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Siebentes Kapitel

Die Prinzessin Orsini und der Hof Ludwigs XIV.

Eine der merkwürdigsten Frauen der Übergangsperiode vom 17. zum 18. Jahrhundert, der prägnanteste Ausdruck eines klugen, verständigen, überaus gewandten und einflußreichen Waltens von Frauen in Hof- und Staatssachen mit spezifisch französischer Färbung, stellt sich in der Witwe des Herzogs von Bracciano, Flavius dei Orsini dar, die am Bekanntesten unter dem Namen der Prinzessin Ursini oder des Ursins ist.

Anna Maria de la Tremouille war die Tochter Ludwigs de la Tremouille, Herzogs von Noirmantier (geb. 25. Dezember 1612, gest. 12. Oktober 1666), der sich seinen Herzogstitel durch kriegerische Tapferkeit verdient hatte, und der Renata Julie Aubery (verm. November 1640, gest. 20. März 1679). Das Geburtsjahr der Orsini ist nicht bekannt. Man weiß nur, daß sie zwischen ihren Brüdern geboren war und die Geburt ihres ältesten Bruders, des Herzogs Ludwig Alexander, in das Jahr 1642, die ihres jüngeren Bruders, des Kardinals de la Tremouille, in das Jahr 1652 fällt, sie selbst aber 1659 zum erstenmal verheiratet ward. Ihre Schwester Aloisia Angelica heiratete Anton Lanti, Prinzen von Belmar in Rom und ward gemeiniglich die Herzogin von Lanti genannt. Anna Maria heiratete zuerst den Adrian Blasius de Talleyrand, Prinzen von Chalois, von dem sie 1670 Witwe wurde. Er hatte sich infolge seiner Teilnahme an der Le Fort'schen Duellsache flüchten müssen und ging zunächst nach Spanien, bei welcher Gelegenheit seine Gemahlin, die ihm gefolgt war, zuerst mit einem Lande bekannt wurde, in dem sie viele Jahre später eine so bedeutende Rolle spielen sollte. Später gingen sie nach Italien und während er im venetianischen Gebiete eine Zuflucht fand, begab sie sich nach Rom, um den Schutz der beiden französischen Kardinäle Bouillon und d'Estrèes nachzusuchen. Bald darauf starb ihr Gemahl in so mißlichen Vermögensumständen, daß sie wesentlich auf die Freigebigkeit ihrer Gönner angewiesen blieb. Diese vermittelten denn auch 1675 unter Zustimmung des französischen Hofes eine Vermählung Annas mit Flavius dei Orsini, Herzog von Bracciano, Fürst von Sicovaro, Grand von Spanien und römischen Baron, welcher seit 1674 Witwer war. Er erhielt durch diese Verbindung den Heiligen-Geist-Orden, Unfrieden im Hause und einen, hauptsächlich durch die französischen Bekanntschaften seiner Gemahlin verursachten Aufwand, der ihn nötigte, 1692 Vicovaro an den Grafen Bolognetto, 1693 Anguillaria an den genuesischen Patrizier Grilli, 1696 Albano an die päpstliche Kammer, endlich Bracciano an Livius Odescalchi zu verkaufen, während ihm der Heilige-Geist-Orden wegen seiner Zwistigkeiten mit seiner Frau wieder abgenommen ward. Seine Gemahlin flüchtete sich, um seinen Vorwürfen zu entgehen, öfters nach Frankreich und blieb einmal fünf Jahre auf einem solchen Besuche. Bei dieser Gelegenheit entwickelte sie eine frühere Bekanntschaft mit der Maintenon zur innigsten Vertraulichkeit und begründete sich überhaupt ungemeines Ansehen bei Hofe. Im Jahre 1695 versöhnte sie der Kardinal Portocarrero, der ihrem Palast gegenüber gewohnt und zu dem sie in ihren häuslichen Nöten immer ihre Zuflucht genommen hatte, wieder mit ihrem Gemahl, worauf sie nach Rom zurückging und bis zu dem am 5. April 1698 im 66. Lebensjahre erfolgten Tode des Herzogs bei ihm blieb. Die Güter, die ihm noch geblieben waren, Tori, Roccantica, Castiglione und Selci, zog die päpstliche Kammer ein. Der Witwe blieb ein möblierter Palast in Rom zur Bewohnung und ein nicht glänzendes Witwengehalt. Sie nahm jetzt den Namen Orsini an, weil der Neffe des Papstes Innozenz XII., der das Herzogtum Bracciano gekauft hatte, sich auch den Titel davon zuzueignen wünschte.

Als die Wahl der Gemahlin des jungen Königs Philipp V. von Spanien zugunsten einer Prinzessin von Savoyen entschieden war, ergriff sie mit Eifer den Gedanken, an diesem Hofe eine glänzende und einflußreiche Stellung zu erlangen. Sie wendete sich an die Maintenon und die mit dieser innig verbundenen Noailles, indem sie ihre Eigenschaft als Witwe eines Granden, ihre Freundschaft mit dem Kardinal Portocarrero, ihre Bekanntschaft mit Sprache und Sitten der Spanier geltend machte, übrigens nur um die Erlaubnis bat, die junge Königin nach Madrid begleiten und dort so lange verweilen zu dürfen, als es dem König gefallen würde. Auch Portocarrero verwendete seinen Einfluß zu ihren Gunsten. Der französische Hof entschied sich, ihr den wichtigen Posten einer Camarera mayor bei der jungen Königin zu vertrauen, und bald ward ihr (1701) durch den spanischen Gesandten in Rom, Herzog von Uceda, das diesbezügliche offizielle Angebot gemacht. Sie begleitete ihre neue Gebieterin auf der Galeere, welche sie nach Spanien brachte.

Saint Simon schildert sie in folgender Weise: »Sie war von mehr als mittlerer Größe, brünett, mit ausdrucksvollen blauen Augen und ihr Gesicht, zwar ohne Ansprüche auf Schönheit, ungemein anziehend. Sie besaß eine schöne Figur, eine majestätische und würdevolle, mehr anziehende als einschüchternde und selbst in Kleinigkeiten mit so zahllosen Reizen gepaarte Miene, daß ich ihresgleichen in Gestalt und Wesen niemals gesehen habe. Schmeichelnd, einnehmend und diskret, eifrig, zu gefallen um des Gefallens willen und unwiderstehlich, wenn sie zu überzeugen oder zu versöhnen wünschte, besaß sie einen angenehmen Ton in Stimme und Haltung und einen unerschöpflichen Fond der Unterhaltung, die sie durch Berichte über die verschiedenen Länder, die sie besucht hatte und durch Anekdoten von den merkwürdigen Personen belebte, die sie gekannt, mit denen sie in Verkehr gestanden hatte. Sie war an die beste Gesellschaft gewöhnt, ungemein fein und leutselig gegen alle, besonders einnehmend aber für die, die sie auszuzeichnen wünschte und ebenso geschickt ihre eigenen Reize und Gaben zu entfalten. Sie war wie für die Sphäre der Höfe geschaffen und von ihrem langen Aufenthalte in Rom her in allen Intrigen der Kabinette bewandert. Sie war eitel auf ihr Äußeres und freute sich, wenn sie bewundert wurde; Schwächen, die sie nie verlassen haben, weshalb sie sich auch in jeder Periode ihres Lebens für ihr Alter zu jung und zuweilen selbst lächerlich kleidete. Sie besaß eine einfache und natürliche Beredsamkeit, welche stets nur das sagte, was sie wollte und wie sie es wollte und weiter nichts. Sie war verschwiegen in betreff ihrer selbst, dem Vertrauen anderer treu, mit dem äußeren, nein mit dem inneren Wesen einer Heiterkeit und guten Laune und einem Gleichmaß des Temperaments begabt, die sie zu allen Zeiten und unter allen Umständen zur vollkommenen Herrin ihrer selbst machten. Niemals besaß ein Weib mehr List, ohne den Anschein solcher. Niemals gab es einen Kopf voll soviel Anschläge, eine größere Kenntnis des menschlichen Herzens und der Mittel, es zu lenken. Sie war allerdings stolz und hochfahrend, ohne Skrupel über die Mittel gerade auf ihren Zweck dringend, aber immer, wo möglich, gab sie ihrem Verfahren einen milden und gefälligen Anstrich. Nichts war sie halb: eifersüchtig und gebieterisch in ihrer Zuneigung, ein eifriger, trotz Zeit und Trennung unwandelbarer Freund und ein höchst unversöhnlicher und hartnäckiger Feind. Ihre Liebe zum Leben war nicht größer, als ihre Liebe zur Macht; aber ihr Ehrgeiz war von jener hochfliegenden Art, wie Frauen selten empfinden und selbst höher, als der gewöhnliche Sinn des Mannes.«

