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14

Als Moidl wieder erwachte, war es nur ein halbes Erwachen. Ihre Sinne waren betäubt, ihre Lider schwer wie Blei; sie machte keinen Versuch, die Augen aufzuschlagen, sie gab sich keine Rechenschaft über den Ort, wo sie war. Sie hatte nur ein unbestimmtes Gefühl, daß sie nicht allein sei, vielleicht weil sie leises Geräusch vernommen hatte, oder weil ein sanfter, warmer Hauch ihre Wange streifte.

So verging einige Zeit. Eine rauhe Männerstimme weckte sie aus ihrem schweren, schmerzlichen Schlummer. Als sie die Augen öffnete, blickte sie in ein rosiges, von reichen, blonden Flechten umrahmtes Gesicht, das sich zu ihr neigte. Im nächsten Augenblicke aber wandte sich die Blonde zurück, wie um jemand zu beschwichtigen, und den Finger an die Lippen legend, flüsterte sie: »Pst, pst, 's is a Luschari-Pilgerin!«

Es war ein älterer Mann, breitschulterig, mit wirrem graulichem Haar und mürrischem Ausdruck, an den diese Worte gerichtet waren.

»Ah was,« brummte er, »schau, daß d' bald' nauskommst, Zenzi! Is eh' scho' genug, daß d' gestern den Schrecken g'habt hast wegen der landfremden Person!«

Damit ging er und schlug die Tür heftig hinter sich zu. Moidl aber war jetzt soweit aufgerüttelt, daß sie begriff, welche Ungelegenheiten sie den Bewohnern dieses Hauses bereitet habe.

Sie stammelte einige Worte der Entschuldigung.

»Is nit der Red' wert!« unterbrach sie die Blonde lächelnd. »Ich bin kei' Schreckige nit. Wenn's nur Ihna a wengerl besser geht, arm's Hascherl!«

So herzlich und einfach war das Wesen des jungen Geschöpfes, daß Moidl sich mit einemmale wieder beruhigt fühlte. Ihr war es zu Mute, als sei sie in das Haus einer Verwandten gekommen oder einer lieben Freundin, und als habe sie ein gewisses Recht, hier zu bleiben. Die unerfreuliche, wenn auch flüchtige Erscheinung des Mannes wollte sich trotzdem nicht ganz verwischen lassen. Und als Moidl bald darauf in einen Halbschlaf zurückfiel, umgaukelten sie der Graukopf und die Blonde wie Phantasiegebilde, bis endlich das Träumen aufhörte und sie in tiefen, erquickenden Schlummer versank.

Als sie erwachte, fühlte sie sich gekräftigt. Sie richtete sich im Bette auf und blickte umher. Ein freundliches Stübchen war es, worin sie lag. Vor dem geöffneten Fenster wiegten sich grüne Zweige, und durch das Laub hindurch drang die Maiensonne und tanzte lustig auf den weißgetünchten Wänden. Schnell griff Moidl nach ihren Kleidern, die säuberlich zusammengefaltet am Fußende des Bettes lagen.

Da plötzlich erwachte in ihr die volle Erinnerung. Eine Traurigkeit zog in ihr Herz ein, wie sie noch nie solche empfunden hatte, eine Traurigkeit, die jedes Gefühl des Trostes und der Hoffnung für immer zu zerstören schien. Umsonst, umsonst all ihr Hungern und Frieren, all ihr Wandern und Beten! Sie hatte geglaubt und gehofft wie nie zuvor, und wieder war es Täuschung gewesen. Ihr Herz wurde kalt wie Eis. Alles blieb wie es war! Als eine Kranke, Fluchbeladene war sie ausgezogen, und fluchbeladen und krank würde sie heimkehren.

Ja, heimkehren! Es war doch alles vergeblich! Eine heftige, törichte Sehnsucht stieg in ihr auf, eine Sehnsucht, die wie Wahnsinn war. Denn es zog sie nach der Heimat zurück, aus der sie doch geflohen war, nach der vaterlosen, trostlosen Heimat auf der kalten Bergeshöhe. Mit allen Fibern ihres Herzens zog es sie dahin: keinen Schritt mehr wollte sie voran tun.

Sie kleidete sich an und trat hinaus. Eine Holztreppe führte hinab ins Erdgeschoß. Aber schon hatte Zenzi Moidls Schritt gehört und stand, ein Messer in der einen, eine halb geschälte Kartoffel in der anderen Hand, auf der Schwelle der Küche, mit freundlichen Worten den Gast zum Morgenimbiß ladend.

