George Byron
Sardanapal
George Byron

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Vierter Act.

Erster Auftritt.

Sardanapal schläft ohne Decke auf einem Ruhebett. Sein Schlaf ist unruhig. Myrrha wacht bei ihm.

Myrrha. Ich schlich zu seiner Ruhe her, wenn Ruhe,
Was so im Schlaf sich wälzt. – Soll ich ihn wecken?
Nein! ruh'ger scheint er jetzt. – O Gott der Ruhe,
Der du ob zugeschloss'nen Wimpern herrschest
Ob sanften Träumen oder tiefem Schlaf,
Tief bis zur Unergründlichkeit, – sei wie
Dein Bruder Tod so still, so regungslos,
Denn dann sind wir am glücklichsten; wie wir
Vielleicht am glücklichsten auch sind im Reich
Des ernsten, stillen, unweckbaren Bruders. –
Von Neuem regt er sich, von Neuem fährt
Das Spiel der Schmerzen über seine Züge, –
So wie ein Windstoß oft den See bewegt,
Der ruhig in der Berge Schatten liegt;
Wie Sturm des Herbstes Blatt zerzaust, das schwach
Und regungslos an den geliebten Zweig
Sich schmiegt. Ich sollte ihn erwecken, doch
Noch nicht! Wer weiß, aus was ich ihn erwecke?
Es scheint aus Schmerz; doch wenn zu schlimm'rem Schmerz
Ich ihn berief? – Das Fieber dieser Nacht,
Der stürmischen, der Schmerz um seine Wunde
Mag Schuld dran sein, daß mich's, die's ansieht, mehr
Als ihn, der's leiden muß, erschüttert. – Nein!
Natur mög' ihre eignen Mittel brauchen;
Ich wach' zu helfen ihr, nicht sie zu stören.

Sardanapal (erwacht). Nein, nein! und mehrtet ihr die Sterne dort
Und gäbt sie mir zum Königreich, das ich
Mit euch dann theilt'! Ich möcht' um solchen Preis
Selbst nicht das Reich der Ewigkeit erkaufen.
Hinweg, hinweg, du alter Bestienjäger,
Und ihr, die eure Mitgeschöpfe ihr
Wie Bestien gehetzt, ihr blutig einst
Als Menschen und noch blut'ger jetzt als Götter,
Falls nicht der Priester lügt! Du Geister-Ahne,
Von dunklem Blute triefend, tretend auf
Den Leichen Indiens, hinweg, hinweg! – –
Wo bin ich? Wo sind die Gespenster? Wo? –
Nein! es war kein Phantom! Ich würd's erkennen
Aus Allem 'raus, was aus der schwarzen Kluft
Die Todten schaurig wehn empor zum Schreck
Der Lebenden. – He, Myrrha!

Myrrha. Ach, wie blaß
Du bist! Wie Nachtthau hängen auf der Stirn
Die Tropfen dir. Geliebtes Herz! sei still,
Gib Ruh'! Du redest wie aus andrer Welt
Und bist von dieser Herr. Sei gutes Muths!
Und Alles geht noch gut.

Sardanapal. Gib deine Hand!
So! – Das ist deine Hand! – ist Fleisch! Drück' zu,
Drück' fester noch, damit ich wieder ganz
Mich fühl'!

Myrrha. Erkenn' mich wenigstens für das,
Was ich jetzt bin und ewig werde sein –
Für dein.

Sardanapal. Ja jetzt erkenn' ich's und erkenn'
Das Leben wieder, Myrrha – ach ich war,
Wo wir einst werden sein.

Myrrha. O Herr!

Sardanapal. Im Grab,
Wo Würmer sind die Herrn und Könige –
Doch's kam mir nicht so schrecklich vor: ich dacht',
'S sei Nichts.

Myrrha. Das ist es auch! Furchtsame nur
Erdenken sich, was niemals wol tritt ein.

Sardanapal. O Myrrha, wenn der Schlaf schon Solches zeigt,
Was mag enthüllen erst der Tod?

Myrrha. Ich weiß
Kein Uebel, das der Tod uns zeigen könnte,
Was nicht das Leben denen schon gezeigt,
Die lange drin verweilt. Wenn je ein Land
Es gibt, wo noch die Seele lebt, so wird's
Wie Seelen körperlos wol sein. Wenn aber
Ein Schatten dort von diesem läst'gen Thon,
Der unsre Seelen scheidet von dem Himmel
Und an die Erd' uns fesselt, schwebt, so wird
Doch dies Phantom, was ihm auch drohen mag,
Den Tod nicht fürchten mehr.

Sardanapal. Ich fürcht' ihn nicht;
Doch fühlte – sah ich 'ne Legion von Todten.

Myrrha. Das that auch ich: der Staub, auf dem wir treten,
War einst lebendig und war elend auch. –
Doch fahre fort! Was hast du dort gesehen?
Es wird dein trüb Gemüth erleichtern, sprich
Dich aus.

Sardanapal. Mir war –

Myrrha. Doch halt! du bist ermüdet,
Hast Schmerzen, bist erschöpft. Das muß die Kraft,
Den Geist dir schädigen. Such' lieber neu
Den Schlaf.

Sardanapal. Jetzt nicht! Ich möcht' nicht wieder träumen,
Obgleich ich jetzt als Traum erkennen muß,
Was ich geträumt. – Kannst du's zu hören tragen?

Myrrha. Ich trage Alles, Lebens-, Todes-Träume,
Die ich mit dir in Schein, in Wahrheit theil'.

