George Byron
Gedichte
George Byron

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Gelegenheitsgedichte

1807-1808.

 

                  Das Lebewohl.
  Unter dem Eindruck geschrieben, daß der
            Verfasser bald sterben würde.

Lebwohl, du Berg, wo früh' die FreudeHarrow
Mit Rosen mich umwebt,
Wo Wissenschaft auch faule Leute
Zu nähren ist bestrebt!
Lebt wohl, ihr Jungen, Freund und Feind,
In Freud' und Leid mit mir vereint!
Wir ziehn nicht mehr durch Ida's Plan,
Bald theile ich die düstre Zelle,
Wo schläft schon mancher Lustgeselle,
Fern von der Sonne Bahn.

Lebt wohl ihr alten Wetterhähne,
Ihr Thürm' aus Granta's Thal.
Wo Schulzopf schwarz beherrscht die Scene
Und Schwermuth, blaß und fahl!
Der heitern Stunden Brüderschaft,
Bewohner der gelehrten Haft,
Dort an der Cama grünem Strand,
So lang' Erinn'rung ich bewahre,
Lebt wohl! Bald opfr' ich am Altare,
Wo schwindet jedes Band.

Lebt wohl, ihr Berge jener Zone,
Wo ich als Kind gelebt,
Wo Lochna Garrs erhab'ne Throne
Ein ew'ger Schnee umwebt!
Warum zog meine Jugend fort
Von dir, du vielgeliebter Nord,
Um mit des Stolzes Volk zu ziehn?
Warum verließ ich Hochlands Zelle,
Die Haide Marr's, Dee's klare Welle
Um Südens Theorie'n?

Ein lang Lebwohl, du Väterhalle!
Doch warum fliehn vor dir?
Bald tönt dein Thurm vom Glockenschalle,
Ins Grab schaust du dann mir.
Der Mund, der deinen Fall einst sang
Und deines Ruhmes guten Klang,
Vergißt dann sein gewohntes Lied.
Doch beben noch der Leier Saiten
Und sterbend ihre Töne gleiten,
Wenn Aeol sie durchzieht.

Ihr Hütten dort in stillen Auen,
Lebt wohl! Noch säum' ich hier,
Noch einmal werd' ich euch erschauen,
Ihr seid so theuer mir.
Du Bach, in dessen muntrem Spiel
Dem jugendlichen Leib gefiel
In Mittagsglut dahin zu fliehn,
Wenn ich herabsprang vom Gestade;
Du rufst mich nimmermehr zum Bade,
Ach meine Kraft ist hin!

Und kann ich jenen Fleck vergessen,
Wol theuerst meiner Brust,
Wo zwischen Strom und Felsenpässen
Ich fand die höchste Lust?
Noch seh' ich deine Schönheit ganz,
O Mary,Mary Duff. wie im frischen Glanz
Der Liebe lächelnd vor mir stehn.
Erst wenn die Krankheit ihre Beute
Dem Tode gibt mit Klaggeläute,
Wird mir dein Bild vergehn.

Und du, mein Freund,Eddlestone, der Chorsänger von Cambridge. deß zarte Liebe
Noch meinen Busen rührt,
Wer malte deine Freundschaftstriebe,
So wie es sich gebührt!
Noch trag' ich auf der Brust den SteinSiehe das Gedicht: Der Carneol.,
Der einst gesprüht in Thränenschein,
Als deine heil'ge Lieb' ihn gab.
Da war die Seele gleich der Seele,
Vergessen Stand und Ranggequäle,
Der Hochmuth lag im Grab.

Doch Alles ist jetzt trüb und öde,
Kein Liebeslächeln mehr
Jagt in die Wangen mir die Röthe,
Treibt mir den Puls umher.
Selbst nicht des Ruhmes Allgewalt
Belebt die wankende Gestalt
Und kränzt mein mattes Haupt mit Wahn.
Kurz, ruhmlos sind die Lebenspfade,
Mein Antlitz neigt zu Staub und Made,
Im Tod schließt meine Bahn.

