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Während der nächsten Wochen war Moidls ganzes Bestreben darauf gerichtet, das Furchtbare, das sie befallen hatte, ihrem Vater zu verbergen. Das Gefühl der Erregung, womit diese Sorge verbunden war, hatte etwas Wohltuendes für die Hartgeprüfte; es bot ihrem aufgeregten Geiste Ablenkung und dämmte das Gefühl hoffnungsloser Traurigkeit zurück, das zuweilen in ihrem Herzen aufstieg.

Ihrer Stiefschwester, mit der sie Kammer und Bett teilte, konnte sie ihren Zustand freilich nicht verheimlichen. Scholastika entsetzte sich, als Moidl ihr von ihrem Unglück redete; sie versprach Verschwiegenheit, erklärte aber, fortan nicht länger mehr bei Moidl schlafen zu wollen. Daß es etwas Furchtbares für die Kranke sei, die Nächte allein zu verbringen, überlegte sie wohl nicht. »Ich muß zuerst auf mich denken,« erklärte sie offenherzig.

Während der ersten Zeit waren Moidls Ohnmachten weder häufig noch andauernd. Auch hatte sie stets ein warnendes Vorgefühl, das sie antrieb, zur rechten Zeit ihre Kammer aufzusuchen.

Eines Tages aber kam es anders. Gegen Ende des Winters war es. Moidl saß mit all den Ihrigen in der gemeinsamen Wohnstube, als sie auf einmal, wie von unsichtbarem Arm erfaßt, rücklings zu Boden fiel.

Als sie wieder die Augen aufschlug, wußte sie nicht, ob es Tag oder Nacht sei, aber mitten in diesem Zustande halben Erwachens drangen Worte an ihr Ohr, halblaut und doch verständlich gesprochen, die wie eine Offenbarung aus einer anderen Welt auf ihren umnachteten Geist einstürmten.

»Am hohen Frauentag, wo sie die Kräuter weihen, ist sie auf die Welt kommen und Maria ist sie geheißen worden, und ich hab' mir gedacht: Jetzt hat der Fluch ein End'. Oder wer sollt' dem Fluch ein Ende machen, wenn's die Muttergottes nicht vermöcht'?«

Als es in ihrem armen Kopfe wieder ganz klar geworden war, erinnerte sie sich nicht mehr, welche Personen Zeugen ihres Unfalles gewesen waren, noch viel weniger, welche Umstände ihn begleitet hatten. Nur jene Worte waren ihr geblieben: wie einen Schatz hielt sie sie in ihrem Herzen geborgen. Von dem Tage an aber war der alte Silvesterbauer ein gebrochener Mann. In dumpfem Hinbrüten brachte er seine Stunden zu; um Haus und Hof bekümmerte er sich nicht mehr. Das brachte große Veränderungen für den Silvesterhof; denn Veitl, den der alte Piffrader sonst in strenger Unterwürfigkeit gehalten hatte, fühlte sich jetzt als Herr im Hause. Nach Veitls Befehlen richtete sich auch Scholastika; um den kränkelnden Vater fragte sie wenig. »Es hat ihn halt ein Schlagl troffen,« meinte sie achselzuckend.

Zu Scholastikas Befriedigung war die Krankheit ihrer Stiefschwester jetzt kein Geheimnis mehr. Sie konnte es jedem, der sie anhören wollte, klagen, was für ein schweres Kreuz sie drücke wegen Vater und Schwester. Besonders gern erwählte sie den Rosenwirt zu ihrem Vertrauten, so oft sie zum Markte hinabging, und drückte ihm stets aufs neue ihr Bedauern aus, daß sie an eine Stelle bei ihm vorderhand nicht denken könne, weil sie zu Hause unentbehrlich sei.