Sardanapal. Der Traum sah wahrhaft aus, das sag' ich dir
Als er vorbei, stand dieses Auge offen.
Ich sah die Wesen fliehn – denn sie entflohn.

Myrrha. So sprich!

Sardanapal. Ich sah, das heißt, mir träumt', ich sah
Hier – eben hier, wo wir jetzt sind, wie sonst
Der Gäste viel und mich als Wirth, der doch
Als Gast sich angesehn, und gern gewillt,
Den Andern im geselligen Verkehr
Ganz gleich zu sein; doch rechts und links von mir
Statt dir und Zamis und den sonst'gen Gästen
Saß, und zwar links, ein stolzer, finstrer Mann
Mit Todtenantlitz, das ich nicht erkannte,
Doch hatt' ich's schon gesehn, ich wußte nur
Nicht wo: es waren Riesenzüge fast;
Sein Aug' stand still, doch blitzte es; sein Haar
Fiel auf die breite Brust in langen Locken;
Ein mächt'ger Köcher hing ihm um mit Pfeilen,
Beschwingt von Adlerfittichen, die borstig
Sich durch das Schlangenhaar gedrängt.
Ich lud ihn ein, den Becher sich zu füllen,
Der zwischen uns, er aber rührt' sich nicht.
Ich füllte ihn; er nahm ihn nicht, und starrt'
Mich an, bis ich vor seinem stieren Blick
Erzitterte. Ich runzelte die Stirn',
Wie es ein König thut; er gab es nicht
Zurück, sah mich nur immer gleich starr an,
Was um so mehr mich schreckte, weil so gleich
Es blieb. Ich wollte, um mich zu erholen,
Auf sanft're Gäste schaun und suchte diese
Rechts, wo sonst du zu sitzen pflegst, allein – – (Er hält inne.)

Myrrha. Nun denn?

Sardanapal. In deinem Stuhl, an deinem Platz
Beim Mahl sucht' ich dein holdes Bild; dafür
Jedoch saß dort ein graues, welkes Ding
Mit blut'gem Aug' und blut'ger Hand – ein Geist,
Ja ein Gespenst in Frauentracht, gekrönt,
Zwar von der Zeit gefurcht, doch grinsend noch
Von Rachegier und schielend wie von Lust.
Mein Blut gerann.

Myrrha. Und ist dies Alles?

Sardanapal. Nein.
Zu ihrer rechten Hand, der hageren
Und vogelart'gen Hand, stand überschäumend
Ein Becher Bluts und ihr zur Linken einer
Gefüllt mit Etwas, was ich nicht konnt' sehn.
Doch wandt' ich ab von ihr mich und von ihm.
Und weiter saß entlang der langen Tafel
Noch eine Reih' gekrönter Schreckensbilder
Verschied'nen Anblicks, doch im Ausdruck gleich.

Myrrha. Und hattest du nicht das Gefühl, daß Alles
Ein Traumbild sei?

Sardanapal. O nein! es war so greifbar,
Berühren konnt' ich sie! Ich wendete
Mich von Gesicht nun zu Gesicht; ich hoffte,
Ich fände eines, das ich schon gekannt,
Eh' ich die ihren sah. Doch nein! – Sie wandten
Sich Alle zwar zu mir und starrten her,
Doch Keiner aß und trank; sie starrten fort,
Bis ich zu Stein ward, was auch sie halb schienen,
Doch Stein, der athmete; ich fühlte Leben
In ihnen und in mir; und es bestand
'Ne Art entsetzlicher Gemeinsamkeit
Bei mir und ihnen, als ob sie ein Stück
Vom Tod verloren, um zu mir zu kommen,
Und ich vom Leben, um sie hier zu schaun.
In einem Zustand waren wir, der ganz
Von Himmel oder Erde schien getrennt.
Und lieber will den rechten Tod ich sehn
Als solch ein Ding.

Myrrha. Und dann?

Sardanapal. Am Ende saß
Ich marmorn da wie sie. Da stand der Jäger,
Und stand die Alte auf: sie lächelten
Mich an; ja das vergrößerte, doch edle
Gesicht des Jägers lächelte mich an;
Das heißt, die Lippen, denn das Aug' blieb starr
Und auch des Weibes dünner Mund verzog
Zu Etwas wie zu einem Lächeln sich.
Sie standen auf, und die gekrönten Häupter
Auf jeder Seite standen gleichfalls auf,
Als ahmten sie die höhern Schatten nach,
Schauspieler selbst im Tod! Doch ich saß still.
Der Muth, den die Verzweiflung gibt, fuhr mir
Durch jedes Glied; und endlich fürchtete
Ich jene nicht mehr, sondern lachte den
Phantomen ins Gesicht. Doch da – da bot
Der Jäger seine Hand mir hin; ich griff
Darnach, doch sie zerschmolz in meiner Hand.
Dann schwand auch er, und nichts blieb mir von ihm
Als eines Helden Bild, denn also sah
Er aus.

Myrrha. Und war es auch. Der Ahnherr war's
Von Helden – und von dir.

