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Die Taubenlegende

Joseph

Aus seiner Türe
tritt Sankt Joseph und prüft den Wind,
ob er noch immer aus Norden führe.
Hell kreischt des Zimmermanns Kind.

Über den Platz vom Tempel her
gleißt Hohn.
Starr umschimmert von Schild und Speer
prahlen die Adler der Legion.

Und Sankt Joseph seufzt so tief,
krault seinen Bart.
Mit dem Winde ein Raunen lief
geheimer Art.

Wendet der Heilige um ins Haus,
blickt am Giebel empor.
Da fliegt eine Taube mit Gebraus
aus dem Fenster hervor.

Rüttelt über dem Schindelfirst,
zieht klaren Kreis,
daß der trübe Himmel zerbirst,
leuchtet blau und weiß.

Die Adler wanken und fallen um
in Staub und Sand.
Millionen legen stumm
Schild und Speer aus der Hand.

Hoch steht die Taube in reiner Luft,
glänzt als ein Diadem.
Maiwind trägt köstlichen Rosenduft
durch Jerusalem.

Und Sankt Joseph öffnet froh
Türen und Fenster dem Wind.
Maria kniet vor dem gelben Stroh
und küßt das jauchzende Kind.

Illustration: Rudolf Schiestl

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