Ihr Wesen, ihre Laune, die Verhältnisse, unter denen sie die ersten Grundsteine ihres Einflusses am spanischen Hofe legte, stellen sich am lebendigsten in ihren eigenen Worten dar, die sie (11. Dezember 1701) an die Herzogin von Noailles schrieb: »Guter Gott, in was für ein Geschäft haben Sie mich gebracht! Ich habe nicht die geringste Ruhe, nicht einmal Zeit, mit meinem Sekretär zu sprechen. Mich nach dem Mittagsmahl zur Ruhe zu legen oder zu essen, wenn mich hungert, daran ist gar nicht zu denken. Ich bin überglücklich, wenn ich im Umherlaufen ein kümmerliches Mahl aufraffen kann, und es ist selten, daß ich nicht in dem Augenblicke abgerufen werde, wo ich mich zu Tische setzen will. Gewiß, Frau von Maintenon würde lachen, wenn sie die Einzelheiten meines Amtes kennte. Sagen Sie ihr, ich bitte, daß ich es bin, die die Ehre hat, den Schlafrock des Königs von Spanien in Empfang zu nehmen, wenn er sich zur Ruhe begibt und ihm denselben nebst den Pantoffeln zu reichen, wenn er aufsteht. Soweit würde ich es noch aushalten; aber daß mich der Graf von Benevent jede Nacht, wenn der König in dem Zimmer der Königin zu Bette geht, mit dem Schwert Seiner Majestät, einem Nachtgeschirr und einer Lampe, die ich regelmäßig auf meine Kleider schütte, beladet, ist doch zu grotesk. Der König würde nicht aus dem Bette steigen, wenn ich nicht die Vorhänge wegzöge und es würde ein Sakrilegium sein, wenn irgendeine andere Person in das Zimmer der Königin träte, wenn sie im Bette sind. Neulich ging die Lampe aus, weil ich das halbe Öl verschüttet hatte. Ich wußte nicht, wo die Fenster waren, weil es Nacht war, als wir an den Platz kamen. Ich hätte mir bald die Nase an der Wand eingerannt, und ich und der König liefen in unseren Versuchen, die Fenster zu finden, eine Viertelstunde lang widereinander. Seine Majestät findet mich so brauchbar, daß er manchmal die Güte hat, zwei Stunden früher nach mir zu verlangen, als ich aufzustehen Lust habe. Die Königin nimmt an diesen Scherzen teil, aber ich habe das Vertrauen noch nicht gewonnen, was sie in ihre piemontesischen Begleiter setzte. Ich wundere mich darüber, da ich sie besser bediene als jene, und ich bin gewiß, daß sie sie nicht so geschickt entkleideten und ihr die Füße wuschen wie ich.«

siehe Bildunterschrift

Gräfin Orsini.
Stich von Bernardi, nach einem zeitgenössischen Gemälde. Kupferstichkabinett Berlin

Der König Philipp V. hatte sich zu Figueras mit seiner Braut getroffen und ihre Vermählung war am 3. November 1701 durch den Patriarch von Indien geweiht worden. Marie Luise hatte kaum ihr 14. Jahr angetreten und schien bei ihrer kleinen Statur noch jünger, aber ihr Geist und Sinn bewährte die frühe Reife ihres Heimatlandes und sie verband mit ungemeiner Schönheit der Gestalt und Züge die einnehmendsten Manieren und die anmutigste Haltung. Ihr Lieblingsspruch: »Ich habe keinen Willen, der meiner Pflicht entgegen wäre«, war in ihrem Munde keine Phrase. Der französische Hof traute aber den schlauen Piemontesen nicht und hatte Befehl gegeben, ihre landsmännischen Begleiter an der spanischen Grenze zurückzuschicken und sie lediglich unter die Obhut der Prinzessin Orsini zu stellen. Dies betrübte sie tief und sie brach in so bittere Klagen aus, daß man anfangs einen tieferen Grund für diesen Kummer argwöhnte, als die natürliche Empfindung eines so jungen Mädchens, das sich auf einmal von allen Bekannten getrennt und unter lauter ganz fremde Umgebungen versetzt sieht. Indes man überzeugte sich bald von der wahren Sachlage und zollte dem ebenso verständigen als gemütvollen Wesen der jungen Königin dann um so größere Achtung. Es beweist aber das gewinnende Wesen der Orsini, daß sie diesen ersten ungünstigen Eindruck, der noch im obigen Briefe nachklingt, doch so bald verwischte und einen so ungemeinen Einfluß auf die Königin gewann.

siehe Bildunterschrift

Ludwig XIV. von Frankreich. Stich von Vermeulen, nach einem Gemälde von Geuslin. Porträtsammlung der Nationalbibliothek Wien

In der Erfüllung kleiner häuslicher Pflichten, sagt Coxe, entfaltete die Prinzessin all ihre Talente, Grazie und Gewandtheit und ward bald die vertraute Günstlingin und Leiterin der Königin, welche inmitten der düsteren Etikette dieses feierlichen Hofes sich glücklich schätzte, sich ihrer liebenswürdigen Camarera mayor hingeben zu können. Eine Hauptaufgabe der Prinzessin, die ihr auch allmählich gelang, war darauf gerichtet, eben die Schranken der nationalen Etikette zu lüften und die spanischen Großen an einen vertrauteren Verkehr mit ihren Souveränen und mit den französischen Agenten zu gewöhnen. Aber bald ward sie auch für höhere Zwecke immer wichtiger. Sie beherrschte die Königin und diese den König. Man kann aber nicht anders sagen, als daß sie das wahre Interesse Spaniens im Äuge hatte, dasselbe zwar, wie das unter den damaligen Umständen von ihrem Standpunkte aus nicht anders sein konnte, in inniger Verbindung mit dem Französischen auffaßte, den nachherigen Übergriffen und Mißgriffen Frankreichs aber entgegentrat und die spanischen Verhältnisse richtiger beurteilte und bei ihrer Behandlung mehr Takt, Verstand, Unbefangenheit und guten Willen bewies, als vielleicht irgendein spanischer und französischer Staatsmann jener Tage, der in diesen Dingen beschäftigt wurde.

siehe Bildunterschrift

Marie-Louise von Savoyen, Königin von Spanien.
Stich von E. Deerochers. Porträtsammlung der Nationalbibliothek Wien