Sardanapal. Ja, Myrrha! Doch
Das Weib, das erst noch blieb, sprang auf mich zu
Und sengte meinen Mund mit ekeln Küssen.
Da flogen rechts und links die Becher hin,
Mir war als flöß ihr gift'ger Trank um uns,
Bis jeder schwoll zu einem Schreckensbach.
Sie hing an mir; die andern Geister standen
Wie eine Reih' Statuen, stumpf und trüb
Wie sie in unsern Tempeln stehn; doch sie
Umarmte mich noch stets. Ich aber scheut'
Vor ihr, als ob ich nicht ein ferner Sprosse,
Vielmehr der Sohn wär', der um Blutschand' sie
Erschlug. Dann drängte dicht, gestaltlos sich
Ein Chaos wüster Dinge auf mich her.
Todt war ich, doch ich fühlte; war begraben,
Doch wieder auferweckt; von Würmern dann
Verzehrt, gereinigt durch des Feuers Glut
Und in der Luft gedörrt. Ich kann von dem,
Was ich gedacht, nichts weiter halten fest,
Als daß ich mich nach dir gesehnt, nach dir
Gesucht in diesen Todeskämpfen all,
Daß endlich ich erwachte und – dich fand.

Myrrha. So sollst du immer finden mich bei dir,
Hier und im Jenseits auch, wenn's eines gibt.
Doch denk' an diese Dinge jetzt nicht mehr,
Geschöpfe sind's der letzten Mißgeschicke,
Die auf dein sterbliches Gerüst gewirkt,
Das ungewohnt der Mühe, überschüttet
Von Mühen ward, die auch den Stärksten werfen.

Sardanapal. Es ist mir besser nun. Jetzt da ich noch
Einmal dich sah', scheint, was ich sah, mir nichts.

Salimenes tritt auf.

Salimenes. Ist Seine Majestät schon wach?

Sardanapal. Ja, Bruder!
Ich wollt' sogar, ich hätte nicht geschlafen,
Denn alle Ahnen unsres Hauses kamen
Und wollten mich zu ihnen niederziehn.
Mein Vater auch war in der Geister Schaar;
Er aber hielt sich fern von mir. – Warum?
Das weiß ich nicht, – und ließ mich zwischen Ihm,
Dem Jäger-Stifter unseres Geschlechts
Und Ihr, der Volks- und Gattenmörderin,
Die ihr doch ruhmvoll nennt.

Salimenes. So nenn' ich jetzt
Auch dich, seit einen Geist du hast gezeigt,
Der ihrem gleicht. Den Vorschlag mach' ich jetzt,
Daß wir mit Tagesanbruch rücken aus
Und noch einmal an die Rebellen gehn,
Die sich jetzt sammeln, und vertrieben zwar,
Doch nicht vernichtet sind.

Sardanapal. Wie weit ist's in
Der Nacht?

Salimenes. Sie zählt noch ein Paar dunkle Stunden,
Benutze sie zu weit'rer Ruh'.

Sardanapal. Nein! heut'
Nacht nicht, wenn die noch nicht vorbei. Mir war,
Als hätt' mit jenem Traumgesicht ich viel
Der Stunden hingebracht.

Myrrha. Kaum eine war's.
Ich wachte ja bei Euch; 's war eine schwere,
Doch Eine Stunde nur.

Sardanapal. So halten wir
Denn Rath, und morgen greifen wir sie an!

Salimenes. Ich habe vorher dich um eine Gnad'
Zu bitten noch.

Sardanapal. Sie ist gewährt.

Salimenes. Erst hör',
Eh' du so rasch gewährst. Die Bitte geht
Dein Ohr nur an.

Myrrha. Prinz, ich empfehle mich. (Myrrha ab.)

Salimenes. Der Freiheit wahrlich ist die Sklavin werth.

Sardanapal. Der Freiheit nur? Sie ist des Thrones werth.

Salimenes. Gemach! er ist noch nicht vakant. Von Der,
Die ihn mit dir noch theilt, möcht' ich jetzt reden.

Sardanapal. Was? Von der Königin?

Salimenes. Von eben Der!
Ich hielt für ihre Sicherheit es gut,
Daß sie vor Tag noch mit den Kindern flieht
Nach Paphlagonien, wo Cotta herrscht,
Der uns verwandt, und dort für alle Fälle
Das Leben meiner Neffen, deiner Söhne
Und damit den gerechten Anspruch auch
An diese Krone sicher stellt.

Sardanapal. Ich geh'
Zu Grund, wahrscheinlich ist's. Drum heiß' ich's wohl-
Bedacht. Sie sollen mit Bedeckung gehn,

Salimenes. Dafür ist schon gesorgt, und auch das Boot
Bereit, das sie den Euphrat abwärts führt.
Doch willst du nicht noch, eh' sie scheiden, dein –

Sardanapal. Die Kinder sehn, meinst du? – Es könnte mich
Entmuthigen; die Knaben werden weinen.
Was kann dann ich zu ihrem Troste geben?
Nur eitle Hoffnung, ein erzwungnes Lächeln.
Du weißt, ich kann nicht heucheln.

Salimenes. Aber fühlen,
Ich glaub' es wenigstens: mit einem Wort,
Die Königin möcht' dich noch sehn, eh' sie
Für immer geht.

Sardanapal. Wozu? Zu welchem Zweck?
Ich will gewähren, was sie will, nur solch
Begegnen nicht.

Salimenes. Du kennst die Frau'n zu wohl,
Da du so eifrig sie studirt, um nicht
Zu wissen, daß ein Wunsch, der mit dem Herzen
Zusammenhängt, mehr Werth für ihr Gefühl,
Für ihre Phantasie besitzt, als selbst
Die ganze äußre Welt. Ich denke ganz
Wie du von meiner Schwester Wunsch, allein
Es ist ihr Wunsch einmal, 's ist meine Schwester,
Du ihr Gemahl – willst du den Wunsch gewähren?

