George Byron
Sardanapal
George Byron

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Erster Act.

Erster Auftritt.

Halle im Palast.

Salimenes (allein). Gekränkt hat er die Königin, doch ist
Er noch ihr Herr; hat meine Schwester auch
Gekränkt und ist mein Bruder noch, hat selbst
Sein Volk gekränkt und ist noch dessen Herrscher.
Ich aber muß sein Freund, sein treuer Knecht
Jetzt sein: so darf er nicht zu Grunde gehn.
Ich will nicht sehn, wie Nimrods Blut und der
Semiramis verrinnet, und ein Reich
Von dreizehnhundert Jahren abschließt wie
Ein Schäferspiel. Er muß geschüttelt werden.
In seinem Herzen lebt, so sehr es auch
Verweichlicht ist, ein sorgenloser Muth,
Den noch Verderbniß nicht zerfressen hat,
Und eine Stärke, die zurückgehalten
Durch manchen Umstand ist, doch nicht zerstört,
Getaucht in Wollust, doch nicht drin ertränkt.
Kam als ein Bauer er zur Welt, er wär'
Ein Mann geworden, der ein Reich errang;
Geboren auf dem Thron, wird keines er
Einst hinterlassen mehr, nur einen Namen,
Den seine Söhne groß nicht schätzen werden.
Doch noch ist Alles nicht verloren, noch
Kann gut er machen seine Schmach und Schwäche,
Wenn er nur ist, was er uns sollte sein;
Was doch so leicht, als was er nicht sollt' sein,
Doch ist. Wär's wen'ger Arbeit denn, sein Volk
Regieren als sein Leben zu verbrauchen?
Ein Heer zu führen, als ein Harem leiten?
Er schwitzt bei Lüsten, die ihn doch nur schwächen,
Verdummt den Geist, vergeudet seine Kraft
In Mühn, die nicht Gesundheit geben wie
Die Jagd, noch Ehre wie der Krieg. Er muß
Emporgerüttelt werden! Ach! das ist
Der Ton nicht, der ihn donnernd weckt vom Schlaf.
    (Klänge einer sanften Musik von Innen.)
Horch Lauten, Cimbeln, zarter Instrumente
Entnervendes Geklimper, weichliches!
Der süße Laut von Stimmen junger Mädchen
Und Wesen, die nicht einmal Mädchen sind,
Sie klingen in das Echo seiner Mahle,
Indeß der König der bekannten Welt,
Bekränzt mit Rosen auf dem Ruhbett lehnt,
Und seine Krone leichthin liegen läßt,
So daß die erste beste Manneshand,
Die darnach greift, sie ihm auch nehmen kann.
Da kommen sie! Schon athme ich die Düfte
Der Wohlgerüche, die den Zug umwehn,
Ich schau' der Mädchen funkelnde Demanten,
Die sein Gefolge bilden, seinen Rath.
Da flimmern sie die Galerie entlang,
Und unter ihnen, fast so mädchenhaft
Wie sie, im gleichen, weibischen Gewand,
Erscheint der Enkel der Semiramis,
Der Weibermann! – Er naht. Erwart' ich ihn?
Ja, ich begegne ihm und sage ihm,
Was unter sich die Ehrenmänner sagen,
Wenn sie von ihm und seinem Hause reden.
Sie nahn, die Sklaven, von dem Herrn geführt,
Der doch der Sklave seiner Sklaven ist.

Zweiter Auftritt.

Sardanapal, weibisch gekleidet, mit einem Blumenkranze auf dem Kopf, das Gewand nachlässig umgeworfen, und von einem Gefolge von Mädchen und jungen Sklaven begleitet, tritt auf.

Sardanapal (zu den Dienern). Den Pavillon am Euphrat schmückt mit Blumen
Und Lampen aus, und richtet ihn mir her,
Um dort ein festliches Banket zu halten.
Um Mitternacht soll dort getafelt werden.
Seht zu, daß es an nichts gebricht, und stellt
Auch die Galeere mir bereit. Es weht
Ein kühlend Lüftchen, das die Wellen kräuselt
Im klaren Strom, wir wollen alsbald fahren.
Ihr schönen Nymphen, die ihr lieb und hold
Die sanften Stunden mit mir theilen wollt,
In jener süßesten sehn wir uns wieder,
Und schaaren uns wie jene Sterne dort:
Dann schafft ihr einen Himmel mir, der strahlt
Wie jener dort. Bis dahin sei ein Jedes
Herr seiner Zeit. Du, meine Myrrha, wähle:
Willst du mit ihnen oder mir?

Myrrha. O Herr!

Sardanapal. »O Herr?« Mein Herz, was kommst du mir so kalt?
Der Kön'ge Fluch ist's immer, daß man ihnen
So Antwort gibt. Gebiete deinen Stunden,
Und du gebeutst auch meinen – sprich! willst du
Mit unsern Gästen gehn, willst lieber du
Mir selbst hinweg die Augenblicke zaubern?

Myrrha. Des Königs Wahl ist meine.

Sardanapal. Bitte, sprich
Nicht so! Mein höchstes Glück besteht darin.
Dir jeden deiner Wünsche zu erfüllen.
Ich wage nicht den eignen. Wunsch zu nennen,
Damit er gegen deinen nicht verstößt,
Denn allzuschnell bringst stets du dein Verlangen
Zum Opfer dar.

Myrrha. Ich möchte bei dir bleiben;
Mein Glück ist nur, das deine anzuschaun.
Gleichwol –

Sardanapal. Gleichwol? Nun was? Dein holder Wille
Soll ja die einz'ge Schranke sein, die je
Sich hebe zwischen mir und dir.

Myrrha. Ich glaub',
Es ist des Staatsraths Stunde jetzt; drum war'
Es besser wol, ich zöge mich zurück.

Salimenes (tritt vor). Gut spricht die Jonierin: sie ziehe sich zurück.

Sardanapal. Wer gibt hier Antwort? – Ach, du bist's!
Der Kön'gin Bruder!

Salimenes. Und des Königs auch,
Und, Euer treuster Unterthan, mein Fürst.

Sardanapal (zum Gefolge). Wie ich gesagt, so thut mit eurer Zeit
Bis Mitternacht, wo ich euch wieder bitte. (Der Hof zieht sich zurück.)
(Zu Myrrha, die ebenfalls gehen will.) Wie, Myrrha, bleibst du nicht?

Myrrha. Mein König, du
Befahlst es nicht.

Sardanapal. Doch sagten deine Blicke,
– Und alle kenn' ich dieser jon'schen Augen –
Sie sagten mir, du woll'st mich nicht verlassen.

Myrrha. Herr! Euer Bruder –

Salimenes. Seines Weibes Bruder!
Du jon'sche Dirn', wie wagst du's mich zu nennen
Und wirst nicht roth?

Sardanapal. Nicht roth? Am Auge fehlt,
Am Herzen fehlt es dir, da du sie ja
So scharlachroth machst wie den Tag, der sinkt
Am Kaukasus, wenn Sonnenschein den Schnee
Mit Rosenfarben malt, – und sie dann schiltst,
Weil blind du bist, weil du nichts sehen willst.
Du bist in Thränen, Myrrha?