Die Sachen gingen bis zum Jahre 1703 ganz leidlich. Die Verwaltung Spaniens, das noch nicht vom Kriege berührt worden, war in spanischen Händen, hauptsächlich! in denen des Kardinals Portocarrero, und man hatte es nur mit der Indolenz, dem Schlendrian, den inneren Mißbräuchen, Grillen und Reibungen der spanischen Beamten und der Unverträglichkeit Portocarreros zu tun. Unbequemlichkeiten, über welche die Orsini hinauskam und die mehr ärgerlich als in weiteren Kreisen nachteilig waren. Jetzt aber trat eine neue Person auf die Szene: der Kardinal d'Estrées. Ludwig XIV. wähnte, Spanien beherrschen zu können wie sein Frankreich und war, wie die Franzosen immer, geneigt, sich für diese Mühe auch noch auf Kosten Spaniens bezahlen zu lassen. Der Herzog von Harcourt hatte sich am besten in Spanien gefunden und eben deshalb auch am besten gewirkt. Der Graf Marsin zog sich schon die Ungunst der Spanier zu, weil er dem spanischen Staatsrat als Mitglied aufgedrängt wurde. Indes war er weise genug, Ludwig XIV. von seinem Plane, eine Abtretung der spanischen Niederlande zu verlangen, abzuraten. 1703 aber schickte Ludwig den Kardinal d'Estrées, einen hochgestellten, durch Gelehrsamkeit, Rechtschaffenheit und Geist ausgezeichneten, in diplomatischen Geschäften vielbewährten Prälaten, dessen stolzes Selbstgefühl aber für Spanien zu stark hervortrat und der mit dem Gedanken nach Spanien kam, dessen unumschränkter Regent zu werden. Ihn begleitete sein Neffe, der Abbé d'Estrées, der mit demselben Stolz größere Rücksichtslosigkeit und ein ränkevolleres Wesen verband und gar nicht abgeneigt war, selbst auf Kosten seines Oheims zu steigen. An sie schloß sich Louville, ein Vertrauter Philipps und im Besitz einer der höchsten Stellen in seinem Hofstaat. Er war ein witziger, satirischer, eitler Franzose, der über alles Nichtfranzösische spottete und ein persönlicher Feind der Orsini, der er durch seine kaustischen Geheimberichte nach Paris am meisten geschadet hat. Dazu kam noch der Beichtvater des Königs, der Jesuit d'Aubenton, welcher gleichfalls auf den Einfluß der Prinzessin neidisch war.

siehe Bildunterschrift

Phillipp V. von Spanien.
Stich von Dreuet, nach einem Gemälde von Rigaud. Porträtsammlung der Nationalbibliothek Wien

Der Kardinal war keine Woche in Madrid, als schon alles widereinander stürmte. Es lag eine Wahrheit in den ironischen Bemerkungen, welche die Orsini an die Herzogin von Noailles schrieb: »Es ist mein ernstlicher Wunsch, daß Seine Eminenz die Befriedigung findet, die er verdient und erwartet, daß es uns gelingt, die eingewurzelten Schäden dieser Monarchie zu heilen, daß sein umfassender, hochfliegender und erleuchteter Geist mehr angewendet wird, die Spanier zu gewinnen, als ihre Bewunderung zu erwerben. Aber um frei zu sprechen, ich will ihm nicht für seinen Erfolg stehen; denn ich fürchte, eine von Natur stolze Nation wird es als ein Zeichen der Geringschätzung betrachten, daß Frankreich eines der größten Genies der Welt schickt, nicht sie zu beraten, sondern sie zu regieren und diese Maßregel wird ihren Widerwillen verstärken. Ich selbst muß es als ein Wunder betrachten, daß ich nicht verabscheut werde und kann dies nur der Überzeugung der Spanier zuschreiben, daß ich ihre Nation liebe.« In der Tat, das war die einzige Bedingung, unter welcher ein Fremder hoffen konnte, Spanien zu beherrschen, ohne gehaßt zu werden.

Der Kardinal d'Estrées beleidigte Portocarrero durch die Forderung, daß keinerlei Staatsangelegenheit mehr in dessen Hause, sondern alles nur im Kabinettsrat verhandelt werde, worauf Portocarrero sich weigerte, an irgendeiner Verhandlung des Kabinetts teilzunehmen, bei der der Gesandte zugegen wäre. Er verlangte, daß der Präsident von Kastilien ihm den ersten Besuch mache, und da dies nicht geschah, so lehnte er jeden Verkehr mit diesem ab. Er begehrte für sich und seinen Neffen freien Zutritt zu den königlichen Gemächern, auch wenn der König mit der Königin und deren Damen allein war. Die Gegenvorstellungen der Prinzessin wurden als Beweise ihrer Opposition gegen den französischen Einfluß geschildert und alle Parteien legten ihre Beschwerden in Versailles vor. An einem Tag gingen vier Kuriere nach Versailles ab: Einer vom König, einer von dem Kardinal Portocarrero, einer von dem Kardinal d'Estrées, einer von der Prinzessin Orsini. Ludwig sah wohl ein, daß er dem Kardinal Vorsicht empfehlen müsse, und suchte die Unzufriedenen zu beschwichtigen. Das Unmögliche des Endzweckes, den der Kardinal verfolgte, erkannte er nicht, glaubte, derselbe habe nur zu hastig gehandelt, und wurde mißtrauisch gegen die Orsini, von der er wohl sah, daß sie die ganze Sache mißbillige. Die Vorwürfe, die er seinem Enkel machte, dem er seine Abhängigkeit von Weibereinfluß vorstellte, ohne an sein eigenes Verhältnis zur Maintenon zu denken, kränkten den König und die Königin tief und sie machten ernste Gegenvorstellungen, die zugleich lebhafte Verteidigungen der Orsini waren. Aber, wie es zu geschehen pflegt, wenn man jemandem, gegen den man sich hat einnehmen lassen, Unrecht tut, eben diese Verteidigungen, sowie eine kräftige Denkschrift, in welcher die Prinzessin selbst ihre Sache führte, vermehrten nur Ludwigs Verstimmung gegen sie, denn sie enthielten einen indirekten Tadel seiner eigenen Schritte und Absichten. Da sie in jener Denkschrift um Erlaubnis gebeten hatte, sich aus ihrer Stellung zurückzuziehen, so beeilte sich Ludwig, dieses Anerbieten anzunehmen.

Der Kardinal begnügte sich aber auch damit noch nicht, sondern betrieb nun die Entlassung des fähigsten unter den spanischen Ministern, Orri, der sich um die Finanzen wesentliche Verdienste erworben hatte und in der Tat der einzige war, der die spanischen Hilfsquellen einigermaßen flüssig zu machen verstand. Den König und die Königin behandelte er wie unmündige Kinder, besetzte viele Ämter, ohne sie zu fragen, und schob überall den Willen Ludwigs vor. Durch d'Aubenton suchte er den König gegen die Königin und die Prinzessin einzunehmen. Aber Philipp blieb fest und verlangte unausgesetzt das Verbleiben der Orsini, während die Königin von der Besorgnis, ihre Vertraute möchte von ihr entfernt werden, so angegriffen war, daß ihre Gesundheit litt. Aber auch sonst zeigte sich bei jeder Maßregel, die der Kardinal versuchte, daß er die Spanier nicht zu behandeln verstand und ihrem Widerwillen nicht gewachsen war. Ludwig fing an, zu fühlen, daß er die Prinzessin nicht, oder noch nicht entbehren könne, und so mußte Torci eine Art Entschuldigungsschreiben an die Prinzessin erlassen, worin man fortfuhr, ihr Verfahren zu tadeln, zugleich aber den Wunsch aussprach, daß sie in Madrid bleiben möge. Auch an den König schrieb Ludwig, erklärte ihm, daß er ihm die Orsini lassen wolle, verlangte aber dafür gutes Einverständnis mit seinem Gesandten. Die Prinzessin war aber nicht so leichten Kaufes zu gewinnen. Sie erwiderte den Tadel Torcis mit Beschwerden über die Härte, mit der er sie behandelt habe, forderte Genugtuung für die erfahrenen Beleidigungen und erklärte: Da sie vom König von Frankreich den Befehl erhalten habe, sich zurückzuziehen, so werde sie auch ohne einen ebenso bestimmten Befehl auf ihrem Posten verbleiben. Zugleich sprach sie sich entschieden gegen das Verfahren ihrer Gegner aus. Daneben schürte sie den Unmut des spanischen Königspaares dergestalt an, daß Ludwig endlich erkannte, nur die Vermittlung der Prinzessin könne das herzliche Einvernehmen der beiden Höfe erhalten. Er befahl daher seinem Gesandten, den ersten Schritt zur Aussöhnung mit der Prinzessin zu tun, was von Seiten des Kardinals freilich mit schlechter Grazie geschah. Aber noch gab sich die Orsini nicht, und so mußte sich Ludwig entschließen, eigenhändig an sie zu schreiben und sie zum Verbleiben auf ihrem Posten und zu gutem Vernehmen mit dem Kardinal zu ermahnen.