O Ruhm, du Göttin meines Herzens!
An Dem, der dich erringt,
Prallt ab der Pfeil des Todesschmerzens,
Den jener Strahl verschlingt,
Mich aber ruft es von der Welt,
Da noch den Namen nichts erhellt.
Mein Sein ein kurzer, schaler Traum,
Verloren in der stumpfen Menge,
Mein Hoffen in des Sarges Enge,
Mein Loos – Vergessen, Schaum!

Wenn ich dann ruhe unterm Wasen,
Im Staube, unbesehn,
Wo einst mein Fuß in wildem Rasen
Sich mochte spielend drehn,
Wird vom Gewölke nur der Nacht,
Vom Sturm ein Opfer mir gebracht,
Ihr Thau nur thränet auf mein Bett;
Kein sterblich Aug' wird jene Schollen
Mit seinen Thränen netzen wollen,
Ein unbekannt Skelett!

Ruhloser Geist! vergiß die Erde,
Im Himmel kehre ein;
Bald nimmst du dorthin deine Fährte,
Wenn Gott dir kann verzeihn.
Fern von der Frömmler stumpfer Frohn
Beug' dich vor des Allmächt'gen Thron,
An ihn richt' zitternd dein Gebet.
Er, der Barmherzige, Gerechte,
Verwirft kein Kind vom Staubgeschlechte,
So tief und fern es steht.

Dich ruf' ich an, du Herr des Lichtes!
In meiner Seele ist es Nacht;
Du wachst ob jedes Sperlings: Richt' es,
Und brich der Sünde Macht.
Du, der die Sterne nimmt in Hut
Und stillt der Elemente Wuth,
Deß Mantel ist das Firmament,
Woll' Denken, Wort und That vergeben
Und da ich bald soll nicht mehr leben,
Lehr' mich ein richtig End'.

              1807. (Zuerst 1832 veröffentlicht.)

 

            An eine eitle Dame.

Ach thöricht Kind, was plauderst du,
Was nie bestimmt war fremdem Ohre?
Warum zerstörst du deine Ruh'
Und öffnest künft'gem Leid die Thore?

O du wirst weinen, thöricht Kind,
Indessen deine Feinde lachen,
Wenn du den Kohl vertraust dem Wind,
Womit dich Buben närrisch machen.

Du Eitle! schleichend naht dir Pein,
Glaubst Alles du, was Laffen sagen;
O fliehe der Versuchung Schein,
Und glänzender Verführer Klagen!

Wie kindisch, auszuschrein der Welt,
Was dir ein Mann sagt, dich zu trügen!
Denn Frieden, Hoffen, Alles fällt,
Wenn du geglaubt, was jene lügen.

Indeß du deinem Mädchenkreis
Vertraust die schmeichelnde Geschichte,
Vernimmst du nicht ihr Kichern leis,
Siehst du den Spott nicht im Gesichte.

Verhülle deinen Herzgewinn,
Laß dich vom Blick der Welt nicht quälen!
Welch Mädchen von bescheidnem Sinn
Mag eines Narren Lob erzählen?

Wird nicht der Bursch mißachten Sie,
Die preisgibt jede Liebesglosse,
Ihr Auge wähnet voll Magie
Und doch nicht sieht des Truges Posse?

Denn Die dran findet ihre Lust,
Der Liebe Dinge auszuschwatzen,
Hat Alles glauben auch gemußt,
Um eitel mit herauszuplatzen.

Hör' auf, soll herrschen dein Gesicht!
Nicht Eifersucht hat mich getrieben,
Ein Mädchen, das so eitel spricht,
Bedaur' ich nur, kann sie nicht lieben.

        Den 15. Januar 1807. (Zuerst veröffentlicht 1832.)

 

                                An Anna.

O Anna, du konnt'st nur das Herz so durchbohren!
Ich dachte, Nichts sollt' meinem Zorn dich entheben;
Doch das Weib ist zum Trügen und Herrschen geboren,
Ich sah ins Gesicht dir, hab' fast schon vergeben!