Salimenes. Laß sie fließen,
Sie weint für mehr als Einen, und ist selbst
An Thränen Schuld, die noch viel bitterer.

Sardanapal. Verflucht, wer diese Thränen fließen machte!

Salimenes. Fluch dir nicht selbst, wie schon Millionen thun.

Sardanapal. Vergiß dich nicht, und mahne mich nicht dran,
Daß ich ein Herrscher bin.

Salimenes. Ich wollt', ich könnt's.

Myrrha. Mein König, und auch du, mein Prinz, ich bitte,
Erlaubt mir, daß ich geh'.

Sardanapal. Da es sein muß
Und dieser Murrkopf deinen zarten Geist
Beleidigt hat, so geh'. Doch denke dran,
Daß bald wir, bald uns wieder müssen sehn.
Eh' mißte ich ein Reich als dich. (Myrrha ab.)

Salimenes. Vielleicht
Daß beide du bald missen mußt, und ewig.

Sardanapal. Zum wenigsten kann ich mich selbst beherrschen,
Da solche Sprache ruhig ich vernehme.
Doch treibe mich, mein Bruder, nicht heraus
Aus dieser meiner ruhigen Natur.

Salimenes. Gerade ja aus dieser ruhigen,
Zu ruhigen und müßigen Natur
Möcht' ich heraus dich treiben. Könnt' ich doch
Empor dich stacheln, wär's auch gegen mich.

Sardanapal. Beim Baal! er möcht' mich zum Tyrannen machen.

Salimenes. Du bist es schon. Glaubst du, es gäbe nur
Die Tyrannei durch Blut und Kettenklang?
Des Lasters Tyrannei, der Ueppigkeit
Entkräftung und Ruin, die Indolenz,
Stumpfsinn, geschlechtlicher Vergehen Folgen
Erzeugen uns zu Tausenden Tyrannen
Und dieser Favoriten Grausamkeit
Thut mehr des Schlimmen als Ein strenger Herr,
So hart und herb sein eigen Wesen sei.
Das falsche süße Beispiel deiner Lüste
Verdirbt das Volk, und drückt es noch zugleich,
Es untergräbt dein ganzes Herrscherthum
Und alle Kräfte, die es stützen sollten,
So daß, ob Einfall fremde Feinde drohn,
Ob sich im Innern Zwietracht dir erhebt,
Verhängnißvoll dir Beides werden wird.
Die erstern zu besiegen ist zu schwach
Dein Volk, die zweite macht es selbst wol mit.

Sardanapal. Was treibt dich, für mein Volk das Wort zu führen?

Salimenes. Die Kränkung meiner Schwester, die ich dir
Verzieh, die Lieb', die meinem Neffen ich
Bewahr', die Treue gegen meinen König,
Die bald er brauchen wird in mehr als Worten.
Achtung vor Nimrod's Haus, und noch Etwas,
Das du nicht kennst.

Sardanapal. Das ist?

Salimenes. Ein Wort, das dir
Ganz unbekannt.

Sardanapal. So sag's, gern lern' ich.

Salimenes. Tugend.

Sardanapal. Dies Wort nicht kennen! Nie hat noch ein Wort
Ins Ohr mir so gegellt, und häßlicher
Als Pöbelschrei und ein geborsten Horn.
Nichts Andres wußte deine Schwester ja!

Salimenes. Um diesen widerwärt'gen Gegenstand
Zu wechseln denn, hör' von dem Laster reden.

Sardanapal. Und wen?

Salimenes. Die Winde selbst, wenn auf die Stimme
Des Volks du hören willst.

Sardanapal. Wohlan! ich bin
Nachsichtig, wie du weißt, geduldig, wie
Du oft erprobt schon hast. So sprich dich aus;
Was regt dich auf?

Salimenes. Daß in Gefahr du schwebst.

Sardanapal. Mach fort!

Salimenes. Nun denn, die Völker all', die du
Geerbt vom Vater, und gar viele waren's,
Sind laut in ihrem Unmuth über dich.

Sardanapal. Wie? über mich? Was wollen denn die Sklaven?

Salimenes. Nur einen König.

Sardanapal. Und was bin denn ich?

Salimenes. In ihren Augen Nichts, in meinen aber
Ein Mann, der Etwas werden könnte noch.

Sardanapal. Was wollen diese Lästermäuler denn?
Sie haben Frieden und die Wänste voll.

Salimenes. Vom ersten mehr als rühmlich ist, vom letzten
Weit weniger, als ihrem Herrn bekannt.

Sardanapal. Wer trägt die Schuld wenn Noth? wer anders als
Die schändlichen Satrapen, die nicht sorgen?

Salimenes. Und etwas auch der König, der nie sieht,
Was außerhalb dem Königsschloß passirt,
Das er nur dann verläßt, wenn ins Gebirg
Er vor des Sommers heißen Gluten flieht.
O großer Baal! der dieses große Reich
Gegründet hat und dann zum Gotte ward,
Als Gott zum wenigsten erscheint in den
Jahrhunderten, die singen deinen Ruhm!
Der Mann, der sich für deinen Sprossen hält,
Hat nicht einmal die Reiche all gesehn,
Die du als Held mit deinem Blut in Müh'
Und Noth gewannst und ihm als Erbe ließest.
Wozu? daß sie die Mittel brächten ihm
Für ein Gelag, und würden ausgepreßt
Für eines Liebchens Putz!

Sardanapal. Ich weiß nun, was
Du willst. Du möcht'st, ich soll Erobrer werden.
Bei allen Sternen, die die Weisen lesen!
Das unruhvolle Volk verdient, daß ich
Zu seinen eignen Wünschen es verdamme
Und es zum Ruhme führ'.

Salimenes. Warum auch nicht?
Semiramis, die doch ein Weib nur war,
Hat die Assyrer an die sonn'gen Ufer
Des Ganges einst geführt.

Sardanapal. Das ist sehr wahr!
Und wie kam sie zurück?

Salimenes. Nun wie ein Mann,
Ein Held; erfolglos zwar, doch nicht besiegt,
Mit zwanzig Kriegern einzig setzte sie
Den Rückzug durch bis Bactria.

Sardanapal. Und wie
Viel ließ in Indien sie zurück den Geiern?

Salimenes. Das sagen die Annalen nicht.

Sardanapal. Dann will
Ich für sie sprechen: Besser war es weit,
Wenn im Palast sie zwanzig Röcke wob,
Als daß mit zwanzig Kriegern nur sie floh,
Und die Myriaden toller Unterthanen
Den Raben, Wölfen, Menschen – von den drei'n
Die schlimmsten sicher – ließ. Ist dies etwa
Dein Ruhm? Dann laß mich leben nur der Schmach,

Salimenes. Nicht jeder kriegerische Geist hat gleich
Geschick. Semiramis, die ruhmbedeckte
Ahnfrau von hundert Königen kam zwar
In Indien zu kurz, doch brachte sie
Auch Persien, Medien, Bactrien zum Reich,
Das sie beherrschte und du könntst beherrschen.