In der Tat gingen nun auf einmal eine Menge Dinge, die der Kardinal nicht hatte vorwärts bringen können, und selbst das von Ludwig betriebene Versprechen einer dereinstigen Abtretung der Niederlande an den Kurfürsten von Bayern ward durch die Prinzessin erwirkt.

Jetzt aber fiel sie selbst in eine Falle. Sie ließ sich, wenn nicht von Louville, den sie als ihren Gegner kannte und von dem sie selbst an Torci geschrieben hatte, sie betrachte ihn als einen für die Rache des Himmels ausersehenen Menschen, aber doch von dem Abbé d'Estrées täuschen, und schenkte diesem ihr Vertrauen, beförderte seine und Louvilles Pläne, die auf Entfernung des Kardinals und Ersetzung desselben durch den Abbé gerichtet waren, und ließ Louville und Orri in einer auf Betreibung dieses Planes berechneten Mission nach Versailles gehen. Da nun überdem der Kardinal fortfuhr, sich gereizt und taktlos zu benehmen, so kam es in der Tat zu seiner Abberufung (September 1703) und sein Neffe trat au seine Stelle, während um dieselbe Zeit auch Portocarrero, der ewigen Händel mit den Franzosen müde und über die Abnahme seines Einflusses grollend, seinen Abschied eingab.

Die Prinzessin aber fuhr mit dem Abbé eher noch schlechter, als mit dem Kardinal. Im Anfange heuchelte er die größte Ergebenheit gegen sie, suchte sie auf jede Weise zu einer direkten Teilnahme an den Geschäften zu verleiten und brachte sie endlich einmal zu dem taktlosen Schritte, in Gemeinschaft mit ihm und Orri, eine auf Finanzreformen bezügliche Depesche an das Kabinett von Versailles zu unterzeichnen. Ein strenger Verweis von Torci brachte sie sogleich zum Gefühl ihrer Unvorsichtigkeit und sie warf nun alle Schuld auf den Gesandten, gegen den sie um so erbitterter war. als sie jetzt durch den Kardinal, der sich an seinem Neffen rächen wollte, erfuhr, wie sie in der Tat in dem Abbé einen entschiedenen Feind habe, der sie in seinen Privatbriefen ebenso schmähe, wie er sie in seinen öffentlichen Depeschen mit Lob überhäufe. Sie fand das bestätigt, als sie vom König einen Befehl ausgewirkt hatte, die Korrespondenz des Gesandten auffangen zu lassen. Hier fand sie die achtungswidrigste Sprache gegen König und Königin, die bittersten Vorwürfe gegen das ganze Regierungssystem, die eifrigste Ermunterung der von ihr bekämpften französischen Politik, vor allem aber die heftigsten Ausfälle gegen sie selbst, und zwar nicht bloß gegen ihre öffentliche Wirksamkeit, sondern auch gegen ihr Privatleben und besonders ihre Verbindung mit ihrem Vertrauten und Sekretär d'Aubigny. Der König fand sich durch das Erfahrene zu einer würdevollen Vorstellung an seinen Großvater veranlaßt. Die Prinzessin aber ließ sich durch ihren Ärger so weit hinreißen, daß sie eine mit den bittersten Randglossen versehene Abschrift der Depesche, durch Vermittlung ihres Bruders, des Herzogs von Noirmoutiers, nach Versailles gelangen ließ. Ludwig drohte, alle Franzosen von Madrid abzuberufen, und verlangte von Philipp einen offenen Bericht über die wirkliche Lage seines Hofes, der nun in der Tat das ganze Intrigengewebe enthüllte. Louville ward darauf in Ungnade zurückgerufen. Man versprach dem spanischen Hofe, daß auch der Abbé abgerufen werden solle. D'Aubenton beugte seiner Entlassung bei Philipp nur dadurch vor, daß er ein vollständiges Bekenntnis ablegte und sich als durch den Abbé und Louville verleitet darstellte, bei Ludwig durch die Vermittlung des Pater de la Chaise. Gegen die Orsini aber blieb der französische Hof, durch die persönlichen Mitteilungen des sehr gnädig aufgenommenen Kardinals d'Estrées erhitzt, so eingenommen wie vorher und behielt sich vor, sie bei erster Gelegenheit zu stürzen.

Während man sie durch schmeichelnde Ausdrücke in Sicherheit wiegte, benutzte man den jetzt von Portugal aus auch das spanische Gebiet bedrohenden Krieg, den König aus dem Bereich ihrer persönlichen Einflüsse zu entfernen. Man schickte ihn zur Armee und verbot der Königin, ihn zu begleiten. Nun erhielt der Abbé Befehl, in Gemeinschaft mit dem Herzog von Berwick und dem Marquis von Rivas, den König von der Notwendigkeit zu überzeugen, daß die Prinzessin entfernt werde. Dem König ward dafür die Gegenvergünstigung, daß auch der Abbé abgerufen wurde. Er sowohl als die Königin verhielten sich, wenn auch tief betrübt, doch ruhiger, als man erwartet hatte. Möglich, daß die Prinzessin, welche die Nachricht gleichfalls mit Würde und Standhaftigkeit empfing, die Wendung doch schon vorausgesehen, auf die Zukunft gebaut und ihren Gebietern Fassung und Geduld empfohlen hat. Sie nahm keinen persönlichen Abschied von der Königin, sondern empfahl ihr nur schriftlich Fügsamkeit, verließ Madrid (12. April 1704), reiste aber in größter Langsamkeit durch Spanien, hielt sich lange in Alcala auf und kam erst am 28. Mai in Vittoria an, wo sie den neuen Gesandten, den Herzog von Gramont traf.

Ihre Langsamkeit hatte keineswegs darin ihren Grund, daß sie erwartete, sie werde nach Madrid zurückberufen werden, sondern in dem Wunsche, die Stimmung in Versailles sich allmählich durch die Berichte und Darstellungen aus Spanien und durch die Bemühungen ihrer Freunde am Hofe ändern zu sehen. Sie täuschte sich nicht in ihren Berechnungen; wohl aber hatte sich Ludwig gröblich getäuscht, wenn er sich eingebildet hatte, die Orsini sei die einzige Ursache, warum seine Pläne in betreff Spaniens nichts vorwärts wollten, wenn er dem Herzog von Gramont versicherte, er werde einen Hof ohne Parteien und ein Land ohne Mißstimmung finden. Gramont war ein feiner und fester Mann, aber, wie Flassan sagt: »zu französisch, d.h. zu geneigt zu jener Raschheit des Urteils, welche der Prüfung vorauseilt und dem Irrtum aussetzt.« Als er die Grenze überschritt, schrieb er: »Ich bin völlig überzeugt, daß es um des Königs von Spanien willen notwendig ist, daß unser Souverän despotisch herrscht. Aber die Spanier dürfen es nicht merken, und das wird keine schwierige Aufgabe sein.« Man konnte sich nicht gröblicher täuschen. Er glaubte, den König ohne die Königin beherrschen zu können, der man ihre stets erneuerten Bitten um die Rückkehr der Prinzessin standhaft abschlug, und erzwang die Entlassung Orris. Jetzt sollte auch dessen Anhänger, der Staatssekretär Canales, entlassen und wieder durch den fügsamen Rivas ersetzt werden. Aber der König blieb diesmal fest. Gramont sah sich genötigt, doch zur Königin seine Zuflucht zu nehmen und erfuhr von ihr die ironische, auf frühere Äußerungen gegen die bezügliche Antwort: »Wie kann ein junges Weib von 15 Jahren, ohne Erfahrung und ohne Talent, sich herausnehmen, Staatsangelegenheiten zu leiten?« In Gemeinschaft mit den Ministern hinderte sie jeden Schritt, den der Gesandte empfahl, und wenn auch das Kabinett in eine Maßregel gewilligt hatte, so erfolgten in den Departements geheime Gegenbefehle. Dies allerdings in einer Zeit, wo das tätigste und innigste Zusammenwirken erforderlich war. In der Tat ging über diesen Machinationen das, trotz wiederholter Vorstellungen Gramonts, gänzlich vernachlässigte Gibraltar verloren. Jetzt konnte die Königin Canales doch nicht länger halten. Rivas trat an seine Stelle und es ward eine Regierungsjunta, nach der Empfehlung und unter den Auspizien des französischen Gesandten, errichtet. Die Königin fuhr aber fort, selbst und durch ihren Gemahl, den französischen Hof mit Vorstellungen zu quälen, welche wenigstens die Folge hatten, daß der auch ihr unangenehme Portocarrero und del Fresne von der neuen Verwaltung ausgeschlossen blieben. Canales ward zum Staatsrat und Kammerherrn ernannt und erhielt eine Pension von 12.000 Dukaten. Auch dem Vertrauten der Orsini, d'Aubigny, warf man eine Pension von 2000 Dukaten aus. Die neue Regierungsjunta ward auf jedem Schritte durch die geheimen Gegenbefehle des mit der Königin einverstandenen Montellano, des Präsidenten des Rats von Kastilien, gehindert. Umsonst machte Ludwig die ernstesten Gegenvorstellungen. Die Königin schien entschlossen, lieber das Königreich zu stürzen und ihre Krone verloren zu sehen, als das Ziel ihrer glühenden Wünsche zu verfehlen. In jedem Widerstande gegen Frankreich hatte sie die Spanier für sich. Gramont konnte sich nicht länger verbergen, daß nur der Einfluß der Orsini die Maschine im Gang halten und einem gänzlichen Bruche vorbeugen könne.