Gedankenlos folgte Moidl der Aufforderung und setzte sich an den Küchentisch.

Die Blonde stellte eine dampfende Suppenschüssel vor sie hin; dann fuhr sie fort, Kartoffeln zu schälen. Dabei versuchte sie zu plaudern, doch vermied sie sorgfältig alles, was den traurigen Zustand ihres Gastes betraf. Darum sprach sie wohl von den Kartoffeln, die gerade das Nächste für sie waren. Sie seien nicht mehr gut um diese Zeit des Jahres; am besten könne man sie noch verwenden, wenn man sie zerdrückt verkoche. Ob Moidl nicht auch dieser Ansicht sei? Als aber Moidl still und starr vor sich hinblickte, hielt es Zenzi für geziemender, von anderem zu sprechen, und so begann sie vom Luschariberge, und wie sie die Gnadenmutter da droben besonders hoch halte, was sie von ihrer eigenen, früh verstorbenen Mutter gelernt habe.

Da plötzlich löste sich der stumme, steinerne Schmerz der Kirchfahrerin in einer Flut von Tränen.

»O,« schluchzte sie, »Ihr werdet meinen, ich bin närrisch. Alleweil hab' ich hinauf wollen auf den Luschariberg; so viel Tag' bin ich gegangen von Pustertal her und jetzt auf einmal ist mir ganz anders. Umkehren will ich und heimgehen will ich, durchaus will ich heimgehn!«

Verdutzt blickte die Blonde ihren Gast an; sie mochte denken, daß es bei Moidl im Oberstüblein nicht ganz richtig sei. Aber bei aller Verwunderung hatte dieser Blick, der sich forschend auf die Kirchfahrerin heftete, etwas so Teilnehmendes, so Vertrauenheischendes, daß Moidl fast wider Willen ihr Herz der Blonden erschloß. Ihre ganze trostlose Stimmung enthüllte sie ihr, ihre Krankheit, ihren Entschluß, ihre zuversichtliche Hoffnung und die niederdrückende Enttäuschung, die der gestrige Abend ihr gebracht hatte.

Da flog ein Lächeln über Zenzis anmutige Züge; sie legte ihr Messer weg und hob den gebeugten Kopf der Weinenden empor.

»Na, was werden's denn so lamentieren?« schalt sie. »Noch sein's gar nit oben gewesen auf dem heiligen Berg! Das wär' mir ein nettes Mirakel, wenn's jetzt schon gesund sein wollten! Lassen's der Gnadenmutter grad a bisserl Zeit.«

Mit großen, fragenden Augen blickte Moidl zur Blonden auf. Ihr Blick war wie eine stumme Bitte: noch einmal, noch öfters wollte sie diese kindlichen Worte hören, dies schlichte Argument, das ihr bewies, wie töricht sie sei, der mächtigen Fürbitterin am Luschariberge zu mißtrauen, und wie der Unfall, der sie gestern betroffen hatte, nichts anderes sei als eine letzte große Prüfung ihres Vertrauens.

Und Zenzi ließ sich nicht umsonst bitten und wiederholte es immer und immer wieder: »Grad Zeit lassen, grad a kleins bisserl Zeit lassen müssen's ihr, der Gnadenmutter auf'm heiligen Berg!«

Da wurde es auf einmal der Kirchfahrerin wieder leicht ums Herz und sie wäre am liebsten gleich aufgestanden, um ihren Weg nach Maria Luschari fortzusetzen.

Aber das ließ Zenzi nicht zu: die Pilgerin müsse sich erst erholen und laben, sagte sie. Und Moidl fügte sich und ließ sich, schon um Zenzi Freude zu machen, die vorgesetzte Suppe trefflich munden.

Dann fragte sie nach dem Kinde, das sie gestern im Arme der Blonden gesehen hatte.

Sie zweifelte, ob Zenzi nicht etwa die älteste Schwester des Kleinen sei. Erst als Zenzi ihn unter tausend Liebkosungen herbeibrachte und zwischen einem Kusse und dem andern gerührt ausrief: »Is er nit nett, mei Hansi?« verstand Moidl, daß dies Geschöpf mit den kindlich weichen Zügen schon Mutterfreuden kenne – vielleicht auch Muttersorgen.

Auch Moidl ließ es dem Kleinen an Liebkosungen nicht fehlen. Sie streichelte seine Wangen, lobte sein blühendes Aussehen und ließ sich von den herzigen Patschhändchen die Haare raufen und aufs Gesicht klopfen.

»Der wird schon was gelten beim Vater!« meinte sie.