Sardanapal. Es ist umsonst! Doch laß sie immer kommen.

Salimenes. Ich geh'. (Salimenes ab.)

Sardanapal. Wir haben allzulang getrennt
Gelebt, um wieder uns zu sehn, und jetzt!
Hab' ich nicht Sorgen, Leids genug allein?
Warum denn mischen unsres Kummers Thränen,
Da längst wir nicht mehr unsre Liebe mischen?

Salimenes und Zarina treten ein.

Salimenes. Muth, meine Schwester! Mache unsrem Blut
Durch Zittern keine Schand'! Erinn're dich,
Wem wir entsprossen sind. – Die Königin,
Mein Fürst, ist da.

Zarina. Ich bitte dich, mein Bruder,
Laß uns allein

Salimenes. Wenn du es durchaus willst. (Salimenes ab.)

Zarina. Allein mit ihm! Wie viele Jahre sind's,
So jung wir sind, daß wir uns nicht gesehn.
Ich trug sie in des Herzens Wittwenschaft.
Er hat mich nicht geliebt; doch scheint er nicht
Verändert sehr – nur gegen mich – wär' die
Veränd'rung gegenseitig doch! Er spricht
Nicht, sieht mich kaum – auch nicht ein Wort – kein Blick!
Und seine Stimme war, sein Blick so sanft,
Gleichgültig, doch nicht streng. – Mein Fürst!

Sardanapal. Zarina!

Zarina. Nein! nicht Zarina, sag' Zarina nicht!
Der Ton, dies Wort vernichtet lange Jahre
Und Dinge, die sie länger machen noch!

Sardanapal. Es ist zu spät, der Träume zu gedenken.
Die längst dahin. Vorwürfe wollen wir –
Das heißt: Mach du mir keinen Vorwurf jetzt,
Dies letzte Mal.

Zarina. Der erste wär's! Ich that
Es nie.

Sardanapal. Das ist sehr wahr und dieser Vorwurf
Drückt eben schwerer auf mein Herz, als wenn –
Doch unser Herz steht nicht in unsrer Macht.

Zarina. Noch unsre Hand – ich aber gab sie beide.

Sardanapal. Dein Bruder sagte mir, du wollst' mich sehn,
Eh' Niniveh du läßt mit – (zögert)

Zarina. Unsern Kindern.
So ist's. Ich wollte danken dir, daß du
Mein Herz nicht schiedst von Allem, was es jetzt
Noch liebt, von denen, die ja dein und mein,
Die gleichen dir und auf mich sehn, wie du's
Einst thatst – sie blieben gleich.

Sardanapal. Und werden's stets.
Ich wünschte, daß sie pflichtgetreu verblieben.

Zarina. Ich lieb' sie nicht nur mit der Zärtlichkeit
Verliebter Mutter, nein! verliebten Weibs.
Sie sind die einz'gen Bande zwischen uns.

Sardanapal. Glaub' nicht, ich sei dir hierin nicht gerecht,
Erziehe sie, daß mehr sie deinem Haus
Als ihrem Vater gleichen. Ich vertrau'
Sie dir, mach' eines Throns sie würdig, würd'
Er ihnen auch einst nicht zu Theil: – Du hast
Von dem Tumulte dieser Nacht gehört?

Zarina. Halb schon vergaß ich es, und hätt' selbst froh
Den Gram begrüßt, der mich dein Angesicht
Von Neuem sehen ließ, wenn er nur dich
Nicht traf.

Sardanapal. Der Thron – ich sag' es ohne Furcht –
Er wankt. Vielleicht besteigen meine Söhne
Ihn nie. Doch mögen sie deshalb ihn nicht
Aus dem Gesicht verlieren. Setzen werd'
Ich Alles dran, ihn ihnen zu versichern.
Doch wenn es nicht gelingt, dann müssen sie
Durch Tapferkeit ihn wieder neu gewinnen,
Und ist er ihrer, weise ihn erhalten,
Ihr Königthum nicht wie ich that, verbrauchen.

Zarina. Sie werden nie Etwas von mir vernehmen,
Was ehrend nicht für ihres Vaters Ruf.

Sardanapal. Sie mögen dann von dir die Wahrheit eher
Als von der Welt, die mich zertritt, vernehmen.
Wenn sie im Unglück sind, so werden sie
Den Hohn nur zu bald schmecken, den der Pöbel
Für kronenlose Prinzen hat, und fühlen,
Daß ihres Vaters Sünden alle auch
Die ihren sind. Die armen Jungen! Wär'
Ich kinderlos, ich hätte es ertragen.

Zarina. O sprich nicht so! vergifte mir nicht noch
Mein letztes Glück, und wünsche nicht, daß du
Nicht Vater wärst! Wenn Sieger du verbleibst,
So werden sie hier herrschen und Den ehren,
Der für sie rettete das Reich, um das
Er seinethalb so wenig Sorge trug,
Und wenn's –

Sardanapal. Verloren geht, wird alle Welt
Laut ihnen schrei'n: »Das dankt ihr eurem Vater!«
Und sie das Echo machen mit 'nem Fluch.

Zarina. Das sollen nimmermehr sie thun! vielmehr
Den Namen dessen ehren, der als König
Doch starb und in der letzten Stunde mehr
Für sein Gedächtnis that, als mancher Fürst
In langen Tagen, die die Flucht der Zeit
Bedeuten zwar, doch nicht Geschichte sind.