Ich schwur, dich in Ewigkeit nicht mehr zu achten,
Und doch schien ein Tag von dir fern, mir zu lange,
Und traf ich dich, wollt' zu mißtraun dir ich trachten,
Doch dein Lächeln bewies mir, ich sei viel zu bange.

Ich schwur mir in jugendlich zornigem Tollen,
Dich künftig zu hassen und tief zu verachten.
Ich sah dich: Bewunderung wurde mein Grollen!
Dich wieder gewinnen ist all jetzt mein Trachten.

Von Reizen wie deinen kann Keiner sich wenden,
Drum fleh' ich in Demuth: mir werde verziehen!
Auf einmal den fruchtlosen Zank zu beenden,
Sei falsch, süßes Kind, sollt' ich nicht vor dir knieen!

        Den 16. Januar 1807. (Zuerst 1832 veröffentlicht.)

 

                            An Dieselbe.

O sag' nicht, lieb' Anna, 's sei Schicksals Beschluß,
Es müss', wer dich liebe, dich wünschen zu fliehen.
Solch Schicksal wär' grausam, und mehr als Verdruß,
Für immer sich Schönheit und Lieb' zu entziehen.

Dein Grollen, lieb Mädchen, ist's Schicksal allein,
Das mich könnt' bestimmen, die Liebe zu lassen;
Da würde jed' Hoffen, jed' Wünschen zu Stein,
Bis dein Lächeln es mahnte, Muth wieder zu fassen.

Wie Epheu die Eiche im Walde erklimmt,
Zusammen dem Wüthen des Wetters zu stehen,
So ist meine Lieb' und mein Leben bestimmt,
Zusammen zu blühen und unterzugehen.

Drum sag' nicht, lieb' Anna, 's sei Schicksals Beschluß,
Daß dein Liebster dir ewig Lebwohl müsse sagen.
So lang es nicht heischt seines Blutes Erguß,
Wird Seele und Herz ihm in deinem nur schlagen.

                      1807. (Zuerst veröffentlicht 1822.)

 

                    An den Verfasser des Sonetts:
»Mein Vers sei traurig, sagst du, doch nicht weinen etc.«

Ja »traurig« wol ist dein Gedicht,
Mehr traurig als pikant, auf Ehre!
Doch warum »weinen« wüßt' ich nicht,
Wenn's nicht aus Mitleid mit dir wäre?

Doch Einen ich beklag' noch mehr,
Er braucht es auch, das arme Wesen,
Denn ach! er leidet gar zu sehr:
Der dich zu seinem Pech muß lesen!

Einmal kann ohne Zaubersekt
Man's durch – doch nimmermehr dann – machen;
Doch nicht weil tragisch der Effekt,
Obgleich zu albern auch zum Lachen.

Doch willst du, daß uns wein' das Herz,
Daß zittre unser ganzes Wesen,
Daß wir empfinden wahren Schmerz,
So sag': du wollst's uns nochmals lesen.

                      Den 8. März 1807. (Zuerst veröffentlicht 1832.)

 

        Beim Finden eines Fächers.

Empfand ich noch, wie ich empfunden,
So fachte dies die Flamme an;
Jetzt kann's mein Herz nicht mehr verwunden,
Es lebt nicht mehr vom alten Wahn.

Denn wenn die Flammen spärlich sprühen,
Löscht sie der Wind, der sie genährt
Und einst gebracht zu bess'rem Glühen,
Nun gänzlich aus auf unsrem Herd.

So ist's auch mit der Glut der Triebe,
Wie mancher Bursch', manch Mädchen weiß:
Es stirbt die Hoffnung und die Liebe,
Sobald's im Herzen nicht mehr heiß.

Im Anfang bringt den schwächsten Funken
Die Hand der Sorgfalt leicht zur Glut,
Am Ende, wenn die Flut gesunken,
Bleibt starr trotz stärkstem Hauch das Blut.

Gelingt's dann je, es neu zu fachen
Aufs Neu zu bringen es in Sud,
So wirft's – o Schicksal! was zu machen? –
Auf einen Andern seine Glut!