»Aber,« fügte sie geschäftig hinzu, »daß die Moidl nicht zu Ihnen ins Wirtshaus gekommen ist, da können Sie grad froh sein! Was täten Sie denn mit so Einer?«

Und Finkenberger versicherte dann mit seinem gewinnendsten Lächeln, um Moidl tue es ihm nicht leid, sondern nur um Scholastika, und er hoffe zuversichtlich, sie habe ihr letztes Wort noch nicht gesprochen. Das sagte er aber in so gefühlvollem Tone, als handle es sich für ihn in der Tat nicht darum, eine Bedienerin, sondern eine Wirtin anzuwerben.

Die Folge dieser Unterredung war, daß die alte Silvestertochter der Kramsacherin mitteilte, sie habe einen glänzenden Heiratsantrag erhalten, allein sie müsse sich für die Schwester opfern.

»Sie ist freilich nur meine Stiefschwester,« seufzte sie. »O mein, der Vater hätt' nie ein zweites Weib nehmen sollen!«

»Ja, was wär' denn nachdem?« tröstete die Kramsacherin. »Nachdem hätt' halt der Veitl das Hinfallende; eins von euch muß es ja haben. Nein, ist das ein Elend! In so einem verwünschten Haus möcht' ich nicht bleiben.«

»Ich bleib' auch nicht gern,« entgegnete Scholastika weinerlich. »Kathl,« fügte sie nachdenklich bei, »was meinst denn du? Wenn er noch einmal fragen tät', sollt' ich ihn nicht doch nehmen?«

Die Kramsacherin hatte auch ihr Zartgefühl. Obschon sie an diesen Liebhaber hinter den Kulissen ganz und gar nicht glaubte, lachte sie der alten Silvestertochter doch nicht ins Gesicht, sondern leistete einen Orakelspruch und meinte, die Verheirateten hätten auch nicht den Himmel auf dieser Welt und die Unvermählten sollten sich vor dem »jähen Heiraten« wohl in acht nehmen.

*

Ein schöner Juniabend war es. Noch lag alter Winterschnee auf dem kahlen Haupte des Helm und in den Felsenriffen der Sextener Dolomiten. Aber schon hatte sich das Mittelgebirge in liebliches Grün gekleidet, und mildere Lüfte durchstreiften das Tal. Da hatten sich Meister Bachmanns »Buben«, sein Sohn Roman und Kandidus, der wackere Geselle, nach vollbrachtem Tagewerke hinaus locken lassen auf den freundlichen Wiesenweg, der von Innichen gen Toblach führt.

Nachdem sie ungefähr ein Viertelstündchen verbummelt hatten, betraten sie die Heerstraße und wandten sich heimwärts.

Sie waren nicht mehr weit von den ersten Häusern des Marktes, als eine weibliche Gestalt, mit kurzem »Wifling« Faltenreicher Rock der Pustertalerinnen. angetan, ihnen entgegenkam. Der Regenschirm unter ihrem Arm und das Bündel in ihrer Hand verrieten, daß sie einen weiten Weg vor sich habe.

»Die ist nicht mehr zu früh daran!« meinte Roman; aber fast zu gleicher Zeit rief sein Gefährte: »Meiner Seel', das ist ja die Silvester-Moidl!«

Sie war es auch. »Gelobt sei Jesus Christus!« grüßte sie heranschreitend. Aber statt den frommen Gruß zu erwidern, vertrat ihr Kandidus den Weg: »Um Gotteswillen, wohin gehst denn?«

»Kirchfahrten,« erwiderte sie heiter.

»Bist du gescheit? Die Sonne ist ja schon eingegangen? Wo willst denn hin?«

»Nach Sankt Maria in Enneberg.«

»Geh', du machst Spaß!« warf Roman ein; sie aber erwiderte ernst:

»Ich weiß schon, bis in der Früh hab' ich zu gehn, es ist ein weiter Weg. Aber mit kleinern Kirchfahrten hab' ich's jetzt schon etliche Male probiert, und genützt hat's nichts. Und die Muttergottes muß mir von meinem Elend helfen; ich laß ihr zuvor keinen Frieden.«

»Und allein willst gehn? ... die ganze Nacht allein?« Kandidus war entsetzt.