Sardanapal. Assurs Geschichte geht vielleicht zu Ende,
Doch wie auch hinschwand die Vergangenheit,
Das Ende soll wie einst der Anfang sein
– Bemerkenswerth!

Zarina. Doch sei zu hitzig nicht,
Gib auf dein Leben Acht, und leb' für die,
Die lieben dich.

Sardanapal. Und wer sind die? 'Ne Magd,
Die liebt aus Leidenschaft, ich will nicht sagen
Aus Ehrgeiz; Throne sah sie wanken schon
Und Liebesbünd'; – und ein paar Freunde, die
Mit mir gezecht, bis wir ganz Eins geworden,
Die nichts sind, wenn ich fall'; ein Bruder, den
Ich oft gekränkt und Kinder, die ich schwer
Versäumt, und dann ein Weib –

Zarina. Das dich nur liebt.

Sardanapal. Und auch verzeiht?

Zarina. Ich dachte daran nie,
Und kann verzeihen erst, wenn ich verdammt.

Sardanapal. Mein Weib!

Zarina. Gesegnet seist du für das Wort!
Ich dacht' es nimmermehr von dir zu hören.

Sardanapal. Du hörst es noch von meinen Unterthanen!
Ja diese Sklaven, die ich fett gemacht,
Mit Frieden füllte und mit Wohlstand stopfte,
Daß Kön'ge sie im eig'nen Haus geworden,
Sie drängen in Empörung nun heran
Und fordern dessen Tod, der doch ihr Leben
Zum Fest gemacht; indeß die Wenigen,
An die kein Recht ich hab', getreu verblieben.
Das ist entsetzlich, aber wahr!

Zarina. Es ist
Vielleicht natürlich nur; denn eine Wohlthat
Wird in des Schlechten Herz zu Gift.

Sardanapal. Und in
Des Guten wandelt Schlimmes sich zu Gutem.
Das ist noch schöner als der Biene Thun,
Die Honig nur aus süßen Blumen zieht.

Zarina. So nimm den Honig, frage nicht, woher.
Beruh'ge dich, du bist nicht ganz verlassen.

Sardanapal. Mein Leben macht mich Deß gewiß. – Wie lang'
Wenn ich nicht König wäre, lebt' ich noch
Als Sterblicher? das heißt, wo Sterbliche
Jetzt sind, nicht wo sie werden sein?

Zarina. Das weiß
Ich nicht. Doch leb' für meine – deine Kinder!

Sardanapal. O edle und mißhandelte Zarina!
Ich bin der Sklave der Verhältnisse,
Des Augenblicks, von jedem Hauch bewegt,
Falsch auf dem Thron, im Leben falsch gestellt;
Ich weiß nicht, was ich konnte sein; doch fühl',
Ich bin nicht, was ich sein gesollt. Mag es
Zu Ende gehn, doch dies nimm noch mit dir:
Ich war, um eine Lieb', ein Herz wie deins
Zu schätzen, nicht gemacht; noch konnte ich
In deine Schönheit schwärmend mich verlieben,
Wie ich's gethan bei weit gering'rem Reiz,
Und einzig nur, weil solcher Liebe Pflege
Mir eine Pflicht war, und ich Alles haßte,
Was wie 'ne Kette aussah, sei's für mich,
Sei's für die Andern – der Empörer selbst
Muß dies gestehn –; doch höre noch ein Wort,
Mein letztes ist's vielleicht: kein Mensch hat je
Mehr deine Tugenden geschätzt, obschon
Er sie nicht nützen konnt' – wie oft der Bergmann
Auf eine Ader reinsten Goldes stößt
Und so entdeckt, was ihm nicht helfen kann;
Er fand sie wol, doch sie gehört nicht sein,
Vielmehr dem Vorgesetzten, der zum Graben
Ihn angestellt, doch nicht daß er den Schatz,
Der vor ihm funkelt, mit dem Höhern theil'.
Nicht heben darf er ihn, das Pfund nicht wägen,
Fort muß er kriechen, in der Erde wühlen.

Zarina. O wenn du endlich eingesehn, daß werth
Der Achtung meine Liebe sei, so will
Ich ja nicht mehr! Laß uns zusammen fort
Und ich – o laß mich sagen: wir! – wir werden
Noch glücklich sein. Assyrien ist ja
Noch nicht die Welt, wir werden eine Welt
Für uns, in uns und ganz uns eigen finden
Und glücklicher dort sein, als je ich war,
Als je du warst, trotzdem ein ganzes Reich
Dir zum Genuß gegeben war.

Salimenes tritt auf.

Salimenes. Ich muß
Euch trennen nun! Die Augenblicke, die
Wir nicht verlieren dürfen, fliehn.

Zarina. Du Harter!
Womit willst du Momente uns ersetzen,
Die so erhaben sind, ja so beglückt –?

Salimenes. Beglückt?

Zarina. Er war so lieb mit mir, daß ich
Von ihm zu gehn nicht denken kann.

Salimenes. So endet
Dein Frauenabschied, wie sie immer enden:
Damit, daß du nicht scheiden willst. Ich dacht's
Und gab nur gegen meinen Willen nach.
Allein es darf nicht sein.

Zarina. Nicht sein?

Salimenes. Wenn hier
Du bleibst, so gehst auch du zu Grund.

Zarina. Mit dem
Gemahl!

Salimenes. Und mit den, Kindern.

Zarina. Ach!