                      1807. (Zuerst veröffentlicht 1832.)

 

                Lebewohl an die Muse.

Du Macht, die ich einst in der Jugend erkor,
Du Kind meines Geistes – nun heißt es: Lebwohl!
Das letzte der Lieder nun steige empor,
Der kälteste Strom, der dem Herzen entquoll!

Es fühlt diese Brust für Entzücken nicht mehr,
Sie mahnet dich nimmer zu stürmischem Sang;
Das Gefühl, das dich einstmals begeistert so sehr,
Dahin auf den Schwingen des Gleichmuths ist's lang.

So einfach der Stoff meiner Leier auch war,
So ist doch auch er, und für immer, dahin;
Das Auge ist Nacht, das mir Träume gebar,
Auf immer ach! sah ich die Bilder entfliehn.

Wenn der Nektar der fröhlichen Bowle versiegt,
Wie eitel das Müh'n, zu erhalten die Lust!
Wenn die Schönheit dahin, die die Seele gewiegt,
Was kann noch zum Sange erwecken die Brust?

Kann von Lieb' in der Wüste noch singen der Mund,
Von Küssen und Lächeln, die nimmer er trinkt,
Und weilen mit Glück auf entflohener Stund',
Wenn ach! diese Stunde doch nie wieder winkt?

Kann Freunde er singen, für die ich gelebt?
Ja Freundschaft veredelt gewiß den Gesang,
Doch kann er denn glühen, sympathisch durchwebt,
Wenn wieder zu sehen die Theuern ich bang'?

Kann ich singen von dem, was die Väter gethan,
Die Harfe erschüttern für Ehre und Muth?
Wie schwach meine Stimme so herrlichem Plan!
Wie lau für heroische That meine Glut!

Drum unberührt soll meine Leier nun ruhn,
Sie schweige, mein schmählich Bemühen ist aus;
Und der sie vernommen, verzeih' ihrem Thun,
Sie zittert ja nimmermehr leise durchs Haus.

Und bald ist vergessen ihr irrender Ton,
Da verhüllet der Freundschaft und Liebe Altar.
Wie glücklich doch wär' ich gewesen davon,
Wenn mein erstes mein einziges Liebeslied war!

Lebwohl, junge Muse, wir sehn uns nicht mehr,
Matt waren die Lieder, doch waren's nicht viel.
Laß mich hoffen, daß dieses doch klinge mit Ehr'
Dies letzte, das endet auf ewig das Spiel.

                      1807. (Zuerst veröffentlicht 1832.)

 

              An eine Eiche in Newstead.

O Eiche! als einst ich dich pflanzt' in den Grund,
Da hofft' ich, du würd'st überdauern mich lang';
Es würden die Aeste hier blühen im Rund,
Wo Epheu den Mantel ums Leben dir schlang.

Dies war meine Hoffnung, als einst ich mit Stolz
Dich tief in dem Land meiner Väter gesteckt.
Sie sank, und mein Auge in Thränen fast schmolz,
Das Unkraut am Fuß deinen Fall nicht bedeckt.

Ich verließ dich, o Eiche, und seit dieser Stund'
Ist ein Fremder ins Haus meiner Väter gesetzt,
Und bis ich ein Mann bin, ist machtlos mein Mund,
Nur Er gilt, der dich durch Mißachtung verletzt.

O hart warst du einst, und Pflege noch jetzt
Kann neu dich beleben und heilen den Stich;
Doch hat dich nicht Liebe, nicht Sorge geletzt,
Wie konnt' auch ein Fremdling empfinden für dich?

Ach halte ein Weilchen dein Haupt noch empor;
Eh' zweimal die Sonne umläuft der Planet,
Bringt wieder die Hand deines Herrn dich in Flor,
Weil dann ihm zu Ende die Prüfungszeit geht.

Und wenn dann gereifet du thronest im Thal,
Ich aber schon ruhe bei andrem Gewürm,
Beschein' noch dein Grün der Jahrhunderte Strahl,
Durch Zeit nicht verletzt und des Winters Gestürm'.