Sardanapal. Ich herrsche drin, sie unterwarf es nur.

Salimenes. Ihr Schwert wird nöth'ger bald dem Reiche als
Dein Scepter sein.

Sardanapal. 'S gab einen Bacchus einst,
So hört' ich meine Griechinnen ihn nennen,
Sie sagen, 's war ein Gott, ein Griechengott,
Den in Assyrien man nicht verehrt;
Der nahm dies gleiche gold'ne Inderreich,
Von dem du sprichst, und wo Semiramis
Geschlagen ward.

Salimenes. Ich hörte von dem Mann,
Du siehst, er ward für seine That als Gott
Erkannt, verehrt.

Sardanapal. Und ehren will ich ihn
In seiner Göttlichkeit, und nicht als Mann.
Heda! mein Mundschenk her!

Salimenes. Was meint mein König?

Sardanapal. Dem neuen Gott will ich, dem alten Helden
Darbringen meine Huldigung. – Bringt Wein!

Der Mundschenk tritt auf.

Sardanapal (zum Mundschenk). Such' mir den gold'nen Becher, der ringsum
Mit Edelstein besetzt ist, Nimrods Kelch
Genannt. Den füll' zum Rand und bring' ihn her. (Mundschenk ab.)

Salimenes. Hältst du für schicklich diesen Augenblick,
Um dein Gelag von Neuem zu beginnen,
Von dem du schläfrig noch?

Der Mundschenk tritt mit dem Wein ein.

Sardanapal (nimmt ihm den Kelch ab). Mein edler Schwager!
Wenn die barbar'schen Griechen an den Grenzen
Und fernen Ufern unsres Reichs nicht lügen,
Eroberte ganz Indien Bacchus einst.
Ist's nicht so? sprich!

Salimenes. Es ist! und deshalb ward
Als Gottheit er verehrt.

Sardanapal. Du irrst, mein Freund,
Von jenem Siegeszuge zeugen nur
Noch ein'ge Säulen, die auf ihn man deutet,
Und die ich haben könnt', erachtet' ich
Des Ankaufs und der Beifuhr sie für werth.
Sie sind die Marken jener Meere Bluts,
Das er vergoß, der Reiche Marken, die
Er wüst gelegt, der Herzen, die er brach.
Hier aber, hier in diesem Becher ruht
Sein wahrer Anspruch auf Unsterblichkeit.
Die süße Traube ist's, der er zuerst
Die schöne Seele ausgepreßt, und die
Er uns geschenkt, das Menschenherz zu freu'n,
Als ein'ge Sühne für das böse Werk.
Das als Erobrer er uns angethan.
That er nicht dies, so blieb sein Namen uns
So dunkel, so vergänglich wie sein Grab.
Dann war er nur wie die Semiramis
Ein menschlich Ungethüm, das halb ein Schein
Von Glorie verklärt. – Hier ist, was ihn
Zum Gott gemacht. Zum Menschen mach' es dich,
Mein finstrer, scheltender Herr Bruder! Komm!
Thu nur Bescheid zur Ehr' des Griechengotts.

Salimenes. Für alle deine Reiche möcht' ich nicht
Verlästern so den Glauben deines Landes!

Sardanapal. Das heißt, du hältst für einen Helden ihn.
Weil Blut in Strömen er vergoß; doch nicht
Für einen Gott, trotzdem er eine Frucht
Verwandelt hat in einen Zaubertrank,
Der die Betrübten freut, das Alter neu
Belebt, der Jugend Schwung verleiht, die Müden
Die Müh' vergessen läßt, die Aengstlichen
Die Noth; der eine neue Welt erschließt,
Wenn diese jetzige erbleicht. – So trink'
Ich denn auf dich und ihn als wahren Mann,
Der einst sein Möglichstes in Gut und Bösem
Die Menschheit zu erschüttern, hat gethan. (Trinkt.)

Salimenes. Willst du von Neuem wieder bankettiren?

Sardanapal. Und wenn ich's thät, wär's besser als Trophäen;
Denn keine Thräne hängt daran. Doch ist
Das meine Absicht nicht. Wenn du mir nicht
Bescheid thun willst, so thu' was dir gefällt.
(Zum Mundschenken.) Geh, Knab'! (Mundschenk ab.)

Salimenes. Erwecken wollte ich dich nur
Aus deinem Traum; denn besser ich thu' das
Als bald die Rebellion.

Sardanapal. Wer sollt' sie machen?
Weshalb? wo fände denn ein Vorwand sich?
Ich bin gesetzlich König hier und stamme
Von einem Königshaus, dem nicht voraus
Ein andres jemals ging. Was hab' ich dir,
Was diesem Volk gethan, daß du mich schmähn,
Das Volk aufstehen sollte gegen mich?

Salimenes. Ich spreche davon nicht, was mir du thatst.

Sardanapal. Doch denkst du, daß die Kön'gin ich gekränkt?
Nicht wahr?

Salimenes. Ich denk's. Du hast sie auch gekränkt.

Sardanapal. Geduld, mein Prinz! und hör' mich an: sie hat
Die ganze Macht, den Schimmer ihres Rangs,
Die Hochachtung, die Hut der Landeserben,
Die Huldigung, das Leibgeding' des Throns;
Ich freite sie, wie Kön'ge frei'n – zum Staat,
Ich liebte sie, wie meistens Gatten lieben.
Wenn du, wenn sie geglaubt, ich würd' mit ihr
So wie ein Bauer stehn mit seinem Weib,
So kennt ihr mich – die Fürsten nicht, und auch
Die Menschen nicht.

Salimenes. Von Andrem sprich, ich bitte!
Mein Blut verschmäht's sich weibisch zu beklagen,
Und Salimenes Schwester will selbst von
Assyriens Herrn erzwung'ne Liebe nicht;
Noch nahm' sie solche, die mit fremden Dirnen
Sie theilen müßt', und jon'schen Sklavinnen.
Die Königin ist stumm.

Sardanapal. Warum ist's nicht
Ihr Bruder auch?

Salimenes. Ich bin das Echo nur
Des lauten Schrei's, den deine Länder schrei'n.
Wer lang' ihn abweist, wird nicht lang' regieren.

Sardanapal. Die undankbaren, widerwärt'gen Sklaven!
Sie murren, weil ihr Blut ich nicht vergoß,
Weil ich nicht fort sie trieb, daß nach Myriaden
Im Staub der Wüste elend sie verdorrten
Und fern am Ganges ihre Knochen bleichten;
Weil ich durch grausame Gesetze nicht
Sie lichtete, noch sie mit Peitschen zwang
Mir Pyramiden, babylonsche Wälle
Im Schweiße ihres Angesichts zu bau'n!