Salimenes. Hör, Schwester!
Sei meine Schwester! Alles ist bereit,
Um sicher dich in Sicherheit zu bringen,
Dich und die Knaben, unsre letzte Hoffnung!
Es ist dies keine Frage des Gefühls,
So groß es sei, 's ist eine Forderung
Des Staats. Es werden die Rebellen sonst
Noch mehr sich rühren, um der Söhne sich
Des Königs zu bemächtigen und sie –

Zarina. O sprich nicht weiter!

Salimenes. Gut! So merke dir:
Wenn sie entrückt des Meders Krallen sind,
So hat die Rebellion ihr Hauptziel ja
Verfehlt: die Ausrottung von Nimrods Stamm.
Fällt auch der König, leben seine Söhne
Der Rache und dem Sieg.

Zarina. Doch könnte ich
Allein nicht bleiben?

Salimenes. Wie? Die Kinder willst
Du lassen, daß, trotz Vater lebt und Mutter,
Sie Waisen sei'n in einem fremden Land,
So jung, so fern von dir –?

Zarina. Ach nein! Mir bräch'
Das Herz!

Salimenes. Jetzt weißt du Alles, jetzt entscheid'!

Sardanapal. Zarina, er hat Recht. Wir müssen der
Notwendigkeit uns fügen. Bleibst du hier,
Magst leichtlich Alles du verlieren. Ziehst
Du fort, so rettest du den bessern Theil
Von dir und mir, für all die treuen Herzen,
Die noch in diesen Reichen für uns schlagen.

Salimenes. Es drängt die Zeit.

Sardanapal. So geh'! Wenn jemals wir
Uns wiedersehn, bin dein ich würdiger
Vielleicht; wo aber nicht, so denke dran,
Daß meine Fehler, wenn auch nicht gebüßt,
So doch zu Ende sind. Doch fürchte ich,
Du wirst dich über den verfehmten Namen,
Die Asche, die Assyrien einst regiert,
Mehr grämen als – – doch weibisch werd' ich wieder
Und darf es nicht! Ich muß jetzt Härte lernen.
Zur sanften Klasse zählen meine Sünden.
Birg deine Thränen! Ich ersuch' dich nicht,
Sie nicht zu weinen. Leichter wär' es wol
An seinem Quell den Euphrat zu verstopfen
Als eine Thräne solchen Herzens hemmen.
Doch laß mich sie nicht sehn! Sie nehmen mir
Die Mannheit, die ich wieder kaum gewonnen. –
Mein Bruder, führe sie hinweg.

Zarina. O Gott!
Ich soll ihn niemals wieder sehn!

Salimenes (bemüht sich sie wegzuführen). Du mußt
Gehorchen, Schwester! Komm'!

Zarina. Nein! bleiben muß
Ich – weg! Du sollst nicht halten mich! Soll er
Allein denn sterben? – leben ich allein?

Salimenes. Er soll allein nicht sterben; aber du
Hast Jahre lang allein gelebt.

Zarina. Das ist
Nicht wahr! Ich wußte, daß er lebte, doch!
Und lebte so von seinem Bild – laß gehn!

Salimenes (führt sie mit Gewalt über die Bühne).
Nun denn, so muß ich etwas brüderlich
Gewalt dir thun, die du verzeihen wirst.

Zarina. Nie, nie! O hilf, Sardanapal! Willst du
Mich also von dir weggerissen sehn?

Salimenes. Nein! Alles ist von Neuem uns verloren,
Wenn diesen Augenblick wir nicht gewinnen.

Zarina. Mir schwindelt! 's schwimmt mir vor den Augen – Wo
Ist – er? (fällt in Ohnmacht.)

Sardanapal. Halt! Setz' sie nieder! Sie ist todt,
Du hast sie umgebracht.

Salimenes. 'S ist nur die Ohnmacht
Der Leidenschaft, die überschafft sich hat.
Es wird ihr besser werden in der Luft.
Ich bitte, bleibe fern! (Bei Seite.) Ich muß mich des
Moments bemächtigen, um sie dahin,
Wo ihre Kinder schon sich eingeschifft
Zum Strom hinab ins Königsboot zu bringen.

(Salimenes trägt sie fort.)

Sardanapal. (allein). Auch dies – auch dies muß ich geschehen lassen!
Ich, der ich einem Menschenherzen nie
Absichtlich Schmerz gemacht! – Doch dies ist Lüge!
Sie liebte mich, und ich – ich liebte sie!
Unsel'ge Leidenschaft! Warum vergehst
Du in den Herzen nicht zugleich, die du
Zugleich entflammt? – Zarina! Theuer muß
Ich für den Gram, den ich dir machte, zahlen.
Hätt' ich nur dich geliebt, so wäre ich
Auf meinem Throne nicht behelligt worden,
Und meine Völker hätten mich geehrt.
Zu welchem Abgrund führt ein einz'ger Schritt
Ab von dem rechten Weg der Pflicht selbst die,
Die Huldigungen fordern wie 'ne Schuld
Und sie erhalten, bis sie sie verwirken.

Myrrha tritt auf.

Sardanapal. Du hier? Wer rief dich her?

Myrrha. Niemand, doch aus
Der Fern' vernahm ich eine Klagestimme
Und dacht' –

Sardanapal. Zu deinen Pflichten zählt es nicht,
Hier zu erscheinen unersucht.