Ein fast unmerklicher Schatten flog über die Stirn des jungen Weibes. »Der Vater hat mehrere Kinder,« erwiderte sie.

Beim Mittagessen lernte Moidl diese Kinder kennen: zwei pausbackige Büblein waren es und ein etwas größeres Mädchen. Sie schienen ihre junge Stiefmutter lieb zu haben; Zenzi sorgte aber auch treulich für alle, legte ihnen die Speisen vor und putzte den Kleinen die Nase. Dabei trug sie die Schüsseln aus und ein, bediente den Bauer und die beiden Knechte und fand selbst kaum Zeit zum Essen.

Vor dem Bauern schien Zenzi eine gewisse Scheu zu empfinden. Mit Unwillen bemerkte Moidl, daß er, so oft sie in seine Nähe kam, sie mit zudringlichen Liebkosungen verfolgte ohne Rücksicht auf die übrigen Tischgenossen und auf die Teilnahmslosigkeit des jungen Weibes. Moidls Widerwillen steigerte sich noch, als der Mann mit einem Male freundlicher gegen sie selbst wurde. Er erkundigte sich, woher sie komme, bedauerte ihren Unfall und forderte sie auf, einige Tage bei ihm Rast zu halten. Sie sei nicht die erste und wohl auch nicht die letzte Luschari-Pilgerin, die der Zehentmaier beherberge, denn die Leute, die auf Luschari wallfahrteten, seien nun einmal seiner Zenzi besonders ans Herz gewachsen.

»Das wohl,« fiel Zenzi ein, »und 's hat auch noch immer Segen gebracht. Weißt, vorigen Sommer, wie 's Wetter kommen is? 's ganze Dorf hat's verhagelt, aber vor unserer Haustüre hat's die letzten Steinerln g'worfen, und 's Garterl hat's ausgelassen und die Felder auch. Und grad dieselbige Nacht haben wir a Luschari-Pilgerin bei uns g'habt. Weißt noch?«

»Ja, und ich hab' g'sagt: das ist die Wetterhex'!« lachte der Bauer. »Wissen's Dirnerl, 's sind nit alle Kirchfahrerinnen so sauber wie Sie.«

Unwillig blitzten Moidls dunkle Augen, und über Zenzis Gesicht huschte leichte Röte. Als dann der Zehentmaier seine Blonde fragte, ob sie etwa eifersüchtig sei, wurde sie purpurrot, und es kam ihr fast das Weinen. Er aber lachte unbändig und rief: »Na, mir scheint, ich hab's troffen.«

Und Moidl keck am Arm fassend, fügte er bei: »Hören's, Dirnerl, machen's mir kei so grantiges G'sicht! Des müssen's schon noch vertragen, wann ich Ihnen sag', daß Sie a Saubere sein!«

»Müssen's Ihnen nit jed's Wörterl zu Herzen nehmen,« tröstete Zenzi, als Moidl nach dem Essen zu ihr in die Küche floh. »Der Bauer meint's nit bös, aber Sie sein heut halt a bisserl aufg'regt, gelten's? Jetzt bleiben's aber etliche Tag bei uns und rasten, dann kommen's schon wieder zu Kräften.«

Moidl war so elend, daß sie froh war über diese Einladung. Sie half tagsüber dem jungen Weibe in Haus und Garten und beim kleinen Hansi, der sich gar nicht scheu vor ihr geberdete; dabei sprachen sie über dies und jenes, und Moidl erzählte, wie sie gestern gemeint habe, in ein lutherisches Dorf zu kommen, weil sie die Kirchentüre verschlossen gefunden habe.

Zenzi lachte. »Katholisch sind wir grad schon, aber gesperrt ist die Kirch' freilich. 'S is kein Geistling da im Ort, wissen's; grad jeden zweiten Sonntag kommt einer aus Hermagor.«

Moidl schlug die Hände zusammen. Das hätte sie nie gedacht, meinte sie, daß ein so großes Dorf ohne Seelsorger sein könne. Und sie schilderte mit beredten Worten die glücklichen Verhältnisse ihrer Heimat und die schönen Andachten, die es in der Stiftskirche und bei den Franziskanern gebe.

Aber Zenzi zuckte nur die Achseln und meinte: »Ja, was will man denn machen?«

Rasch verflogen für Moidl die Tage im Hause des Zehentmaiers. Aber ihren geheimen Widerwillen gegen den Herrn des Hauses konnte sie nicht überwinden. Vielleicht war es deshalb, daß es ihr schien, als werde Zenzi nicht gut behandelt, als habe sie nicht jene Stellung, die einer Hausfrau zukommt. Zenzi selbst betrachtete sich ganz als Magd; ja, als Moidl sie mit dem Ehrentitel »Bäuerin« anredete, bat sie bescheiden, man möge sie kurzweg »Zenzi« nennen.