Salimenes. Doch sind Trophä'n dies, würd'ger eines Volks
Und eines Fürsten als Gesang und Spiel
Und Lustbarkeit und liederliche Dirnen,
Als Schatzverschwendung und der Tugend Schimpf.

Sardanapal. Die Städte rechn' ich als Trophäen mir,
Die ich erbaut, Anchialus und Tarsus,
An Einem Tage stellt' ich beide hin!
Was könnte jene kriegerische Dame,
Die blutbegierge Großmama, die keusche
Semiramis mehr thun, als sie zerstören?

Salimenes. Wol wahr! ich anerkenne dein Verdienst,
Die Städte hast du auferbaut, doch nur
Weil dir die Laune kam, und hast den Bau
Der Chronik aufbewahrt durch einen Vers,
Der dir und ihnen ewig Schande bringt.

Sardanapal. Mir Schande bringt? Beim Baal! so gut gebaut
Die Städte sind, ist besser doch mein Vers.
Sag' gegen mich und meine Lebensart,
Was du nur willst, doch tast' die Wahrheit mir
Von diesem kurzen Satz nicht an. Beim Baal!
In diesen Zeilen steht ja die Geschichte
Der Menschheit. Hör nur an: »Sardanapal,
Der König, Anacyndaraxes Sohn,
Erbaut' in Einem Tag Anchialus
Und Tarsus einst. Iß, trink und lieb'! Der Rest
Ist keinen Heller werth.«»Zu dieser Unternehmung zog er nur eine kleine auserwählte Abtheilung der Phalanx bei, aber alle seine leichten Truppen. Am ersten Marschtag erreichte er Anchialus, eine Stadt, die der assyrische König Sardanapal gegründet haben soll. Die Befestigungen trugen in ihrer Stärke und Ausdehnung noch zu Arrians Zeit jenen Charakter der Größe, den die Assyrer allen Werten dieser Art aufzudrücken pflegten. Man fand ein Denkmal hier, das den Sardanapal vorstellte und das eine Inschrift in assyrischer Schrift, natürlich in altassyrischer Sprache trug, welche die Griechen wohl oder übel also verdolmetschten: »Sardanapal, Sohn des Anacyndaraxes, gründete in einem Tage Anchialus und Tarsus. Iß, trinke, spiele; alle andern menschlichen Freuden sind keinen Heller werth.« Wenn man diese Übersetzung für richtig hält (Arrian sagt, sie sei es nicht ganz), so läßt sich vielleicht darüber streiten, ob der Zweck nicht eher war, ein zu Unordnungen geneigtes Volk auf eine geregelte Häuslichkeit und bürgerlichen Ordnungssinn zu verweisen, als Unmäßigkeit und Ausschweifung anzuempfehlen. Es ist nicht recht klar, welchen Zweck der König von Assyrien verfolgte, als er solche Städte in einer von der Hauptstadt so entfernten Gegend gründete, da ungeheure Sandwüsten und hohe Gebirge dazwischen lagen; noch weniger, wie sich die Einwohner gleich in Verhältnissen hätten befinden können, um sich den unmäßigen Lüsten hinzugeben, die, wie man glaubte, der König ihnen mit jener Inschrift habe empfehlen wollen. Doch muß bemerkt werden, daß in diesem Küstenstrich im südlichen Kleinasien Ruinen von Städten offenbar aus einer Zeit nach Alexander gefunden werden, die die Geschichte kaum nennt, und die gleichwol noch heute den Reisenden durch ihre Pracht und Eleganz in Staunen setzen. Es müssen also außerordentliche Hilfsquellen, sei es im Boden und Klima oder in den Handelsverhältnissen vorhanden gewesen sein, daß Städte mitten in der Verwüstung blühen konnten, die eine so höchst barbarische Regierung so viele Jahrhundert lang täglich über die schönsten Gegenden der Erde verbreitete. Hieraus mag auch erhellen, daß die Maßnahmen Sardanapals wahrscheinlich von richtigeren Anschauungen ausgingen, als man ihm in der Regel beimißt. Da dieser Monarch aber der letzte einer Dynastie war, die durch Empörung endete, so wurde sein Gedächtniß natürlich von der Politik seiner Nachfolger und deren Anhänger mit Vorwürfen belastet. Die Widersprüche in Diodors Bericht über Sardanapal sind auffallend.« Mitfords Griechenland.

Salimenes. Und konnte denn
Nicht würd'gere Moral, nicht weis're Lehre
Ein König bieten seinen Unterthanen?

Sardanapal. Du hättest ohne Zweifel setzen lassen:
»Gehorcht dem König, zahlt die Steuer richtig,
Gebt Krieger ihm, und blutet, wenn es ihm
Beliebt! Fallt nieder, betet an im Staub,
Steht auf und schafft für ihn!« – Vielleicht auch so:
»Sardanapal schlug einst an dieser Stelle
Bei fünfzigtausend seiner Feinde todt.
Dies hier sind ihre Gräber, sein Trophä.«
Ich lasse den Erob'rern solches Zeug
Und mir genügt's, kann meine Unterthanen
Ich wen'ger fühlen lassen menschlich Leid,
Und ohne Jammer sie zum Grab geleiten.
Ich nehme keine Freiheit mir, die ich
Dem Volk versag', denn Menschen sind wir Alle.

Salimenes. Verehrt als Götter wurden deine Väter.
Und sind doch todt und Staub, wo weder Götter
Noch Menschen sie mehr sind. Sprich mir doch nichts
Von solchem Zeug! Die Würmer nur sind Götter;
Sie leben wenigstens von deinen Göttern
Und sterben, wenn sie keinen Fraß mehr kriegen.
Nur Menschen waren deine Götter; sieh,
Woher sie stammen, nur! – Ich fühle tausend
Höchst sterbliche Erregungen in mir,
Doch nichts, was göttlich wär', wenn's nicht gerade
Das ist, was du verdammst: ein Hang zu lieben
Und gnadenvoll zu sein und zu verzeihn,
Was meines Gleichen in der Thorheit thun,
Und – was sehr menschlich ist – nachsichtig mit
Der eigenen zu sein.

Salimenes. Besiegelt ach!
Ist Ninivehs Geschick! O wehe! weh'
Der unvergleichlich schönen Stadt!

Sardanapal. Was ist's,
Wovor dir bangt?

Salimenes. Von Feinden bist du rings
Bewacht, in wenig Stunden kann der Sturm,
Der dich, die Deinigen und mich zermalmt,
Losbrechen und in wenig Tagen dann
Gewesen sein des Belus stolz Geschlecht!

Sardanapal. Was ist zu fürchten denn?

Salimenes. Ehrgeiziger
Verrath, der dich bereits umsponnen hat.
Doch Rettung gibt es noch. Leih' mir dein Siegel,
So unterdrück' ich noch die Ränke all
Und lege deiner größten Feinde Häupter
Zu Füßen dir.

Sardanapal. Die Häupter? und wie viel?

Salimenes. Soll ich sie zählen, wenn dein eig'nes in
Gefahr? Laß mich nur machen, gib das Siegel,
Das Uebrige vertraue völlig mir.