Auf seine Vorstellungen zog Ludwig mildere Saiten auf. Es ward der Prinzessin versprochen, daß ihrem Bruder, dem Abbé de la Tremouille, die Kardinalswürde verschafft und der Gesandtenposten in Rom erteilt werden solle, was auch beides in Erfüllung ging, und man verstattete ihr in Toulouse zu bleiben, während sie früher angewiesen worden war, nach Rom zu gehen. Sofort gab sie der Königin die nötigen Winke und diese wurde freundlich gegen Gramont. Alles ging auf einmal glatt und Gramonts Depeschen waren voll Hoffnung, Lob der Königin und Anerkennung der Verdienste der verbannten Favoritin. Da die Königin wußte, daß Gramont auf Berwick eifersüchtig war, welch letzterer ihr selbst nicht zusagte, so vermochte sie Gramont, zu Berwicks Abberufung mitzuwirken, machte ihm zugleich Hoffnung, daß die Wahl auf einen ihm befreundeten General fallen werde, lenkte die Wahl aber, durch Vermittlung ihrer Schwester, der Herzogin von Burgund und der Maintenon, auf Tessé, von dem sie wußte, daß er der Herzogin befreundet sei. Endlich fand sie die Umstände reif dazu, sich an Ludwig XIV. mit der Bitte zu wenden, daß der Prinzessin persönliches Gehör zu ihrer Verteidigung geschenkt werde. Diese geschickte Wendung bahnte dem König eine Brücke zu anständigem Rückzug und die Prinzessin erhielt in gnädigster Weise die Erlaubnis, nach Versailles zu kommen. Damit war ihr Triumph entschieden.

Auf Tessé gestützt, konnte die Königin wieder frei handeln. Sie ernannte Montellano zum Herzog und Granden II. Klasse. Rivas ward wieder entfernt und sein Posten zwischen Don Peter del Campo, Marquis von Mejerada als Staatssekretär, und Don Joseph Marquis von Grimaldo, als Minister der Finanzen und des Krieges, einem persönlichen Günstling des Königs und der Königin, geteilt, der jetzt seine lange, noch über Alberoni und Ripperda hinausreichende politische Laufbahn begann. Gramont erkannte, daß er getäuscht war, begann jetzt, seine Depeschen mit Vorwürfen gegen die Prinzessin und die Königin zu füllen, und benutzte den Beichtvater des Königs, diesen selbst zu einem Gefühle der Unwürdigkeit seiner Abhängigkeit von zwei Frauen zu bringen. Aber es war zu spät. Ludwig hatte den Charakter seines Neffen erkannt und sah besser als dieser, daß dessen jetzige Stimmung nicht von Dauer sein werde. Er hielt dafür, daß die Königin immer die Beherrscherin ihres Gemahls sein werde, und daß es das klügste sei, sich dieses Verhältnisses zu bedienen, statt den fruchtlosen Versuch zu machen, es aufzuheben. In der Tat nahm Philipp V. schon am 10. März 1705 die am Schlüsse des vorhergehenden Jahres getanen Äußerungen förmlich zurück und verlangte einen anderen Beichtvater.

Die Prinzessin Orsini wurde in Versailles auf das glänzendste empfangen. Der spanische Gesandte, Herzog von Alba, und andere vornehme Standespersonen fuhren ihr entgegen; Mitglieder der königlichen Familie beehrten sie mit ihren Besuchen; in ihrer Wohnung drängte sich eine Menge, wie bei königlichen Levers, und der entschiedenste Gegner ihrer Rückkehr, der Minister Torci, mußte ihr, auf ausdrücklichen Befehl des Königs, seine Aufwartung machen. Sie hatte häufige vertrauliche Unterredungen mit dem Könige und der Maintenon und erfuhr von Ludwig die außerordentlichsten Beweise von Gunst und Herablassung. Sie benahm sich in diesem Glücke mit Takt und Würde, gefiel sich aber doch so sehr darin, daß sie mit ihrer Rückkehr nach Madrid auffallend genug zögerte, um zuletzt selbst eine mißtrauische Eifersucht in der Maintenon zu erwecken. Man beeiferte sich nun, sie durch Erfüllung aller ihrer Wünsche zur Rückkehr zu bestimmen. Der König verdoppelte ihre Pension, so daß sie nun 20.000 Livres betrug, machte ihr reiche Geschenke, ließ ihr 12.000 Reichstaler Reisegelder auszahlen, gab ihrem Bruder, dem Herzog von Noirmoutier, eine reiche Grunddotation. Orri erhielt seine frühere Stelle wieder. Gramont ward abberufen und die Wahl seines Nachfolgers der Prinzessin überlassen. Sie fiel auf Amelot de Gournai, dem geeignetsten Gesandten, welchen Frankreich seit dem Herzog von Harcourt in Spanien gehabt, einen Mann, dessen Klugheit und Milde den Weg zu finden versprach, dem Vernünftigen und Nötigen selbst durch die spanischen Vorurteile Eingang zu verschaffen. Die Aufgabe war aber freilich jetzt schwieriger, als je; denn der Geist des Widerspruchs war, unter den vorhergehenden Intrigen, tief in die Verwaltung gedrungen und Montellano operierte jetzt selbst gegen die Rückkehr der Prinzessin.

Indes endlich erschien sie und zog (5. August 1705) wie im Triumphe in Madrid ein. Zwei Meilen weit kamen ihr König und Königin entgegen und luden sie, nach einer zärtlichen Umarmung ein, in dem königlichen Wagen Platz zu nehmen. Sie war jedoch zu taktvoll, die strengen Regeln der spanischen Etikette durch Annahme einer Ehre zu verletzen, zu welcher kein Untertau berechtigt war. Sie übernahm ihre Stellung als Camarera mayor, nachdem ihre Nachfolgerin, die Herzogin von Bejar, resigniert hatte, wieder und alles schien ins gleiche gebracht. Indes begangene Mißgriffe sind leichter zurückzunehmen, als ihre Folgen wieder gutzumachen. Die Widersetzlichkeit der spanischen Großen ermüdete selbst die Geduld der Prinzessin und die öffentlichen Unfälle nahmen rastlos zu. Auch die Entlassung Montellanos, an dessen Stelle der Korregidor von Madrid, Ronquillo, trat, half nur wenig.