Am Morgen des vierten Tages brach Moidl auf, überreich mit Mundvorräten versehen. Zenzi ließ sich's nicht nehmen, sie eine Strecke Weges zu begleiten, und Hansi mußte ebenfalls mit.

Moidl hatte sich vom ganzen Herzen an die gutmütige Kärntnerin angeschlossen, und das Scheiden fiel ihr schwer. In dieser Stimmung quoll ihr Herz über. Ein Wort gab das andere. Sie sprach von ihrem jüngst verstorbenen Vater, vom unglücklichen Vetter Michel, vom Fluche, der auf dem Silvesterhofe liege, von der Härte und Kälte ihrer Stiefgeschwister, und endlich auch – wozu sollte sie sich vor der guten Zenzi Zwang auferlegen? – endlich sprach sie auch von Kandidus in Worten, wie nur Liebe sie eingibt, treue, starke, bewundernde Liebe.

Aufmerksam und mit wachsender Teilnahme hörte Zenzi ihr zu.

»O mein gut's Moiderl,« sagte sie dann mit bebender Stimme, »da wünsch' ich Ihna wohl, daß's g'sund werden; doppelt und dreifach wünsch' ich's Ihna, damit's bald zu Ihrem Schatz kommen!«

Gedankenvoll fügte sie hinzu: »Aber 's is an eigene Sach' mit dem Heiraten. Alle Tag' bet' ich drum und bin noch nie erhört worden.«

Moidl sah sie groß an, doch unbefangen fuhr die Kärntnerin fort: »Wissen's, Moiderl, er will nit, mei Bauer, er fürcht' sich z'viel vor seiner Ersten.«

»Vor seinem ersten Weib?« fuhr Moidl auf. Etwas Entsetzliches begann ihr zu dämmern.

»Nein, nein,« unterbrach Zenzi, »sei Weib is d' Walpi nit. Er is gar nie verheirat' g'wesen, der Zehentmaier; aber versprochen hat er's der Walpi so und so oft, und anstatt dem hat er's aus'm Haus g'jagt, weil's hinter's Trinken kommen is. Und jetzt sagt's immer, wenn er eine andere heiraten tät', nachdem wollt's ihm's Haus anzünden, und deswegen fürcht' er sich.«

Moidl war bald rot, bald blaß geworden. Dann sagte sie tonlos: »Das wollt Ihr mir etwa nicht sagen, Zenzi, daß ... daß Ihr nicht verheiratet seid!?«

»Ich kann nichts dafür,« meinte wehmütig die Kärtnerin, »und er kann auch nichts dafür: er fürcht' sie halt so. Der Geistling, der Meßlesen kommt, hat's ihm wohl einmal gesagt, er sollt sich entschließen. Aber wissen's, 's wär' besser, wenn wir einen Geistling im Ort hätten, der's ihm alle Tag' sagen könnt'. Vielleicht möcht' er dann Ernst machen, der Bauer.« Mit einem Seufzer fügte sie bei: »S' is grad wegen dem Kind!«

»Wegen dem Kind?« rief Moidl. »Zuerst solltet Ihr doch auf Eure Seel' denken! O Zenzi, Zenzi, das hätt' ich nie gemeint, daß Ihr so eine seid!«

»Ich kann nichts dafür,« wiederholte Zenzi traurig. Und dann erzählte sie, wie ihr Vater, ein blutarmer Taglöhner, sie beim Zehentmaier in Dienst gegeben habe und wie alle ihre Bekannten ihr dazu Glück gewünscht hätten, denn der Bauer sei steinreich, und sie werde einen schönen Lohn erhalten und am Ende noch Zehentmaierin werden. Sie sei auch im ganzen zufrieden, versicherte sie. Mit den Kindern der »Ersten« stehe sie gut; es sei ihnen nicht im mindesten leid um die Mutter, die oft aufs Kochen vergessen und sie wohl auch im Rausche geschlagen habe.