Myrrha. Obgleich
Ich Euch vielleicht an ein'ge sanft're Worte,
Die zwar mich auch gezankt, erinnern könnt',
Wo Ihr mich schaltet, daß ich immer fürchte,
Aufdringlich Euch zu sein, – so widersteh'
Ich meinem Wunsch und Eurer Weisung selbst:
»Zu jeder Zeit und selbst vor Jedermann
Zu Euch zu kommen, wenn auch nicht gerufen,«
Und ziehe mich zurück,

Sardanapal. Nein bleib' – da du
Jetzt einmal da! – Ich bitte dich, verzeih'!
Umstände haben bitter, grämlich mich
Gemacht. Acht' nicht darauf, ich werde bald
Ich selbst ganz wieder sein.

Myrrha. Ich warte in
Geduld auf das, was gern ich sehen werd'.

Sardanapal. Kaum eh' in diese Halle du getreten,
Ging erst Assyriens Königin Zarina
Weg.

Myrrha. Ah!

Sardanapal. Weshalb erschrickst du?

Myrrha. That ich das?

Sardanapal. Gut war's, daß durch ein anderes Portal
Herein du kamst, sonst hätt'st du sie begegnet.
Der Kummer blieb ihr wenigstens erspart.

Myrrha. Ich kann wol mit ihr fühlen.

Sardanapal. Nein! das wär'
Zu viel, und über die Natur hinaus!
Nicht gegenseitig und nicht möglich wär's:
Du kannst nicht Mitleid mit ihr fühlen, sie
Nichts als –

Myrrha. Verachtung für die Lieblingssklavin!
Dasselbe, was ich stets für mich gefühlt.

Sardanapal. Verachtung? Wie? Da dein Geschlecht dich neidet
Und du's beherrschest mit des Weltherrn Herzen?

Myrrha. Und wärst du Herr von zwanzigtausend Welten,
Wie du die eine, die einst dein, wol bald
Verlierst, so hab' ich dennoch ebenso
Mich selbst entehrt, da ich dein Liebchen ward,
Wie wenn du Bauer wärst, ja mehr als das,
Wenn Grieche dieser Bauer wär'.

Sardanapal. Du sprichst
Geschickt.

Myrrha. Und wahr.

Sardanapal. Wenn es mit einem Mann
Zur Neige geht, wird gegen den Gebeugten
Ein Jeder kühn; doch da ich noch nicht ganz
Gefallen bin und nicht gern Vorwurf hör',
Vielleicht weil ich nur zu oft ihn verdient,
So laß, so lang' noch Frieden zwischen uns.
Uns scheiden.

Myrrha. Scheiden?

Sardanapal. Sind die frühern Menschen
Nicht all geschieden, werden eines Tags
Nicht alle Gegenwärt'gen scheiden?

Myrrha. Und
Weshalb?

Sardanapal. Zu deiner Sicherheit, für die
Ich sorgen will. Mit starker Schutzmannschaft
Sollst du nach deinem Vaterlande ziehn
Und solche Gaben mit dir nehmen, daß,
Wenn eine Königin du auch nicht warst,
Doch deine Mitgift werth sei eines Reichs.

Myrrha. Ich bitt' dich, sprich nicht so!

Sardanapal. Die Königin
Ist fort. Du brauchst dich nicht zu schämen, wenn
Du folgst. Allein möcht' ich vergehn. Ich suche
Genossen nur zu meiner Lust.

Myrrha. Und ich
Nur darin Lust, daß ich von dir nicht scheide.
Du sollst nicht mit Gewalt mich von dir reißen.

Sardanapal. Bedenk' es wohl! Bald ist's vielleicht zu spät.

Myrrha. Mag es so sein, dann kannst du Myrrha doch
Von dir nicht trennen mehr.

Sardanapal. Ich will's auch nicht,
Ich dachte nur, du wünschtest es.

Myrrha. Was? ich?

Sardanapal. Du sprachst von deiner Schmach.

Myrrha. Und tief empfind'
Ich sie, weit tiefer als jed' andres Ding,
Nur nicht als meine Lieb'.

Sardanapal. So flieh' davor.

Myrrha. Das höb' doch die Vergangenheit nicht auf.
Es stellt die Ehre mir nicht her, das Herz.
Nein, nein! Hier will ich stehen oder fallen.
Siegst du, so leb' ich, um an dem Triumph
Mich zu erfreun; fällt aber anders dein
Geschick, so werd' ich's theilen, ohne drob
In Thränen aufzugehn. Du hast an mir
Vor wenig Stunden nicht gezweifelt noch.

Sardanapal. An deinem Muthe nie, an deiner Lieb'
Nur eben erst, und Niemand hätte mir
Den Zweifel dran erweckt, als nur du selbst.
Dein Wort –

Myrrha. War nur ein Wort. Ich bitte dich,
Laß für mich zeugen mein vergangen Thun,
Das du noch heute Nacht gerühmt, und dann
Mein künftig Thun, wo immer hin dich das
Geschick mag wehn.