Sardanapal. Ich möchte Niemand unbeschränkte Macht,
Wenn sich's um Menschenleben handelt, leihn.
Wenn Einem wir das Leben nehmen, wissen
Wir nicht, was wir genommen, was wir geben.

Salimenes. Willst du des Lebens sie berauben nicht,
Da sie das deine doch bedrohn?

Sardanapal. Die Frage
Ist kitzlich zwar, doch ich erwidre: Ja!
Kann nicht auch ohne das, was muß, geschehn?
Wer sind denn die, die dein Verdacht betrifft?
Laß sie verhaften doch.

Salimenes. Ich wünschte sehr,
Du fragtest nicht. Im nächsten Augenblick
Flög meine Antwort schon durch deiner Liebchen
Geschwätz'ge Schaar, von da in den Palast,
Dann in die Stadt und – Alles wär' vereitelt.
Vertraue mir!

Sardanapal. Du weißt, das that ich stets.
Nimm hier mein Siegel.

Salimenes. Eine Bitte hab'
Ich noch.

Sardanapal. Nenn' sie.

Salimenes. Stell' das Bankett gleich ab,
Das in dem Pavillon am Euphrat du
Heut' Abend halten willst.

Sardanapal. Abstellen das
Bankett? Nicht wegen der Verschwornen all,
Die je ein Reich bedroht! Laß sie nur kommen
Und hausen noch so arg! Ich zittre nicht.
Ich stehe drum nicht früher auf vom Mahl,
Setz' nicht den Becher weg, bekränze mich
Mit keiner Rose weniger als sonst,
Verliere keine frohe Stunde drum.
Ich fürcht' sie nicht.

Salimenes. Doch würdest du dich waffnen,
Wenn's nöthig wär', nicht wahr?

Sardanapal. Vielleicht. Ich hab'
Die feinste Rüstung und das beste Schwert,
Und einen Bogen, einen Speer, die Nimrod
Nicht würd' verschmähn, zwar etwas schwer, doch drum
Unhandlich nicht. Es ist wol lange her,
Daß ich sie nicht benutzt, selbst nicht zur Jagd.
Hast du, mein Bruder, sie noch nicht gesehn?

Salimenes. Ist jetzt die Zeit zu solchen Bagatellen?
Wirst du, wenn's nöthig würd', die Waffen tragen?

Sardanapal. Warum denn nicht? O wenn es müßte sein
– Und diese frechen Sklaven lassen sich
Wol nicht mit weniger zur Ruhe bringen –
Wollt' ich das Schwert gebrauchen, bis sie wünschten,
Es wäre Kunkelholz.

Salimenes. Man, sagt, dein Scepter
Sei das schon längst.

Sardanapal. Das ist nicht wahr, beim Baal!
Doch mögen sie so schwatzen immerhin!
Das alte Griechenvolk, von dem gar oft
Uns ein Gefang'ner singt, erzählte ja
Dasselbe einst von seinem ersten Helden,
Dem Herkules, weil eine Königin
Aus Lydien er geliebt. Du siehst daraus,
Wie stets der Pöbel jeden Schimpf erfaßt,
Um seine Herrscher in den Staub zu ziehn.

Salimenes. Von deinen Vätern sprach man doch nicht so.

Sardanapal. Sie wagten's nicht, sie wurden allzusehr
Zur Arbeit angehalten und zum Krieg;
Nur gegen Panzer tauschten sie die Ketten.
Jetzt haben Frieden sie und Zeitvertreib,
Gelag' und Schwätzereien sind erlaubt,
Mich scheert das nicht. Ich gäb' das Lächeln nicht
Von einem schönen Kind für all das Volks-
Geschrei, das jemals einen Namen aus
Dem Nichts erhob. Was sind die schmutz'gen Zungen
Der schnöden Brut mir, die nun frech geworden,
Seitdem sie satt, daß ich ihr lärmend Lob
Hochhalten oder gar ihr wüst Geschrei
Noch fürchten sollt'?

Salimenes. Ihr nanntet Männer sie,
Als solche wägen ihre Herzen doch.

Sardanapal. Das thut auch meiner Hunde Herz – und mehr!
Denn die sind treuer noch. – Doch mach' nur zu!
Du hast mein Siegel: sind sie zügellos,
So bänd'ge sie, jedoch nicht hart, so lang's
Nicht Noth erheischt. Ich hasse jede Qual:
Die, die man macht, wie die, die man erleidet.
Wir haben innerlich genug davon,
Der höchste Fürst, der niedrigste Vasall,
Um jene Last von schwerem Menschenleid,
Das uns Natur bescheert, nicht noch zu mehren;
Vielmehr des Lebens mannichfaltig Weh'
Durch gegenseitige Erleichterung
Zu mildern und zu mindern allenthalb.
Doch das versteht dies Volk nicht, will vielleicht
Es nicht einmal verstehn. Beim Baal! ich hab',
Was ich gekonnt, gethan, es zu erleichtern.
Ich führte keinen Krieg, ich legte ihnen
Nicht neue Steuern auf, ich mischte mich
In keine Häuslichkeit; ich lasse sie
Ihr Leben führen, wie sie immer mögen
Und lebe selbst, so wie ich immer mag.

Salimenes. Du machst dir's leicht mit deiner Königspflicht;
Drum sagt das Volk, du taugst nicht zum Monarchen.

Sardanapal. Es lügt. Ich tauge leider ja zu nichts
Als zum Monarchen nur, sonst könnt' mein'thalb
Der letzte Meder für mich König sein.

Salimenes. Ein Meder lebt, der's wirklich möchte sein.

Sardanapal. Was willst du damit, sagen? – Nun? – Ja so!
Das ist ja dein Geheimniß und du liebst
Die Fragen nicht; neugierig aber bin
Ich nicht. So thu' die Schritte, die du für
Geeignet hältst, und wenn es nöthig wird,
Bestärk' ich sie, und unterstütz' ich dich.
Nie lebt' ein Mann, der mehr als ich gewünscht
Nur Friedliche in Frieden zu regieren;
Doch weckten sie mich je, wär' ihnen besser,
Sie hätten Nimrod selbst, den mächt'gen Jäger,
Aus seiner Asche sich heraufbeschworen.
Dann will ich diese Königreiche all
Zu Wüsten machen, wo man Thiere jagt,
Die Menschen waren, doch nach eig'ner Wahl
Es nicht mehr wollten sein. – Sie lügen, und
Verleumden den, der ich in Wahrheit bin;
Doch der, den sie in mir einst finden könnten,
Wär' wol der Schlimmste, der zu haben wär' –
Sie mögen dann sich bei sich selbst bedanken.

Salimenes. So kann denn doch auch dein Herz menschlich fühlen?

Sardanapal. Wer fühlt Undankbarkeit nicht tief?

Salimenes. Ich will
Nicht lang mit Worten dir drauf dienen. Nein!
Mit einer That. Halt' wach nur diese Kraft,
Die manchmal schläft, doch todt nicht ist in dir,
Und ruhmvoll kann dein Regiment, dein Reich
Noch mächtig werden. Nun, leb' wohl! (Salimenes ab.)