»Sorg' dich nicht,« entgegnete sie abweisend, »meine Leut wissen's, daß ich geh', und es ist ihnen recht.«

Etwas freundlicher fügte sie hinzu:

»Weißt, allein geh' ich grad nur bis Welsberg. Dort ziehen sie heut die Nacht aus; es ist die Pestwallfahrt.«

»Ich lass' dich nicht, ich geh' mit!« erklärte Kandidus entschlossen.

Sie schüttelte lachend den Kopf. »Das wär' eine nette Kirchfahrt! B'hüt Gott Buben!«

Und sie ging weiter.

Bald war der letzte Tagesschimmer verglommen. Munter und rasch schritt Moidl dahin. Weitab von der Heerstraße, halb verschwimmend im bleichen Zwielicht ragt jetzt zu ihrer Rechten der hohe Kirchturm von Toblach empor. Zur Linken tauchten die Bergriesen der Landroschlucht auf und zeichneten ihre zackigen Umrisse auf dem nächtlichen Himmel. Weit und breit volle Einsamkeit! Nichts unterbrach die tiefe Stille, als das Gemurmel der Betenden.

Wie freute sie sich dieser Stille, dieses Alleinseins unter Gottes schönem Sternenhimmel! Ihr war als steige jedes Wort ihrer Lippen ungehindert empor zum Throne der süßen Helferin, deren fernes Heiligtum sie so mächtig anzog. Zugleich schwebten ihr seltsame Hoffnungen vor, als werde sie – eine wunderbar Geheilte – zu den Ihrigen zurückkehren und Zukunftsträume umgaukelten sie, wie nur harmlos genügsame Kinder Gottes sie träumen, Träume von einem frohen, stillen, arbeitsreichen Frauenleben, Träume, die wie schöne, reine Blumen sich um ihre Gebete rankten.

Aber mitten in ihrem friedlichen Gemurmel verstummte sie und zusammenschreckend blieb sie stehen. Mitten auf der Heerstraße stand ein Mann. Als sei er aus dem Boden aufgestiegen, stand er da. Sie hatte ihn nicht herankommen sehen; er mußte aus dem Zaune, der den Weg entlang führte, hervorgebrochen sein.

Mit klopfendem Herzen wich sie einen Schritt zurück.

»Nicht erschrecken, Jüngferlein; bin nur ich's!«

Beim Klange der Stimme erstarrte ihr das Blut in den Adern. Der Rosenwirt! Wie kam der hierher zu dieser Stunde? Das war kein Zufall!

»Lassen Sie mich, ich hab' nicht der Weil'.« Moidls Stimme klang wider ihren Willen schwach und heiser.

»Was, nicht der Weil' hast? Das wirst mir etwa nicht sagen! In der Nacht hat man der Weil' zu allerhand! Ja, vorig's Jahr, da ist's freilich etwas anderes gewesen, gelt, Mädel? Da hast noch deinen damischen Kopf gehabt. Aber so eine, wie du jetzt bist, braucht nicht mehr g'schnappig zu sein. Jetzt wirst wohl der Weil' haben müssen, wenn ich's schaff', du Fürnehme, du!«

Hoch aufgerichtet stand er vor ihr, den Weg versperrend. Sollte sie sich zur Flucht wenden? Ihre Knie wankten. Sollte sie rufen? Aber wer würde sie hören?

Dennoch entrang sich unwillkürlich ein Laut ihren Lippen, ein schwacher, halb erstickter Hilferuf. Und nun geschah etwas Seltsames. Als habe dieser ohnmächtige Angstschrei den frechen Angreifer entwaffnet, zuckte Finkenberger zusammen und ließ die auf der Brust verschränkten Arme sinken. Einen Augenblick streckte er den Kopf nach vorn, als fasse er eine unerwartete Erscheinung ins Auge: dann schwang er sich über den Wegzaun und lief wie rasend dem Walde zu.