Sardanapal. Es soll so sein. Doch im
Vertrauen auf mein Recht, hoff' ich, wir können
Noch Sieger sein und wiederschaun den Frieden,
Den einz'gen Sieg, den ich erstreb'. Für mich
Ist Krieg kein Ruhm, Triumph kein Glück. Daß ich
Genöthigt war, mein Recht so zu erkämpfen,
Liegt schwerer auf dem Herzen mir, als all
Das Unrecht thut, womit man mich will beugen.
Nie, nie vergess' ich diese Nacht, wenn ich
Auch weiter leb', um der Erinnerung
Von andern Nächten diese anzufügen.
Ich glaubte, durch mein mildes Regiment
Hier eine Aera süßen Friedens, mitten
In blut'gen Zeiten angelegt zu haben,
'Nen grünen Fleck in hundert wüsten Jahren,
Auf den die Zukunft freudig sollte schaun,
Die goldne Zeit Sardanapals lobpreisend
Und sie beseufzend, weil sie nicht mehr da.
Ich glaubt' aus meinem Reich ein Paradies
Gemacht zu haben, jeden neuen Mond
Zu einer Quelle neuer Lust. Ich nahm
Den Pöbelruf für Lieb', das Wort der Freunde
Für baare Münze, sucht' auf Weibes Lippen
Den einz'gen Lohn – und fand ihn auch, o Myrrha! (Küßt sie.)
Küß' mich! – Jetzt nehmen sie mir Reich und Leben,
Sie sollen Beides haben – niemals dich.

Myrrha. Nein, nie! Der Mensch mag seinem Nebenmenschen,
Was groß nur ist und glänzend, Alles rauben,
Es mögen Reiche stürzen, Heere weichen,
Abfallen Freunde, Sklaven fliehn, und Alle
Verrathen uns, und die am meisten schulden,
Am meisten auch – ein Herz, das selbstlos liebt,
Bleibt treu. Hier ist ein solches, prüf' es nun!

Salimenes. Ich suchte Euch! – Sie wieder hier?

Sardanapal. Laß jetzt
Das Schelten sein. Mir scheint, dein Anblick spricht
Von Höh'rem mir, als einem Weiberrock.

Salimenes. Das einz'ge Weib, an dem in dieser Stunde
Mir etwas liegt, ist jetzt in Sicherheit:
Die Königin ist eingeschifft.

Sardanapal. Und gut?
Sag' nur noch das!

Salimenes. Gewiß! Der Schwächeanfall
Ist nun vorbei; er hat sich wenigstens
In thränenloses Schweigen aufgelöst.
Ihr blaß Gesicht, ihr blitzend Auge war
Nach einem Blick auf ihrer Kinder Schlaf
Nach des Palastes Thürmen starr gerichtet,
Als die Galeere unter'm Sternenlicht
Geschwind und leis im schnellen Strome flog.
Doch sprach sie nichts.

Sardanapal. Ich wollt', ich fühlte auch
Nicht mehr jetzt, als sie sprach.

Salimenes. Zum Fühlen ist's
Zu spät, das kann kein einzig Weh' zerstreun;
Doch die Gefühle etwas abzuleiten,
Bring' ich die sich're Kunde, daß die Meder
Und die Chaldäer unter ihren Führern
Von Neuem unter Waffen stehn und sich
Die Glieder schließend, neu zum Sturme rüsten.
Sie haben Beistand offenbar erhalten
Aus andern Satrapie'n.

Sardanapal. Noch mehr Rebellen?
So kommen ihrem Angriff wir zuvor!

Salimenes. Das wäre jetzt wol nicht mehr vorteilhaft,
Obschon es unsre erste Absicht war.
Wenn morgen bis zur Mittagsstunde wir
Durch die, nach denen sich're Boten ich
Gesandt, verstärkt erst sind, dann können wir
Den Angriff, ja selbst die Verfolgung wagen,
Bis dahin aber stimme ich für's Warten.

Sardanapal. Ich mag das Warten nicht. Wenn's sich'rer auch
Erscheint, zu kämpfen hinter hohem Wall,
Den Feind zu stürzen in die tiefen Gräben,
Ihn an den Spießen zappeln sehn, die man
Ihn zu empfangen, vorgestreckt, so lieb'
Ich doch es nicht. Die Seele wird kaum lau.
Doch wenn ich frei auf sie mich stürz', und wären
Zu Bergen sie gethürmt, dann wollte ich
Sie keck zerreißen oder untergehn
Im heißen Blut. O laß mich los auf sie!

Salimenes. Du sprichst wie ein Soldat, der Neuling noch.

Sardanapal. Ich bin Soldat nicht, nein, ein Mann! Sprich mir
Von Soldateska nicht, ich hass' das Wort
Und Alle, die vor uns sich damit spreizen;
Doch führ' mich hin, wo ich sie fassen kann.

Salimenes. Du darfst dein Leben nicht so hitzig wagen,
'S ist nicht wie meins, wie andrer Leute Hauch.
Der ganze Kampf dreht sich ja darum nur.
Dies Leben nur hat ihn erzeugt, entflammt,
Und kann ersticken ihn, verlängern, enden.

Sardanapal. So laß uns Kampf und Leben enden! Besser
Ist's so vielleicht, als eins davon verlängern.
Ich habe eins – vielleicht auch beide satt.

(Eine Trompete ertönt von außen.)

Salimenes. Hörst du?

Sardanapal. Laß uns erwidern und nicht horchen.

Salimenes. Und deine Wund' –?

Sardanapal. Sie ist verbunden längst, –
Geheilt – ich hatte sie vergessen! – Fort!
Des Arzts Lanzette hätte tiefer mich
Geritzt. Der Sklave, der sie mir geschlagen,
Sollt' schämen sich, daß er so schwächlich schlug.

Salimenes. Mög' keiner jetzt mit bess'rem Ziele treffen!

Sardanapal. Ja, wenn wir siegen; doch wenn nicht, so lassen
Sie eine Arbeit mir, die ihrem König
Ersparen sie gekonnt. Nun drauf! (Neuer Trompetenstoß.)

Salimenes. Ich bin
Dabei!

Sardanapal. He meine Waffen her! Die Waffen! (Beide ab)

 


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