Sardanapal. Leb' wohl! –
Er geht und nimmt am Finger mit mein Siegel,
Das ihm als Scepter dient. Er ist so ernst,
Wie ich leichtsinnig bin. Die Sklaven aber
Verlangen ja, daß einen Herrn sie fühlen.
Wo mir Gefahren lauern mögen, weiß
Ich nicht. Er fand sie aus, er mag sie auch
Beseitigen. Soll etwa ich mein Leben,
Dies kurze Leben damit nur verbringen,
Daß ich vor Allem auf der Hut bin, was
Es kürzer machen könnt'? Das ist's nicht werth.
Es hieße sterben vor der rechten Zeit,
Müßt' leben ich in blassen Todesängsten
Und lange Jagd auf Rebellionen machen,
Und Argwohn tragen Jedem, der um mich,
Weil er mir nah', und Jedem, der entfernt,
Weil er mir fern. Wenn's aber auch so wär' –
Wenn sie aus Reich und Erde mich verjagten,
Was ist denn Erde oder Reich hienieden?
Ich hab' geliebt, gelebt, mein Bild vermehrt;
Das Sterben ist nicht weniger Natur
Als diese Handlungen des Staubs. Wahr ist's:
Ich habe Blut in Strömen nicht vergossen,
Wie ich gekonnt, bis mit dem Tod mein Namen
Fast gleichbedeutend ward – ein Schreckbild, ein
Trophä. Doch darob fühl' ich keine Reu'.
Lieb' ist mein Leben; muß ich Blut vergießen,
Will ich gezwungen sein. Noch ist kein Tropfen
Aus Assurs Adern für mich hingeflossen;
Auch nicht das kleinste Stück aus Ninivehs
Gewalt'gem Schatz ward einem Zweck geweiht,
Der seinen Söhnen eine Thrän' gekostet.
Wenn sie mich hassen, kann es drum nur sein,
Weil ich nicht hasse; wenn sie rebelliren.
Kann es nur sein, weil ich sie nicht bedrücke.
O' Menschen, nicht mit Sceptern, nein! mit Sicheln
Müßt ihr regiert, und weggemäht ihr werden
Wie eitel Gras; sonst ernten wir von euch
Nur üpp'ge Schlechtigkeit und Mißvergnügen,
Die faule Frucht, die schmutzt den schönsten Boden
Und eine Wüste macht aus reichem Land.
Ich will nicht mehr dran denken. – He da drinnen!

Ein Diener tritt auf.

Sardanapal. Sklav! melde Myrrha, jener Ionierin,
Daß ihre Gegenwart wir heischen.

Diener. König!
Hier ist sie.

Myrrha tritt auf.

Sardanapal (zum Diener). Fort! (Zu Myrrha.) Du Liebliche, kamst fast
Dem Herzen noch zuvor. Es schlug für dich,
Und sich, du kommst! Laß wähnen mich, daß ein
Noch unbekannter Einfluß, ein Orakel,
Uns ungesehn, auch wenn wir fern, verbinde
Und Eins zum Andern zieh.

Myrrha. So ist's.

Sardanapal. Ich weiß.
Daß es so ist; doch kenn' ich nicht den Namen.
Was ist es wol?

Myrrha. In meinem Vaterland
Ein Gott, in meinem Herzen ein Gefühl,
Groß wie wenn's käm' von einem Gott; und doch
Ist's sterblich nur, ich weiß! denn was ich fühl',
Ist Demuth, die mich doch beglückt, das heißt
Mich tief beglücken könnt', jedoch – (Myrrha hält inne.)

Sardanapal. Es tritt
Doch immer Etwas zwischen uns und das,
Was wir für unser Glück ansehn. Laß mich
Die Schranke heben, die der Lippe Zögern
Als Hemmniß deines Glücks verräth, und meins
Ist dann verbrieft.

Myrrha. O Herr!

Zardanapal. »O Herr! Mein Fürst!
Mein König! Majestät!« so heißt's, so heißt
Es immerdar in ehrfurchtsvoller Rede.
Nie seh' ein Lächeln ich, als manchmal nur
Bei einem großen Mahl, im Rausch der Feste,
Wenn sich die Possenreißer aufgebläht,
Mir gleich zu sein; wenn ich herab mich ließ
Zu ihrer Niedrigkeit. O Myrrha! wol
Kann ich die Namen hören: Herr und Fürst
Und König – ja, 's gab eine Zeit, wo ich
Sie hoch anschlug; das heißt, ich duldete
Von Sklaven sie und selbst an freien Leuten.
Doch fallen sie von Lippen, die ich lieb',
Von Lippen, die die meinigen gepreßt,
Kommt Eiseskälte mir ins Herz, ein herb
Gefühl der Falschheit dieser meiner Stellung,
Die das Gefühl in Denen dämpft und bindet,
Für die am meisten ich gefühlt. Das ruft
Den Wunsch in mir hervor, die dumme Krone
Ganz abzuthun und fern im Kaukasus
Mit dir zu theilen einer Hütte Raum
Und keine Krone mehr zu tragen als
Von Blumen nur.

Myrrha. Ich wollt', wir könnten es!

Sardanapal. Auch du fühlst dies? Und dann?

Myrrha. Dann würdest du
Erkennen, was sonst niemals du erkennst.

Sardanapal. Das ist – ?

Myrrha. Des Herzens wahren Werth, ich mein',
Von einem Weib.

Sardanapal. Ich habe tausend wol
Und aber tausende gewogen.

Myrrha. Herzen?

Sardanapal. Ich denke so.

Myrrha. Nicht eins! Vielleicht einst kommt
Die Zeit, wo du sie wägen kannst.

Sardanapal. Sie wird's.
Hör', Myrrha! Salimenes sagte mir, –
Wie er drauf kam, weiß Belus wol, der einst
Dies Reich gegründet, besser als ich selbst! –
Doch Salimenes sagte mir, mein Thron
Sei in Gefahr.

Myrrha. Da that er wohl daran.

Sardanapal. Und so sprichst du, die er so herb gezankt,
Die er mit seinem rohen Scherz von mir
Gescheucht, zum Weinen, zum Erröthen hat
Gebracht?

Myrrha. Ich sollte Beides öfter thun;
Und er that wohl dran, mich zurückzurufen
Zu meiner Pflicht. – Doch von Gefahr sprichst du?
Gefahr für dich –?

Sardanapal. Ja, aus Verschwörungen,
Aus Ränkespiel von Medern, von Soldaten,
Von Völkern, die in Unzufriedenheit,
Ich weiß nicht recht, – es ist ein Labyrinth
Von dunkeln Drohungen und Heimlichkeiten.
Du kennst den Mann, es ist so seine Art.
Doch ist er ehrlich. – Komm! wir denken nicht
Mehr dran, vielmehr an unser nächtlich Fest.