Als jedoch die ernsteste Prüfung kam und der bourbonische Hof vor den siegreichen Waffen des Gegenkönigs Madrid zum ersten Male verlassen mußte (Juni 1706), ergab sich doch, daß der Oppositionsgeist mehr nur ein frondierender gewesen war, und vor dem Pflichtgefühl der Treue für den anerkannten König der spanischen Nation wich. Die meisten Großen folgten dem flüchtenden Hof nach Burgos und Madrid empfing die Sieger in düsterem Schweigen. Unter den wenigen, die sich dem König Karl III. anschlossen, befand sich derselbe Marquis von Rivas, den man bis dahin als das fügsamste Werkzeug der Franzosen gekannt hatte.

Es war der Orsini beschieden, daß jede Abweichung von wahrhaft richtiger Politik zugunsten persönlicher Stimmungen sich an ihr rächen sollte. Der Herzog von Berwick, der den Spaniern wieder zu Hilfe geschickt war, hatte durch die Schlacht von Almanza die Sachen Philipps wieder günstig gestellt, ward aber, auf Betreiben der Prinzessin, abberufen und durch den Herzog von Orleans ersetzt. In diesem erhielt die Prinzessin einen neuen Feind, und das sollte in einer viel späteren Zeit ihr noch Nachteil bringen. Wohl aber macht es, wenn man die wahre Stellung dieser Personen zueinander und die folgenden Vorgänge kennt, einen eigenen Eindruck, daß bei der prächtigen Taufe des Prinzen von Asturien (1717) der Herzog von Orleans, die Prinzessin Orsini und der Kardinal Portocarrero sich als die Haupthandelnden vereinigt fanden. Wenn übrigens die Prinzessin bald als Gegnerin des Herzogs auftrat, so handelte sie hierin nicht aus persönlichen Beweggründen, sondern in Treue gegen ihre Wohltäter. Der Herzog hatte nämlich selbst Absichten auf den spanischen Thron und rechnete auf den Fall, wo den Verbündeten die Konzession eines Rücktritts Philipps V. gemacht werden müsse. In dieser Absicht schürte er die Unzufriedenheit der spanischen Großen und überhaupt der Aragonesen, Valencianer und Katalanen, deren Vorrechte dem Uniformierungsgeist Kastiliens zum Opfer gebracht worden, und machte sich zum Organ ihrer Beschwerden. Auch nach seiner Zurückberufung setzte er, nicht ohne geheime Konnivenz Ludwigs, seine Verbindungen mit Spanien durch seinen Sekretär, Deslandes von Regnault und durch einen anderen Agenten, Flotte, fort. Aber die Prinzessin entdeckte diese Umtriebe und erwirkte die Verhaftung der beiden Agenten, die auch erst nach dem Sturze der Prinzessin in Freiheit gekommen sind. Es scheint sogar, als habe der Herzog mit den Engländern unterhandelt und sieh wenigstens einen Teil der spanischen Monarchie sichern wollen.

Diese Pläne, in Verbindung mit den allgemeinen Verhandlungen der Mächte, bei denen überall von spanischen Abtretungen die Rede war, benutzte der Hof, auf Anleitung der Prinzessin einen neuen Aufschwung des spanischen Nationalgeistes hervorzurufen. Der König berief seine Minister zu einem feierlichen Rate (April 1709), legte ihnen die Bedrängnisse des Staates und die Unsicherheit ferneren Beistandes von Frankreich vor, kündigte aber zugleich seinen Entschluß an, lieber zu sterben, als seine Krone aufzugeben, und appellierte an den Eifer und die Anhänglichkeit seiner Untertanen. Der 71jährige Portocarrero, der aus seiner Zurückgezogenheit zu dieser wichtigen Beratung geeilt war, gab dem Nationalgefühl den ersten Ausdruck und sühnte damit seinen früheren Abfall. Sein Beispiel und seine Ermahnungen riefen einen einstimmigen Ausbruch des Enthusiasmus hervor. Zugleich aber ward dem König die unverzügliche Verabschiedung aller Franzosen empfohlen und von ihm genehmigt. Nur die Prinzessin Orsini ward, auf Vermittlung der Königin, ausdrücklich ausgenommen. Der Herzog von Medina Celi kam als Minister der auswärtigen Angelegenheiten an die Spitze und der Marquis von Bedmar ward Kriegsminister. Zum ersten Male seit dem Beginn des Krieges war der Oberbefehl der spanischen Heere einem Spanier, dem Grafen von Aguilar, anvertraut. Geld und Mannschaften strömten in Masse herbei. Indes waren die Hilfsquellen zu erschöpft, die Verwaltungszweige zu sehr in Verfall und die neuen Minister hatten das Zutrauen des Königs zu wenig, als daß große Dinge zu verrichten gewesen wären, oder alle Mißstimmungen sieht gelegt hätten. Man mußte froh sein, daß der spanische Krieg auch von sehen der Feinde als Nebensache betrachtet und nachlässig geführt wurde. Die Prinzessin erbot sich, um das Murren der Spanier zu beschwichtigen, ihre Abberufung zu verlangen, ließ sich aber zum Bleiben bereden. Doch setzte sie den Abgang Arnelots durch, den der König so lange als möglich zu verzögern gesucht hatte, ungeachtet auch Amelot den eifersüchtigen Spaniern zuletzt ein Dorn im Auge gewesen war. Seinem Nachfolger sollte die Teilnahme an den Kabinettsverhandlungen nicht länger gestattet werden.

Im April 1710 wurde der Herzog von Medina Celi unter sehr geheimnisvollen Umständen gestürzt und nach Segovia, später nach Pampelona gesetzt, wo er am 26. Januar 1711 starb. Man suchte den Glauben zu erwecken, daß er den Verbündeten die geheimen Verhandlungen zwischen Frankreich und Spanien verraten habe. Andere haben gemeint, sein Sturz habe eben nur einen Ministerwechsel und die Einschüchterung der Granden zum Zwecke gehabt. Wenn es aber richtig ist, daß sich der Kaiser seiner annahm, so würde das doch für eine tiefere Schuld des Herzogs sprechen. Ronquillo wurde sein Nachfolger und bald darauf zum Grafen von Gramedo ernannt.

1711 war der Herzog von Noailles erst als General, dann als diplomatischer Agent, ohne den äußeren Charakter eines solchen, in Spanien. Obwohl ein alter guter Freund der Orsini, waren seine Berichte ihr doch auch ungünstig. Er unterlag dem Schicksal, was die meisten Franzosen befiel, sobald sie über die Pyrenäen kamen: er wollte Spanien regieren, u. zw. auf französische Art. Er konnte sich nicht darein finden, daß dieser König, der nur durch französische Waffen auf den Thron gehoben und gehalten worden, irgendwelche Schwierigkeiten machen könne, soviel von den spanischen Reichen zur Disposition Frankreichs zu stellen, als nur irgend das französische Friedensbedürfnis erfordern möchte, und auch noch jeden beliebigen Handelsvertrag zu unterschreiben. Er meinte, wenn Philipp nur Spanien und beide Indien behielte, so müsse er sich immer noch glücklich schätzen; das sei doch wahrlich eine schöne Apanage für einen jüngeren Bruder. Es sei im eigenen Interesse Frankreichs, daß Spanien etwas verliere: denn da die Spanier sich schon jetzt nicht fügten, was habe man von ihnen zu erwarten, wenn sie erst in Frieden und Sicherheit wären? Er schob die Schuld des vermeintlichen törichten Übermutes der Spanier auf die Königin und die Orsini und kam auf den unbesonnenen Gedanken, dem König zu raten, sich wegen der Kränklichkeit der Königin von ihrem Bett zu trennen und, wie die alten Patriarchen, auf die er sich ausdrücklich berief, eine Magd an seine Seite zu nehmen. Dieser Antrag erregte den Abscheu des treuen Gatten in einem solchen Grade, daß er ihn unverzüglich der Königin und der Prinzessin vertraute. Die Königin schrieb an ihre Schwester, die Herzogin von Burgund, die Orsini an die Maintenon, und Noailles, der solches Ärgernis gegeben, ward sofort zurückgerufen. Mit dieser Wendung hing auch der Sturz des Grafen Aguilar, der mit Noailles verbunden gewesen, zusammen.