Bald war er im Schatten der Nacht verschwunden. Leise betend setzte das Mädchen ihren Weg fort, gleich als sei nichts geschehen. Ihre Glieder zitterten noch und ihr Herz pochte heftig, aber voll seligen Vertrauens jauchzte ihre Seele zum Himmel empor, denn sie glaubte nicht anders, als daß ihr ein Engel Gottes zur Seite gestanden habe, dessen plötzliches Erscheinen ihren Feind verscheuchte.

Schon näherte sie sich ihrem Ziele, dem Dorfe Welsberg, da war es ihr, als höre sie in der lautlosen Stille etwas wie Schritte hinter sich. Sie wandte sich um und in weiter Ferne – denn die Straße läuft hier wohl eine halbe Stunde lang schnurgerade durchs Tal – glaubte sie einen Mann zu sehen, der in gleicher Richtung schritt. Wie eine schattenhafte Erscheinung war er, denn als sie sich wieder nach ihm umwandte, war er verschwunden.

Sie hatte jetzt die ersten Häuser des Dorfes erreicht. Mitternacht schlug es vom Turme; dennoch war halb Welsberg auf den Beinen. Die Türe der Pfarrkirche stand weit offen, Lichter flackerten am Altare – man rüstete sich zum Auszuge.

Der Ursprung der Welsberger Pestwallfahrt reicht ins siebzehnte Jahrhundert zurück. Damals, als Welsberg in furchtbarer Weise vom schwarzen Tode heimgesucht wurde, unternahmen die bedrängten Bewohner zum ersten Male die weite Wallfahrt nach Sankta Maria in Enneberg. Der Name Enneberg bezeichnet das Gebiet der Gader, eines Nebenflusses der Rienz. Dieses Tal gehört wegen seiner landschaftlichen Reize und seiner urwüchsigen romanischen Bevölkerung zu den interessantesten Landstrichen Tirols. Die Enneberger aber hatten kaum die Kunde hiervon vernommen, als sie, um ihre Heimat vor Ansteckung zu schützen, mit bewaffneter Hand das Furggljoch besetzten. Doch siehe, als die nichts Schlimmes ahnenden Pilger betend und singend das Joch erstiegen hatten, fanden sie ihre Feinde bei den lodernden Wachfeuern eingeschlafen und zogen ohne Hindernis und Widerstand fürbaß zur Enneberger Marienkirche. Von jenem Tage an forderte die Pest zu Welsberg keine Opfer mehr.

Seither findet alljährlich im Frühsommer, wenn die Nächte am kürzesten sind, die große Welsberger Pestwallfahrt statt. Um Mitternacht brechen die Wallfahrer auf, Männer und Weiber; sie ziehen das Haupttal hinab bis Olang und dann hinein durchs wilde Furggltal dem Joche zu, das beim ersten Schimmer des Junimorgens erreicht wird. Dort machen sie Halt und zünden einige lustige Bergfeuer an zur Erinnerung an die nutzlosen Wachfeuer der Enneberger, die den Welsbergern bei ihrer ersten Wallfahrt leuchteten. Und dann lagern sie rings um die Feuer und laben sich und rasten vom Beten und vom Wandern.

Dort oben auf dem Joche war es, daß die Welsberger bei ihrer diesmaligen Kirchfahrt ein fremdes Mädchen bemerkten, das abseits auf einem Steine saß. Während die anderen plauderten, sprach sie kein Wort; auch führte sie keinen Bissen zum Munde. Ihr Benehmen mußte auffallen. Unter den Weibern ging ein Geflüster an. Endlich erhob sich eine, trat auf die Unbekannte zu und fragte freundlich, ob sie keine Herzstärkung begehre. Es sei ein weiter Weg herauf gewesen und sie seien noch lange nicht am Ziele.

»Der Herr muß es auch erleiden,« meinte Moidl mit einem Blick auf den Geistlichen, der, an einem Feuer sitzend, in seinem Brevier blätterte.

»Ja, der Herr muß Messe lesen, das ist was anders,« meinte die Welsbergerin. »Aber am End' habt Ihr's verlobt, daß Ihr nichts genießen wollt; nachdem möcht' ich euch nicht sekkieren.« plagen.