Myrrha. Zeit ist es wol, an Andres jetzt zu denken,
Als an ein Fest. Du hast doch seine Mahnung
Nicht gar verhöhnt?

Sardanapal. Wie? Fürchtest denn auch du?

Myrrha. Ich fürchten? Griechin bin ich ja, wie sollt'
Den Tod ich fürchten? Sklavin auch, wie sollt'
Für meine Freiheit bang ich sein?

Sardanapal. Warum
Wirst du dann aber blaß?

Myrrha. Ich lieb'.

Sardanapal. Und lieb'
Ich etwa nicht? Ich lieb' dich weit – weit mehr
Als dieses kurze Sein, dies weite Reich,
Die man vielleicht bedroht – doch ich erbleich'
Drum nicht.

Myrrha. Das heißt: du liebst nicht dich noch mich;
Denn Der, der Andre liebt, liebt auch sich selbst,
Grad' dieser Andern halb. – Du gehst zu weit!
Ein Leben, Reich, verliert man nicht so schnell.

Sardanapal. Verliert? Wer sollte denn der Häuptling sein,
Der keck es wagen möcht' sie mir zu nehmen?

Myrrha. Wen sollte er bei dem Versuch denn fürchten?
Wenn Der, der Aller Herrscher ist, sich selbst
Vergißt, wer wird dann sein gedenken?

Sardanapal. Myrrha!!

Myrrha. Sieh mich nicht zornig an! Du hast zu oft
Mir zugelächelt, um dein Zürnen mir
Nicht unerträglicher als jede Strafe,
Die es verkünden könnt', zu machen. – König!
Ich bin dir unterthan; Herr! sieh' die Magd
In mir; Mann! dich hab' ich geliebt – geliebt!
Ich weiß nicht, welche unglücksel'ge Schwäche
Mich dazu trieb – obschon ich Griechin bin,
Der Könige geborner Feind, und Sklavin,
Die Fesseln hassen muß, und Ionierin;
Und lieb' ich einen Fremdling, mehr entehrt
Durch solche Leidenschaft als selbst durch Ketten!
Und dennoch liebt' ich dich! Wenn diese Liebe
So mächtig war, um meine frühere
Natur zu überwinden, sollte sie
Als Recht nicht fordern dürfen, dich zu retten?

Sardanapal. Mich retten, meine Schöne? Schön bist du
Und was ich von dir will, ist Liebe nur,
Nicht Rettung, Kind.

Myrrha. Und ohne Lieb', wo gibt
Es Sicherheit?

Sardanapal. Ich meine Frauenlieb'.

Myrrha. Die erste Liebe dieses Menschenlebens
Entspringt der Brust der Frau: die ersten Worte
Lehrt ihre Lippe ja! die ersten Thränen
Wischt ihre Hand, die letzten Seufzer selbst
Vernimmt nur allzu oft ein weiblich Ohr;
Wenn sich der Mann die kleine Mühe schenkt,
Die letzte Stunde noch bei Dem zu wachen,
Der ihn geführt.

Sardanapal. Beredte Ionierin,
Du sprichst Musik! Du sagtest mir einmal,
Der Chorgesang in der Tragödie sei
Ein vielgeliebter Zeitvertreib in deinem
Entfernten Vaterland. – Nein! weine nicht!
Beruh'ge dich!

Myrrha. Ich weine nicht! Doch bitt'
Ich dich: sprich nicht von meinen Vätern noch
Von ihrem Land.

Sardanapal. Doch du sprichst oft von ihnen.

Myrrha. Das ist wol wahr; das stete Darandenken
Spricht unwillkürlich sich in Worten aus.
Doch wenn ein Andrer spricht von Griechenland,
Thut es mir weh!

Sardanapal. Wolan! wie wolltest du
Mich retten, wie du's heißt?

Myrrha. Indem ich dich
Dich selbst zu retten lehr', und nicht nur dich,
Nein! dieses ganze große Reich, vor all
Der Noth des schlimmsten Kriegs, des Bruderkriegs.

Sardanapal. Nun, Kind! mir ist ja jeder Krieg verhaßt,
Der Krieger auch. Ich leb' in Fried' und Freude,
Was kann der Mensch mehr thun?

Myrrha. Ach, lieber Herr!
Bei dem gemeinen Volk bedarf es oft
Des Scheins von Krieg, um Frieden sich zu wahren,
Und besser ist's für einen König oft,
Wenn er gefürchtet wird, als wenn geliebt.

Sardanapal. Ich habe nur dem Letztern nachgestrebt.

Myrrha. Und hast nun Beides nicht erreicht.

Sardanapal. Das sagst
Du, Myrrha, mir?

Myrrha. Ich spreche von der Lieb'
Des Bürgers, Volks und ihrer Selbstsucht, ja;
Das heißt so viel, als daß die Menschen man
In Ordnung halten muß, doch nicht sie drücken,
Daß sie es wenigstens nicht merken; oder
Wenn sie's auch merken, es für nöthig halten,
Sich vor dem schlimmern Druck zu wahren, dem
Der eignen Leidenschaft. Ein Fürst von Festen,
Von Blumen und von Wein, von Gastmahl, Lieb'
Und Lust, war niemals noch ein Ruhmesfürst.

Sardanapal. Ruhm? Was ist das?

Myrrha. Die Götter frage drum,
Die deine Ahnen sind.

Sardanapal. Die sprechen nicht.
Wenn je ein Priester für sie spricht, geschieht's,
Weil irgend was er für den Tempel will.

Myrrha. Schau in die Chronik Derer, die dein Reich
Zu Stand gebracht.

Sardanapal. Das taugt mir nichts, sie ist
Zu sehr mit Blut befleckt. Jedoch wozu?
Das Reich ist einmal da; ich kann nicht gehn
Und ihrer gründen mehr.

Myrrha. Erhalte deins.

Sardanapal. Ich will es wenigstens genießen. Komm
Laß nach dem Euphrat, Myrrha, uns spazieren;
Die Stunde winkt; die Gondel steht bereit,
Und kehren wir zurück, so harret unsrer
Der Pavillon, geschmückt fürs Abendmahl
Voll Schönheit und voll Licht, daß er den Sternen,
Die über uns, selbst als ein Stern erscheint.
Wir aber sitzen dort, bekränzt mit Blumen
Wie –

Myrrha. Opfer!

Sardanapal. Nein! wie Könige vielmehr,
Die Hirtenkönige der alten Zeit,
Die keinen schönern Edelstein gekannt,
Als Blumensträuße und Triumphe nur,
Die thränenlos. – Komm mit!

Pania tritt auf.

Pania. Der König leb'
In Ewigkeit!

Sardanapal. Nicht eine Stunde länger,
Als er auch lieben kann. Wie haßt mein Herz
Die Redensart, die Leben macht zur Lüge
Und die dem Staub mit ew'gem Leben schmeichelt!
Mach's, Pania, kurz!