Dem Noailles folgte der Marquis von Bonnac, als außerordentlicher Gesandter, dessen Instruktionen immer noch von dem Gedanken ausgehen, daß Spanien sich in alles fügen müsse, was Frankreich von ihm verlange. Sie erkennen das Bedürfnis des Königs Philipp, geleitet zu werden, den großen Einfluß der Prinzessin Orsini und deren redlichen Eifer, die Einigkeit der beiden Kronen zu fördern, an, lassen aber dahingestellt sein, ob sie nicht über die Mittel irre. Das Wahre war, sie wollte das spanische Interesse nicht unbedingt dem französischen opfern; sie glaubte nicht, daß solches Opfer so nötig und so durchführbar sei, wie man in Versailles wähnte. Dem auch von ihr als nötig und möglich Erkannten widerstrebte sie nicht, und Bonnac erwirkte von Philipp V. die Ermächtigung, den Engländern die Abtretung von Gibraltar und Minorca und den Assiento anzubieten.

Als es endlich zu dem Utrechter Kongreß kam, erhob namentlich der neue Finanzminister, Graf von Bergheik, früher Vizegouverneur der Niederlande, formelle Schwierigkeiten, welche nur durch den Einfluß der immer mächtiger werdenden Prinzessin zu besiegen waren. Sie setzte aber einen Preis auf ihre Mitwirkung, der die Höhe ihres Ehrgeizes bezeugt. Schon als sie vor längeren Jahren den König vermocht hatte, in eine dereinstige Abtretung der Niederlande an den Kurfürsten von Bayern zu willigen, hatte er ein kleines Territorium mit einem Ertrag von jährlich 30.000 Kronen vorbehalten. Jetzt kam er darauf zurück und nannte die bis dahin unbekannte Bestimmung desselben: es sollte eine unabhängige Souveränität für die Orsini begründen. In ihren Jahren und da sie keine Kinder besaß, ein doppelt seltsamer Wunsch. Indes Ludwig machte keine Schwierigkeit und sie empfing bereits die Glückwünsche des Hofes und den Titel Hoheit. Es war das Herzogtum Limburg, was man zu diesem Zwecke bestimmte, und die betreffende Klausel ward wirklich in den Vertrag zwischen Spanien und England und in den Utrechter Frieden gebracht. Aber die ganze Bestimmung der Niederlande ward eine andere und drehte sich so, daß die Einwilligung des Kaisers und der Generalstaaten notwendig wurde, welche nicht zu erlangen war. Die englische Regierung gab sich natürlich nicht viele Mühe für die Sache und Ludwig fand zuletzt auch den Punkt zu unbedeutend, als daß er deshalb den Weltfrieden hätte verzögern mögen.

In dieser Zeit starb die Königin von Spanien infolge einer Drüsenkrankheit, an der sie lange gelitten, im 26. Jahre ihres Lebens (14. Februar 1714). Außer sich vor Schmerz, überließ Philipp die Regierungsgeschäfte dem Kardinal del Giudice, einem neapolitanischen Prälaten, welcher vor kurzem Großinquisitor geworden war, und zog sich mit der Prinzessin, als Gouvernante des Prinzen von Asturien, in das Hotel des Herzogs von Medina Celi zurück. Da dieses jedoch nicht geräumig genug war, so richtete sich die Prinzessin in einem benachbarten Kapuzinerkloster ein, dessen Insassen einstweilen in einem anderen Kloster untergebracht wurden, und ließ eine offene Galerie, welche beide Gebäude verband, verdecken, um den königlichen Witwer zu jeder Zeit unbeobachtet besuchen zu können. Jetzt ward sie alleinige und unumschränkte Herrin. Sie entfernte, nach nur dreitägiger Verwaltung, den Kardinal del Giudice wieder und brachte den ihr unbedingt ergebenen Orri an die Spitze. Grimaldo ward auf das Departement des Krieges und der Indien beschränkt. An die Stelle Mejoradas trat Don Manuel Vedello, und die Leitung des Rates von Kastilien ward unter fünf Personen verteilt. Bergheik, der die Finanzen mit Orri teilen sollte, vertrug sich nicht mit diesem und ging nach Flandern zurück. Orri traf wichtige, durchgreifende und nützliche Reformen im Gebiet der Finanzverwaltung. Als er aber, unterstützt von dem Beichtvater Robinet und dem Generalfiskal von Kastilien, Don Melchior Mecanaz, auch die kirchlichen Immunitäten antasten wollte, erhob sich ein so gewaltiger, von der Inquisition ausgehender und auch von weltlichen Behörden unterstützter Widerstand, daß man den Gedanken aufgeben mußte.

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Gefährlicher für die Prinzessin waren auch jetzt ihre Differenzen mit Frankreich. Sie beharrte in ihrem Entschlüsse, den Frieden von der Erfüllung ihres Souveränitätsgelüstes abhängig zu machen. Ludwig befahl dem Herzoge von Berwick, sich nach Madrid zu begeben, um dem König zu kondolieren, zugleich aber und hauptsächlich seinen Beitritt zum Frieden zu erwirken. Die Prinzessin verhinderte diesen Besuch und ließ sich hinreißen, dem König die Bemerkung in die Feder zu geben: das Erscheinen Berwicks mit einer Armee vor Barcelona würde seinem Interesse vorteilhafter sein, als ein Kondolenzkompliment. Ludwig erwiderte gereizt, daß weder Truppen noch Schiffe nach Barcelona geschickt werden würden, bevor nicht der Friede mit Holland unterzeichnet sei. Die Prinzessin schickte Orri nach Katalonien, um zu sehen, ob nicht die eigenen Kräfte Spaniens hinreichend sein würden, die widerspenstige Provinz zu unterwerfen, und auch als sie sich von dem Gegenteil überzeugt hatte, begnügte sie sich, den französischen Hof von neuem um Hilfe zu drängen, ohne ihrerseits irgendwie nachzugeben, haderte vielmehr fortwährend mit dem französischen Gesandten. Erst als Ludwig eine Erklärung verbreiten ließ, daß er gesonnen sei, einen Separatfrieden zu schließen und Spanien sich selbst zu überlassen, und alle ihre Vorstellungen fruchtlos waren, gab sie nach und der Zwist schien beendigt.

Da kam aber wieder die neue Vermählung des Königs ins Spiel. Daß dieser nicht ohne Frau sein könne, war entschieden. Es bestand für ihn in dieser Beziehung das entschiedenste, fast als Krankheit zu betrachtende physische und ebenso ein moralisches Bedürfnis. (Alberoni pflegte von ihm zu sagen: er braucht nichts, als ein Weib und ein Gebetbuch.) Ludwig empfahl eine Prinzessin von Portugal, Bayern oder eine Conde. Die Prinzessin scheint aber zunächst an sich selbst gedacht zu haben. Ob das Gerücht, was sie in dieser Zeit allzuvertrauten Umganges mit dem Könige beschuldigt, begründet gewesen, muß dahingestellt bleiben. Sie war allerdings mindestens schon dicht am Rande der Siebzig, aber immer noch einnehmend, und bei einem Manne von Philipps Disposition war in diesem Punkte alles möglich. Mit größerer Bestimmtheit kann, nach den Versicherungen Alberonis und der nachherigen Königin Elisabeth und den eigenen Geständnissen des Königs selbst, angenommen werden, daß sie ernstlich den Plan hegte, sich an seine Seite zu schwingen. Es scheint, daß ein Rest von Scham, den der Beichtvater durch rechtzeitig angebrachte Sarkasmen in dem Sinne des Königs nährte, ihn von einem Schritte zurückgehalten hat, der ihn in den Avigen der Spanier jedenfalls sehr herabgesetzt haben würde. Sobald der König aber ihr Verlangen nicht zu erfüllen entschlossen war, mußte aus der Tatsache dieses Verlangens, dem Bewußtsein, wie nahe es an seiner Erfüllung gewesen und der Nichterfüllung desselben eine Stellung und Stimmung des Königs gegen die Prinzessin erwachsen, bei welcher der Wunsch einer völligen Trennung von ihr kaum ausbleiben konnte.

