die schwanke Volksgunst nähret,
    Und die die Menschen Alle Ehre nennen!
Zu welcher Strafe, welcher Pein verkehret
    Dein Ruf die Herzen, welche Dir entbrennen
Und welche Tode, welche Fahr und Wehen
Muß, wer Dein eigen, dulden und bestehen! 119

96.

O! schnöder Trieb, der unsre Ruh' vernichtet,
    Des Unglücks Quell! der Ehen zu zerreissen
Und Jegliches nur zu zertrümmern dichtet,
    Daß Reiche stürzen seines Winks Geheißen.
Schmachwürdig ist, worauf Dein Sinn gerichtet,
    Ob wir als groß und herrlich auch Dich preisen
Und Dich als Ruhm, als Größe Dich verehren
Daß Du auch wohl den Pöbel magst verkehren!

97.

Zu welchem Unstern nun in diesen Reichen
    Schon wiederum der Völker Frieden stören!
Zu welchen Fahren, welchen Todes-Streichen
    Sie unter großen Worten schlau bethören!
Wo jenes Goldbegabte Land erreichen,
    Von welchem sie so Vieles rühmen hören!
Und welchen Sieg und Thatenruhm versprechen!
Triumphe, Palmen, schön und leicht zu brechen!

98.

O! Du Geschlecht, aus Jenes Stamm entsprossen,
    Deß Sünd' und frevelhaftes Widerstreben
Des Paradieses Auen Dir verschlossen,
    In trüber Abgeschiedenheit zu leben;
Der jenen Himmel, den Du dort genossen
    Und Ruh' und Unschuld, welche Dich umgeben,
Der Dir geraubt des goldnen Alters Frieden
Um Eisen Dir und Waffen Dir zu bieten!

99.

Wenn solche Eitelkeit an allen Orten
    Mit leeren Träumen Deinen Blick umnachtet;
Wenn blinde Wuth und Greuelthat und Morden
    Von Dir als Muth und Stärke wird geachtet;
Wenn Dir das Leben so gering geworden,
    Daß groß nur ist, der solches wild verachtet,
Ob Jener auch, der uns geschenkt das Leben,
Gezittert hat, es in den Tod zu geben; 120

100.

Ist nahe nicht der Mohren Volk vorhanden,
    Mit denen ewig harter Krieg und Streiten?
Umschlingen sie nicht Mahoms schnöde Banden,
    Wenn Christi Ruhm Du fechtend willst verbreiten?
Sind tausend Städte nicht in jenen Landen,
    Um Reichthum Dir und Herrschaft zu bereiten?
Und ist so leicht, die Mohren zu bekriegen,
Daß Dir zu klein dünkt, ihnen obzusiegen?

101.

Der Feinde Strom erschwillt vor Deinen Thoren
    Und ferne Völker willst Du doch bezwingen?
Mit Heeren, die dem alten Reich verloren,
    Daß es ermattet, in die Weite dringen?
Und unbekannte Fahr hast Du erkoren,
    Um immer höher Deinen Ruhm zu bringen?
Dich rings umher als Herrscher zu gewahren
Der Araber, der Perser, Inder Schaaren?

102.

Unsel'ger! der zuerst sich unterfangen,
    Mit Segeln durch des Meeres Fluth zu streben!
O! werth, die Pein der Hölle zu empfangen,
    Wenn das Gesetz gerecht, das uns gegeben!
Nie dürf' im Glanz des Ruhms Dein Name prangen
    Und Preis Dir nie die schöne Harfe geben!
Kein hoher Ruhm, kein Lied Dich je verkünden,
Dein Name möge mit dem Leben schwinden!

103.

Japetus Sohn entriß des Himmels Frieden
    Die Flamme, sie in unsre Brust zu senken,
Die Flamme, die uns nur vermag hienieden
    Zu Schmach und Tod und Waffen hinzulenken;
Welch beßres Loos, Prometheus! war beschieden,
    Wenn Deine Hand, statt so uns zu beschenken,
Dem Thongebilde nicht den Funken brachte,
Durch welchen jeder hohe Trieb erwachte. 121

104.

Nie hätte dann des Jünglings raschen Händen
    Apollon anvertraut der Sonne Wagen
Und Strom' und Meere Namen auszuspenden
    Kein Flügel einst die Zween emporgetragen.
Nicht Flamm' und Schwert und Eis und Fluthen wenden
    Der Menschen Sinn, das Hohe nicht zu wagen
Und unversucht läßt nichts der Menschen Streben
O trübes Loos, seltsames Erdenleben! 122

 


 


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