Inzwischen hatten sich mehrere Pilgerinnen um Moidl geschart und fragten, woher sie sei.

»Aus Innichen seid Ihr?« verwunderten sie sich. »So ein Weg! Da müßt Ihr wohl ein recht's Anliegen haben.«

»Ja, das hätt' ich freilich.« Moidl seufzte.

»Seid nicht verzagt, mein gutes Mädel,« tröstete sie eine Alte, »die Enneberger Muttergottes ist eine kräftige Fürbitterin; ich könnt' selber davon erzählen. Schaut, wie ich in Eurem Alter gewesen bin, hab' ich keine gesunde Stund' gehabt und jeden Tag ein anderes Wehtum. Gerad' zu der Zeit bin ich in Enneberg in Dienst gewesen, und da hat's keinen Sonntag gegeben, wo ich nicht hinaufgegangen wär' nach Sankta Maria, der Muttergottes eins vorzujammern. Und einmal – am Mariä Geburtstag ist's gewesen, ich weiß es noch wie heut – da steht, wie ich aus der Kirch' herauskomm', ein alt's Mannl da und sagt: »Mädel, ich seh' dir's an, du bist nicht gesund.« »Könnt's völlig recht haben,« sag' ich, »aber geholfen hat mir noch kein Doktor.« »Wart',« sagt er, »nachdem will ich dir helfen.« Und er bückt sich und brockt ein Blümlein ab – Schwiegerlein Stiefmütterchen. heißt man's – und sagt, ich sollt' mir von solchen Blümlein einen Absud machen und den sollt' ich fleißig trinken. Ich sag' ihm: Vergelt's Gott, und geh'. Und nach etlichen Schritten hab' ich mich umgeschaut, aber – stellt's Euch vor! – da hab' ich keinen Menschen mehr gesehen. Und ich lass' mir's nicht nehmen, daß das Mannl ein Engel gewesen ist, den mir die Himmelsmutter geschickt hat. Seit der Zeit, wo ich das Mittel probiert hab', bin ich gesund. Schaut mich grad' einmal an! Tät' etwa eine andere mit achtundsechzig Jahr' noch die Welsberger Kirchfahrt machen?«

Moidl lächelte. Die Erzählung, die das alte Mütterlein mit großer Lebendigkeit vorgetragen hatte, machte ihr Mut. »Helft mir beten!« flehte sie, und die guten Welsbergerinnen versprachen, es daran nicht fehlen zu lassen.

Die Sonne stand schon hoch, als die Wallfahrer, den Kreuzträger voran, in die Kirche von Sankta Maria einzogen. Der Priester trat an den Altar – die heilige Messe begann.

Mit Freudentränen in den Augen kniete Moidl da; sie glaubte ein Vorgefühl ihrer Heilung zu haben.

Als die Messe zu Ende war und die meisten Andächtigen sich draußen gelagert hatten, erhob sie sich von den Knien; doch verließ sie die Kirche noch nicht, sondern begann, den Wänden entlang schreitend, die Exvoto-Täfelchen zu mustern.

Das Mütterlein, das ihr droben auf dem Furggljoche seine Geschichte erzählt hatte, diente ihr dabei als Führerin. Aufmerksam lauschte Moidl den halblauten Worten der Alten, den Blick auf die bunten Bilder gerichtet.

Auf einmal schwand ihr Sehen und Fühlen. Als sie wieder ihrer Sinne mächtig wurde, befand sie sich in einer kleinen getäfelten Stube und meinte zu Hause zu sein. Erst nach und nach kehrte die Erinnerung zurück.

Es war das Haus des Küsters von Sankta Maria, worin sie sich befand. Des Küsters freundliches Weib, das geläufig deutsch sprach, sagte, die übrigen Wallfahrer seien bereits über das Joch zurückgegangen; sie aber möge nur ausruhen und sich erholen.

Moidl richtete sich auf; sie wollte der guten Frau danken – aber statt aller Worte brach sie in Tränen aus.


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