Jahrhunderte lang noch wehe dein Laub
Ueberm Leib deines Herrn als himmlisches Dach;
Indeß dein Geäste beschirmt seinen Staub,
Lehn' im Schatten der lebende Gutsherr gemach.

Und wenn mit den Söhnen er kommt nach dem Ort
Und mahnet sie flüsternd, hier leiser zu gehn,
So werden sie nimmer vergessen mich dort,
Erinnerung weiht Solche, die nicht mehr bestehn.

»Hier,« werden sie sagen, »hier war er einst jung,
Hier hat er gesungen sein einfaches Lied,
Hier schläft er nun bis zu dem mächtigen Sprung,
Wo Zeit wird vom ewigen Tage ein Glied.«

                      1807. (Zuerst veröffentlicht 1832.)

 

    Bei einem Wiederbesuch HarrowsAls Lord Byron sich in Harrow befand, schnitt einer seiner Freunde die Namen beider nebst einigen erklärenden Worten an einem Platze dort ein. Da sich Byron in der Folge von seinem Freunde beleidigt fühlte oder wähnte, zerstörte er diese Erinnerung, ehe er Harrow verließ. Als er jedoch im Jahre 1807 wieder dahin kam, schrieb er die obigen Verse darunter.

Einst sah des Fremdlings Auge hier
Der jungen Freundschaft zärtlich Zeichen –
Nur wenig Worte; doch die Gier
Des Grolles liebte sie zu streichen.

Tief schnitt er ein, doch konnt' zum Glück
Er jene Schrift nicht ganz verwischen,
So daß, als Freundschaft kam zurück,
Gedächtniß half, sie aufzufrischen.

Und Reue stellt' sie wieder her,
Verzeihung fügte bei den Namen;
Die Zeichen waren klar, so sehr,
Daß sie den alten nahe kamen.

So mocht' das Denkmal stehn im Holz,
Doch trotz der Hoffnung neuem Schimmer,
Trotz Freundschafts-Thräne kam der Stolz
Und strich die Zeichen aus – für immer!

                              September 1807.

 

                          Grabschrift
              auf John Adams aus Southwell,
        einen Fuhrmann, der an Trunksucht starb.

John Adams liegt hier aus Southweller Flur,
Der als Fuhrmann die Kanne zum Munde oft fuhr.
Er führte sie oft und führte sie gut.
Bis nicht mehr er konnte; es fuhr ihm ins Blut.
Das Naß war zu viel für den Einen zur Lab',
Er konnt's nicht verführen, drum fuhr er selbst ab.

                                  September 1807.

 

              An meinen Sohn.

Die blonden Locken, und die blauen,
Die wie der Mutter Augen schauen,
Die Rosenlippen, deren Spielen
So scharf nach jedem Herz muß zielen,
Erneuern Wonnen, die davon:
Es klopft des Vaters Herz, mein Sohn!

Du kannst des Vaters Namen sagen,
Ach William! dürftest du ihn tragen!
Doch still! – aus meiner Sorge Mühen
Um dich, soll Frieden mir erblühen;
Der Mutter Lächeln sei mein Lohn,
Ihr Geist wird mir verzeihn, mein Sohn!

Zu früh' hat sie das Aug' geschlossen,
Du hast der Fremden Brust genossen,
An deiner Wiege grinste Höhnen,
Kaum durfte dir ein Name tönen.
Doch nichts soll deiner Zukunft drohn,
Das Vaterherz ist dein, mein Sohn.

Laß diese rohe Welt nur grollen!
Werd' ich Natur verläugnen sollen?
Nein! wenn auch Moralisten schelten,
Ich lasse als mein Kind dich gelten,
Du holder Sprößling der Passion!
Ein Vater hütet dich, mein Sohn!

Süß wird es sein, in dir zu finden,
Eh' meiner Wange Farben schwinden,
Eh' auf dem Haupt des Alters Puder,
Zugleich den Sohn und einen Bruder,
Und meiner Jahre Schlußportion
Ganz dir zu widmen, theurer Sohn!

