Hermann Bote
Till Eulenspiegel
Hermann Bote

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Die 88. Historie sagt, wie Eulenspiegel für die Blinden einen Bürgen stellte.

Eulenspiegel dachte, es sei an der Zeit, daß die Blinden das Geld verzehrt hätten. Er verkleidete sich und ritt in die Stadt zu dem Wirt in die Herberge. Als er in den Hof kam und sein Pferd im Stall anbinden wollte, sah er, daß die Blinden im Schweinestall lagen. Da ging er in das Haus und sagte zu dem Wirt: »Herr Wirt, was denkt Ihr Euch dabei, daß die armen blinden Leute so in dem Stall liegen? Erbarmt es Euch nicht, daß sie essen, wovon ihnen Leib und Leben weh tut?« Der Wirt sprach: »Ich wollte, sie wären dort, wo alle Wasser zusammenlaufen. Wenn nur meine Kost bezahlt wäre!« Und er erzählte ihm alles, wie er mit den Blinden betrogen worden sei.

Eulenspiegel sagte: »Wie ist es, Herr Wirt, können sie keinen Bürgen bekommen?« Der Wirt dachte: O hätte ich jetzt einen Bürgen! und sprach: »Freund, könnte ich einen sicheren Bürgen bekommen, den nähme ich und ließe die unseligen Blinden laufen.« Eulenspiegel sagte: »Wohlan, ich will in der ganzen Stadt herumhören und sehen, daß ich für Euch einen Bürgen finde.«

Da ging Eulenspiegel zu dem Pfarrer und sprach: »Mein lieber Herr Pfarrer, wollt Ihr wie ein guter Freund handeln? Mein hiesiger Wirt ist in dieser Nacht von einem bösen Geist besessen worden. Er läßt Euch bitten, ihm diesen wieder auszutreiben.« Der Pfarrer sagte: »ja, gern, aber er muß einen Tag oder zwei warten, solche Dinge kann man leicht übereilen.« Eulenspiegel entgegnete: »Ich will gehen und seine Frau holen, damit Ihr es zu ihr selber sagt.« Der Pfarrer sprach: »Ja, laß sie herkommen.«

Da ging Eulenspiegel wieder zu seinem Wirt und sagte zu ihm: »Ich habe Euch einen Bürgen besorgt, das ist Euer Pfarrer. Der will dafür gutsagen und Euch geben, was Ihr haben sollt. Laßt Eure Frau mit mir zu ihm gehen, er will ihr das zusagen.« Der Wirt war damit einverstanden und froh darüber, und er sandte seine Frau mit Eulenspiegel zu dem Pfarrer. Da hob Eulenspiegel an: »Herr Pfarrer, hier ist die Frau. Sagt ihr nun selber, was Ihr mir zugesagt und gelobt habt!« Der Pfarrer sprach: »Ja, meine liebe Frau, wartet einen Tag oder zwei, so will ich ihm helfen.« Die Frau sagte ja, ging mit Eulenspiegel wieder nach Hause und sagte das ihrem Ehemann. Der Wirt war froh, ließ die Blinden gehn und sprach sie ihrer Schuld ledig. Eulenspiegel aber machte sich reisefertig und verschwand unauffällig.

Am dritten Tag ging die Frau zum Pfarrer und mahnte ihn wegen der 12 Gulden, die die Blinden verzehrt hatten. Der Pfarrer sagte: »Liebe Frau, hat Euch Euer Mann das so geheißen?« Die Frau bejahte. Da sprach der Pfarrer: »Das ist der bösen Geister Eigenschaft, daß sie Geld haben wollen.« Die Frau sagte: »Das ist kein böser Geist; bezahlt ihm die Kost!« Der Pfarrer sprach: »Mir ist gesagt worden, Euer Ehemann sei vom bösen Geist besessen. Holt mir ihn her, ich will ihn davon befreien mit Gottes Hilfe.« Die Frau sagte: »Das pflegen Schälke zu tun, die zu Lügnern werden, wenn sie bezahlen sollen. Ist mein Mann vom bösen Geist gefangen, so sollst du das heute noch zu spüren bekommen.«

Und sie lief nach Hause und erzählte ihrem Ehemann, was der Pfarrer gesagt hatte. Der Wirt nahm Spieß und Hellebarde und lief damit zum Pfarrhof. Der Pfarrer wurde dessen gewahr, rief seine Nachbarn zu Hilfe, bekreuzigte sich und sprach: »Kommt mir zu Hilfe, meine lieben Nachbarn! Seht, dieser Mensch ist besessen von einem bösen Geist!« Der Wirt sagte: »Pfaffe, gedenke deiner Worte und bezahle mich!« Der Pfarrer stand und bekreuzigte sich wieder. Der Wirt wollte auf den Pfarrer einschlagen, die Bauern aber kamen dazwischen und konnten die beiden nur mit großer Mühe auseinanderbringen.

Und solange der Wirt und der Pfarrer lebten, mahnte der Wirt den Pfarrer wegen der Kosten. Der Pfarrer sprach, er sei ihm nichts schuldig, sondern der Wirt sei vom bösen Geist besessen, und er wolle ihn bald davon befreien. Das währte, solange die beiden lebten.


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