Es wäre Zeit für sie gewesen, sich in würdiger Weise zur Ruhe zu setzen. Spanien bedurfte ihrer nicht mehr. Aber sie beging jetzt einen Mißgriff auf den andern. Sie suchte nach der unbedeutendsten, unbedingt von ihr zu beherrschenden Braut, ohne sich zu erinnern, daß die verstorbene Königin nicht unbedeutend gewesen und doch ihrem Rate gefolgt war, weil er gut war. Hier ließ sie sich nun von dem schlauen Alberoni überlisten und gerade auf die Person lenken, die ihr die gefährlichste war: Elisabeth Farnese, Prinzessin von Parma. Die Wahl betrieb sie in höchstem Geheimnis, hinter Ludwigs Rücken, dem sie wohl die allgemeine Einwilligung zu einer Wiedervermählung des Königs abgewann, der aber den Gegenstand erst erfuhr, als alles schon zum Abschluß reif war, und dann sich über die Heimlichkeit und Eile, mit welcher alles betrieben worden, ärgerte. Endlich verdarb sich die Prinzessin das Verhältnis zu der neuen Königin vollends noch dadurch, daß sie, noch im letzten Augenblicke ihre Täuschung über den Charakter der Prinzessin von Parma erfahrend, den vergeblichen Versuch machte, alles wieder rückgängig zu machen.

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Der König, der sich ungemein auf seine neue, junge Gemahlin freute, ging ihr mit glänzendem Gefolge bis Guadalaxara entgegen. Zu Alcala schickte er die Orsini voraus und diese nahm eben einige Erfrischungen in Xadreca, einem kleinen, vier Meilen über Guadalaxara gelegenen Dorfe ein, als die Königin Elisabeth daselbst eintraf. Augenblicklich verließ sie die Tafel, ging der Königin bis an den Fuß der Treppe entgegen und küßte ihr kniend die Hand. Anscheinend gnädig empfangen, führte sie ihre königliche Gebieterin in ihr Zimmer. Wie erstaunte sie aber, als die Königin hier ihre Komplimente mit bitteren Vorwürfen unterbrach und sich stellte, als erschienen ihr der Anzug, wie das Benehmen der Prinzessin als ehrfurchtswidrig. Eine milde Entschuldigung rief nur neuen Zorn hervor. Die Königin hieß sie schweigen und rief zur Wache: »Schafft dies tolle Weib hinaus, die es gewagt hat, mich zu beleidigen!« half sogar selbst, sie aus dem Zimmer zu drängen. Die Königin rief nun den die Wache befehligenden Offizier, Generalleutnant Grafen Amezaga, und befahl ihm, die Prinzessin zu verhaften und an die Grenze zu führen. Erstaunt stellte der Offizier vor, daß der König allein die Macht habe, einen solchen Befehl zu erteilen. Sie rief unwillig aus: »Haben Sie nicht den Befehl Seiner Majestät, mir unbedingt zu gehorchen?« Als er das bejahte, sprach sie ungeduldig: »Nun, so gehorchen Sie mir«. Da er auf einer schriftlichen Ermächtigung bestand, so rief sie nach Feder und Tinte und schrieb den Befehl auf ihrem Knie.

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Die Prinzessin ward sogleich, ohne sich umkleiden zu dürfen, in eine Kutsche gesetzt und mit nur einer weiblichen Begleiterin und zwei Offizieren, unter Geleit von 50 Dragonern, die ganze Nacht hindurch, eine kalte, finstere Winternacht, gefahren. Anfangs war sie vor Erstaunen ganz betäubt; dann fühlte sie Unwillen und Verzweiflung; dann begann sie auf den König und ihre zahlreichen Anhänger Hoffnungen zu setzen. Als man am Morgen anhielt, um die Pferde zu füttern, brach sie ihr Schweigen, drückte ihren Gefährten, welche selbst im höchsten Grade betroffen waren und sie zu trösten suchten, ihre Verwunderung über das Vorgegangene aus und erzählte ihnen dessen nähere Umstände. Als aber bei fortgesetzter Reise keine Nachricht vom König eintraf, wurde ihre Hoffnung schwächer, empfand sie die zahlreichen Entbehrungen und Beschwerden, denen sie bei so unvorbereiteter Reise, in solcher Jahreszeit und in dem ungastlichen Spanien ausgesetzt war, bitterer und brach öfters in heftigen Unmut aus. Sie war ganz von Geld entblößt, mußte von ihren Begleitern borgen und erst später holte sie ein Bote mit 1000 Pistolen ein. Am dritten Tage ihrer Reise trafen sie ihre beiden Neffen, der Graf von Chalois und der Prinz von Lanti, die ihr nachgeeilt waren. Sie sah aus deren Berichten deutlich, daß sie vom Hofe keine Änderung ihres Schicksals zu erwarten hatte. Ihr selbst brachten sie nur ein kaltes Schreiben, worin ihr erlaubt ward, an dem Platz zu bleiben, wo sie sie einholen würden und worin man ihr die richtige Fortzahlung ihrer Pension versprach. Nun sie sah, daß alles entschieden war, wurde sie ruhig und gefaßt, ertrug jede Beschwerde und erwarb sich durch Geduld und Standhaftigkeit die Bewunderung ihrer Begleiter.

Nach einer Reise von 23 Tagen kam sie nach St. Jean de Luz, wo sie sich selbst überlassen wurde. Sie suchte eine Audienz bei der verwitweten Königin von Spanien nach, was ihr aber abgeschlagen ward. Dann schrieb sie an die Maintenon, an Ludwig und an die Minister. Nach einigem Verzug ward ihr erlaubt, nach Paris zu kommen, wo sie im Hause ihres Bruders, des Herzogs von Noirmoutiers, abstieg und viele Besuche Neugieriger empfing. Auch in Versailles freundlich aufgenommen und mit 40.000 Francs Pension versehen, nahm sie ihre natürliche Heiterkeit wieder an. Da aber näherte sich der spanische Hof dem Herzog von Orleans, schob die Schuld ihres Zwiespalts auf die Prinzessin und bewog ihn, bei Hofe Schritte gegen die Orsini zu tun, welche zu einem Verbot an sie führten, irgendwo zu erscheinen, wo sich ein Mitglied der Familie Orleans befände.

Eine Zeitlang blieb sie noch in der Nähe des Hofes. Als aber der König auf sein Sterbelager sank, fürchtete sie die Rache des Herzogs von Orleans und verließ Paris. Holland verweigerte ihr die Aufnahme, und sie ging erst nach Avignon, dann nach Genua. So lange Papst Klemens XI. lebte (gest. 18. März 1721), durfte sie auch nicht nach Rom. Unter Innozenz XIII. erhielt sie diese Erlaubnis, kehrte somit auf den Schauplatz zurück, der die Wiege ihrer Größe gewesen war und an den sich so merkwürdige Erinnerungen knüpfen mußten und tröstete sich mit einem Schatten ihrer zeitherigen Wirksamkeit, indem sie im Hause des Prätendenten die Honneurs machte. Sie starb aber schon 1722.

Man ist überzeugt, daß die Königin infolge eines geheimen Befehls gehandelt, den sie von ihrem Gemahl erhalten und die Gelegenheit vom Zaun gebrochen, sich sofort von der Prinzessin loszumachen. Mit der Orsini stürzten auch Orri und seine Anhänger. Orri zog sich nach Frankreich zurück. An die Stelle des Beichtvaters Robinet, der es jetzt bereuen mochte, daß auch er der Prinzessin entgegengewirkt, trat wieder d'Aubenton und Grimaldo trat in seine alte, noch erweiterte Wirksamkeit.


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