Ob jung und achtlos auch dein Vater,
Dir wird er Führer sein, Berather.
Wärst du auch nicht mein liebstes Sehnen,
In dir erblick' ich neu Helenen;
Wer noch der alten Lust kann loh'n,
Verläßt ihr Pfand auch nicht, mein Sohn!

                                      1807.

 

Lebwohl! – Wenn je ein heißes Flehn.

Lebwohl! – Wenn je ein heißes Flehn
Für Andrer Wohl genützt dort oben,
So wird das meine nicht verwehn
Und du durch mich zu Gott gehoben.
Vergebens Reden, Seufzer, Zähren!
O mehr als Klagen, dumpf und hohl,
Die in dem schuld'gen Busen gähren,
Sagt jenes Wort: Lebwohl! – Lebwohl!
Das Aug' ist dürr, der Mund ist stumm,
Doch in der Brust und in dem Haupte
Da geht ein Heer von Qualen um,
Das mir die Ruh' für immer raubte.
Die Seele will und darf nicht klagen,
Schreit auch das Herz um sein Idol,
Ich weiß nur: Liebe muß verzagen!
Ich fühle nur: Lebwohl! Lebwohl!

                                      1808.

 

Hell sei dir das Heim deiner Seele.

Hell sei dir das Heim deiner Seele!
Nie brach ja ein holderer Geist
Diese Bande irdischer Fehle,
Um zu leuchten, wo Seliges kreist.

Schon göttlich warst du auf Erden,
Unsterblichkeit rief dich von hier.
Unser Kummer mög' leichter uns werden,
Wir wissen ja: Gott ist bei dir!

Leicht möge der Rasen dich decken,
Smaragden gleich schimmre sein Grün,
Kein Schatten möge beflecken,
Was mahnt an dein herrliches Blühn!

Und Blumen und Immergrün sollen
Erstehen am Ort deiner Ruh'!
Nicht Eib' noch Cypresse wir wollen,
Nichts Trübes, da selig ja du!

                                      1808.

 

Als damals wir schieden.

Als damals wir schieden,
Bis Jahre herum:
Das Herz ohne Frieden,
In Thränen und stumm;
War kalt deine Wange
Und kälter dein Kuß;
Sie sagten mir bange
Voraus diesen Schluß.

Wie Eis hat die Stirne
Der Thau mir benetzt;
Ich fühlt' ihn im Hirne
Wie Ahnung des Jetzt.
Dein Schwur ist gebrochen,
Dein Ruf ist befleckt;
Viel wirst du besprochen,
Tief hab' ich's geschmeckt.

Wenn dich sie mir nennen,
So gellt's in mein Ohr,
Im Herz fühl' ich's brennen,
Das einst dich erkor.
Weiß kein's, daß ich kannte
Die, die man jetzt kennt,
Mehr schmerzt mich die Schande,
Als Lippe es nennt.

Still war das Entzücken,
Still ist nun mein Schmerz:
Dein Geist könnt' berücken,
Vergessen dein Herz!
Und wenn wir nach Jahren
Uns schaun wiederum,
Wirst mich du gewahren
In Thränen und stumm.

                              1808.

 

        An einen Jugendfreund.

Nicht lang ist's her, daß du und ich
Die allerbesten Freunde waren;
Der Kindheit offner Sinn wußt' sich
Gar lange das Gefühl zu wahren.

Jetzt aber weißt du nur zu wohl,
Wie rasch des Herzens Träum' zerstieben.
Die einst geliebt sich als Idol,
Vergessen überhaupt das Lieben.

Ja, unser Herz ist wandelbar
Und schwach der Jugendfreundschaft Stimmen;
Ein Mond, ein Tag vielleicht sogar
Kann anders deine Seele stimmen.

Drum fällt es mir auch gar nicht ein,
Um solch ein Herz noch lang zu trauern;
Natur muß Schuld wol daran sein,
Die dir beschied so kurzes Dauern.

So wie des Meeres Woge geht,
So ebbt und flutet menschlich Fühlen.
Wer hält auch eine Brust für stet,
Wo stets die Leidenschaften wühlen?