»So ein versoff'nes Weibsbild is schon nichts wert. Wie ich beim Bauer eingestanden bin – über zwei Jahr is's her –, is kei ganzes Leintuch mehr im Haus gewesen, alles hat's verreißen und verschlampen lassen, d' Walpi. Er hätt' nimmer so weiter hausen können, er hat sich schon wirklich müssen um ein anderes Mädel schauen ...«

Moidl war stehen geblieben. An einem Zaun am Wege lehnend, hörte sie Zenzi an. Was sie so tief ergriff, war nicht einzig der unselige Zustand dieses armen Geschöpfes, es war die entsetzliche Unbefangenheit, womit Zenzi ihr Verhältnis zum Zehentmaier berichtete. Als sie wieder etwas Fassung errungen hatte, faßte sie Zenzi am Arm und sagte mit großer Entschiedenheit: »Das darf nicht so weiter geh'n, wie's jetzt ist. Ihr müßt heiraten, meine gute Zenzi, und gleich heiraten müßt Ihr. Es geht schon, wenn guter Wille da ist. Ihr habt euch ja gern, Ihr und der Bauer, nicht? Ja, nachdem ist's doch nichts Hartes, dem Herrgott versprechen, daß ihr euch immer und allezeit gern haben wollt. Stellt Euch grad einmal vor, was das etwas Fürnehm's ist, der heilige Ehebund! Unser Herr selber schaut vom Himmel herab und gibt seinen Segen dazu und denkt sich: Die zwei gehören zusammen, von aller Ewigkeit her hab' ich's bestimmt! Ein jedes Kind, das er euch schickt, ist ein neuer Segen und eine neue Freud' ... Und denkt's grad auf die vielen Gnaden, die die christlichen Eheleut' haben, daß sie mit einander gut auskommen und die Kinder für den Himmel auferziehen können! Und wenn einmal alle – Vater, Mutter und Kinder – bei einander sind in der ewigen Seligkeit ... stellt's Euch grad die Freud' vor und wie eins dem anderen »Vergelt's Gott« sagt, weil's ihm dazu verholfen hat. O meine gute Zenzi, wenn Ihr das dem Bauer so recht sagen tätet ...«

Moidls Stimme ging in Weinen über.

Auch aus den langen Wimpern des jungen Weibes stahl sich eine Träne und perlte langsam über ihre rosige Wange. Dann sagte sie leise, aber bestimmt: »Er tut's nicht; so lang d'Walpi lebt, heirat' er nicht!«

»Ja, nachdem packt Euer Bübl zusammen und geht zu Eurem Vater.«

»Der tät' mich zurückschicken; ich bin ja beim Zehentmaier im Dienst.«

»Da gilt kein Dienst! Ihr müßt dem Vater grad aufrichtig sagen ...«

»O, der weiß alles! 's is no nit lang her, hat er mich heimgesucht und hat sein' größte Freud' mit 'm Kinderl g'habt und hat gemeint, ich sollt' nur Geduld haben, der Hansi wollt' schon einmal Großbauer werden.«

»O mein Gott, und damit der Hansi einen Hof kriegt, wollt Ihr Eure Seel' in die Höll' bringen?« rief Moidl entrüstet.

»In d' Höll' wird mi unser Herr doch nicht schicken!« hoffte die Kärntnerin. »Er weiß ja, wie's steht, und daß der Hansi verhungern müßt'!«

»Verhungern müßt' er gewiß nicht: der Vater im Himmel tät' schon sorgen. Faßt Euch ein Herz, Zenzi, und kommt's frisch mit mir auf den heiligen Berg. Wenn der Bauer sieht, daß es Euch Ernst ist, nachdem wird er sich schon geben.«

Das unglückliche Mädchen senkte die Augen. »Wann i geh', nimmt er sich halt eine and're,« murmelte sie.

Moidl schwieg. Sie mochte fühlen, daß Zenzis Sorge begründet sei und daß es heldenhaftes Gottvertrauen brauche, um den Schritt zu wagen, den sie ihr vorschlug. Aber auch das fühlte sie, daß der Paradiesesgarten der gottgewollten und gottgesegneten Ehe dieser Armen verschlossen sei. Als sie vorhin so begeistert sprach, hatte sie an Kandidus gedacht, nicht an den Zehentmaier von Windischeck. Für Zenzi würde die Ehe immer nur ein rauher, dorniger, sonnenloser Pfad sein, und doch – wie gern hätte Moidl sie auf diesem Pfade gesehen!

»B'hüt Gott und vergelt's Gott zu tausendmal!« sagte sie, als die Kärtnerin von ihr schied.

»Kehren's fein wieder zu, wann's heimgeh'n,« bat Zenzi, »und schließen's mich bei der Gnadenmutter ein.«

Moidl versprach es. Doch ihre Zusage galt nur dem zweiten Teile von Zenzis Bitte. Und so setzte sie ihre Wanderung fort, mehr fremden Jammer als eigenen im Herzen.


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