Pania. Ich komm' von Salimenes,
Den König nochmals dringend anzuflehn,
Daß heute wenigstens er im Palast
Verbleib'. Kehrt der Gen'ral zurück, wird er
Euch Gründe unterbreiten, die gewiß
Entschuld'gen mögen seinen kecken Wunsch,
Und ihm Verzeihung für sein Thun erlangen.

Sardanapal. Wie? Bin ich eingesperrt? Gefang'ner schon?
Darf ich die Luft des Himmels nicht mehr athmen?
Sag' Salimenes, wenn ganz Assur heut'
Rebellisch wüthete um den Palast,
Ich ginge dennoch aus –

Pania. Ich muß gehorchen,
Jedoch –

Myrrha. O König, hör'! Wie manchen Tag
Und Mond hast du in diesen Mauern hier
In süßer Ueppigkeit verbracht und nie
Der Sehnsucht deines Volkes dich gezeigt,
Das Auge deiner Unterthanen nicht
Erfreut, nicht nachgesehen den Satrapen,
Die Götter nicht verehrt, und jedes Ding
Am schlaffen Zaum der Anarchie gelassen,
Bis Alles schlief in deinem Königreich,
Das Laster einzig nicht – und nun willst du
Nicht einen Tag hier weilen, wo ein Tag
Dich retten kann? Willst jenen Wen'gen, die
Dir noch getreu, nicht wen'ge Stunden weihn
Für sie, für dich, für deiner Ahnen Haus,
Für deiner Söhne Erbe?

Pania. Ja, so ist's!
Und bei dem Drang der schweren Noth, worin
Der Prinz mich sandt' in deine heil'ge Nähe,
Wag' ich's, die schwache Stimm' Der anzureihn,
Die eben sprach.

Sardanapal. Es kann nicht sein, nein, nein!

Myrrha. Um deines Reiches willen!

Sardanapal. Fort!

Pania. Um deiner
Getreuen Unterthanen willen, die
Um dich sich schaaren werden, um die Deinen!

Sardanapal. Das sind nur Phantasie'n! 's hat nicht Gefahr.
Es ist ein Eigensinn von Salimenes,
Um seinen Eifer zu bethätigen
Und sich uns nöthiger als sonst zu zeigen.

Myrrha. Bei Allem, was nur gut und rühmlich ist,
Befolg' den Rath!

Sardanapal. Auf morgen die Geschäfte.

Myrrha. Ja, und den Tod heut' Nacht.

Sardanapal. Er komme nur,
Doch unerwartet unter Lust und Freuden
Und Lieb' und seinem Thun. Ich möchte fallen
Wie eine Rose, die man pflückt, weit lieber,
Als welken hin!

Myrrha. So willst du Allem denn
Zu lieb, was Fürsten je zum Handeln trieb,
Ein eitel Mahl nicht lassen?

Sardanapal. Nein.

Myrrha. So thu's
Für mich, thu's mir zu Lieb'!

Sardanapal. Für meine Myrrha?

Myrrha. Die erste Gnade ist's, um die den König
Assyriens ich bitt'!

Sardanapal. Da hast du Recht!
Und wär's ein Königreich, sie müßt' gewährt
Dir werden. – Gut! Um deinetwillen geb'
Ich nach. Geh', Pania! Gehe!

Pania. Ich gehorche. (Pania ab.)

Sardanapal. Ich muß mich wundern, Myrrha, über dich.
Was ist der Grund, daß du mich so bedrängst?

Myrrha. Nur deine Rettung, und die Ueberzeugung,
Daß nur die äußerste Gefahr den Prinzen
Bewegen konnt', dir Solches zuzumuthen.

Sardanapal. Und wenn drob mir nicht bangt, warum denn dir?

Myrrha. Weil du nicht fürchtest, fürchte ich für dich.

Sardanapal. Bald wirst du lächeln über diesen Wahn.

Myrrha. Doch kommt das Schlimmste, werde ich nicht weinen;
Und dies ist besser als die Kraft zu lächeln.
Und du?

Sardanapal. Ich werde König sein wie immer.

Myrrha. Und wo?

Sardanapal. Bei Baal, bei Nimrod auch und bei
Semiramis; allein in Assur oder
Bei ihnen, irgendwo! Das Schicksal hat
Zu dem mich, was ich bin, gemacht; es kann
Zu nichts mich machen, ja! Doch muß ich eins
Von beiden sein: so – oder nichts! – Entehrt
Will ich nicht leben.

Myrrha. Ach! Hätt'st stets du so
Gefühlt, dich wagte Niemand zu entehren.

Sardanapal. Wer wagt es denn?

Myrrha. Hegst Keinem du Verdacht?

Sardanapal. Verdacht? Das ist Spionenamt. O wir
Verlieren tausend köstliche Momente
Mit schalem Wort und mit noch schal'rer Furcht.
– Heda, ihr Sklaven! schmückt mir Nimrods Halle
Für das Bankett, das diesen Abend tödtet.
Muß der Palast durchaus zum Kerker werden,
So wollen wir die Ketten lustig tragen.
Verbietet man den kühlen Euphrat uns,
Das Sommerhaus an Flusses schönem Strand,
So sind wir hier doch unbedroht. – Heda! (Sardanapal ab.)

Myrrha (allein). Warum denn lieb' ich diesen Mann? Die Töchter
Der Heimat lieben Helden nur. Doch ich
Hab' keine Heimat mehr, die Sklavin hat
Ja Alles, nur die Ketten nicht, verloren!
Ich liebe ihn, dies ist das schwerste Glied
Der langen Kette – lieben und nicht achten!
Mög' es so sein! Bald kommt die Stunde doch,
Wo alle Lieb' er nöthig haben wird
Und keine trifft. Jetzt von ihm abzufallen,
Wär' niederträchtiger, als wenn ich ihn
Auf seinem Thron erdolcht, da er am höchsten –
Was groß gewesen wär' nach meines Volks
Gefühl; ich war für Beides nicht gemacht.
Könnt' ich ihn retten, liebt' ich ihn nicht mehr,
Nur mich; und dieses Letztre thut mir noth;
Denn seit ich diesen sanften Fremdling liebe,
Sank ich herab in meiner eig'nen Meinung.
Mich aber dünkt, ich lieb' ihn darum mehr,
Weil er verhaßt bei seinen Leuten ist,
Den alten Feinden unsres griech'schen Bluts.
Könnt einen jener Kraftgedanken nur
In seiner Brust ich wecken, wie sie selbst
Die Phrygier beseelt, als zwischen Meer
Und Ilium sie lange Zeit gekämpft,
Er träte nieder die Barbarenbrut
Und triumphirte noch. Er liebt mich, und
Ich liebe ihn, die Sklavin ihren Herrn,
Und möchte ihn von seinen Lasten gern
Befrein. Gelingt es nicht, so bleibt ein Mittel
Zur Freiheit noch, und kann ich ihn nicht lehren,
Wie man regiert, so kann ich zeigen ihm,
Auf welche Art allein ein Fürst den Thron
Verläßt. Nicht aus dem Aug' darf ich ihn lassen. (Ab.)

 


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