Umsonst, daß wir zusammen lang
Der Kindheit reine Lust genossen;
Mein Lebensfrühling mir entsprang,
Auch du bist längst emporgeschossen.

Sagt man der Jugend Lebewohl,
So wird man der Gesellschaft Sklave,
Die Wahrheit fällt vom Capitol,
Verderbt ist bald der Edle, Brave.

O frohe Zeit, da das Gemüth
Kühn Alles wachte, nur nicht lügen,
Als auf der Stirne Geist geblüht,
Und hell gestrahlt aus Aug' und Zügen!

Nicht so, wenn nun herangereift,
Der Mensch nur noch zum Werkzeug passet,
Selbstsucht in Furcht und Hoffnung greift
Und auf Befehl man liebt und hasset.

Wir lernen unsre Fehler dann
Mit gleichgestimmten Thoren mengen;
An sie, an sie allein darf man
Den armen Namen »Freund« noch hängen.

Das ist des Menschen täglich Loos.
Kannst du, kann ich dem Wahn entrinnen?
Der Sitte geben einen Stoß
Und Andres als die Welt beginnen!?

Nein! Doch mein Schicksal war so schwer,
So schwarz in allen Lebenslagen,
Ich hasse Mensch und Welt so sehr,
Daß gleich mir's, wenn sie fort mich tragen.

Doch du mit deinem leichten Geist!
Willst wol erst glänzen vor dem Gehen,
Glühwürmchen, das im Finstern gleißt,
Jedoch den Tag nicht kann bestehen!

Ach wo die Thorheit lockt den Troß,
Wo Prinz und Schranze tritt das Pflaster
(Denn vorzugsweis im Königsschloß
Begrüßt sich wohlgepflegtes Laster),

Da wird man dich auch nächtlich sehn
Als ein Insekt im flücht'gen Haufen;
Es wird dein kindisch Herz sich blähn,
Dem Putz und Stolz zu Hof zu kaufen.

Dort flatterst du um Schöne her
Mit all dem Eifer eines Gecken,
Wie Fliegen um ein Blumenmeer,
Das sie berührend auch beflecken.

Doch welche Nymphe liebt die Brunst,
Die flackert gleich dem Meteore,
Die buhlt um jeder Dame Gunst
Ein Irrlicht auf der Liebe Moore?

Und welcher Freund, treu bis dahin,
Wird noch sich widmen deinem Heile?
Und schänden so den Mannessinn,
Daß er dein Herz mit Narren theile?

Laß ab bei Zeit! Im Publikum
Laß nicht mehr schaun so Leeres, Kleines!
Geh nicht so müßig mehr herum,
Sei, thu' Etwas, nur nichts Gemeines.

                                        1808.

 

Auf eine aus einem Schädel geformte Schaale.

Beb' nicht! – mein Geist ist nicht entschwunden!
Den einz'gen Schädel schau in mir,
Der nie geschmacklos Zeug entbunden
Wie manches lebende Gethier.

Ich hab' wie du geliebt, gebürstet;
Ich starb; die Erd' birgt mein Gebein.
Füll' keck! – Mich kränkt nicht, wenn dich dürstet,
Des Wurmes Maul mag wüster sein.

Weit besser Rebensaft umfangen,
Als nähren Wurmes schmierig Blut!
Weit besser als ein Becher prangen
Mit Göttertrank, als füttern Brut.

Wo einst vielleicht mein Witz gestrahlet,
Da strahl' ich nun zu Andrer Witz.
Wenn ach! in uns kein Hirn mehr prahlet,
Was besser, als daß Wein hier blitz'?

Trink, so lang's geht! Auch dich mög' retten
Ein neu Geschlecht, wenn du dahin,
Einst aus der Erde schweren Ketten
Und leeren dich in frohem Sinn!

Warum nicht? Wenn in diesem Leben
Den Köpfen oft fällt gar nichts ein.
So ist die Aussicht doch gegeben,
Vom Wurm befreit, was nutz zu sein.

                        Newstead Abbey 1808.

 


 << zurück weiter >>